Unsere Medienstruktur hat sich innerhalb des vergangenen Jahrzehnts rasant geändert. Das Internet versetzt in den meisten Bereichen die übrigen Medien auf die hinteren Plätze: Das Internet ist schnell — Informationen werden beinahe ohne Verzögerung übertragen; es ist die umfangreichste Sammlung von Informationen und die neueste Generation von Internetnutzern tendiert dazu, rund um die Uhr damit verbunden zu sein.
Der immer höheren Geschwindigkeit dieses Mediums steht die Statik des Buches gegenüber: Seit Jahrzehnten, gar Jahrhunderten gelten hier stets die gleichen Maßstäbe. Noch heute wird Wert darauf gelegt, dass sich Schüler mit der Literatur aus längst vergangenen Epochen beschäftigen.
Immer öfter stoßen diese so unterschiedlichen Medien jedoch aufeinander. Nicht nur, dass sie womöglich öfter in Konkurrenz zueinander geraten. Das Internet scheint die Art, wie wir Bücher wahrnehmen, zu beeinflussen. Besonders interessant sind Ansätze, wo Internet und Literatur eine gemeinsame Zukunft suchen.
Ziel dieser Arbeit ist es, eine Antwort auf die Frage zu finden, welchen neuen Entwicklungen das Internet für das Buch und seine Leser auslöst. Diese Problemstellung ist von zwei Seiten zu betrachten. Die eine Seite beschäftigt sich mit den Potentialen für Literatur im Internet. Die andere Seite ist eine Untersuchung der Auswirkungen des Internets auf unser Leseverhalten. Darüber hinaus werde ich zu Beginn ein Bild der aktuellen Lage der Lesekultur in Deutschland erstellen, um die Ausgangssituation möglicher Entwicklungen festzuhalten. Zum Schluss soll zudem eine Antwort auf die Frage gefunden werden, welchen Platz das Buch im Medienportfolio der Zukunft einnimmt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Schreib- und Lesekultur in Deutschland: Eine Bestandsaufnahme
2.1 Studie der Stiftung Lesen: Lesen in Deutschland 2008
2.2 Eigene Umfrage: „Lesen und Internet“
2.3 Gesamtsituation: Wir lesen mehr — aber anders
3. Neue Wege für Literatur: Wie sich die Form von Texten verändert
3.1 Die kurze Geschichte der „Netzliteratur“
3.2 Neue Formen von Literatur im Internet
3.3 Über die Zukunft des Buches
4. Wie sich unser Leseverhalten verändert
4.1 Ergebnisorientiertes Lesen
4.2 Fachbuch gegen Belletristik: Eine Prognose für den Buchmarkt
5. Fazit
Schlusswort
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
Unsere Medienstruktur hat sich innerhalb des vergangenen Jahrzehnts rasant geändert. Das Internet versetzt in den meisten Bereichen die übrigen Medien auf die hinteren Plätze: Das Internet ist schnell — Informationen werden beinahe ohne Verzögerung übertragen; es ist die umfangreichste Sammlung von Informationen und die neueste Generation von Internetnutzern tendiert dazu, rund um die Uhr damit verbunden zu sein.
Der immer höheren Geschwindigkeit dieses Mediums steht die Statik des Buches gegenüber: Seit Jahrzehnten, gar Jahrhunderten gelten hier stets die gleichen Maßstäbe. Noch heute wird Wert darauf gelegt, dass sich Schüler mit der Literatur aus längst vergangenen Epochen beschäftigen.
Immer öfter stoßen diese so unterschiedlichen Medien jedoch aufeinander. Nicht nur, dass sie womöglich öfter in Konkurrenz zueinander geraten. Das Internet scheint die Art, wie wir Bücher wahrnehmen, zu beeinflussen. Besonders interessant sind Ansätze, wo Internet und Literatur eine gemeinsame Zukunft suchen.
Ziel dieser Arbeit ist es, eine Antwort auf die Frage zu finden, welchen neuen Entwicklungen das Internet für das Buch und seine Leser auslöst. Diese Problemstellung ist von zwei Seiten zu betrachten. Die eine Seite beschäftigt sich mit den Potentialen für Literatur im Internet. Die andere Seite ist eine Untersuchung der Auswirkungen des Internets auf unser Leseverhalten. Darüber hinaus werde ich zu Beginn ein Bild der aktuellen Lage der Lesekultur in Deutschland erstellen, um die Ausgangssituation möglicher Entwicklungen festzuhalten. Zum Schluss soll zudem eine Antwort auf die Frage gefunden werden, welchen Platz das Buch im Medienportfolio der Zukunft einnimmt.
2. Schreib- und Lesekultur in Deutschland: Eine Bestandsaufnahme
Das Lesen scheint mittlerweile einen schweren Stand in Deutschland zu haben. Seit der Veröffentlichung der ersten Pisa -Studie im Jahr 2000 wird über die Dämmerung der Lesekultur im Land der Dichter und Denker berichtet. Ende 2008 veröffentlichte die Stiftung Lesen eine Studie1 über die Lesegewohnheiten der Deutschen, die sich genauer mit der Thematik befasste. Die Ergebnisse beider Studien scheinen eindeutig: Jeder Vierte greife nie zum Buch2, besonders Jugendlichen und jungen Erwachsenen verginge die Lust am Lesen3. In der Öffentlichkeit löste die Studie eine rege Diskussion über die Zukunft der Lesekultur in Deutschland aus.
Ich habe mir die Frage gestellt, inwieweit sich von diesen Befunden Schlüsse auf die künftige Entwicklung der Lesekultur in Deutschland schließen lassen. Des Weiteren werde ich die Resultate der Studien überprüfen, da die Befunde durchaus andere Interpretationen zulassen. Dazu werde ich die Ergebnisse der bereits erwähnten Studie der Stiftung Lesen mit einer eigenen Umfrage vergleichen.
2.1 Studie der Stiftung Lesen: Lesen in Deutschland 2008
„Jugendliche und Erwachsene in Deutschland verlieren die Lust am Lesen,“4 schreibt die Süddeutsche Zeitung, nachdem die Ergebnisse der Studie im Dezember 2008 vorgestellt wurden.
Durch die Studie sollte ein Bild der Lesekultur in Deutschland erstellt werden. Dabei wurden vor allem Daten über das Leseverhalten und die Nutzung verschiedener Medien ermittelt5. Dazu wurden im Zeitraum von Mai bis Juli 2008 2552 Personen ab 14 Jahre aus deutschsprachigen Haushalten zu ihrem Leseverhalten befragt6.
Die Stiftung Lesen stellt fest, dass das Lesen von Büchern als Freizeitbeschäftigung mittlerweile eine untergeordnete Rolle spielt. Nur 16% der Befragten gaben an, in ihrer Freizeit Sach- und Fachbücher zu, lesen, 17% beschäftigten sich mit Romanen,
Erzählungen oder Gedichten7. Auffallend ist auch, dass sich eine immer größer werdende Schere zwischen Viellesern
und Wenig- bis Nichtlesern bildet. So ist laut Studie ein signifikanter Rückgang der „Lese-Mittelschicht“ zu verzeichnen, während die Zahl der Vielleser konstant bleibt und die Zahl der Wenigleser ansteigt8.
Anzahl jährlich gelesener Bücher9
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Besonders die Art, wie wir lesen, hat sich laut Studie verändert. Das sogenannte „Häppchenlesen“ nimmt zu. So greifen seit den vergangenen Jahren wieder mehr Leute täglich zum Buch, dennoch sinkt die Zahl der jährlich gelesenen Bücher deutlich im Vergleich zum Jahr 200010.
Schließlich stellt die Stiftung Lesen Printprodukte und Digitale Medien gegenüber. In der Studie ist vom „Lesen am Bildschirm“ die Rede. Besonders Männer, junge Erwachsene und höher Gebildete seien offen für elektronische Leseangebote11. Es werden jedoch deutlich die Vorteile von Printprodukten genannt. Printprodukte seien vertrauenswürdiger, böten mehr Orientierung und Mobilität12.
Insgesamt zeichnet die Stiftung Lesen ein pessimistisches Bild. In allen Bereichen des beruflichen, gesellschaftlichen und politischen Lebens bleibe „ein viel zu großer Teil der Bevölkerung […] außen vor, wenn es um schriftliche Kommunikation geht,“13 resümiert die Stiftung Lesen. Es gebe zwar nach wie vor eine Gruppe von Viellesern sowie die Gruppe der gebildeten „Vielmediennutzer“, jedoch verliere die sogenannte „Lese-Mittelschicht“ an Gewicht, immer mehr Leute lesen nur noch sehr selten, jeder Vierte lese nie14. Außerdem hat man es laut Studie vermehrt mit Lesern zu tun, die einseitig auf Spannung und Unterhaltung fixiert seien. Buchleser lesen in Häppchen, mehrere Bücher nebeneinander und bei Nichtgefallen niemals zu Ende15.
Es stellt sich die Frage, inwieweit dieses schlechte Zeugnis der Stiftung Lesen für die deutsche Lesekultur berechtigt ist. Die Stiftung Lesen wird, dies sei an dieser Stelle betont, von der Printbranche finanziert16. So wird der Stiftung häufig vorgeworfen, einseitig auf gedruckte Medien fixiert zu sein. „Das Internet ist die große Leerstelle in der zeitgenössischen Leseforschung,“17 schreibt die ZEIT. In der untersuchten Studie wird dies besonders deutlich: Für die Stiftung Lesen ist das Buch der Maßstab. Unter dem Titel „Lesen in Deutschland 2008“ wird versucht, eine Übersicht über das Leseverhalten der Deutschen zu erstellen. Erfasst wird, wie, wie viel und wie oft, wie lange und warum wir Bücher lesen. Das Lesen im Internet dagegen spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dabei hat das Internet als Freizeitbeschäftigung unlängst alle anderen Medien auf die hinteren Plätze verdrängt. Was der Stiftung Lesen dabei entgangen zu sein scheint: Das Internet ist ein Textmedium. Zwar hat das Internet mehr und mehr einen interaktiven Charakter, Videos, Fotos und Musik werden hier konsumiert, im Fokus steht jedoch der Text. Inhalte werden kommentiert und diskutiert, die Kommunikation findet zum größten Teil über Texte statt. Somit ist davon auszugehen, dass wir heute mehr Lesen als jemals zuvor.18 Es besteht Grund zur Annahme, dass die von der Stiftung Lesen gemessenen Trends mit der Expansion des Internets zusammenhängen.
2.2 Eigene Umfrage: „Lesen und Internet“
Da die Ergebnisse der Studie der Stiftung Lesen das Medium Internet kaum mit einbeziehen, hielt ich es für sinnvoll, eine eigene Umfrage über das Leseverhalten im Internet durchzuführen. Die Ergebnisse sind natürlich in keiner Weise repräsentativ, sie dienen jedoch dazu, das Ausmaß des Lesens im Internet zu veranschaulichen. Im Rahmen der Umfrage habe ich 28 Personen im Alter von 11 bis 71 Jahren befragt, wobei 21 der Befragten im Alter von 15 bis 18 Jahren sind.
- Wie viel Zeit verbringst du täglich im Internet?
Mittlerweile verbringen besonders
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Jugendliche einen Großteil ihrer Freizeit im Internet. Ältere Internetnutzer hingegen beschränken sich eher auf gelegentliche Nutzung. Die meisten Befragten verbringen zwei bis vier Stunden täglich im Netz. Bei Smartphone-Nutzern liegt die Stundenzahl sogar deutlich höher.
- „Ich verbringe im Internet die meiste Zeit mit dem Lesen und Schreiben von Texten“
26 von 28 Befragten stimmten der Aussage zu. Die meiste Zeit verbringen Jugendliche in Sozialen Netzwerken, die Kommunikation findet hier auf Textebene statt. Besonders hier werden junge Leute zum Schreiben angeregt. Ältere hingegen nutzen das Internet eher passiv als Nachrichtenquelle und Nachschlagwerk.
Die Stiftung Lesen ermittelte in ihrer Studie, dass 9% der Befragten täglich Bücher lesen19. Im Internet hingegen verbringen viele mehrere Stunden täglich mit dem Lesen verschiedenster Texte. Ein Fazit der Studie lautet „,Lesen am Bildschirm‘ ist im Alltag der Deutschen angekommen.“20 Besonders für Jugendliche und junge Erwachsene gilt mittlerweile sogar, dass vorwiegend am Bildschirm gelesen wird. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend fortsetzt.
2.3 Gesamtsituation: Wir lesen mehr — aber anders
Es steht gar nicht so schlecht um die deutsche Lesekultur, wie zunächst angenommen. Insgesamt wird sogar mehr als je zuvor gelesen.
Studien wie die der Stiftung Lesen beschäftigen sich speziell mit Printmedien, vor allem Bücher stehen im Fokus. Es steht fest: Das Buch verliert an Bedeutung. Es gibt zwar nach wie vor eine große Gruppe, die dem Buch treu bleibt21, für den größeren Teil der Bevölkerung spielen andere Medien eine größere Rolle (Näheres über die Zukunft des Buches in Kapitel 3.3). Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene greifen immer seltener auf Printmedien zurück. Dies heißt jedoch nicht, dass wir weniger lesen, wir lesen nur anders. Das Internet hat unser Leseverhalten stark beeinflusst. Dies wiederum wirkt sich auch auf unseren Umgang mit Literatur aus (siehe Kapitel 4).
Wir befinden uns in einer Phase des Umbruchs. Das Internet bietet ganz neue Potentiale für unsere Schreib- und Lesekultur. Wo diese Entwicklung hingeht, ist eine interessante Frage. In den folgenden Kapiteln geht es darum, eine Antwort darauf zu finden.
[...]
1 Stiftung Lesen, Lesen in Deutschland 2008, Mainz, 2008
2 Ebd., S.63
3 Vgl. Hg. Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, PISA 2000: Die Studie im Überblick: Grundlagen, Methoden und Ergebnisse., Berlin 2002, S.10
4 B. Taffertshofer, „So wird das nie was mit Pisa“, SZ Online, 04.12.2008 (28.02.2011), www.sueddeutsche.de/kultur/studie-deutsche-lesen-weniger-so-wird-das-nie-was-mit-pisa-1.385516
5 Vgl. Stiftung Lesen, Lesen in Deutschland 2008, Mainz, 2008, S. 6
6 Vgl. ebd., S. 8
7 Vgl. ebd., S. 49
8 Vgl. ebd., S. 56f.
9 Vgl. ebd., S. 26
10 Vgl. ebd., S. 28f.
11 Vgl. ebd., S. 37
12 Vgl. ebd., S. 66
13 Stiftung Lesen, Lesen in Deutschland 2008, Mainz, 2008, S. 63
14 Vgl. ebd., S. 55-61, S. 64
15 Vgl. ebd., S. 29, S. 31, S. 65
16 Vgl. Jens Jessen, „Hurra, wir lesen noch!“, in: Die Zeit Nr. 30/2010 S. 39
17 Ebd., S. 39
18 Ebd., S. 39
19 Vgl. Stiftung Lesen, Lesen in Deutschland 2008, Mainz, 2008, S. 24
20 Ebd., S. 66
21 Ebd, S. 57
- Citation du texte
- Georg Lukas Grob (Auteur), 2011, Neue Wege für Literatur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213432
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