Im folgenden werde ich anhand der Ausführungen von Robert-Alain de Beaugrande und Wolfang Ulrich Dressler die Begriffe Informativität, Situationalität und Intertextualität erklären.
Intertextualität, Situationalität und Informativität sind wichtige Kriterien für die Textualität und hängen sehr eng miteinander zusammen. Zusammen mit den vier anderen Textualitätskriterien Kohäsion, Kohärenz, Intentionalität und Akzeptabilität fungieren sie als sogenannte „Konstitutive Prinzipien“ (Searle), die bei der Textrezeption und –produktion nach Möglichkeit berücksichtigt werden sollten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Informativität
2.1 Einstufung der Informativität in eine Skala
2.2 Quellen menschlicher Erwartung
3. Situationalität
3.1 Situationskontrolle
3.2 Situationslenkung
4. Intertextualität
4.1 Textsorte
4.2 Textanspielung
4.3 Intertextualität in der Konversation
4.4 Wiedergabe rezipierter Texe
5. Zusammenfassung und Konklusion
Quelle
1. Einführung
Im folgenden werde ich anhand der Ausführungen von Robert-Alain de Beaugrande und Wolfang Ulrich Dressler die Begriffe Informativität, Situationalität und Intertextualität erklären.
Intertextualität, Situationalität und Informativität sind wichtige Kriterien für die Textualität und hängen sehr eng miteinander zusammen. Zusammen mit den vier anderen Textualitätskriterien Kohäsion, Kohärenz, Intentionalität und Akzeptabilität fungieren sie als sogenannte „Konstitutive Prinzipien“ (Searle[1]), die bei der Textrezeption und –produktion nach Möglichkeit berücksichtigt werden sollten.
2. Informativität
Unter Informativität, dem 5. Textualitätskriterium versteht man laut Dressler/ Beaugrande „das Ausmaß, bis zu dem eine Darbietung für den Rezipienten neu oder unerwartet ist.“
Informativität bezieht sich vor allem auf den Inhalt, kann sich jedoch auch auf Sprachsysteme wie Syntax oder Phonologie beziehen. Zum Beispiel kann eine unerwartete/ unbekannte Phonologie hochgradig informativ sein und dazu anregen, Assoziationen herzustellen und zu interpretieren.
Die Verarbeitung solcher hochgradig informativer Texte ist anstrengender als die Verarbeitung weniger informativer, ist dafür aber auch interessanter; geringe Informativität verursacht hingegen leicht Langeweile.
Allerdings beansprucht hohe Informativität auch viel Aufmerksamkeit (=“Verbrauch von Verarbeitungspotential, der das Potential, das gleichzeitig für andere Aufgaben zur Verfügung steht, einschränkt“); das heißt, wenn die Aufmerksamkeit zum Beispiel auf Kohärenz und Kohäsion konzentriert wird, wird anderen Systemen, wie zum Beispiel dem Inhalt, weniger Bedeutung beigemessen.
2.1 Einstufung der Informativität in eine Skala
Dressler/Beaugrande stufen die Informativität in eine Skala mit drei Informativitätsstufen ein, um bestimmte Vorkommensfälle/Nachrichten im Hinblick auf ihre Informativität einordnen zu können:
So haben triviale Vorkommensfälle nur Informativität erster Stufe, da sie geringe Aufmerksamkeit beanspruchen und der Verarbeitungsaufwand durch Standardverfahren (Standardfälle[2] und Präferenzen[3]) minimiert werden kann. Hierbei bleibt viel Aufmerksamkeit für höher eingestufte Vorkommensfälle.
Funktionswörter (Artikel, Präpositionen, Konjunktionen) zum Beispiel haben im Gegensatz zu Inhaltswörtern nur geringe Informativität und können in manchen Fällen weggelassen werden.
Ein bekanntes Beispiel für Informativität erster Stufe ist der Text auf dem Stoppschild, der durch Farbe und Form des Schildes völlig vorhersehbar ist und somit erwartet wird; durch seine geringe Informativität soll dieser Text die Aufmerksamkeit für andere Verkehrsbedingungen freihalten.
Oft wiederholte Werbung kann zum Beispiel auch geringe Informativität haben. Die Folge ist Überdruß.
Informativität erster Stufe ist auf jeden Fall in jedem Text vorhanden, unabhängig davon, wie trivial der Vorkommensfall ist.
Informativität zweiter Stufe tritt bei den meisten Texten auf. Diese zweite Stufe kann auch dadurch erreicht werden, daß Vorkommensfälle erster Stufe aufgewertet (da sie uninteressant und schwer zu konstruieren sind) und solche dritter Stufe abgewertet werden.
Diese zweite Stufe wird von den meisten Textproduzenten angestrebt, da sie weder zu uninteressant, noch zu schwer verständlich ist.
Informativität dritter Stufe tritt nur selten auf, da solche Vorkommensfälle viel Verarbeitungspotential und Aufmerksamkeit beanspruchen. Dies liegt daran, daß in den meisten Fällen Diskontinuitäten (wenn Material in der Struktur fehlt) und Diskrepanzen (wenn die im Text dargestellten Muster nicht mit denen des gespeicherten Wissens übereinstimmen) auftreten. In diesen Fällen muß der Rezipient eine Motivationssuche vornehmen, das heißt, er muß herausfinden, „was die Vorkommensfälle bedeuten, warum sie gewählt wurden und wie sie wieder in die Kontinuität des Zusammenhanges integriert werden können (zum Teil durch Inferenzziehung).“Dabei handelt es sich um eine besondere Form der Problemlösung.
Wenn der Rezipient mit seiner Suche erfolgreich war, stellt er fest, dass der Text doch nicht Informativität dritter Stufe enthält und wertet damit den Vorkommensfall ab. Dies kann allerdings nur über die Motivationssuche und der darauf folgenden Abwertung ablaufen, das heißt, der Rezipient kann sich diesen bestimmten Vorkommensfall nicht ohne die Motivationssuche erklären.
Texte dieser Informativitätstufe sind die interessantesten Texte, da in diesem Fall die Unüblichkeit des Vorkommensfalles die Verarbeitung zu einer interessanten Herausforderung macht.
Die bereits angesprochene Auf- bzw. Abwertung kann in drei Richtungen ablaufen:
Bei einer Auf-/ Abwertung nach rückwärts, nimmt der Rezipient eine Motivationssuche in früheren Vorkommensfällen vor, das heißt, er kann sich diesen Vorkommensfall durch frühere Textpassagen erklären.
Nimmt der Rezipient eine Auf-/ Abwertung nach vorwärts vor, werden bei der Motivationssuche spätere Vorkommensfälle in Betracht gezogen.
Im Gegensatz zu diesen beiden Richtungen, bei denen die Motivationssuche innerhalb des Textes stattfindet, sucht der Rezipient bei der Auf-/ Abwertung nach außen die Motivation außerhalb des Textes oder Diskurses.
In der Regel werden Vorkommensfälle dritter Stufe abgewertet und solche erster Stufe aufgewertet.
[...]
[1] John R. Searle, bekannt durch seine Sprechakttheorie
[2] „Operationen und Selektionen, die in Abwesenheit von entgegengesetzten Indikatoren selbstverständlich sind“
[3] „Operationen und Selektionen, die routinemäßig den konkurrierenden Alternativen vorgezogen werden“
- Quote paper
- Heike Winter (Author), 2001, Informativität, Situationalität und Intertextualität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21322
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