Die absehbare demographische Entwicklung wird die Finanzierungs- und damit auch die Abgabenlast künftig wesentlich verschärfen. Seit Mitte der 60er Jahre ist die Geburtenrate drastisch gesunken; die deutsche Bevölkerung schrumpft und beginnt zu überaltern. Was besonders bei der Rentenversicherung zu einer Ausgabenexplosion bei gleichzeitigem Rückgang der Einnahmen führt. Aufgrund dieser Fakten stellt sich die Frage, ob der deutsche Sozialstaat womöglich falsch konzipiert ist, sich somit den aktuellen Entwicklungen nicht anpassen kann und schlussendlich nicht mehr finanzierbar ist. Um diese Frage zu beantworten werden im Folgenden die verschiedenen Modelle des Wohlfahrtsstaats erörtert. Darüber hinaus wird der deutsche S ozialstaat im internationalen Vergleich mit Großbritannien und Schweden betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
1.0 Einleitung
2.0 Definition des Terminus „Wohlfahrtsstaat“
2.1 Unterscheidung Wohlfahrtsstaat – Sozialstaat - Sozialpolitik
2.2 Typisierung von Wohlfahrtsstaaten
3.0 Länderbeispiele für die drei Wohlfahrtsstaatstypen
3.1 Deutschland – der konservative Wohlfahrtsstaat
3.1.1 Charakteristika und Gestaltungsprinzipien
3.1.2 Sicherungssystem
3.2 Großbritannien - der liberale Wohlfahrtsstaat
3.2.1 Charakteristika und Gestaltungsprinzipien
3.2.2 Sicherungssystem
3.3 Schweden – der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaat
3.3.1 Charakteristika und Gestaltungsprinzipien
3.3.2 Sicherungssystem
4.0 Schlussbetrachtung
5.0 Quellen
6.0 Eidesstattliche Erklärung
1.0 Einleitung
Seit es ihn gibt, ist der Sozialstaat umstritten, und zwar paradoxerweise nicht nur bei denjenigen, die zu seiner Finanzierung beitragen, sondern auch bei vielen seiner Nutznießer. In der aktuellen Wohlfahrtsstaatsentwicklung spiegeln sich Veränderungen wieder, die als Krise des Sozialen bezeichnet werden können. Diese Krise wird vor allem durch die Frage der Finanzierbarkeit des Sozialstaates hervorgerufen.
Ein Problem des deutschen Sozialstaats sind die steigenden Sozialleistungen welche auch gleichzeitig steigende Finanzierungslasten bedeuten. Besonders deutlich zeigt sich dies in der Sozialversicherung, weil die Ausgaben dort im Wesentlichen durch Beträge gedeckt sein müssen. Mit den stark gestiegenen Sozialleistungen sind auch die Soziallasten gewachsen und wurden auf Unternehmen, private Haushalte und Staat verteilt.
Die absehbare demographische Entwicklung wird die Finanzierungs- und damit auch die Abgabenlast künftig wesentlich verschärfen. Seit Mitte der 60er Jahre ist die Geburtenrate drastisch gesunken; die deutsche Bevölkerung schrumpft und beginnt zu überaltern. Was besonders bei der Rentenversicherung zu einer Ausgabenexplosion bei gleichzeitigem Rückgang der Einnahmen führt.
Aufgrund dieser Fakten stellt sich die Frage, ob der deutsche Sozialstaat womöglich falsch konzipiert ist, sich somit den aktuellen Entwicklungen nicht anpassen kann und schlussendlich nicht mehr finanzierbar ist. Um diese Frage zu beantworten werden im Folgenden die verschiedenen Modelle des Wohlfahrtsstaats erörtert. Darüber hinaus wird der deutsche Sozialstaat im internationalen Vergleich mit Großbritannien und Schweden betrachtet.
2.0 Definition des Terminus „Wohlfahrtsstaat“
Ein Wohlfahrtsstaat ist ein in Verfassungen, Gesetzen und Verordnungen ausgedrückter Vergesellschaftungsmodus, der eine Parteinahme für sozial schwächere voraussetzt, Eingriffe in das Wirtschaftsleben bedingt und neben Schutz- auch Gestaltungsaufgaben umfasst[1].
„Wohlfahrtsstaat“ bezeichnet auch staatliche Interventionen in die gesellschaftliche Verteilung von Lebenschancen in den Bereichen Einkommen, Gesundheit, Wohnen und Bildung. Das Ziel dieser Intervention ist die Förderung der Sicherheit und der Gleichheit der Bürger durch ein komplexes System der sozialen Sicherung und gezielte Eingriffe in die Wirtschaftspolitik. Im Rahmen der sozialen Sicherung werden die Mitglieder eines Wohlfahrtsstaates gegen allgemeine Lebensrisiken wie Krankheit, Invalidität, Erwerbslosigkeit, Unterversorgung im Alter oder ähnliches geschützt und davon Betroffenen Unterstützung gewährt. Sozialstaatlichkeit in einem Wohlfahrtsstaat beinhaltet ein Höchstmaß an sozialer Sicherheit für alle Gesellschaftsmitglieder, ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit und das Streben nach sozialer Gleichheit.
Unter einem modernen Wohlfahrtsstaat versteht man eine institutionalisierte Verpflichtung zur sozialen Sicherung und eine Förderung der Staatsbürger durch den Staat.
Der Terminus „Wohlfahrtsstaat“ wird somit rein deskriptiv, zur Kennzeichnung bestimmter Staatsaktivitäten, benutzt.
2.1 Unterscheidung Wohlfahrtsstaat – Sozialstaat - Sozialpolitik
Durch die Definition des Terminus Wohlfahrtsstaat stellt sich die Frage, worin der gravierende Unterschied zu einem Sozialstaat besteht. Um dies zu klären ist die historische Entwicklung dieses Terminus wichtig.
Der Begriff Sozialstaat wurde in Deutschland ab den 50er Jahren zur Abgrenzung vom englischen und schwedischen Modell verwendet. In den 50er Jahren verstand man unter einem englischen oder schwedischen Wohlfahrtsstaat den Anspruch, der gesamten Bevölkerung, ohne Ansehen der Person oder des Vermögens, eine möglichst hohe soziale Sicherung zukommen zu lassen, sowie die Vollbeschäftigung zu garantieren.
Zur Verwirklichung dieses Ziels wurden Maßnahmen wie die Verstaatlichung des Gesundheitsdienstes, umfassende Sozialversicherung, Kinderbeihilfen, Erweiterung der Sozialfürsorgemaßnahmen, Volksgrundrente und die Verstaatlichung von Teilen der Industrie verwendet.
Ähnlich wie der Ausdruck „Kapitalismus“ eine bestimmte Form der Ökonomie beschreibt, bezieht sich der Terminus „Sozialstaat“ auf einen bestimmten Typus von Staatstätigkeit.
In Deutschland verstehen wir unter dem Begriff Sozialstaat die Wirtschaftsordnung einer sozialen Marktwirtschaft, deren Kern die beitragsfinanzierten Sozialversicherungen bilden bei gleichzeitiger Eingrenzung der Zuständigkeit des Staates durch des Subsidiaritätsprinzip.
Sozialpolitik bezeichnet das Mittel, um soziale Benachteiligungen und Gegensätze innerhalb einer Gesellschaft, durch politisches Handeln, auszugleichen, beziehungsweise auszuschließen. Während der Sozialstaat hingegen eine weit geschlossenere Zielprojektion verkörpert. Die staatliche Sozialpolitik schuf den Sozialstaat, ohne dass dieser jedoch völlig darin aufging.
Da die Typisierung eines Wohlfahrtsstaates als „Sozialstaat“ hauptsächlich in Deutschland vorherrscht, wird im Folgenden der Ausdruck „Sozialstaat“ nicht weiter verwendet.
2.2 Typisierung von Wohlfahrtsstaaten
Versuche, Wohlfahrtsstaaten in Typenklassen einzuteilen sind sehr umstritten, da die hohe Komplexität der einzelnen Sicherungssysteme zu mancherlei Überschneidungen bei ihrer Klassifizierung führt und somit kein Raster den wissenschaftlichen Ansprüchen genügt.
Im Folgenden wird die Typisierung von Esping-Anderson übernommen, welcher die „drei Welten des Wohlfahrtsstaats“[2] unterscheidet. Esping-Anderson unterscheidet den sozialdemokratischen-, vom liberalen-, und vom konservativen Typ des Wohlfahrtsstaats. Jeder Typus des Wohlfahrtsstaats verfügt über eine spezifische politische Machtbasis und eine charakteristische Organisation der Sozialpolitik. Jedes dieser Modelle produziert in unterschiedlichem Umfang sozialpolitische Programme, Eintrittsbarrieren und Leistungen und stößt somit auf unterschiedliche Probleme und Grenzen der Entwicklung.
- Der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaat ist universell ausgerichtet. Soziale Bürgerrechte bilden die Anspruchsgrundlage. Eine Versorgung auf höchstem Niveau wird angestrebt, wodurch hohe Sozialausgaben entstehen. Die Befreiung von Zwängen des Marktes ist hier am stärksten ausgeprägt, wodurch ebenfalls ein relativ hohes Maß an sozialer Gleichheit erzeugt wird. Dieser Typus wird vor allem in Schweden, Norwegen und Dänemark realisiert.
- Der liberale Wohlfahrtsstaat bildet den Gegenpol dazu. Soziale Anspruchsrechte sind niedrig angesiedelt. Die relativ geringen Leistungen sind mit einer individuellen Bedürftigkeitsprüfung verbunden und es wird vor allem die Rolle des freien Marktes und der Familie betont. Die USA, Kanada, Australien und Großbritannien sind Vertreter dieses Typus.
- Beim konservativen Typ des Wohlfahrtsstaats wird zwar stärker interveniert und mehr geleistet, jedoch geschieht dies meist temporär begrenzt und stark sozialversicherungszensiert. Da die meisten Sozialleistungen an den Beschäftigungsstatus gekoppelt sind, ist diese Sicherungsvariante nicht universell angelegt, sondern beruht darauf, dass abhängig Beschäftigte und Arbeitgeber je nach der Lohn- und Gehaltshöhe paritätisch Beiträge zahlen. Daraus ergeben sich im Versicherungsfall entsprechende Leistungen. Musterfälle hierfür sind Österreich, Frankreich, Italien und Deutschland. Besonderheit des deutschen Modells ist, dass sich der Sozialversicherungsstaat nur zu einem knappen Drittel über den allgemeinen Staatshaushalt finanziert und zudem ein Wohlfahrtsverbändestaat ist, in dem Ämter und Behörden dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend, eine Nebenrolle bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen spielen.
3.0 Länderbeispiele für die drei Wohlfahrtsstaatstypen
3.1 Deutschland – der konservative Wohlfahrtsstaat
3.1.1 Charakteristika und Gestaltungsprinzipien
Der deutsche Typus des Wohlfahrtsstaats wird durch das Grundgesetz bestimmt. Artikel 20 Absatz 1 und Artikel 28 Absatz 1 beinhalten, dass die Bundesrepublik einen „sozialen Bundesstaat“ beziehungsweise einen „sozialen Rechtsstaat“ darstellt. Dieser Grundsatz ist sehr abstrakt gehalten, er wird jedoch an Leitprinzipien wie Solidarität und Subsidiarität geknüpft, wodurch er Orientierungshilfen bietet. Die sozialethischen Formeln: Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit stellen den Kern des deutschen Wohlfahrtsstaats dar. Sie begründen und regulieren ein komplexes Geflecht gegenseitiger Pflichten und Rücksichtnahmen, grenzen Kollektiv- von Individualverantwortlichkeiten ab und bilden die ethische Grundlage für Umverteilungsmaßnahmen.
Die Gestaltungsprinzipien Versicherung, Versorgung und Fürsorge verknüpfen die Leistungsseite des Sicherungssystems mit der Finanzierungsseite. Dieses System der Sozialversicherung ist charakteristisch für das deutsche Modell.
Durch das Versicherungsprinzip werden die zu sichernden Personen in Versicherungsgemeinschaften zusammengeschlossen, haben Beiträge zu zahlen und erwerben damit den Anspruch, beim Eintritt des Versicherungsfalls Leistungen gemäß dem geltenden Leistungsrecht zu empfangen. Die Finanzierung erfolgt durch paritätische Mittelaufbringung. Die Leistungen und Beiträge müssen nicht für jeden Versicherten gleichwertig sein, sondern nur insgesamt zur Leistungsfinanzierung ausreichen. Der deutsche Typus ist somit nicht individuell, sondern kollektiv ausgerichtet
Das Versorgungsprinzip beinhaltet die Entschädigung aus Steuermitteln für besondere Opfer, die dem Staat erbracht wurden. Als Beispiele hierfür sind die Entschädigung für Impfopfer zu nennen sowie die „Trümmerfrauen“ des zweiten Weltkriegs.
Das Fürsorgeprinzip beinhaltet, dass unabhängig von Vorleistungen oder Opfern jeder soweit einen Anspruch auf Hilfe hat, als er aufgrund seiner besonderen individuellen Situation als bedürftig gilt. Es berücksichtigt, dass nicht nur gruppenspezifische Notsituationen, sondern auch spezifische individuelle Notfälle existieren. Hauptbestandteil der Fürsorge ist die Sozialhilfe. Finanziert werden die Leistungen wieder aus allgemeinen öffentlichen Haushaltsmitteln.
[...]
[1] Vgl. Butterwegge, Ch. (1999) Seite 15
[2] Vgl. G. Esping-Andersen (1990) Seite 82
- Citation du texte
- Carolin Sandfort (Auteur), 2003, Die drei Modelle des Wohlfahrtsstaats, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21167
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