Obwohl sexueller Missbrauch eine lange Geschichte hat und schon lange existiert, ist dies immer noch für viele Menschen ein Tabuthema – vor allem das Sprechen über diesen Missbrauch fällt schwer. Sind die Opfer auch noch männlich, so handelt es sich um ein Tabuthema innerhalb eines Tabuthemas. Sexueller Missbrauch ist heutzutage für viele Kinder eine alltägliche Erfahrung, unabhängig von ihrer Schichtzugehörigkeit, ihres Alters oder ihres Geschlechts und damit keinesfalls ein Einzelschicksal.
Nachdem das Thema lange in der Öffentlichkeit tabuisiert wurde und nicht bekannt war, wie hoch das Ausmaß und die Folgen sexuellen Missbrauchs tatsächlich sind, gelang es Anfang der 1980er Jahre der Frauenbewegung, die Bevölkerung auf das Problem aufmerksam zu machen.
Diese Problematik rückte Anfang der 80er Jahre zunehmend in den Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen, initiiert durch das Engagement von sexueller Gewalt betroffenen Frauen, welche sich vornehmlich in Selbsthilfegruppen zusammenschlossen und erste parteiliche Beratungsstellen gründeten. 1982 wurde der Verein Wildwasser in Berlin und 1986 der Verein Schattenriss in Bremen gegründet, in denen betroffene Frauen durch parteiliche Beratung anderen Opfern sexueller Gewalt zur Seite standen. Auch in Köln gründeten Frauen und Männer unterschiedlicher Arbeitsbereiche 1987 den Verein ‚Zartbitter’, um sich aktiv für Schutz und Hilfe der Opfer sexueller Gewalt einzusetzen. Der Verein leistete ebenso wie die parteilichen Beratungsstellen ‚Wildwasser’ und ‚Schattenriss’ einen Beitrag, die Thematik zu enttabuisieren. Durch die Initiative dieser Vereine entwickelte sich eine öffentliche Diskussion, so dass sexueller Kindesmissbrauch immer mehr ein zentrales Thema für den Schutz von Kindern wurde. Das Wissen um sexuellen Missbrauch konnte durch intensive Erforschung möglicher Ursachen und Folgen sowie Ausmaße ständig erweitert werden. Es begann eine intensive Phase, in welchen Konzepten zur Unterstützung und Hilfe von Betroffenen entwickelt wurden (vgl. Körner & Lenz 2004, S.9).
Inhalt:
Einleitung :
1. Definitionen und Fakten :
1.1. Was ist sexueller Missbrauch?
1.2. Kurzer historischer Überblick:
1.3. Formen sexueller Ausbeutung:
1.3.1. Sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt:
1.3.2. Weniger intensiver sexueller Missbrauch:
1.3.3. Intensiver sexueller Missbrauch:
1.3.4. sehr intensiver sexueller Missbrauch:
1.4. Wer sind die Täter?
1.5. Wer sind die Opfer?
1.6. Zur Häufigkeit und Dauer des sexuellen Missbrauchs :
1.7. Ursachen sexuellen Missbrauchs:
1.7.1. Gesellschaftliche Ursachen:
1.7.2. Täterspezifische Ursachen :
1.8. Folgen und Schäden sexuellen Missbrauchs:
1.8.1. Kurzzeitfolgen :
1.8.2. Langzeitfolgen:
2. Prävention sexuellen Missbrauchs:
2.1. Begriffsbestimmung der Prävention:
2.2. Formen der Prävention:
2.2.1. Primäre Prävention:
2.2.2. Sekundäre Prävention:
2.2.3. Tertiäre Prävention:
2.3. Traditionelle und neuere Präventionsansätze:
2.3.1. Traditionelle Prävention:
2.3.2. Neuere Präventionsansätze:
2.3.2.1. Präventionsprojekt CAPP der USA:
2.3.2.2. Kritik an CAPP:
2.4. Runder Tisch gegen sexuellen Kindesmissbrauch der Bundesregierung:
2.4.1. Ziele und Aufgaben:
2.4.2. Arbeitsweise:
2.4.3. Ergebnisse der drei AGs aus dem Zwischenbericht des runden Tischs:
2.4.3.1 Beratungen zu Rechtsfragen:
2.4.3.4. Standards als Grundlage für Förderung:
2.4.3.3. Investitionen in Ursachenforschung:
2.4.3.4. Hotline für Missbrauchsopfer:
2.4.3.5. Sprechen hilft!
2.4.4. Abschlussbericht des Runden Tisches:
2.5. Pädagogische Präventionsprogramme:
2.5.1. Pädagogische Prävention durch Elternbildung:
2.5.1.1. Grundsätze der Elternbildung in der Prävention:
2.5.1.2. Inhalte und Ziele der Elternbildung:
2.5.2. Prävention durch Theater:
2.5.2.1. "Hau ab, du Angst":
2.5.3. Prävention durch Fort –und Weiterbildung von LehrerInnen:
2.5.3.1. Qualifikation der PädagogInnen am Beispiel von STROHHALM e.V. :
3. Pädagogische Interventionen:
3.1. Begriffsbestimmung der Intervention:
3.2. Ziele und Voraussetzungen:
3.3. Leitlinien für die Arbeit mit betroffenen Kindern:
4. Schlusswort / Ausblick:
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Einleitung :
Obwohl sexueller Missbrauch eine lange Geschichte hat und schon lange existiert, ist dies immer noch für viele Menschen ein Tabuthema – vor allem das Sprechen über diesen Missbrauch fällt schwer. Sind die Opfer auch noch männlich, so handelt es sich um ein Tabuthema innerhalb eines Tabuthemas. Sexueller Missbrauch ist heutzutage für viele Kinder eine alltägliche Erfahrung, unabhängig von ihrer Schichtzugehörigkeit, ihres Alters oder ihres Geschlechts und damit keinesfalls ein Einzelschicksal.
Nachdem das Thema lange in der Öffentlichkeit tabuisiert wurde und nicht bekannt war, wie hoch das Ausmaß und die Folgen sexuellen Missbrauchs tatsächlich sind, gelang es Anfang der 1980er Jahre der Frauenbewegung, die Bevölkerung auf das Problem aufmerksam zu machen.
Diese Problematik rückte Anfang der 80er Jahre zunehmend in den Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen, initiiert durch das Engagement von sexueller Gewalt betroffenen Frauen, welche sich vornehmlich in Selbsthilfegruppen zusammenschlossen und erste parteiliche Beratungsstellen gründeten. 1982 wurde der Verein Wildwasser in Berlin und 1986 der Verein Schattenriss in Bremen gegründet, in denen betroffene Frauen durch parteiliche Beratung anderen Opfern sexueller Gewalt zur Seite standen. Auch in Köln gründeten Frauen und Männer unterschiedlicher Arbeitsbereiche 1987 den Verein ‚Zartbitter’, um sich aktiv für Schutz und Hilfe der Opfer sexueller Gewalt einzusetzen. Der Verein leistete ebenso wie die parteilichen Beratungsstellen ‚Wildwasser’ und ‚Schattenriss’ einen Beitrag, die Thematik zu enttabuisieren. Durch die Initiative dieser Vereine entwickelte sich eine öffentliche Diskussion, so dass sexueller Kindesmissbrauch immer mehr ein zentrales Thema für den Schutz von Kindern wurde. Das Wissen um sexuellen Missbrauch konnte durch intensive Erforschung möglicher Ursachen und Folgen sowie Ausmaße ständig erweitert werden. Es begann eine intensive Phase, in welchen Konzepten zur Unterstützung und Hilfe von Betroffenen entwickelt wurden (vgl. Körner & Lenz 2004, S.9).
In den letzten Jahren und Dank der initiativen Bewegungen der Frauen seit den 80er Jahren wurde sexueller Missbrauch in Fachdiskussionen immer mehr beachtet und zahlreiche Veröffentlichungen erschienen. Das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs konnte nicht mehr geleugnet werden. Auch in den Medien rückte diese Thematik verstärkt in den Vordergrund. Und immer wieder tauchen unvorstellbare Vorfälle auf und werden ganz offen diskutiert, wie zum Beispiel, der Missbrauch in der Kirche oder in der Schule oder allgemein in den Institutionen.
Laut den Statistiken des Bundeskriminalamts wurden im Jahr 2010 14.407 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern (§§ 176, 176a, 176b StGB) erfasst, d.h. zur Anzeige gebracht (vgl. Bundeskriminalamt 2011). Die Frage nach der tatsächlichen Anzahl sexuell missbrauchter Kinder ist allerdings stark umstritten, zumal die Dunkelziffer in den veröffentlichten Zahlen unberücksichtigt bleibt und diese allein sehr hoch sein dürfte.
Zwar ist die Zahl sexueller Straftaten gegenüber den letzten Jahren wieder erheblich gesunken, doch ist sie immer noch eindeutig zu hoch. Darüber, dass die Anzahl solcher Straftaten reduziert werden muss, herrscht daher zweifelsohne Einigkeit. Weitaus interessanter, jedoch auch stark umstritten, erscheint allerdings die Frage nach dem ,,wie".
Die andauernden öffentlichen Diskussionen bezüglich dieser Frage durch Fachleute, Politiker und Medien weisen darauf hin, dass es auf diese keine eindeutige Antwort gibt und spiegeln somit die Verunsicherung der Bevölkerung in Bezug auf dieses Thema wider. Im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussionen für langfristige Reduktion sexuellen Missbrauchs stehen präventive Maßnahmen. Diese existieren zwar schon ebenso lange wie das Problem des sexuellen Missbrauchs selbst, jedoch haben sie im Laufe ihrer Entwicklung eine grundsätzliche Veränderung erfahren. Trotz dieser Veränderungen in die richtige Richtung, herrscht unter den Fachleuten weiterhin Uneinigkeit, wie optimale Prävention aussehen soll. Strittig dabei ist, wie und mit wem präventiv gearbeitet werden sollte.
Eine Prävention sexueller Kindesmisshandlung kann überwiegend nur in der Vermittlung von Wissen bestehen. Inwiefern die Kinder fähig sind, das Wissen in Können und Handeln umzusetzen, ist abhängig von deren Alter und Entwicklungsstand. Grenzen präventiven Handelns ergeben sich auch aufgrund der unterschiedlichen Machtverhältnisse zwischen Täter und Opfer.
Die Auswirkungen, die ein Missbrauchserlebnis für die Betroffenen haben kann, zeigen, dass ein rechtzeitiges Erkennen sexuellen Missbrauchs und entsprechendes Intervenieren notwendig sind. Die mit einer solchen Erfahrung einhergehenden, oft jedoch unspezifischen Symptome können die Opfer bis ins Erwachsenenalter hinein begleiten. Kinder benötigen Hilfe und Unterstützung von außenstehenden Personen, um den Missbrauch aufdecken und beenden zu können und um zu lernen, mit dieser traumatischen Erfahrung umzugehen.
Die Prävention vor sexuellem Missbrauch ist ein Thema das besonders Eltern, aber auch andere Familienangehörige, sowie ErzieherInnen und LehrerInnen in jeder Entwicklungsstufe von Kindern und Jugendlichen angeht und beschäftigt:
- Man fragt sich, wie man Kinder vor sexuellen Übergriffen schützen kann.
- Man fragt sich, wie man die Anzeichen sexuellen Missbrauchs erkennt und möglichst objektiv deutet.
- Man fragt sich, wo sexueller Missbrauch wirklich beginnt.
- Man fragt sich, wie man Kindern den Ausdruck „Nein“ wirkungsvoll näherbringt, so dass sie ihn auch verwenden können.
- Man fragt sich, an wen man sich wenden kann, ob auf rein informativer Basis oder im Falle des konkreten Verdachts.
- Man fragt sich, wie man möglichst sensibel und einfühlsam das geschehene miteinander aufarbeiten kann, wenn dieses überhaupt im gegebenen Kontext möglich ist.
- Man stellt sich tausend Fragen und sucht ebenso viele Antworten.
Um diese Fragen zu beantworten und passende Lösungen zu finden hat die Bundesregierung viele Projekte und Programme wie Runder Tisch – sexueller Kindesmissbrauch und Bund-Länder-Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Die deutsche Regierung will damit neue Perspektiven, Ideen, Konzepte, Maßnahmen und Präventionen erschaffen und entwickeln und damit den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch verbessern. Das Kabinett beschloss in Berlin einen Aktionsplan. Insbesondere soll die Prävention verstärkt werden.
Dazu sollen Missbrauchsfälle möglichst schon im Vorfeld verhindert oder zumindest frühzeitig erkannt werden. Darüber hinaus ist unter anderem eine intensivierte Fortbildung von Fachkräften in der Kinderbetreuung und Jugendhilfe vorgesehen.
Familienministerin Kristina Schröder hatte den Plan vorgelegt. Sie betonte, Ziel sei es, «Kindern eine sichere, von Vertrauen und Schutz geprägte Umgebung zu schaffen, in der sie unbeschwert aufwachsen können» (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2011, S. 2).
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Präventionsmaßnahmen gegen sexuellen Missbrauch und für den Schutz der Kinder vorzustellen, ihre Auswirkungen, und die jeweilige Kritik daran genauer zu erläutern.
Als Einstieg in die Thematik werde ich mich zunächst dem Begriff ,,Sexueller Missbrauch" nähern und auf Probleme bei möglichen Definitionen eingehen. Danach werde ich einen Überblick auf seine Geschichte werfen. In dem Zusammenhang werde ich die unterschiedlichen Arten und Formen von sexuellem Missbrauch vorstellen. Außerdem soll eine kurze Phänomenbeschreibung Informationen über Ausmaß, Täter, Opfer, Häufigkeit sowie Dauer des sexuellen Missbrauchs geben. Abschließend möchte ich in diesem Abschnitt einen kurzen Überblick über die Ursachen und Folgen dieses Phänomens herausstellen.
Im nächsten Schritt und als Mittelpunkt dieser Arbeit werde ich den Begriff „ Prävention“ für sexuellen Missbrauch und seine Formen erläutern und diskutieren. Im folgenden Kapitel werde ich auf das Programm „Runder Tisch - sexueller Kindesmissbrauch“ der Bundesregierung eingehen, seine Ziele, seine Aufgabe und seine Empfehlungen vorstellen. Nachdem die offiziellen Ergebnisse der Bundesregierung beschrieben und erläutert worden sind, werden drei Modelle für pädagogische Präventionsprogramme vorgestellt. Zunächst werden die zentralen Interventionen und die notwendigen Rahmenbedingungen für die Arbeit benannt.
Die Arbeit endet mit einem Schlusswort und einem Ausblick.
1. Definitionen und Fakten :
1.1. Was ist sexueller Missbrauch?
Eine allgemein akzeptierte und für alle Zeiten gültige Definition von sexuellem Missbrauch existiert nicht. In der Literatur gibt es viele verschiedene Definitionsversuche, die sich zwar ähneln, bei denen die Grenzen aber variieren. Es wird vermutlich immer Grenzfälle geben, die für Kontroversen sorgen. Gemeinsam ist den meisten Definitionen, dass sie Informationen beinhalten über „die Art der sexuellen Handlung, das Alter der Opfer oder Täter, die Entwicklung des Opfers, dessen Zustimmung, dessen Abhängigkeit, die Macht, die Gewalt, [den] Zwang sowie die Folgen“ (vgl. Amann & Wipplinger 2005, S. 35).
Abhängig von der theoretischen Herangehensweise werden den einzelnen Kriterien unterschiedliche Bedeutungen zugewiesen, wodurch es zu verschiedenen Definitionen kommt (ebd., S. 35).
Amann und Wipplinger (2005) nennen die Unterscheidung von weiten und engen Definitionen. Bei engen Definitionen ist nur dann von sexuellem Missbrauch die Rede, wenn sexueller körperlicher Kontakt, wie oraler, analer oder vaginaler Geschlechtsverkehr, zwischen TäterInnen und Opfern stattgefunden hat. Enge Definitionen werden oft für empirische Studien verwendet, wenn man hierfür eine trennscharfe Grenze zwischen Opfern sexuellen Missbrauchs und Opfern nicht sexuellen Missbrauchs benötigt (ebd., S. 25).
Weit gefasste Definitionen hingegen beziehen sich auf jede geschlechtliche Handlung, ohne den Körperkontakt vorauszusetzen. So werden auch „obszöne Anreden, Belästigung, Exhibitionismus, Anleitung zur Prostitution [und] die Herstellung von pornographischem Material“ (ebd., S. 27) als sexueller Missbrauch verstanden. In der Präventionsarbeit erscheint die Arbeit mit der weiten Definition vorteilhaft, da die Kinder vor sexuellen Handlungen ohne Körperkontakt ebenso geschützt werden sollen wie vor sexuellen Handlungen mit Körperkontakt. In dieser Arbeit soll daher auch dann von sexuellem Missbrauch die Rede sein, wenn kein Körperkontakt zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat.
Dirk Bange (2011) geht in seiner Definition ein auf strittige Kriterien wie Art der Handlungen, Absicht des Täters, Frage der Einwilligung, Gewaltanwendung, Art und Ausmaß des Widerstandes, Art der Beziehung zwischen Opfer und Täter, und Alter des Opfers bzw. Täters (vgl. Bange 2011, S.12 ff.). Damit definiert er sexuellen Missbrauch „als jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem Kind entweder gegen seinen Willen vorgenommen wird oder der es aufgrund körperlicher, psychischer, kognitiver oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann. Der Täter nutzt seine Macht- und Autoritätsposition aus, um seine eigenen Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen. Alle sexuellen Handlungen eines Erwachsenen mit einem Kind stellen folglich einen sexuellen Missbrauch dar“ (ebd., S. 14).
Im Strafgesetzbuch (§176) bezeichnet der Begriff „Sexueller Missbrauch“ sexuelle Handlungen von Erwachsenen (d.h. strafmündigen Personen ab dem 14. Lebensjahr) an und mit Kindern (unter 14 Jahren).
Neben dem Begriff „Sexueller Missbrauch“ existieren noch viele weitere Termini, die für den gleichen Tatbestand verwendet werden, z.B. sexuelle Gewalt, sexuelle Misshandlung, sexuelle Ausbeutung oder sexualisierte Gewalt.
Von all diesen und weiteren Bezeichnungen ist „Sexueller Missbrauch“ die am meisten verwendete.
1.2. Kurzer historischer Überblick:
Sexuelle Ausbeutung und körperliche Misshandlung sind als Kontinuität in der Menschheitsgeschichte anzusehen, welche bis heute hineinreicht. Kinder wurden schon früher für unterschiedlichste aggressive und sexuelle Bedürfnisse missbraucht. Erst vor 20 Jahren beschäftigte man sich mit dem Thema ,,sexueller Missbrauch", wobei die Kinder -und Frauenschutzbewegung diese Einsichten bei vielen Menschen nur gegen starke innere Widerstände und durch beharrliche Öffentlichkeitsarbeit erreichen konnte (vgl. Deegener 2005, S. 42). Der wahrscheinlich früheste Hinweis auf sexuelles Verlangen von Männern nach kleinen Kindern findet sich auf einer etwa 5000 Jahre alten Tontafel der Sumerer: ,,(Der Gott) Enlil sprach zur (Göttin) Ninlil von Beischlaf. Sie will nicht. Meine Vagina ist zu klein. Sie versteht Beischlaf nicht. Meine Lippen sind zu klein. Sie verstehen nicht zu küssen."(ebd., S. 43). In den antiken Hochkulturen wurden sehr viele Mädchen und Burschen sexuell missbraucht. Um die ,,Knabenliebe" zu vermeiden, wurden in Griechenland sexuelle Beziehungen von Männern zu Burschen unter 12 Jahren mit harten Strafen belegt. In den griechischen Hafenstädten arbeiteten Mädchen, aber auch Burschen als Prostituierte. In den Gesetzen dieser Zeit und im Alten Testament war Vergewaltigung eines Mädchens oder einer Frau eher ein Eigentumsdelikt zugunsten des Mannes, da die Frauen als Eigentum der Männer angesehen wurden. Die seelischen und körperlichen Verletzungen der Opfer waren nicht der Grund für eine Strafverfolgung. Nur wenn z. B. ein Mann ein noch nicht verlobtes Mädchen ohne die Erlaubnis des Vaters vergewaltigt, hat er mit Strafen zu rechnen (ebd., S. 43). Wenn eine verheiratete Frau vergewaltigt wurde, ist diese Tat als Ehebruch gesehen worden und beide, sowohl der Täter als auch das Opfer wurden getötet. Erst später setzte sich mit der Ausbreitung und weiterentwickelten Ethik des Christentums die ,,Unschuld des Kindes" durch, wobei die kindliche Sexualität und sexuelle Handlungen mit Kindern als unmoralisch und schädlich galten (ebd., S. 44). Im Jahr 1813 wurde in den ,,Grundsätzen zur Erziehung und des Unterrichts" des Pädagogen Niemeyer u.a. vor den folgenden ,,gewöhnlichen Veranlassungen des Geschlechtstriebes" gewarnt: ,,(...) warme Federbetten; enge, zusammengepresste Kleidung; Reiz der Geschlechtsglieder durch Reiten auf Stöcken und Spielpferden; gemeinschaftliches Baden ohne alle Badekleider."(ebd., S. 45) Schon damals wurde vor Verführungen an Kindern gewarnt und zwar: ,,(...) durch ältere Personen, männliche und weibliche Bediente, Friseure, Wollüstlinge, junge Gespielen, die selbst schon mal verführt und verdorben, sich es zum Geschäft machen, andere in die Geheimnisse ihrer verstohlenen Lust einzuweihen, oder wohl gar- horrendum dictu!- durch Lehrer und Erzieher."(ebd., S. 45).
Etwa seit der Renaissance wurden Kinder nicht mehr als kleine Erwachsene angesehen, sondern die Entwicklungsstufen der Kinder- und Jugendzeit bekamen im Laufe der Zeit einen immer größeren Eigenwert (ebd., S. 46).
1.3. Formen sexueller Ausbeutung:
Die Formen sexueller Missbrauchshandlungen reichen von sexualisierter Sprache über scheinbare Berührungen, oraler, analer und vaginaler Vergewaltigung bis zu sadistischen Quälereien. Die folgenden Kategorisierungen sollen einen Überblick über die verschiedenen Formen des sexuellen Missbrauchs geben. Wichtig dabei ist, dass die Intensität eines sexuellen Missbrauchs nichts darüber aussagt, wie schädigend es für die Kinder ist. Je nach persönlichem Erleben kann ein als wenig intensiv angeführter Missbrauch unter Umständen erheblich größeren Schaden anrichten als einer, der als sehr intensiv beschrieben wird. Hier nun die Übersicht über Formen und Intensität sexuellen Missbrauchs laut Günther, Deegener (2000):
1.3.1. Sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt:
Bei dieser Art von Missbrauch kann der Täter sich vor dem Kind entblößen. Zudem kann das Kind gezwungen werden sich Pornos anzusehen oder der Täter beobachtet das Kind beim Ausziehen, beim Baden, macht Fotos … usw.
1.3.2. Weniger intensiver sexueller Missbrauch:
Hierbei versucht der Täter das Kind an den Geschlechtsteilen anzufassen oder an die Brust zu fassen. Weiterhin können sexualisierte Küsse und Zungenküsse bei dieser Kategorie von Missbrauch mit einfließen.
1.3.3. Intensiver sexueller Missbrauch:
Bei dieser Form muss das Kind dem Täter seine Geschlechtsteile zeigen. Auch kann sich der Täter vor dem Kind befriedigen oder umgekehrt, also das Kind vor dem Täter sexuell befriedigen. Außerdem kann der Täter dem Kind an die Geschlechtsteile fassen und/oder das Kind das tun.
1.3.4. sehr intensiver sexueller Missbrauch:
Bei dieser Form versteht man alle versuchte oder vollendete vaginale oder anale oder orale Vergewaltigung. Dazu kann es sein, dass das Kind (der Junge) gezwungen wird den Täter anal zu penetrieren (mit dem Penis einzudringen) oder oral zu befriedigen (vgl. Deegener 2000, S. 67).
Ursula Enders als eine Spezialistin im Bereich sexuellen Missbrauchs von Kindern behauptet, dass zu den oben erwähnten Formen auch Worte verletzen können. Der Begriff sexueller Missbrauch ist sehr weit und breit, so können sexuelle Übergriffe als sexuelle Ausbeutung gesehen werden. Sie stehen zwar nicht unter Strafe, können aber ebenso traumatisierend für Kinder und Jugendliche sein, wie z. B. Androhungen eines Vaters gegenüber seiner Tochter, dass er gleich komme und es „ihr beibringe“ (vgl. Enders 2011, S. 30).
Hier wurden nun also die verschiedenen Formen sexuellen Missbrauchs beschrieben. Die Aufzählung der Formen zeigen, dass sexueller Missbrauch viele Gesichter haben kann.
1.4. Wer sind die Täter?
Für die Täter steht bei einem sexuellen Missbrauch meist das Gefühl, Macht über andere zu spüren, im Vordergrund. Die zentrale Bedeutung des sexuellen Missbrauchs von Kindern liegt in der über sexuelle Gewalt ausagierten Befriedigung männlicher Dominanz- und Herrschaftsbedürfnisse (ebd., S. 39). Einigkeit herrscht demgegenüber darüber, dass überwiegend Mädchen die Opfer und Männer die Täter sind (vgl. Koch & Kruck 2000, S. 11). Allerdings wird aufgrund neuerer Studien davon ausgegangen, dass etwa jedes vierte bis fünfte Mädchen und jeder zwölfte bis vierzehnte Junge sexuell missbraucht wird (vgl. Deegener 2005, S.34).
Die Täter sind zwischen 70 und 90% männlich, kommen aus allen Altersschichten und sind in allen gesellschaftlichen Gruppen zu finden. Einen Einheitstäter und bestimmte Muster in der Lebensgeschichte von Sexualstraftätern gibt es nicht. Nach heutigen Erkenntnissen sind viele Täter, die Kinder sexuell missbrauchen, selbst noch Jugendliche. In den Dunkelfelduntersuchungen machen sie etwa 30% der Täter aus. Gemäß diesen Ergebnissen von Tätern liegt das Durchschnittsalter der Täter deutlich unter 30 Jahren. Nur etwa ein Zehntel der männlichen Täter sind über 50 Jahre alt (ebd., S. 38 ff.).
Die Tat geschieht selten spontan, sondern ist von langer Hand geplant und wiederholt sich fast immer. Der Täter setzt Strategien, um sein Ziel zu erreichen. Schon im Vorfeld wird eine enge Beziehung zum künftigen Opfer aufgebaut und das Vertrauen seines sozialen Umfeldes wie die Eltern oder die Mutter erschlichen. Oft handelt es sich bei den Tätern auch um Lebensgefährten der Mutter, meist Stiefväter. Abweichende Familiensituationen sind häufig anzutreffen. Die Täter tun ihr bestes, um ein positives Bild von sich aufzubauen, während sie immer mehr Zeit mit dem Kind verbringen und seine Verhaltensweisen und Reaktionen genau studieren (vgl. Bange 2011, S. 118).
Das Klischee vom fremden Triebtäter, der hinter den Büschen lauert und Kinder sexuell missbraucht, trifft nur selten zu. Die meisten Täter stammen aus dem nahen Umfeld des missbrauchten Kindes. Familienangehörige und Bekannte bilden zusammen 75% von den gesamten Tätern, nur 6 bis 25% der Täter sind Fremde (vgl. Deegener 2005, S. 40 f.).
Aufgrund des Altersunterschiedes können die Täter vielfältige Abhängigkeiten schaffen und das Opfer so zum Schweigen bringen. Das Kind wird zur Geheimhaltung gezwungen. Innerhalb der Familie können Verwandte bzw. Mütter und Geschwister zu Mitwissern werden, die oft aus Angst oder Scham wegschauen und den Täter gewähren lassen. Durch die enge Beziehung zum Täter sind die Kinder zwischen Liebe und Abscheu hin und her gerissen.
1.5. Wer sind die Opfer?
Nachdem 2009 der niedrigste Wert seit 1993 zu verzeichnen war, sind die bekannt gewordenen Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern (§§ 176, 176a, 176b, StGB) 2010 wieder angestiegen (+ 4,8 % auf 11.867 Fälle). In diesem Deliktsbereich muss nach wie vor von einem hohen Dunkelfeld ausgegangen werden (vgl. PKS 2010, S. 9). Bei der Problematisierung des Themenbereiches sexuellen Missbrauch, rückten anfangs die Mädchen als Opfer in den Blickpunkt. Erst zu Beginn der neunziger Jahre begann man, offen darüber zu sprechen, dass nicht nur Mädchen sondern auch Jungen Opfer eines sexuellen Missbrauchs sein können. Daher ist auch die feministische Definition kritisch zu betrachten, da diese aufgrund ihrer bewussten Schwerpunktsetzung, es Jungen und Opfern von Täterinnen absprechen, sexuell missbraucht worden zu sein (vgl. Amann & Wipplinger 2005, S. 31). Immerhin handelt es sich bei den Opfern nach den polizeilichen Kriminalstatistiken von 2010 um durchschnittlich 9% Jungen. Die Mädchen sind mit 91% jedoch das stärker betroffene Geschlecht (ebd., S. 21).
Die Opfer von sexuellem Missbrauch wie Ihre Täter können zu allen Gesellschaftsschichten gehören. Die meisten Menschen glauben, dass die Opfer sexuellen Missbrauchs am meisten aus den sogenannten unteren Sozialschichten kommen. Die Tatsache jedoch klingt anders, es sind vor allem emotional vernachlässigte Mädchen und Jungen, die sexuell missbraucht werden. Genügendes Materielles wie Geld und schöne teure Sachen, bedeutet aber keineswegs, dass die emotionalen Bedürfnisse von Kindern besser erkannt und erfüllt werden als in nicht so gut betuchten Familien. Im Gegenteil, die Kinder, die zwar viel Taschengeld bekommen, fühlen sich aufgrund die Beschäftigung der Eltern vernachlässigt und sind stark liebe- und zärtlichkeitsbedürftig, was schnell missverstanden und ausgenutzt werden kann (vgl. Bange 2011, S. 21).
Die weiblichen Opfer werden zu etwa 25% bis zu 30% von Familienangehörigen sexuell missbraucht. Bei Jungen kommen die Täter mit etwa 20% seltener aus der Familie. In der Familie sind die Väter nicht immer die Täter, wie es am meisten scheint. In erheblichem Ausmaß treten Großväter, Onkel, Brüder, Cousins und Mütter als Täter bzw. Täterinnen auf. Die Jungen werden nach den Ergebnissen der Dunkeluntersuchungen mit etwa 60% oft von Bekannten aus dem außerfamilialen Nahraum (wie Freunde, Lehrer, Nachbar, Pfarrer…usw.) sexuell misshandelt. Bei den Mädchen liegt dieser Wert mit 50% ein bisschen niedriger (ebd., S. 17).
Orte, wo sexueller Missbrauch stattfindet, sind überall, in der Schule, Internate, Heime, Ferienlager, Zuhause…usw.: Hier suchen Kinder, die sich allein fühlen, Geborgenheit und finden diese meist bei den Erziehern oder Aufsichtspersonen, die sie mit ihren Strategien und Planungen zu sich locken. Die letzte Gruppe gefährdeter Kinder ist Behinderte. Sie sind aufgrund besonderer Abhängigkeitsverhältnisse überproportional häufig Opfer eines Missbrauchs. Mit der Hoffnung dass den Kindern nicht geglaubt wird, fühlt sich der Täter sicher und argumentiert selbst vor Gericht mit dem Aspekt der geistigen Verwirrung dieser Kinder (vgl. Hartwig & Hensen 2003, S. 34). Alles in allem lässt sich auch hier keine allgemeingültige Schlussfolgerung machen, denn selbst bei den Opfern spielen viele verschiedene Faktoren eine Rolle, und schließlich kann man anhand des Äußeren kein Opfer ausmachen, genauso wenig wie einen Täter.
1.6. Zur Häufigkeit und Dauer des sexuellen Missbrauchs :
Zur Häufigkeit des sexuellen Missbrauchs an Kindern wurden in den letzten Jahren viele Untersuchungen durchgeführt. „Zusammenfassend muss davon ausgegangen werden, dass es etwa 10% bis 15% der Frauen und 5% bis 10% der Männer bis zum Alter von 14 oder 16 Jahren, mindestens einmal einen unerwünschten oder durch die moralische Übermacht einer deutlich älteren Person oder durch Gewalt erzwungenen sexuellen Körperkontakt erlebt haben“ (vgl. Deegener & Körner 2005, S.48). Dirk Bange in seiner Forschung an der Universität Dortmund 1992 stellte fest, 18% der betroffenen Frauen und 23% der betroffenen Männer mussten die sexuellen Handlungen jedoch zwei bis zehnmal über sich ergehen lassen bzw. am anderen oder an sich selbst durchführen. 16% der betroffenen Frauen und 4% der betroffenen Männer wurden mehr als zehnmal sexuell missbraucht (vgl. Gahleitner 2000, S. 37).
Hierbei muss jedoch wiederum nach dem Bekanntheitsgrad zwischen TäterInnen und Opfer differenziert werden. Die Misshandlung durch Fremde erfolgt in der Regel in über 90% der Fälle einmalig. Kommen dagegen die TäterInnen aus dem Bekannten – oder Freundeskreis, so handelt es sich nur noch in zwei Drittel der Fälle um einmaligen Missbrauch, und beim Missbrauch durch Angehörige muss schließlich davon ausgegangen werden, dass es sich zwischen ein und zwei Drittel der Fälle um mehrmaligen Missbrauch handelt, speziell beim Vater-Tochter-Missbrauch scheint es in der Regel zu mehrmaligen Übergriffen zu kommen (vgl. Deegener 2005, S. 37).
Vergleichbar sind die Zahlenangaben zur zeitlichen Dauer des sexuellen Missbrauchs. Etwa zwei Drittel der sexuellen Missbrauchshandlungen erfolgen einmalig bzw. an einem Tag, aber es muss wohl befürchtet werden, dass ungefähr 15% der Fälle sogar über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr bis hin zu neun Jahren dauern. Langwährender sexueller Missbrauch erfolgt überwiegend durch Angehörige, und dabei wiederum wohl meist durch Väter bzw. Stiefväter (ebd., S.37).
[...]
- Citar trabajo
- Bachelor Hamid Maftahi (Autor), 2011, Prävention von sexuellem Missbrauch, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/212320
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