Polen kann, neben Ungarn, als ein Vorreiter unter den Mittelosteuropäischen Ländern bezüglich seiner Umsetzung des Systemwechsels zur Demokratie bezeichnet werden. Das Thema der lokalen Regierungen war dabei schon vor 1989 im Fokus. Im Zuge der Diskussionen am runden Tisch argumentierte die Solidaritätsbewegung Solidarność für eine Wiederbelebung starker lokaler Regierungen. Sie sahen vor allem die Gemeinden als Basis der Opposition und Sprungbrett der Gegenbewegung, welche in der Lage ist die zentralistischen Staatsstrukturen herauszufordern. Auch in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung wird die Relevanz der Gemeinden hervorgehoben, indem sie erwägt, „daß die kommunalen Gebietskörperschaften eine der wesentlichen Grundlagen jeder demokratischen Staatsform sind“ .
Der Fokus dieser Arbeit wird auf den Gemeinden liegen. Sie sind besonders nah an den Bürgern und kennen deren Bedürfnisse genau. Um diese Bedürfnisse angemessen/ausreichend befriedigen zu können ist ein hohes Maß an Autonomie für die Gemeinden erforderlich.
Daher soll die Autonomie polnischer Gemeinden untersucht werden. Im Anschluss werden diese Ergebnisse in einem europäischen Vergleich bewertet. Dies erfolgt mittels Literatur- und Dokumentenanalyse.
Zu Beginn findet eine Definition der zentralen Begriffe statt, um eine eindeutige Verwendung sicherzustellen. Danach werden verschiedene Typologien von Kommunalsystemen vorgestellt, um einen theoretischen Hintergrund für die sich anschließende Analyse zu schaffen. Als Analysebasis wird hier die Typologie von Page und Goldsmith benutzt werden, wobei nur die legale Dimension ihrer Theorie betrachtet wird. In der nachfolgenden Analyse werden die relevanten Aspekte für das polnische Kommunalsystem erläutert. Dazu zählen einerseits geschichtliche Aspekte sowie die Europäisierung des Landes. Weiter werden der legale Rahmen, die Aufsichtsmöglichkeiten über die Gemeinde und die Finanzen untersucht. Zusammenfassend werden anschließend die in der Analyse veranschaulichten Aspekte bewertet. Abschließend wird anhand der einzelnen Elemente die Einordnung der Autonomie polnischer Gemeinden in die Typologie nach Page und Goldsmith vorgenommen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsbestimmungen
2.1 Autonomie
2.2 Definition „Kommunale Selbstverwaltung“
2.3 Zusammenfassung
3. Typologien von Kommunalsystemen
3.1 Hesse/Sharpe
3.2 Page/Goldsmith
3.3 Loughlin et al
3.4 Abschließende Überlegungen
4. Historisches Erbe und Europäisierung
4.1. historisches Erbe/Voraussetzungen
4.2 Europäisierung
5. Heutige Situation
5.1 Aufbau der territorialen Selbstverwaltung
5.2 Verfassungsrechtliche Stellung der Gemeinden
5.2.1 Verfassungsrechtliche Stellung der territorialen Selbstverwaltung nach 1990 allgemein
5.2.2 Verhältnis der territorialen Selbstverwaltungseinheiten untereinander
5.2.3 Stellung der Gemeinden
5.3 Aufsicht über Gemeinden
5.3.1 Allgemeine Aufsicht
5.3.2 Finanzaufsicht
5.4 gerichtlicher Schutz der Gemeinde
5.5 Aufgaben der Gemeinde
5.6 Finanzen
5.6.1 Einnahmen
5.6.1.1 Beiträge und Gebühren
5.6.1.2 Geteilte Steuern
5.6.1.3 Steuersetzungsmöglichkeiten
5.6.1.4 Struktur der finanziellen Zuschüsse
5.6.2 Ausgaben
5.6.3 Personal
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis.
Abkürzungsverzeichnis.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Lokale Autonomie: länderübergreifender Vergleich
Abbildung 2: Übersicht über die territoriale Aufteilung Polens, am
Abbildung 3: Investitionen der territorialen Selbstverwaltung; Regions = Woiwodschaften, Counties =Kreise, Municipalities = Gemeinden; konstante Preise von
Abbildung 4: Einnahmen und Ausgaben nach Regierungsebene,
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Anteile der Selbstverwaltungseinheiten an Einkommens- und Körperschaftssteuer (in Prozent)
Tabelle 2: Höhe und Verhältnis der kommunalen Einnahmen an den Staatseinnahmen, in Millionen Złoty
Tabelle 3: Struktur der Einnahmen der Gemeinden, in mln ZlotyStruktur der Einnahmen der Gemeinden in mln Zloty
Tabelle 4: öffentlich Beschäftigte 2000 - 2010, Anzahl und Anteile
1. Einleitung
Polen kann, neben Ungarn, als ein Vorreiter unter den Mittelosteuropäischen Ländern bezüglich seiner Umsetzung des Systemwechsels zur Demokratie bezeichnet werden. Das Thema der lokalen Regierungen war dabei schon vor 1989 im Fokus. Im Zuge der Diskussionen am runden Tisch argumentierte die Solidaritätsbewegung Solidarno ść für eine Wiederbelebung starker lokaler Regierungen. Sie sahen vor allem die Gemeinden als Basis der Opposition und Sprungbrett der Gegenbewegung, welche in der Lage ist die zentralistischen Staatsstrukturen herauszufordern.[1] Auch in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung wird die Relevanz der Gemeinden hervorgehoben, indem sie erwägt, „daß die kommunalen Gebietskörperschaften eine der wesentlichen Grundlagen jeder demokratischen Staatsform sind“[2].
Der Fokus dieser Arbeit wird auf den Gemeinden liegen. Sie sind besonders nah an den Bürgern und kennen deren Bedürfnisse genau. Um diese Bedürfnisse angemessen/ausreichend befriedigen zu können ist ein hohes Maß an Autonomie für die Gemeinden erforderlich.
Daher soll die Autonomie polnischer Gemeinden untersucht werden. Im Anschluss werden diese Ergebnisse in einem europäischen Vergleich bewertet. Dies erfolgt mittels Literatur- und Dokumentenanalyse.
Zu Beginn findet eine Definition der zentralen Begriffe statt, um eine eindeutige Verwendung sicherzustellen. Danach werden verschiedene Typologien von Kommunalsystemen vorgestellt, um einen theoretischen Hintergrund für die sich anschließende Analyse zu schaffen. Als Analysebasis wird hier die Typologie von Page und Goldsmith benutzt werden, wobei nur die legale Dimension ihrer Theorie betrachtet wird. In der nachfolgenden Analyse werden die relevanten Aspekte für das polnische Kommunalsystem erläutert. Dazu zählen einerseits geschichtliche Aspekte sowie die Europäisierung des Landes. Weiter werden der legale Rahmen, die Aufsichtsmöglichkeiten über die Gemeinde und die Finanzen untersucht. Zusammenfassend werden anschließend die in der Analyse veranschaulichten Aspekte bewertet. Abschließend wird anhand der einzelnen Elemente die Einordnung der Autonomie polnischer Gemeinden in die Typologie nach Page und Goldsmith vorgenommen.
2. Begriffsbestimmungen
Der Begriff „Autonomie“ stellt den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit dar. Um das Verständnis und eine eindeutige Verwendung sicherzustellen wird dieser vorab definiert. Da es im Rahmen dieser Arbeit konkret um die Autonomie von Gemeinden geht, findet ebenfalls eine kurze Definition des Begriffes „kommunale Selbstverwaltung“ statt.
2.1 Autonomie
Das Wort Autonomie stammt aus dem griechischen und setzt sich zusammen aus den Wörtern a utos = selbst und nomos = Gesetz, Selbstgesetzgebung bzw. autonomia = Selbstständigkeit, Unabhängigkeit.[3] Nohlen und Schultze definieren Autonomie allgemein als „die Fähigkeit von Individuen, Gruppen, Organisationen, Unternehmen, Staaten, ihre Ziele und Entscheidungsprämissen im Verhältnis zur jeweiligen Umwelt soweit wie möglich selbst zu bestimmen.“[4] Manfred G. Schmidt bietet eine ähnliche Bestimmung: „Autonomie, innerstaatlich die Befugnis von Teilgebieten eines Staates, von Körperschaften, Institutionen oder Verbänden zur Regelung bestimmter Angelegenheiten in Selbstverwaltung.“[5]
Beiden Definitionen ist gemein, dass sie auf eine Selbstbestimmung der jeweiligen Organe abstellen. Schmidt verweist dabei konkret auf den Begriff der Selbstverwaltung. Autonomie ist demzufolge eng mit dem Begriff Selbstverwaltung verbunden. Da der Fokus dieser Arbeit auf der Autonomie von Gemeinden liegt, wird unter Punkt 2.2. der Begriff der kommunalen Selbstverwaltung näher erläutert.
Eine komplexere Untersuchung des Autonomiebegriffs liefern Verhoest et al. (2004). Sie stellen dabei zwei Dimensionen von Autonomie heraus. Eine Dimension umfasst die Autonomie von ausführenden Organen bezüglich des Grades ihrer Entscheidungskompetenzen bzw. Handlungsfreiheiten. Dies betrifft zum einen die Policy-Setzung und andererseits das Management der Organe selbst. Diese Dimension wird bestimmt durch den Spielraum und das Ausmaß der Handlungsfreiheiten. Eine Beschränkung kann hier durch ex ante-Zustimmungen oder auch Vorgaben bzw. Instruktionen der höhergestellten Organe erfolgen. Dabei gehen Verhoest et al. (2004) davon aus, dass eine Vergrößerung der Autonomie auch eine Verschiebung von Kompetenzen erfordert, ebenso wie eine Reduzierung von Regulierungen und ex ante-Genehmigungen bzw. Kontrollen.[6]
Die zweite Autonomiedimension wird definiert als das Nicht-Vorhandensein bzw. die Befreiung von Einschränkungen bei der eigentlichen Ausführung der Handlungsfreiheiten. Diese Dimension bezieht sich auf strukturelle, finanzielle, gesetzliche und intervenierende Einschränkungen bei den Entscheidungskompetenzen der ausführenden Organe. Auch wenn ein Organ Autonomie bezüglich des Policy-Making und des Management genießt, kann die Regierung noch auf anderem Wege Einfluss nehmen. In diesem Zusammenhang lassen sich vier Ebenen von Autonomie unterscheiden.
Erstens strukturelle Autonomie, die dadurch definiert ist, inwieweit das Organ von Einflüssen der Regierung durch ihre Hierarchielinien und Verantwortung abgeschirmt ist. Zweitens die finanzielle Autonomie dar, d. h. inwieweit das Organ auf Finanzierung durch die Regierung angewiesen ist oder ob es eigene Einnahmen verzeichnen kann und auch für ihre Verluste selbst verantwortlich ist. Drittens legale Autonomie, die sich auf den gesetzlichen Status des Organs bezieht und darauf inwieweit er die Regierung davon abhält, Änderungen in den Entscheidungskompetenzen vorzunehmen. Die vierte und letzte Ebene wird als Interventionsautonomie bezeichnet. Diese bezieht sich auf das Ausmaß dessen, wie frei die Organe von ex post-Berichtspflichten, Evaluationen und Prüfungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Entscheidungen und Resultate sind.[7]
2.2 Definition „Kommunale Selbstverwaltung“
Eine europaweit gültige Definition findet sich in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (EU-Charta). In Artikel 3 wird kommunale Selbstverwaltung folgendermaßen bestimmt: „kommunale Selbstverwaltung bedeutet das Recht und die tatsächliche Fähigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften, im Rahmen der Gesetze einen wesentlichen Teil der öffentlichen Angelegenheiten in eigener Verantwortung zum Wohl ihrer Einwohner zu regeln und zu gestalten“[8]
Auch wird hier auf die Erfordernis der geeigneten Mittel hingewiesen. Kommunale Selbstverwaltung wird weiterhin als wichtiger Bestandteil für ein Europa gesehen, dass sich auf die Prinzipien der „Demokratie und Dezentralisierung der Macht“[9] stützt.[10]
2.3 Zusammenfassung
Autonomie unter Einbeziehung der Dimensionen nach Verhoest et al. (2004), im Rahmen dieser Arbeit als Selbstbestimmung verstanden. Demnach ist eine autonome Gemeinde, die statusrechtlich in den Gesetzen verankert ist, in der Lage ihre (öffentlichen) Angelegenheiten selbstständig und in eigener Verantwortung - im Rahmen der bestehenden Gesetze - zu regeln ohne dabei von anderen Instanzen oder Organen wesentlich beeinflusst zu werden. Dies schließt auch die freie Wahl über die Art und Weise der Ausübung ein, ebenso wie das Vorhandensein der erforderlichen Mittel.
3. Typologien von Kommunalsystemen
Auf dem Gebiet der vergleichenden Kommunalforschung wurden in den letzten Jahrzehnten, vor allem in den 80er und 90er Jahren vermehrt Vergleiche zwischen den Kommunalsystemen verschiedener (westlicher) Länder angestellt. Einige dieser Typologien sollen hier vorgestellt werden, um einen kurzen Überblick über die Theorie zu gewinnen und eine Grundlage für die sich anschließende Analyse zu bilden.
3.1 Hesse/Sharpe
Einen umfassenden Vergleich westlicher Kommunalsysteme bieten Hesse und Sharpe 1991[11]. Obgleich es bei den zwanzig untersuchten Ländern erhebliche Unterschiede gibt, machen die Autoren keine Differenzierung nach föderalen oder unitarischen Staaten. Dies begründen Sie damit, dass in mehreren der dargestellten unitarischen Staaten ein neues Zwischenlevel eingeführt wurde und somit eine Unterscheidung weniger wichtig ist, als in früheren Untersuchungen. Statt den Gegensatz von föderal und unitarisch als Hauptuntersuchungsmerkmal heranzuziehen, bevorzugen sie es, von verschiedenen Stufen von Dezentralisierung zu sprechen.[12]
Sie stützen ihre Analyse dabei nicht auf spezifische Variablen oder Indikatoren, wie Tätigkeiten, Zugang zu nationalen Entscheidungsprozessen und Handlungsfreiheit (s. Page und Goldsmith) oder bekannte und oft genutzte umfassende Kategorien wie Information, Beteiligung, Repräsentation und Professionalisierung. Vielmehr versuchen sie diese Variablen zu aggregieren, indem sie Gruppen lokaler Regierungssysteme hervorheben, unterschieden nach funktionaler und politischer Rolle. Hesse und Sharpe bewerten diese durch ihre Leistung, wobei Input- und Output-Kategorien gebildet werden.[13] Lokale Autonomie verstehen sie als „konstitutionelle Absicherung, funktionale Handlungsbreite und finanzielle Handlungsfreiheit der lokalen Ebene“[14]
Im Ergebnis kommen Hesse und Sharpe zu einer Dreiteilung der untersuchten Kommunalsysteme: der Franco-Gruppe, der Anglo-Gruppe sowie die Gruppe der nord- und mitteleuropäischen Staaten.
Die Kommunalsysteme der Länder der 'Franco-Gruppe' folgen dem Französischen bzw. Napoleonischen Modell. Sie besitzen konstitutionellen Status, wobei sie im gesamten System jedoch eher eine politische als funktionale Rolle einnehmen – bei lokaler Regierung geht es eher um eine gemeinsame Identität als um Selbstverwaltung.[15] Laut Verfassung unterstehen die lokalen Regierungen einem gemeinsamen allgemeinen Vorgesetzten – dem Präfekten – welcher formale Kontrolle im Namen der zentralen Regierung über alle Regierungsaktivitäten ausübt und nur wenig Autonomie zulässt[16] Zur 'Franco-Gruppe' zählen Hesse und Sharpe neben Frankreich auch Italien, Belgien, Spanien, Portugal und zu einem gewissen Grad auch Griechenland.[17]
Bei der zweiten Gruppe, dem Anglo-Modell, genießt die lokale Regierung keine verfassungsmäßige Garantie, zumindest nicht auf der nationalen Ebene. Die Rahmenbedingungen sind eher durch Statuten festgelegt. Die lokalen Regierungen sind relativ frei von formaler Kontrolle durch das Zentrum und haben einen vergleichsweise hohen Grad an lokaler Autonomie bei der Ausführung ihrer täglichen Geschäfte. Jedoch gibt es keine Gleichberechtigung zwischen der zentralen und der lokalen Regierung. Dies äußert sich darin, dass die Landesregierung selbst den Umfang seiner Kontrolle festlegt. Die Existenz von Vertretungen zentraler Einheiten auf lokaler Ebene ist selten, traditionell herrscht eher Neutralität und Unparteilichkeit.[18] In Europa gehören zu dieser Gruppe Großbritannien und Irland.
Bei der dritten Variante – der Nord- und mitteleuropäischen Gruppe – ähneln die zentral-lokalen Beziehungen dem des Anglo-Modells, insbesondere hinsichtlich der lokalen Tätigkeiten. Im Gegensatz dazu sind diese Staaten jedoch am stärksten öffentlich dezentralisiert und haben eine weiter reichende konstitutionelle Basis. Damit stehen sie in der preußischen Tradition des 19ten Jahrhunderts. Sie haben von allen drei Gruppen die größte Autonomie, aufgrund ihrer starken konstitutionellen Basis und einem relativ hohen Grad an Policy-Making-Autonomie und finanzieller Unabhängigkeit. Zu dieser Gruppe zählen die Autoren Norwegen, Schweden und Dänemark als prägnanteste Vertreter. Weiterhin werden Österreich, Deutschland, die Schweiz und die Niederlande zugeordnet.[19]
Die nord- und mitteleuropäische Gruppe stellt die größte Gruppe innerhalb der vorgestellten Typologie dar. Hesse und Sharpe nehmen an, dass diese das Modell der Zukunft sein könnte, vor allem für einige Länder der Franco-Gruppe.[20]
3.2 Page/Goldsmith
Die Arbeiten von Page/Goldsmith (1987), Page (1991) und Goldsmith (1997) haben einen ähnlichen Ansatz wie Hesse und Sharpe. Sie beziehen sich vor allem auf den Begriff der lokalen Autonomie. Diese wird bei ihnen als Handlungsfreiraum verstanden, welchen Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben besitzen.[21] Sie unterscheiden dabei jedoch zwischen legaler und politischer Dimension.
Die legale Dimension reflektiert dabei die Funktionsbreite der Gemeinden und, einfach ausgedrückt, das Ausmaß der praktischen Kontrolle, die Gemeinden bei der Ausführung ihrer Aufgaben haben, d. h. inwiefern sie selbst über die Art und Weise der Ausführung entscheiden können.[22] Das Level des 'legalen Lokalismus' bzw. der legalen Autonomie lässt sich auf zwei Arten untersuchen: Erstens indem das Level der finanziellen Mittel der Gemeinden (Einnahmequellen, Ausgaben und Personal) durchleuchtet wird und zweitens, indem beschrieben wird, welche der Hauptaufgaben der Gemeinden in den verschiedenen Ländern sind.[23]
Der zentrale Begriff der Handlungsfreiheit wird näher ausgeführt als die Fähigkeit von Gemeinden als Gesamtheit (nicht einzelner Angestellter), Entscheidungen ohne die Intervention der zentralen Regierung treffen zu können. Es ist jedoch äußerst schwierig, diese Handlungsfreiheit quantitativ zu messen. Indikatoren für eine Untersuchung sind dabei der allgemeine legale Rahmen lokaler Regierungen, die Kontrollinstanzen der zentralen Regierung sowie die zwischenstaatlichen Zuschüsse.[24]
'Politischer Lokalismus' bzw. politische Autonomie bezieht sich auf den Einfluss den Gemeinden auf nationale Entscheidungsprozesse nehmen können. Mit den Worten von Mackenzie (1954) erklärt Page: „the greater the influence of local political élites in national decisions affecting local government, the greater the degree of political localism“[25] Es gibt für Gemeinden zwei Arten der Einflussnahme auf die zentrale Regierung: direkt und indirekt. Direkter Einfluss kann durch bilaterale Kontakte zwischen nationalen Politikern und individuellen Gemeindefunktionären ausgeübt werden. Dagegen kann indirekter Einfluss durch eine gemeinsame Organisation, meist auf nationaler Ebene, ausgeübt werden.[26] Diesen Einfluss können die Gemeinden nutzen, um den Rahmen des legalen Lokalismus zu ändern und somit größere Handlungsfreiheiten zu erreichen oder auch weitere Zuschüsse der zentralen Regierung zu empfangen.
Grundlage ihrer Analyse Ende der 80er Jahre sind sieben unitarische Staaten, welche sie zwei großen Gruppen zuordnen. Zum einen gibt es die Gruppe der südeuropäischen Staaten, die einen napoleonischen Aufbau haben mit einem starken Einfluss der zentralen Regierung (Frankreich, Italien, Spanien). Die andere Gruppe, die nordeuropäischen Staaten, stellen Kommunen mit einer etablierten und gesetzlich garantierten Selbstverwaltung dar (Großbritannien, Dänemark, Norwegen und Schweden). Nach ihrer Analyse kann keine der beiden Gruppen eindeutig als autonom bzw. nicht-autonom bezeichnet werden. Die Gruppe der nordeuropäischen Staaten hat eine starke Stellung der Kommunen bezüglich der legalen Autonomie, während sie eher geringe politische Autonomie aufweisen. Im Kontrast dazu ist in der südeuropäischen Gruppe der Grad der politischen Autonomie wesentlich höher, indessen ihnen weniger Aufgaben übertragen werden und sie in größerem Maße zentraler Kontrolle unterstehen.[27] Im Jahr 1997 komplettiert Goldsmith diese Dichotomie durch die Einbeziehung von föderalen Kommunalsystemen. Aufgrund der föderativen Strukturen räumt er dieser dritten Gruppe, welche er als mitteleuropäische Germanische-Systeme (Deutschland, Österreich, die Schweiz, z.T. Belgien, Spanien, zunehmend auch Frankreich und Italien) bezeichnet, ein hohes Maß an lokaler Autonomie auf beiden Ebenen ein.[28]
In der folgenden Darstellung aus dem Jahr 1995 bietet Goldsmith eine Übersicht der verschiedenen Kommunalsysteme hinsichtlich ihrer lokalen Autonomie.
Abbildung 1: Lokale Autonomie: länderübergreifender Vergleich
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Goldsmith, S. 238
[...]
[1] Vgl. Wollmann / Lankina, S. 101
[2] EU-Charta, Präambel
[3] Vgl. Nohlen/Schultze, S. 58; Schmidt, S. 66
[4] Nohlen / Schultze S. 58
[5] Schmidt, S. 66
[6] Vgl. Verhoest, S. 104
[7] Vgl. Verhoest S. 105f
[8] EU-Charta, Art. 3
[9] EU-Charta, Präambel
[10] Vgl. EU-Charta, Präambel
[11] Vgl. Hesse/Sharpe
[12] Vgl. Hesse/Sharpe., S. 605
[13] Ebd., S. 606
[14] Vetter, S. 113
[15] Vgl. Vetter, S. 113
[16] Vgl. Hesse/Sharpe S. 606
[17] Vgl. Hesse/Sharpe., S. 607
[18] Ebd., S. 607
[19] Vgl. Hesse/Sharpe, S. 607; Vetter, S. 112f
[20] Vgl. Hesse/Sharpe, S. 608
[21] Vgl. Vetter, S. 111f
[22] Vgl. Page, S. 13
[23] Ebd., S. 14
[24] Ebd., S. 21f
[25] Ebd., S. 42
[26] Vgl. Page, S. 43
[27] Vgl. Vetter, S. 111
[28] Vgl. Vetter, S. 112
- Arbeit zitieren
- Bianca Affeldt (Autor:in), 2012, Die Autonomie der Gemeinden Polens im europäischen Vergleich. Eine Analyse des polnischen Kommunalsystems, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/211632
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