Die indogermanischen Verbformen drückten keine Zeitstufen aus, sondern charakterisierten einen Vorgang hauptsächlich nach der Entwicklungstufe (Aktionsart); d.h. sie kennzeichneten die Handlung u.a. als eintretend, andauernd oder abgeschlossen. 1 Im Lateinischen ist die aktionelle Bedeutung der Tempora zugunsten der Zeitstufenbezeichnung zurückgetreten. In der Gegenwart und Zukunft wird nicht mehr zwischen eintretender und andauernder Handlung differenziert. 2 Dagegen weist die Vergangenheits-Zeitstufe den drei Aktionsarten noch ein eigenes Tempus zu: [...]
Inhaltsverzeichnis
1 Das klassischlateinische Verbum
1.1 Zeitstufen und Aktionsarten
1.2 Zur Formenbildung
1.2.1 Konjugationsklassen
1.2.2 Stammformen
1.2.3 Personenendungen
2 Die Entwicklung der Vergangenheitstempora
2.1 Perfekt Indikativ
2.1.1 Funktion
2.1.2 Bildung
2.1.3 Die schwachen Perfekte auf ‘-vi’
2.1.4 Das Los der starken Perfekte
2.2 Imperfekt Indikativ
2.2.1 Funktion
2.2.2 Bildung
2.2.3 Die Lautentwicklung des Tempussuffix -ba-
2.3 Plusquamperfekt Indikativ: Verschiebung der Temporalbedeutung
2.4 Zusammenbruch des klassischlateinischen Konjunktivs
2.4.1 Das klt. Plusquamperfekt Konjunktiv
3 Bibliographie
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hinweis
Die langen Vokale der klt. Formen sind unterstrichen, da die übliche Längenmarkierung durch Überstreichung aus technischen Gründen nicht möglich war. Zudem sind die betonten Silben – entgegen der üblichen Notation – immer durch einen Akut gekennzeichnet. In den tabellarischen Übersichten wurde aus Platzgründen bei den klt. Etyma auf die Notation in Kapitälchen verzichtet.
1 Das klassischlateinische Verbum
1.1 Zeitstufen und Aktionsarten
Die indogermanischen Verbformen drückten keine Zeitstufen aus, sondern charakterisierten einen Vorgang hauptsächlich nach der Entwicklungstufe (Aktionsart); d.h. sie kennzeichneten die Handlung u.a. als eintretend, andauernd oder abgeschlossen.[1]
Im Lateinischen ist die aktionelle Bedeutung der Tempora zugunsten der Zeitstufenbezeichnung zurückgetreten. In der Gegenwart und Zukunft wird nicht mehr zwischen eintretender und andauernder Handlung differenziert.[2] Dagegen weist die Vergangenheits-Zeitstufe den drei Aktionsarten noch ein eigenes Tempus zu:[3]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auch das Sp. weist den Aktionsarten in der Vergangenheit unterschiedliche Tempora zu. Anzumerken ist, das das klt. synthetische Plusquamperfekt durch eine analytische Konstruktion (había huido) ersetzt wurde (vgl. 2.3 und 2.4). Zudem verfügt das Sp. zusätzlich über ein zusammengesetztes Perfekt (ha huido) um eine in der Gegenwart abgeschlossene Handlung zu beschreiben.
1.2 Zur Formenbildung
1.2.1 Konjugationsklassen
Nach dem Schlußlaut des Präsensstammes (vgl. 1.2.2) unterscheidet das Klt. vier Konjugationen:[4]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Spanische verwirft die konsonantische Konjugation. Die Verben dieser Gruppe verteilen sich auf die sp. er- und ir-Konjugation.[6]
1.2.2 Stammformen
Das Klt. verfügt über drei Grund- oder Stammformen, die mit Hilfe von stammbildenden Suffixen geformt werden und von denen sich alle übrigen Formem ableiten lassen.[7]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.2.3 Personenendungen
Das Klt. bezitzt drei Typen von Personenendungen:[8]
(a) Präsensendungen (Aktiv): -o/-m, -s, -t, -mus, -tis, -nt
(b) Präsensendungen (Passiv): -(o)r, -ris, -tur, -mur, -mini, -ntur
(c) spezielle Endungen des Perfekt Indikativ Aktiv: -i, -isti, -it, -imus, -istis, -erunt
2 Die Entwicklung der Vergangenheitstempora
2.1 Perfekt Indikativ
2.1.1 Funktion
Das Perfekt bezeichnet als perfectum praesens eine vollendete Handlung (perfektische Aktion), deren Auswirkungen bis in die Gegenwart hineinreichen; als perfectum historicum erzählt es andererseits auf die Frage „was geschah darauf?“ ein neu eintretendes, an einen anderen Vorgang anknüpfendes Ereignis (punktuelle Aktion) und stellt somit das übliche Erzähltempus dar.[9]
Im Vlt. geht der perfektische Charakter verloren, der fortan durch die periphrastische Konstruktion ‘ habere + Partizip Perfekt’ ausgedrückt wird.[10]
2.1.2 Bildung
Das Perfekt wird gebildet aus Perfektstamm + Perfektendung (-i, -isti, -it, -imus, -istis, -erunt).[11] Man unterscheidet die Perfekte in „schwach“ und „stark“:[12]
Schwach sind diejenigen, die durchweg den Ton auf die Endung legen; sie bilden das Perfekt auf -vi (laudáre, laudávi).
Die starken Perfekte haben drei stammbetonte Formen: 1. und 3. Pers. Sg. und 1. Pers. Pl. Sie werden nach der Bildung des Perfektstammes außerdem noch in Perfekte auf -ui (habére, hábui), Reduplikationsperfekte (cúrrere, cucúrri), Wurzelperfekte (vidére, vídi) und sigmatische Perfekte (scríbere, scrípsi) unterteilt.[13]
2.1.3 Die schwachen Perfekte auf ‘-vi’
Zu dieser Gruppe gehören die meisten Verben der klt. a- und i-Konjugation. Die besondere Entwicklung der Perfektendungen der schwachen i-Konjugation werden als Vorlage für die analogische Bildung in den anderen Gruppen dienen.
· i-Konjugation
Schon im Klt. bestehen für die 1. Pers. Sg. die Endungen -ívi und -íi (partívi, partíi) nebeneinander. Die Variante mit der Elision des Stammsuffix v ist der Auslöser für den durchgehenden Verlust und auch für eine analogische Bildung innerhalb der a-Konjugation (klt. -avi > vlt. -ai).[14]
Im vlt. Plural der i-Konjugation konkurrieren unterschiedliche Formen miteinander, die auch im Altsp. zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Das Neusp. hat nur jeweils eine Variante erhalten.[15]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei den Pluralvarianten mit unsilbischem i in der Endung, bewirkt eben dieses den Umlaut von e und o im Stamm zu i bzw. u.[17]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auch bei der 3. Pers. Sg. – wo vlt. -íut > sp. -ió – wird der Umlaut des Stammvokals e bzw. o durch das Endungs- i ausgelöst: petíut > pidió, dormíut > durmió.[18]
[...]
[1] vgl. Linnenkugel 1977, 202.
[2] vgl. ebd., 203.
[3] Tabelle nach Linnenkugel 1977, 206.
[4] vgl. Linnenkugel 1977, 50.
[5] Die i-Erweiterung tritt bei insgesamt zwölf klt. Verben auf.
[6] vgl. García de Diego 1970, 224; Lloyd 1987, 160f.
[7] vgl. Linnenkugel 1977, 50.
[8] vgl. ebd., 51.
[9] vgl. ebd., 204f; vgl. Hanssen 1910, 95: „Das präteritum ist das gewöhnliche tempus der erzählung. Jedoch zeigen sich in der alten epik (Cid, romanzen) unregelmässigkeiten. Im Cid tritt ausser dem historischen präsens auch das imperfektum und das perfektum dem präteritum zur seite (Diez III, 967). In den romanzen trifft man sogar das plusquamperfektum auf -ra als erzählende zeitform.“
[10] vgl. Lloyd 1987, 169f.; vgl. Hanssen 1910, 74 u. 98: „Die verbindung erscheint schon bei Plautus, doch bewahrt habere seine selbständige bedeutung: ‘halten, besitzen’. Am nächsten kommen der perfektbedeutung bestimmte redensarten wie cognitum habeo. Doch entwickelt sich das wirkliche umschriebene perfektum erst seit dem 6. jahrhundert.“
[11] vgl. Linnenkugel 1977, 50f.
[12] vgl. Menéndez Pidal 1940, 313ff.; vgl. Lloyd 1987, 102; vgl Lathrop 1984, 67ff.
[13] vgl. Linnenkugel 1977, 71; vgl. Lloyd 1987, 100ff.
[14] vgl. Lathrop 1984, 68; vgl. Lloyd 1987, 99f.
[15] vgl. Menéndez Pidal 1940, 310.
[16] vgl. ebd., 309: „Esta contracción siguió vigente en la Romania, pero el latín vulgar español prefirió Él audiut, de audiv(i)t; ya en las inscripciones españolas se escribe posiut.“
[17] vgl. Lloyd 1987, 309; vgl. Lathrop 1984, 184.
[18] vgl. Lathrop 1984, 184.
- Citation du texte
- Manuel Perez-Villar (Auteur), 1998, Die Entwicklung der spanischen Vergangenheitstempora aus dem Lateinischen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21172
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