Im Oktober dieses Jahres feierte die Bundesrepublik Deutschland den 50. Geburtstag
des Anwerbeabkommens mit der Türkei. Seit der Unterzeichnung des Abkommens für türkische
Gastarbeiter hat sich die Bundesrepublik von einem Gastarbeiterland der 60 Jahre über
ein Zuwanderungsland wider Willen in den 80er und 90er Jahren zu einem modernen Einwanderungsland
verwandelt. Zu diesem Anlass lieferten die Medien zahlreiche Rückblicke
über „50 Jahre Einwanderungsland“ und brachten dabei nicht nur feierliche Stimmen hervor.
Das Urteil von Altkanzler Helmut Schmidt fällt eindeutig aus: „Die Deutschen haben das
Problem der Integration von Ausländern lange Zeit nicht begriffen. […] Wir haben das nicht
gut gemacht.“
Es dauerte bis in das Jahr 2004, dass sich Deutschland offiziell als Einwanderungsland
bekannte und somit der zunehmenden multiethnischen Gesellschaft Ausdruck verlieh.
Die Notwendigkeit der Integration von Migranten bzw. ethnischen Minderheiten wurde zunehmend
zum Gegenstand politischer Debatten und rückte in den Fokus der Öffentlichkeit
und Medien. Somit gewinnt auch die Frage nach der Rolle der Medien im Integrationsprozess
an Bedeutung. Allerdings verleiten Diskussionen um ‚Orientierungstest‘ für Einbürgerungswillige
zu der Annahme, dass in Fragebögen zu deutschen Mittelgebirgen und Länderwappen
offensichtlich größere Eingliederungspotentiale gesehen werden als in den Medien. In der
Integrationsforschung dominiert eindeutig eine sozial– und kulturwissenschaftliche Perspektive,
in der die Medien eine untergeordnete Rolle einnehmen. In Verbindung mit der sozialwissenschaftlichen
Forschung bekommt das Thema Medien und Migration in den letzten
Jahren aber auch in den Kommunikationswissenschaften mehr Gewicht (vgl. Schatz/Holtz-
Bacha/Nieland 2000).
Die vorliegende Arbeit soll das Verhältnis von Medien und Integration aus einer sozial-
und kommunikationswissenschaftlichen Perspektive beleuchten. Dabei ist die Konzeption
vor allem durch die Betrachtung der Mediennutzung von Migranten gekennzeichnet, die mögliche
Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Integrationsgraden und Mediennutzung
aufzeigen soll. Die Lebenssituation von Migranten in Deutschland ist geprägt von einem
Spannungsfeld zwischen der kulturellen Herkunft und der Herausforderung, einen Platz in der
neuen Gesellschaft zu finden. Diese Grundproblematik stellt zusammen mit den sprachlichen
Barrieren einen wichtigen Faktor für die Betrachtung des Medienumgangs von Migranten dar. [...]
Inhalt
1 Einführung
2 Theoretische Grundlagen: Medien, Migration und Integration
2.1 Die Schlüsselbegriffe „Soziale Integration“ und „Interkulturelle Integration“
2.1.1 Integrationsdimensionen
2.1.2 Integrationsfaktoren
2.2 Integrationsfunktionen der Massenmedien
2.2.1 Dimensionierung
2.2.3 Soziale Integration durch Massenmedien
2.2.2 Mediale Integration von ethnischen Minderheiten
2.3 Mediennutzung im Migrationskontext
2.3.1 Nutzertypen
2.3.2 Medienumgang und kulturelle Identität
2.3.3 Forschungsstand und Forschungsprobleme
3 Empirische Studie anhand eines Integrationskurses
3.1 Konzeption und Fragestellungen
3.2 Methode
3.3 Teilnehmer
3.4 Organisation und Durchführung
3.5 Ergebnisse: Integration, Identität, Mediennutzung
3.5.1 Soziodemographische Profile der Teilnehmer
3.5.2 Integrationsstatus und ethnische Identität
3.5.3 Mediennutzung und Medienumgang
3.5.4 Zusammenhänge
4 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Anhang a: Leitfaden der Gruppendiskussionen und Kurzfragebogen
Anhang b: Leitfadengespräche
1 Einführung
Im Oktober dieses Jahres feierte die Bundesrepublik Deutschland den 50. Geburtstag des Anwerbeabkommens mit der Türkei. Seit der Unterzeichnung des Abkommens für türkische Gastarbeiter hat sich die Bundesrepublik von einem Gastarbeiterland der 60 Jahre über ein Zuwanderungsland wider Willen in den 80er und 90er Jahren zu einem modernen Einwanderungsland verwandelt. Zu diesem Anlass lieferten die Medien zahlreiche Rückblicke über „50 Jahre Einwanderungsland“[1] und brachten dabei nicht nur feierliche Stimmen hervor. Das Urteil von Altkanzler Helmut Schmidt fällt eindeutig aus: „Die Deutschen haben das Problem der Integration von Ausländern lange Zeit nicht begriffen. [...] Wir haben das nicht gut gemacht.“[2]
Es dauerte bis in das Jahr 2004, dass sich Deutschland offiziell als Einwanderungsland bekannte und somit der zunehmenden multiethnischen Gesellschaft Ausdruck verlieh. Die Notwendigkeit der Integration von Migranten bzw. ethnischen Minderheiten wurde zunehmend zum Gegenstand politischer Debatten und rückte in den Fokus der Öffentlichkeit und Medien. Somit gewinnt auch die Frage nach der Rolle der Medien im Integrationsprozess an Bedeutung. Allerdings verleiten Diskussionen um ,Orientierungstest‘ für Einbürgerungswillige zu der Annahme, dass in Fragebögen zu deutschen Mittelgebirgen und Länderwappen offensichtlich größere Eingliederungspotentiale gesehen werden als in den Medien. In der Integrationsforschung dominiert eindeutig eine sozial- und kulturwissenschaftliche Perspektive, in der die Medien eine untergeordnete Rolle einnehmen. In Verbindung mit der sozialwissenschaftlichen Forschung bekommt das Thema Medien und Migration in den letzten Jahren aber auch in den Kommunikationswissenschaften mehr Gewicht (vgl. Schatz/HoltzBacha/Nieland 2000).
Die vorliegende Arbeit soll das Verhältnis von Medien und Integration aus einer sozial- und kommunikationswissenschaftlichen Perspektive beleuchten. Dabei ist die Konzeption vor allem durch die Betrachtung der Mediennutzung von Migranten gekennzeichnet, die mögliche Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Integrationsgraden und Mediennutzung aufzeigen soll. Die Lebenssituation von Migranten in Deutschland ist geprägt von einem Spannungsfeld zwischen der kulturellen Herkunft und der Herausforderung, einen Platz in der neuen Gesellschaft zu finden. Diese Grundproblematik stellt zusammen mit den sprachlichen Barrieren einen wichtigen Faktor für die Betrachtung des Medienumgangs von Migranten dar. Darüber hinaus wird die Arbeit von der zentralen Frage nach den Integrationsfunktionen der Medien für soziale Integration geleitet.
Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und empirischen Teil. Zunächst wird im ersten Teil vor dem Hintergrund ausgewählter Literatur aus dem sozial- und kommunikationswissenschaftlichen Bereich ein theoretischer Rahmen abgesteckt. Dieser soll die grundsätzliche Bedeutung ,sozialer‘, ,interkultureller‘ und medialer‘ Integration aufgreifen und mit der Problematik der Beschreibung eines Integrationsstatus einer Person verbinden. Ausgehend davon soll die Mediennutzung im Migrationskontext, die sich auf deutsch- und heimatsprachliche Medien richtet, mit unterschiedlichen Integrationsformen verbunden werden. Am Ende des theoretischen Teils steht ein Einblick in den Forschungsstand über Mediennutzung von Migranten.
Der empirische Teil beinhaltet die Vorstellung einer qualitativen Studie innerhalb eines Integrationskurses am Beruflichen Förderzentrum in Dillingen a. d. Donau, die methodologisch in Form von Gruppendiskussionen und zwei Leitfadengesprächen durchgeführt wurde. Nach der Konzeption, die sich nach den theoretischen Vorüberlungen richtet, sollen Methode, Durchführung und Ergebnisse der Untersuchung dargestellt werden. Ziel der Studie war es, den Medienumgang der in Deutschland lebenden Migranten mit ihren Integrationsgraden und individuellen Bedürfnissen in Zusammenhang zu bringen. Leitthemen der Studie waren neben der Mediennutzung die soziale Integration und ethnische Identität. Da es sich bei dem Integrationskurs um einen Kurs zur Sprachförderung handelt, soll der Sprache ein hoher Stellenwert zugeschrieben werden.
2 Theoretische Grundlagen: Medien, Migration und Integration
Im Folgenden werden zunächst einige Grundbegriffe aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich aufgegriffen. Die Schlüsselkonzepte „soziale Integration“ und „interkulturelle Integration“ sollen dabei mit Hilfe der Klärung von Integrationsdimensionen und Integrationsindikatoren beschrieben werden. Vor diesem Hintergrund soll die vorwiegend sozialwissenschaftliche Perspektive im zweiten Teil durch eine kommunikationswissenschaftliche Sicht ergänzt werden, indem die Schlüsselkonzepte der Integration sowie die allgemeingesellschaftlichen Integrationsfunktionen von Medien auf den Migrationskontext geschärft werden. Der dritte Teil der theoretischen Grundlagen widmet sich im Besonderen der Mediennutzung im Migrationskontext. Auch wenn die Darstellung von ethnischen Minderheiten neben der Betrachtung der Mediennutzung einen Kernbereich der Untersuchungen zum Verhältnis zwischen Migration und Medien ausmacht, wird sich diese Arbeit auf die Mediennutzung als Voraussetzung von integrativen Prozessen fokussieren. Nach einer Darstellung von verschiedenen Zusammenhängen zwischen der Mediennutzung und Integrationsformen folgt eine mögliche Aufstellung von Nutzertypen, die den Medienumgang mit ihren kulturellen Orientierungen zusammenbringt. In diesem Zuge soll der Medienumgang in knapper Form mit der ethnischen Identität verbunden werden. Den Abschluss des theoretischen Teils bildet ein Einblick in den aktuellen Forschungsstand, der einige Probleme hervorbringen wird.
2.1 Die Schlüsselbegriffe „Soziale Integration“ und „Interkulturelle Integration“
Um die Rolle der Medien im Integrationsprozess beschreiben zu können, bedarf es zunächst einer Auseinandersetzung mit dem Konzept der Integration an sich, insbesondere der Integration von Migranten. Ausgehend von dem generellen Konsens über Integration als “Zusammenhalt von Teilen in einem systematischen Ganzen“ (vgl. Esser 2000: 26) herrschen in der sozialwissenschaftlichen Forschung über ethnische Minderheiten unterschiedliche Perspektiven. Im Fokus steht zum einen das Integrationsstadium einer Gesellschaft auf struktureller und individueller Ebene, zum anderen der Eingliederungsprozess ethnischer Minderheiten im interkulturellen Kontext (vgl. Trebbe/Schönhagen 2008: 7).
Die gesellschaftliche Integration wird in dieser Arbeit im Sinne einer Sozialintegration verstanden, die über eine bloße Systemintegration hinausgeht. Diese Unterscheidung gehört zu den zentralen Fragen der Integrationsforschung (vgl. Esser 2000: 26-28). Die Systemintegration beschränkt sich auf eine funktionalistische Sichtweise auf Teile der Gesellschaft, während sich die Sozialintegration an den Handlungen und Motiven der gesellschaftlichen Mitglieder orientiert. Entscheidend ist, dass der Begriff der sozialen Integration die Individuen als „sinnbildende gesellschaftliche Subjekte“ (Pöttker 2005: 30) mit ihren Werten, Normen und Vorstellungen einschließt. Dadurch wird dem individuellen Empfinden der gesellschaftlichen Mitglieder, das die Unterschiede in kultureller Herkunft und Mentalität wiederspiegelt, besonderes Interesse gewidmet. Für die Betrachtung von Integration ethnischer Minderheiten durch Medien ist ein besonderes Augenmerk auf das Bewusstsein der Gesellschaft essentiell, schließlich sind es gerade die Medien, die bedeutenden Einfluss auf Meinung und Wahrnehmung haben (vgl. ebd.: 26).
Auch wenn der allgemeingesellschaftliche Integrationsbegriff - ohne besonderen Bezug auf den Migrationskontext - wertneutral betrachtet werden kann, wird Integration in dieser Arbeit mit einem ,erwünschten Prozess‘ verbunden. Dabei ist das Ziel von sozialer Integration keineswegs so zu verstehen, dass alle Mitglieder der Gesellschaft - unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft und Identität- im ,integrierten Zustand‘ die gleichen Ansichten teilen müssen. Pöttker (2005: 25) hält wesentliche Elemente des Integrationskonzepts fest und bezeichnet soziale Integration schon im Titel seines Aufsatzes als „Schlüsselbegriff für die Forschung über Medien und ethnische Minderheiten“. Den Grundgedanken der sozialen Integration, „die Suche nach dem Optimum zwischen Homogenität und Heterogenität“, macht Geißler (2005: 45) ebenso für die Prämissen einer interkulturellen Integration geltend: „[...] die kulturelle Heterogenität [muss] von einer Anerkennung gemeinsam akzeptierter und respektierter Grundwerte eingerahmt sein“.
Gerade in Bezug auf ethnische Minderheiten, die sich nicht durch funktionale, sondern durch kulturelle Merkmale wie Herkunft, Sprache, Religion auszeichnen, können weder eine Beschränkung auf Homogenität, noch das Konzept einer Systemintegration leitend sein (vgl. Pöttker 2005: 39-41). Pöttker fasst die Überlegungen zum Integrationsbegriff in einer Definition zusammen, die für das Verhältnis zwischen Migration und Medien als Bezugsrahmen zu sehen ist:
, „Integration ist der erwünschte soziale Prozess, der die Teile einer Gesellschaft (Individuen, Institutionen, Gruppen) unter Mitwirkung ihres Bewusstseins mehr oder weniger stark zum Ganzen dieser Gesellschaft verbindet, wobei sowohl Ähnlichkeit und Einigkeit der Teile als auch Verschiedenheit und Auseinandersetzung zwischen ihnen in einem optimierenden Verhältnis von Bedeutung sind“(2005:40).
Die Auseinandersetzung mit der Integrationsproblematik deutet bereits an, dass es sich nicht nur um ein wissenschaftlich-analytisches, sondern auch um ein normativ-politisches Konzept handelt, da man Integration eindeutig als etwas ,Wünschbares‘ betrachtet und die „Integrationsdebatte“ auf der politischen Tagesordnung in Deutschland steht. Begriffe wie „geglückte Integration“, „Integrationspolitik“ oder „Integrationsbeauftragte/r“[3] sind vielfach Teil der öffentlichen Diskussion in den Medien (Geißler/Pöttker 2006:18). Dies zeigt, dass die Massenmedien und der Journalismus neben Einflussfaktoren wie Bildung, Arbeit und Politik verstärkt ins Blickfeld genommen werden müssen. In Verbindung mit einer sozialwissenschaftlichen Integrationsforschung sind kommunikationswissenschaftliche Ansätze, die andere Schwerpunkte setzen, unabdingbar. Dabei steht im Kern die Frage nach dem Beitrag der Massenmedien für die Eingliederung von ethnischen Minderheiten in das kulturelle, politische sowie gesellschaftliche Leben innerhalb eines Staates (vgl. Trebbe/Schönhagen 2008: 7). In diesem Spannungsfeld zwischen Migration und Medien dienen die Begriffe der sozialen und vor allem der interkulturellen Integration als konzeptionelle Rahmen.
Die gesellschaftspolitische Diskussion in Deutschland um die interkulturelle Integration unterstreicht, wie schmal der Grad zwischen der wissenschaftlichen und der politischen Perspektive ist. So könnte der Begriff der interkulturellen Integration eigentlich mit dem Konzept des Multikulturalismus[4] gleichgesetzt werden, allerdings entwickelte sich der Begriff „multikulti“ in Deutschland zu einem emotionalen Reizwort und ist teilweise mit negativen Konnotationen behaftet. Daher ist es sinnvoll, von interkultureller Integration zu sprechen (vgl. Geißler/Pöttker 2006: 20). Diese fordert die Beteiligten - ethnische Minderheiten und die Mehrheitsgesellschaft- dazu heraus, ein Gleichgewicht anzustreben „zwischen den Bedürfnissen der Minderheiten auf Anerkennung ihrer kulturellen und sozialen Besonderheiten und den Bedürfnissen der Mehrheit nach Kenntnis und Anerkennung des gemeinsamen rechtlichen und kulturellen Rahmens, der für das Miteinander unabdingbar ist“ (ebd.: 19f.). Der Begriff der interkulturellen Integration soll im folgenden Abschnitt zu den Integrationsdimensionen genauer beleuchtet und auf das Verhältnis zwischen Medien und Migration geschärft werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.1 Integrationsdimensionen
Esser (2000: 26f.), der bereits die Unterscheidung zwischen Systemintegration und Sozialintegration aufgenommen hat, rückt das Handeln der gesellschaftlichen Akteure und deren Motive klar ins Zentrum. Dabei unterscheidet er vier Grunddimensionen der sozialen Integration: Kulturation, Platzierung, Interaktion und Identifikation. Im Einzelnen bedeutet Kulturation, dass die Mitglieder das nötige Wissen und soziale Kompetenzen erlangen, um gesellschaftlich handeln zu können. Platzierung bezieht sich auf die gesellschaftliche Position, die ein Akteur beispielsweise im Bildungssystem oder auf dem Arbeitsmarkt einnimmt. Unter Interaktion wird die wechselseitige Orientierung unter den Akteuren verstanden, die durch aufeinander bezogenes Handeln miteinander in Beziehung treten. Die Identifikation richtet sich schließlich an den einzelnen Akteur und seine persönliche Beziehung und Einstellung gegenüber dem sozialen System bzw. der Aufnahmegesellschaft. Das Individuum fühlt sich dabei als 'Teil des Ganzen' und entwickelt Loyalität zur Gesellschaft und ihren Institutionen.
Neben der Platzierung, die sich auf die Eingliederung in die Strukturen eines sozialen Systems (Bildung, Arbeit, Recht, etc.) bezieht, ist auf kognitiver Ebene die Kulturation die Bedingung dafür, dass ethnische Minderheiten in die sozialen Beziehungsnetze der Mehrheitsgesellschaft eingegliedert werden und sich letztlich mit dieser identifizieren (vgl. Geißler 2005: 50-56). Da man in diesem Falle von einem erneuten Kulturationsprozess ausgeht, bezeichnet man diesen auch als Akkulturation (vgl. Trebbe 2010: 25). Im Rahmen der Migrationsforschung und auch im Hinblick auf die mediale Integration ist eine Differenzierung der wichtigsten Akkulturationsstrategien elementar.
Eine Systematisierung der Akkulturationsformen, wie sie in zahlreichen Integrationsansätzen der unterschiedlichen Disziplinen wiederzufinden ist, wurde durch den Sozialpsychologen Berry (1997) manifestiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Akkulturationsformen (adaptiert nach Berry 1997:9; Trebbe 2009:36)
Berry unterscheidet positive und negative Strategien und setzt diese mit dem gesellschaftlichen Herkunfts- und Ankunftskontext in Beziehung. Daraus treten unterschiedliche Strategien hervor, die ethnische Minderheiten bei der Konfrontation mit der Aufnahmegesellschaft verfolgen. Integration liegt vor, wenn die Einstellung gegenüber beiden sozialen Kontexten positiv geprägt ist. Assimilation beschreibt die Vernachlässigung des Herkunftskon- texts zugunsten der Aufnahmegesellschaft. Die Separation beschreibt dagegen einen deutlich negativ konnotierten Eingliederungsprozess. In diesem Fall sind Migranten nur ihrer Heimat positiv zugewandt und bewerten die Ankunftsgesellschaft als negativ. Möglich ist außerdem eine völlige Abkehr von beiden sozialen Kontexten, die als Marginalisierung bezeichnet wird (vgl. Trebbe 2009: 36f.; Trebbe 2010: 25f.).
Die dargestellten Akkulturationsformen lassen sich auf alle Aspekte des Eingliederungsprozesses anwenden, z.B. auf die gesellschaftliche Interaktion und die Sprache, wie auch auf Medien bzw. Mediennutzung. So wäre beispielsweise eine gleichwertige Kombination von heimatsprachlichen und deutschen Medien eine integrative Mediennutzung. Eine assimilative Mediennutzung würde die Medien der Ankunftsgesellschaft bevorzugen, wogegen eine separierende Mediennutzung ausschließlich auf Medien aus der Heimat gerichtet ist. Schließlich würde Marginalisierung die Verneinung aller Medienangebote bedeuten (vgl. ebd.).
In Deutschland dreht sich die Integrationsdebatte um die Gegensätze zwischen Assimilation und Pluralismus. Dies liege laut Geißler mitunter in den monokulturellen Tendenzen begründet, die in der deutschen Gesellschaft noch immer vorhanden sind und umso deutlicher werden, wenn man sie dem Multikulturalismus Kanadas oder der USA gegenüberstellt (vgl. Pöttker 2005: 45-62). Für Esser (2000: 36f.) ist erfolgreiche Integration nur in Form einer Assimilation möglich, die das Gegenstück zum Pluralismus bzw. einer Segregation im Sinne eines bloßen ,nebeneinander Bestehens‘ gesellschaftlicher Gruppen bedeutet. Ferner könne Chancengleichheit in Bildung und Arbeit nur durch kulturelle Assimilation erreicht werden, die eine „ethnische Schichtung“ (ebd.) aufzuheben vermag. Mit dieser Vorstellung geht allerdings einher, dass sich Assimilation nicht mit ethnokulturellem Pluralismus verbinden lässt (vgl. Geißler 2005:53-56).
Während sich Esser für Assimilation zulasten eines Pluralismus ausspricht, postulieren Geißler/Pöttker (2006: 19) die interkulturelle Integration. Wie Essers Assimilationstheorie schreibt auch interkulturelle Integration den Zugang zu gesellschaftlichen Strukturen vor, doch strebt das Konzept eine „ausgewogene Balance zwischen dem Recht der Minderheiten auf gleichberechtigte und gleichwertige kulturelle Differenz und die Forderung der Mehrheit nach (partieller) Akkulturation und Anpassung“ (ebd.) an. Somit könne die interkulturelle Integration als „humaner Mittelweg zwischen Assimilation und Pluralismus/Segregation“ (Geißler 2005: 45) betrachtet werden.
Für die Betrachtung dieser Arbeit soll neben der sozialen Integration auch die interkulturelle Integration leitend sein, da Medien im Integrationsprozess ohne Zweifel auf die kognitive (Kulturation), soziale (Interaktion) und persönliche (Identifikation) Ebene wirken (vgl. ebd.: 53-56). Die Rolle der Massenmedien im Integrationsprozess ist somit ausdrücklich in einen soziokulturellen statt soziostrukturellen Rahmen einzuordnen. Für eine genaue Betrachtung dieser Rolle müssen bestimmte Integrationsfaktoren und -indikatoren als Bezug herangezogen.
2.1.2 Integrationsfaktoren
Im Vergleich zur Relevanz von Sprache, Religion oder sozioökonomischem Status wird den Massenmedien bestenfalls eine untergeordnete Rolle für den Verlauf von gesellschaftlicher Integration zugeschrieben. Der Stellenwert der dominierenden „Integrationsinstanzen“ wie „Peers, Institutionen, Sprache“ wird weitaus höher eingeschätzt als jener der Medien (Trebbe/Schönhagen 2008: 7). Will man den Faktor der Medien bei der sozialen Integration von Migranten beleuchten, so bedarf es einer Klärung, wie man den Integrationsstatus von ethnischen Minderheiten beschreiben kann. Nur so kann man möglicherweise ab- grenzbare Gruppe ausmachen und ihre Mediennutzung von Heimat-und Mehrheitsmedien in Zusammenhang mit sozialer Integration bringen (vgl. Pöttker 2005: 39-41).
Unterschiede zwischen und auch innerhalb der Gruppen können auf ethnische Faktoren, unterschiedliche Integrationsgrade, Bildungsniveaus und Sprachkenntnisse zurückgeführt werden. Außerdem kann man davon ausgehen, dass eine Arbeitsbeschäftigung im Aufnahme- land eine andere Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht als Arbeitslosigkeit (vgl. Rydin/Sjöberg 2007: 279). Die genannte ethnokulturelle Vielfalt und soziale Differenzierung sind mit verschiedenen medialen und kommunikativen Bedürfnissen verbunden. Sie können einen Einfluss auf den Medienumgang haben und stellen das Mediensystem somit vor komplexe Herausforderungen. Pöttker (vgl. 2005: 22.f) gliedert die einflussreichen Faktoren in drei Gruppen: Alter und Generation, Sozialstatus sowie Aufenthaltsdauer und Grad der Integration.
Zusätzlich zu Integrationsfaktoren sind auch Integrationsindikatoren von zentraler Bedeutung, um einen Bezug zur Mediennutzung oder anderen Untersuchungsgegenständen herzustellen. Da naturgemäß wohl kaum zu ,messen‘ ist, ob und wie Migranten ,integriert‘ sind, kann nur ein Ausschnitt von möglichen Indikatoren aufgezeigt werden, die je nach Forschungsinteresse und Perspektive variieren und erweiterbar sind. Weiß/Trebbe (2001) legen in ihrer Studie zur „Mediennutzung und Integration der türkischen Bevölkerung in Deutschland“ drei Gruppen von Indikatoren fest: formale und sprachliche Integration (Aufenthaltsdauer, Sprache), soziale Integration (Kontakte zu Deutschen, Mitgliedschaft in Vereinen, Vertrauen in Institutionen, Wohlbefinden) und politische Integration (Interesse für deutsche Politik, Vertrauen in politische Institutionen) (vgl. ebd.: 18-24; Trebbe 2009: 178).
Auch die ARD/ZDF-Studie „Migranten und Medien 2011“ erhebt bestimmte Integrationsindikatoren in der Untersuchung zur Mediennutzung von Migranten, beschränkt sich dabei allerdings auf die Kategorien Verstehen der deutschen Sprache, Wohlfühlen in Deutschland und Gefühl von Diskriminierung in Deutschland (vgl. ARD/ZDF 2011).
Eine weitere Möglichkeit für die Erfassung von Integration bietet Pöttker, wobei die Integrationsindikatoren im Kern die gleichen Aspekte beinhalten, die auch Trebbe und andere Studien berücksichtigen:
- Stärke und Inhalt der Kommunikation zwischen den Teilen einer Gesellschaft,
- als Ergebnis der Kommunikation Ausmaß und Inhalte des Wissens der Teile einer Gesellschaft übereinander,
- das Ausmaß der Partizipation zu integrierender Teile an den gesellschaftlichen Institutionen,
- das Ausmaß der allgemeinen Akzeptanz kultureller Grundwerte,
- das Ausmaß an Pluralität und geregelten Konflikten zwischen heterogenen Teilen, das eine Gesellschaft zulässt. (Pöttker 2005:41)
In dieser Zusammenfassung der Integrationsdimensionen und -indikatoren hebt Pött- ker bereits die Kommunikation als wichtigen Faktor hervor. Nach den vorausgehenden Überlegungen aus einem vornehmlich sozialwissenschaftlichen Blickwinkel soll der Integrationsbegriff im nächsten Kapitel in einem kommunikationswissenschaftlichen Kontext diskutiert werden. Dabei sollen zunächst die Integrationsfunktionen der Massenmedien im Allgemeinen und anschließend die soziale und mediale Integration von Migranten detaillierter betrachtet werden.
2.2 Integrationsfunktionen der Massenmedien
Die Fülle an Ansätzen und Modellen der Integrationsforschung in den unterschiedlichen Disziplinen schlägt sich in uneinheitlichen Konzeptionen für Integrationsfunktionen von Medien im Migrationskontext nieder. Grundsätzlich schreibt man ihnen aus Sicht der Kommunikationsforschung einen hohen Stellenwert für soziale und politische Prozesse zu, in den Sozialwissenschaften werden Massenmedien und Kommunikation im Hinblick auf Akkultura- tionsformen jedoch weniger beachtet. Ihre Berücksichtigung erfolgt oft in einer Gleichsetzung mit Sprache. Interaktion, als Baustein der sozialen Integration, beruht auf Sprachgebrauch, der wiederum Kommunikation auslöst. In einer undifferenzierten Schlussfolgerung geht die Bedeutung von Medien für interkulturelle und öffentliche Kommunikation schnell unter (vgl. Trebbe 2009: 41f.).
Esser (2000) spezifiziert die Rolle der Massenmedien und der Kommunikation dagegen sehr genau, allerdings fällt er ein negatives Urteil:
„Insgesamt lässt sich [...] festhalten, daß für die Integration von Migranten und ethnischen Minderheiten von Seiten der Aufnahmegesellschaft über massenmediale Kommunikation nicht besonders viel getan werden kann.“ (ebd.: 36)
Den Hauptgrund sieht Esser in der nur schwer überwindbaren sozialen Chancenungleichheit, die „ethnische Schichtungen“ (ebd.) hevorbringen. Sowohl Sprachkompetenzen, die durch Medien gefördert werden können, als auch massenmediale Kommunikation unterliegen diesen strukturellen Verhältnissen. Integrative Funktionen von Medien für die Entwicklung interkultureller Beziehungen sieht Esser nur in Verbindung mit einer strukturellen Assimilation. Das Bild von Migranten, die fest in ihren ethnischen Gruppen verankert sind, müsse sich im Zuge einer Assimilation auflösen, um bestehende soziale Strukturen und Ungleichheit zu durchbrechen. Andernfalls besteht für massenmediale Kommunikation keine Chance im Integrationsprozess:
„Die Verfügbarkeit über binnenethnische Kommunikationen [...] verstärken die ohnehin angelegten strukturellen Prozesse [...] nur noch. Der einzige Ausweg klingt ein wenig ungewohnt und wird inzwischen nicht gerne gehört: Zur ,Assimilation‘ gibt es als Perspektive für die Entwicklung der interethnischen Beziehungen von Migranten und ethnischen Minderheiten in der Aufnahmegesellschaft so gut wie keine Alternative, wenn nicht die Etablierung und Verfestigung ethnischer Schichten hingenommen werden soll.“ (ebd.)
Damit bleibt festzuhalten, dass Esser den Massenmedien wenig Potenzial einräumt, für die Integration von ethnischen Minderheiten in die Aufnahmegesellschaft eine effektive Rolle zu spielen. Dieser These widerspricht das Modell der interkulturellen Integration, das Geiß- ler/Pöttker propagieren. Zwar strebt die interkulturelle Integration wie die Assimilation Chancengleichheit an, jedoch nicht auf Kosten der kulturellen Eigenheit (Geißler/Pöttker 2005:1720). Ferner halten sie an dem Beitrag der Massenmedien für Integration fest, wie später im Abschnitt zur medialen Integration, die sich stark an das Schlüsselkonzept der interkulturellen Integration anlehnt, aufgezeigt wird.
Die Vermittlung von Information und Wissen bildet die Basis für integrative Funktionen von Medien. Dadurch werden Werte und Sinnkontexte der unterschiedlichen kulturellen Gruppen überhaupt erst greifbar. Daran knüpft die Dimensionierung der Integrationsfunktionen von Vlasic an (2004: 67ff.).
2.2.1 Dimensionierung
Nach den Integrationsfunktionen der Massenmedien zu fragen hat zunächst nur begrenzt mit dem Migrationskontext zu tun. Der Grundzug im Verhältnis zwischen Medien und Migration lässt sich von allgemeinen Integrationsfunktionen der Medien ableiten. Eine Möglichkeit der Systematisierung bietet Vlasic (2004). Er beschreibt fünf Dimensionen der Integrationsfunktionen durch Massemedien, die in abgestufter Weise miteinander verschränkt sind (siehe nachfolgende Grafik).
Abb. 2: Dimensionen der Integration durch Massenmedien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Grundlage bilden Themen und Wissen, die durch Medien vermittelt werden. Aus ihr tritt folglich die Thematisierungsfunktion der Medien hervor, das Bereitstellen gemeinsamer Themen und wichtiger Informationen. Sie richtet sich an den Einzelnen, indem sie ihm Gesprächsstoff für die Alltagskommunikation liefert. Daran knüpft die Repräsentation der Einstellungen und Interessen des Einzelnen und seiner Lebenswelt an. Die Medien stellen ein umfassendes Bild der gesellschaftsprägenden Interessen her. Dadurch schaffen sie eine (politische) Öffentlichkeit, in der die vertretenen Interessen in ständigem Diskurs stehen. Diesen öffentlichen Raum beeinflussen gemeinsame Normen und Werten. Als höchsten Bezugsrahmen bezeichnet Vlasic die Konstruktion von Wirklichkeit in einer Gesellschaft. Die Integrationsfunktion der Massenmedien besteht dabei in ihrem Einfluss auf die gesellschaftlichen Entwicklungen und eine effektive Selbst- und Fremdbeobachtung. Die Integrationsfunktionen der Medien lassen sich in folgender Typologie von Vlasic zusammenfassen (vgl. ebd.: 67ff.):
1. Bereitstellung gemeinsamer Themen/Wissensbasis
2. Ermöglichen von Repräsentation
3. Konstituieren von (politischer) Öffentlichkeit
4. Vermittlung gemeinsamer Normen und Werte
5. Konstruktion von Realität (Lebenswelt, Selbst-und Fremdbeobachtung)
2.2.2 Soziale Integration und Massenmedien
Aus den vorgestellten Integrationsfunktionen der Medien lässt sich ohne Zweifel folgern, dass sie durch Informationsversorgung und Kommunikation zwischen den Menschen einen dynamischen öffentlichen Raum bilden. Durch vermitteltes Wissen, Werte und Normen bieten sie so die Möglichkeit am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Für Migranten bedeutet dies, dass Zugang und Nutzung der Massenmedien der Mehrheitsgesellschaft auch einen Zugang zur sozialen Umwelt schafft.
Medien- und kommunikationswissenschaftliche Forschungen zur Integration von ethnischen Minderheiten durch Medien kreisen im Wesentlichen um zwei Pole: die Präsentation der Migranten in den (deutschen) Medien und ihren Medienkonsum, anders formuliert um Inhalte und Produktion sowie Nutzung. Die Darstellung im Fernsehen und die Berichterstattung in der Presse zählen zu den am häufigsten und besten untersuchten Bereichen. (vgl. Geißler/Pöttker 2006: 16f.) Der Diskurs um die Darstellung von Migranten ist von einem grundlegenden Spannungsverhältnis gekennzeichnet: einerseits wird von Medien und Journalismus erwartet, die gesellschaftliche Integration von Migranten zu fördern, andererseits schüren diskriminierende und ausländerfeindliche Tendenzen in der Berichterstattung hitzige Debatten über eine integrationshemmende Wirkung (vgl. Bonfadelli/Moser 2007: 7). Gleichwohl besteht Einigkeit darüber, dass mediale Repräsentation ein essentieller Faktor für die gesellschaftliche Integration ist:
„Die Rezipienten der massenmedial vermittelten Kommunikation stellen den Grossteil der Gesellschaftsmitglieder dar bzw. bilden mit ihren Handlungen deren Teilsysteme, folglich ist eine zumindest kommunikative Integration nur dann gegeben, wenn sich die Rezipienten in den vermittelten Mitteilungen als Kommunikationspartner wieder finden.“ (Schönhagen 2000: 561 zitiert in Schönhagen/Trebbe 2008: 12)
Neben der Präsentation fokussiert sich das Forschungsinteresse auf die Mediennutzung von Migranten. Die Frage ist nicht nur, in welcher Weise immigrierte Menschen Medien im Alltag Medien konsumieren, sondern auch, ob ein bestimmtes Nutzungsverhalten charakteristisch für unterschiedliche Formen der Integration ist. Der Kausalzusammenhang zwischen Nutzung und Integration, ob Akkulturationsstragien Mediennutzung bedingen oder umgekehrt, ist umstritten (vgl. Trebbe 2010: 26f. ; Trebbe 2009: 62). Er wird später in den Abschnitten 2.3.1 und 2.3.2 aufgegriffen.
Wenn man sich vor Augen hält, wie die Integrationsfunktionen der Medien (Vlasic 2004: 67, s.o.) den vier Dimensionen sozialer Integration bei Esser (Kulturation, Platzierung, Interaktion, Identifikation) entsprechen, wird die Rolle von Medien auf den Eingliederungsprozess umso deutlicher. So kann z.B. die normative und die Thematisierungsfunktion mit der Kulturation in Verbindung gebracht werden, da hierdurch Wissen über aktuelle Themen und gesellschaftliche Normen vermittelt wird. Komplementär trägt die Repräsentations-und Öffentlichkeitsfunktion zur Platzierung in gesellschaftlichen Strukturen bei, wofür man auch bei Geißler (2005) Bekräftigung findet:
„Ohne Kenntnisse über die aktuellen Vorgänge in der Aufnahmegesellschaft und über deren Hintergründe ist eine soziostrukturelle Integration - die angemessene Wahrnehmung von Teilnahmechancen in der Politik, auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungssystem und in den wichtigsten Institutionen [...] - nicht möglich.“ (ebd.: 76)
Eine Beschränkung auf heimatsprachliche Medien hat folglich weniger Informationsvermittlung zur Folge, darüber hinaus hemmt sie den Erwerb der deutschen Sprache. Die Sprache ist naturgemäß ein außerordentlich wichtiger Baustein der sozialen Integration. Sie ist nicht nur Bedingung für, sondern auch positiver Effekt von Mediennutzung. Da vor allem Zeitung, Fernsehen und Radio als Unterstützung dienen können, die fremde Sprache zu lernen, ist sie für Migranten gleichzeitig Akkulturations- und Nutzungsmotiv (vgl. Moser 2007: 357-362).
Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass Medien nicht nur Integrationsfunktionen haben, sondern auch Abwendung bis hin zu Abschottung von der Gesellschaft bedingen können. Wenn Migranten sich und ihre Kultur durch negative Bilder und abgewertet fühlen, besteht die Gefahr, dass sie sich medial abschotten und über Satellitenfernsehen ausschließlich muttersprachliche Medien verwenden (vgl. Rydin/Sjöberg 2007: 275). Daran schließt sich die Befürchtung an, ein solches „Medienghetto“[5] könnte geradewegs ins gesellschaftliche Abseits führen und Migranten in ihre eigene Sprachgemeinschaft einschließen (Müller 2005: 360; Schneider/Arnold 2006: 98-100). Die Basishypothese, dass die Mehrheit der Migranten generell lieber heimatsprachliche Medien konsumiert, sozusagen in einem ,selbst gewählten‘ „Medienghetto“ lebt, ist aber weitgehend widerlegt. Die Kombination von Heimat- und Majoritätsmedien und auch eine intensive deutschsprachige Nutzung wird häufig verfolgt (vgl. Moser: 358; Piga 2007: 222f.) Allenfalls kommt eine ausschließliche Konzentration auf Heimatmedien zusammen mit gesellschaftlicher Abgrenzung bei Hausfrauen und Mütter vor, die durch einen Familiennachzug nach Deutschland kommen, sich vorwiegend im Kreis der Familie und Bekannten bewegen und Probleme beim Spracherwerb haben (vgl. Moser 2007: 358).
[...]
[1] Serie„50 Jahre Deutschland“ auf ZEIT ONLINE: http://www.zeit.de/serie/fuenfzig-jahre- einwanderungsland
[2] Helmut Schmidt auf ZEIT ONLINE: http://www.zeit.de/2011/43/50-Jahre-Migration-Schmidt
[3] Auch in den öffentlichen Medienanstalten gibt es die Funktion eines „Integrationsbeauftragten“. Dr. Gualtiero Zambonini ist seit 2005 Integrationsbeauftragter beim WDR:
http://www.wdr.de/unternehmen/programmprofil/integration/integrationsbeauftragter.jsp
[4] Für eine weitere Auseinandersetzung zum Multikulturalismus und dem „Unity-within-diversity“-Konzept siehe Fleras, Augie/Elliot, Jean Leonard (1992): Multiculturalism in Canada. The Challenge of Diverstiy Scarborough, On.t.: Nelson.
Fleras, Augie/Elliot, Jean Leonard (2001): Media and Minorities. Representing Diversity in a Multicultural Canada. Toronto: Thompson Educational Publishing.
[5] siehe hierzu Meier-Braun (2002): Migranten in Deutschland - Gefangen im Medienghetto. Migranten in Deutschland. In: tendenz, Magazin für Funk und Fernsehen der Bayerischen Landeszentrale für neue Me dien, Heft 1.
- Arbeit zitieren
- B.A. European Studies Franziska Caesar (Autor:in), 2011, Massenmedien und die Integration von Migranten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/212327
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