Was ist Qualität im Journalismus und wohin entwickelt sich diese angesichts des sich immer mehr verbreitenden Trends zur Boulevardisierung? Diese Frage hat mich im Laufe meines Studiums schon sehr häufig beschäftigt. Denn offensichtlich ist eine Abgrenzung des Qualitätsjournalismus vom Boulevardjournalismus nicht mehr so einfach. Die Boulevardisierung der Medien ist weltweit auf dem Vormarsch. Die Boulevardpresse führt auf dem Zeitungsmarkt, während Qualitätsblätter um ihre Leser ringen. Was folgt, ist eine Anpassung letzterer an die sich offensichtlich wandelnden Bedürfnisse der LeserInnen.
Die vorliegende Bakkelaureatsarbeit beschäftigt sich mit genau diesem Thema und versucht, zu eruieren, welche bzw. wie viele Merkmale des Boulevardjournalismus in Qualitätszeitungen zu finden sind. Um den Rahmen allerdings nicht zu sprengen, habe ich mich dafür entschieden, konkret eine österreichische Tageszeitung, nämlich den Standard, zu untersuchen. Der Titel der Arbeit lautet „Wie viel Boulevard steckt in Qulaitätszeitungen?“.
Um diese Fragen zu beantworten und um meiner Arbeit bzw. meinen Erkenntnissen einen wissenschaftlichen Charakter zu verleihen, habe ich auf zwei sozialwissenschaftliche Methoden zurückgegriffen. Die erste war jene der Literaturrecherche. Anhand bereits existierender Literatur zu meinem Thema konnte ich die wichtigsten Begriffe klären und meine Argumente stützen. Theorien aus der Journalistik waren mir dabei besonders hilfreich. Die zweite Methode, die ich angewendet habe, war die qualitative Inhaltsanalyse. Konkret habe ich 14 Artikel der österreichischen Tageszeitung Standard untersucht, die als Qualitätszeitung gilt. Der Grund, warum ich mich für die Methode der Inhaltsanalyse entschieden habe, ist primär jener, dass diese in Kombination mit Tageszeitungen sehr naheliegend erscheint. Ein weiterer Grund ist, dass ich es mir zum Ziel gemacht habe, redaktionelle Inhalte zu analysieren. Das theoretische Grundkonzept bildete die Nachrichtenwerttheorie von Galtung und Ruge (1965). Auch wenn diese schon etwas älter ist, fasst sie doch sehr gut zusammen, worauf es ankommt: dass ein Ereignis zur Nachricht wird. Die Theorie bündelt die wichtigsten Kriterien der Selektion und Auswahl von Nachrichten. Für mich ist sie deshalb hilfreich, weil ich mich an dieser orientieren kann, wenn ich mir die Frage stellen werde, auf welche Faktoren Boulevard- bzw. Qualitätszeitungen mehr Wert legen und ob es überhaupt Unterschiede diesbezüglich gibt.
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Klärung zentraler Begriffe
2.1. Journalismus
2.2. Qualität im Journalismus
2.2.1. Die Komplexität des Qualitätsbegriffes
2.2.2. Qualität im Journalismus
2.2.3. Was sind Qualitätszeitungen?
2.3. Boulevardjournalismus
2.3.1. Was ist Boulevardjournalismus?
2.3.2. Infotainment
2.3.3. Was sind Boulevardzeitungen?
2.3.4. Boulevardisierung
3. Theoretische Verortung
3.1. Die Nachrichtenwerttheorie
3.2. Die Nachrichtenfaktoren im Einzelnen
3.2.1. Frequenz
3.2.2. Schwellenfaktor/Außergewöhnlichkeit
3.2.3. Eindeutigkeit
3.2.4. Bedeutsamkeit/Relevanz
3.2.5. Konsonanz
3.2.6. Überraschung
3.2.7. Kontinuität
3.2.8. Variation/Komposition
3.2.9. Elite-Nationen
3.2.10. Elite-Personen
3.2.11. Personalisierung
3.2.12. Negativismus
3.3. Nachrichtenfaktoren als Unterhaltungsfaktoren
4. Der Standard
4.1. Entstehung
4.2. Merkmale der Tageszeitung Standard
5. Empirische Umsetzung
5.1. Ziel der Untersuchung und Hypothesenbildung
5.2. Zur Forschungsmethode
5.2.1. Die Themenanalyse
5.2.2. Auswahl der Stichprobe
5.2.3. Die Stichprobe
5.3. Die Durchführung
5.3.1. Die Operationalisierung der Forschungsfrage
5.3.2. Die Definition der Kategorien
5.3.3. Darstellung des Vorgehens
6. Ergebnisse
6.1. Auswertung der Zeitungsartikel
6.2. Personalisierung
6.3. Emotionalisierung
6.4. Negativismus
6.5. Elite-Personen
6.6. Elite-Nationen
6.7. Vereinfachung
6.8. Alltagssprache
6.9. Human-interest Themen
6.10. Bild als Transportmittel für emotionale Information
7. Fazit
8. Literatur
9. Anhang
1. Einleitung
Was ist Qualität im Journalismus und wohin entwickelt sich diese angesichts des sich immer mehr verbreitenden Trends zur Boulevardisierung? Diese Frage hat mich im Laufe meines Studiums schon sehr häufig beschäftigt. Denn offensichtlich ist eine Abgrenzung des Qualitätsjournalismus vom Boulevardjournalismus nicht mehr so einfach. Die Boulevardisierung der Medien ist weltweit auf dem Vormarsch. Die Boulevardpresse führt auf dem Zeitungsmarkt, während Qualitätsblätter um ihre Leser ringen. Was folgt, ist eine Anpassung letzterer an die sich offensichtlich wandelnden Bedürfnisse der LeserInnen.
Die vorliegende Bakkelaureatsarbeit beschäftigt sich mit genau diesem Thema und versucht, zu eruieren, welche bzw. wie viele Merkmale des Boulevardjournalismus in Qualitätszeitungen zu finden sind. Um den Rahmen allerdings nicht zu sprengen, habe ich mich dafür entschieden, konkret eine österreichische Tageszeitung, nämlich den Standard, zu untersuchen. Der Titel der Arbeit lautet „Wie viel Boulevard steckt in Qulaitätszeitungen?“.
Um diese Fragen zu beantworten und um meiner Arbeit bzw. meinen Erkenntnissen einen wissenschaftlichen Charakter zu verleihen, habe ich auf zwei sozialwissenschaftliche Methoden zurückgegriffen. Die erste war jene der Literaturrecherche. Anhand bereits existierender Literatur zu meinem Thema konnte ich die wichtigsten Begriffe klären und meine Argumente stützen. Theorien aus der Journalistik waren mir dabei besonders hilfreich. Die zweite Methode, die ich angewendet habe, war die qualitative Inhaltsanalyse. Konkret habe ich 14 Artikel der österreichischen Tageszeitung Standard untersucht, die als Qualitätszeitung gilt. Der Grund, warum ich mich für die Methode der Inhaltsanalyse entschieden habe, ist primär jener, dass diese in Kombination mit Tageszeitungen sehr naheliegend erscheint. Ein weiterer Grund ist, dass ich es mir zum Ziel gemacht habe, redaktionelle Inhalte zu analysieren. Das theoretische Grundkonzept bildete die Nachrichtenwerttheorie von Galtung und Ruge (1965). Auch wenn diese schon etwas älter ist, fasst sie doch sehr gut zusammen, worauf es ankommt: dass ein Ereignis zur Nachricht wird. Die Theorie bündelt die wichtigsten Kriterien der Selektion und Auswahl von Nachrichten. Für mich ist sie deshalb hilfreich, weil ich mich an dieser orientieren kann, wenn ich mir die Frage stellen werde, auf welche Faktoren Boulevard- bzw. Qualitätszeitungen mehr Wert legen und ob es überhaupt Unterschiede diesbezüglich gibt.
Konkret möchte ich mit meiner Arbeit darauf aufmerksam machen, dass es oft schwierig ist, eine klare Grenze zwischen Boulevard- und Qualitätsjournalismus zu ziehen. Denn selbst die Definitionen dieser Begriffe lassen einen gewissen Spielraum offen, und so kann Qualitäts- teils auch als Boulevardjournalismus und umgekehrt angesehen werden.
Das Thema Boulevard- bzw. Populärjournalismus ist in der Kommunikationswissenschaft sehr präsent. Zahlreiche Autoren haben sich mit dem Phänomen Boulevard auseinandergesetzt und sind zu den unterschiedlichsten Definitionen gekommen. (Vgl. Schultheiss 2001:15, Renger 2000: 18, Biere 1998: 55, Muckenhaupt 1998: 128) Trotzdem meint Sparks, dass es keine Definition gibt, die Boulevard auf den Punkt bringt. (Vgl. Sparks 2000: 3) Er geht davon aus, dass eine bloße Unterteilung in Qualitäts- und Boulevardpresse nicht möglich ist. Zur Boulevardisierung gibt es ebenfalls sehr viel Literatur. Genannt seien an dieser Stelle beispielsweise Paus-Haase, Schnatmeyer und Wegener (2000) mit ihrem Sammelwerk „Information, Emotion, Sensation – wenn im Fernsehen die Grenzen zerfließen“. Darin liefern sie zahlreiche Beiträge zur Boulevardisierung und auch zu Infotainment. Zu Infotainment gibt es ebenfalls eine Reihe von Untersuchungen. Allein in den letzten zehn Jahren hat sich sehr viel auf diesem Gebiet bewegt. An der Universität Salzburg sind zahlreiche Dissertationen und Diplomarbeiten zu diesem Thema eingereicht worden. An dieser Stelle seien Anja Reichehnauer („Infotainment-Journalismus im ORF-Fernsehen“), Andrea Bachmann („Infotainment: Nachrichten zwischen Information und Unterhaltung“) und Martina Alge („Informationsverlust in TV-Boulevardmagazinen“) genannt. Auch Rudi Renger hat in den letzten 15 Jahren einige Beiträge zum Thema Populärjournalismus geliefert, beispielsweise 1999 in seiner Habilitationsschrift zum Thema „Populärer Journalismus“. Die Beiträge zum Boulevardjournalismus sind also alle relativ jung. Das meiste Material zu diesem Thema wurde innerhalb der letzten 15 Jahre geliefert.
Im Gegensatz dazu sind die meisten Beiträge zur Nachrichtenwerttheorie schon etwas älter. Diese wurde nämlich schon 1922 entwickelt und seither immer wieder bearbeitet und aktualisiert. Eine der aktuellsten Adaptierungen bieten Harcup und O'Neill (2001) mit ihrer Studie „What is news - Galtung and Ruge revisited“.
Die Auswahl dieses Themas erfolgt zum Großteil aus persönlichem Interesse. Ein besonderer Anstoß war sicher das Proseminar Tabloid Journalismus an der Universität Salzburg im Sommersemester 2011, bei dem wir häufig an der Frage scheiterten, ob Boulevard wirklich qualitativ minderwertiger ist als Qualitätsjournalismus. Um diese Frage zu klären, haben wir mehrmals österreichische Tageszeitungen analysiert und darin nach Merkmalen des Boulevardjournalismus gesucht. Dabei fiel uns auf, dass sogenannte Qualitätszeitungen sehr wohl auch auf Personalisierung, Prominenz und Unterhaltung Wert legen. Um diese Erkenntnisse zu vertiefen und um ihnen einen wissenschaftlichen Charakter zu verleihen, habe ich mich entschieden, diesem besagten Thema meine Bakkelaureatsarbeit zu widmen.
Innerhalb der Journalistik ist mein Thema sicherlich von Bedeutung. Denn gerade an der Diskussion über Qualität sind noch viele Unklarheiten vorhanden. Offensichtlich gibt es eine Abgrenzung zwischen Boulevard- und Qualitätsjournalismus. Doch vollkommene Klarheit herrscht nicht darüber. Fakt ist, dass die Kronen Zeitung seit rund vier Jahrzehnten die größte Tageszeitung Österreichs ist (vgl. Faber/Unger 2008:175). Boulevard scheint also bei einem Großteil der Bevölkerung gut anzukommen. Der ökonomische Druck zwingt demzufolge auch Qualitätszeitungen dazu, sich langsam anzupassen. Und ob diese Anpassung bereits erfolgt, ist eine wichtige zu klärende Frage in dieser Arbeit.
Soweit ich die Ergebnisse meiner Arbeit prognostizieren kann, erwarte ich mir, dass ich sehr viele inhaltliche Merkmale des Boulevardjournalismus auch im Qualitätsjournalismus finden werde. Genauer kann ich die Antwort noch nicht voraussagen. Die Inhaltsanalyse des Standard wird diesbezüglich genauere Ergebnisse mit sich bringen.
Die Gliederung meiner Arbeit sieht folgendermaßen aus: Im zweiten Kapitel werden die zentralen Begriffe der vorliegenden Untersuchung definiert. Dazu zählen Begriffe wie Journalismus, Qualität im Journalismus, Boulevardjournalismus, Boulevardisierung und Infotainment. Das dritte Kapitel beinhaltet die theoretische Verortung. Hier wird die Nachrichtenwerttheorie erklärt und ihre Entwicklung aufgezeigt. Das vierte Kapitel widmet sich dem Forschungsgegenstand, also der Tageszeitung Standard. Darin wird argumentiert, was diese Zeitung zu einem Qualitätsblatt macht, und auch allgemeine Informationen zu dieser Tageszeitung finden sich in benanntem Kapitel. Im fünften Kapitel wird die empirische Umsetzung behandelt. Die genaue Vorgehensweise der Untersuchung, die Stichprobenauswahl, die Beschreibung der Stichprobe und die Auswahl der Forschungskategorien sind darin zu finden. Auch die Auswahl der Methode wird noch näher erläutert und begründet. Das sechste Kapitel liefert die Ergebnisse meiner Untersuchung. Diese werden darin interpretiert und der Boulevardgehalt des Standard wird daraus ersichtlich. Das Fazit fasst die zentralen Punkte meiner Arbeit zusammen. Daraus ergeben sich auch Prognosen für die Zukunft des Standard. Im Anhang schlussendlich befinden sich alle untersuchten Zeitungsartikel in voller Länge.
2. Klärung zentraler Begriffe
2.1. Journalismus
Auf die Frage, was Journalismus ist, lässt sich aus drei verschiedenen Blickrichtungen antworten (vgl. Jarren 2002: 26).
1. Journalismus ist das, was Journalistinnen und Journalisten tun.
2. Journalismus ist das, was in und zwischen Organisationen geschieht, die sich auf Journalismus spezialisiert haben.
3. Journalismus ist ein Teilsystem der Gesellschaft. (Vgl. Jarren 2002: 26-29)
Die erste Gruppe sieht Journalismus als eine Tätigkeit. Journalismus ist also das, was die Rollenträger des Journalismus beruflich machen.
Die zweite Blickrichtung betrachtet Journalismus aus der Mesoebene. Der Fokus der Betrachtung liegt hier auf der Organisation und der hierarchischen Struktur innerhalb der Medienunternehmen. Auch die Beziehungen der einzelnen Medienunternehmen, die zu Zusammenschlüssen, Konkurrenzkämpfen etc. führen können, sind hier von Interesse.
Die dritte Blickrichtung beschreibt Journalismus als Teilsystem der Gesellschaft. Demnach erfüllt Journalismus eine Funktion, die für die Gesamtgesellschaft von großer Bedeutung ist. (Vgl. Jarren 2002: 26-29) Laut Weischenberg (1992) besteht die Aufgabe des Journalismus darin, „Themen aus den diversen sozialen Systemen (der Umwelt) zu sammeln, auszuwählen, zu bearbeiten und diese sozialen Systemen (der Umwelt) als Medienangebote zur Verfügung zu stellen (Weischenberg 1992: 41, Anm. d. V.)“.
Im Rahmen dieser Arbeit wird Journalismus hauptsächlich als Teilsystem der Gesellschaft, also aus der dritten Blickrichtung betrachtet.
Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat sich eine neue Art des Journalismus entwickelt: der Populärjournalismus, auch bekannt als Boulevard- oder Unterhaltungsjournalismus. Dieser ist unter Einfluss allgemeiner Modernisierungsprozesse in verschiedenen Ländern der westlichen Welt herangewachsen. Ganz allgemein implementiert Populärjournalismus eine reichweitenstarke und marktorientierte Massenpresse. (Vgl. Renger 2000: 12). Die Produkte des Populärjournalismus lassen sich durch eine Reihe von Basismerkmalen kennzeichnen: Nachrichten werden auf leicht verständliche Art aufgearbeitet, Reportagen kommen vermehrt vor, auf Hintergrundberichterstattung wird verzichtet, die Themen kommen vermehrt aus den Bereichen Unterhaltung und Sport, auf Illustration und Visualisierung wird großer Wert gelegt, eine starke LeserInnen-Blatt-Bindung wird angestrebt und es besteht eine hohe Erfolgs- bzw. Zielgruppenorientierung. (Vgl. Renger 1999: 144 f.)
2.2. Qualität im Journalismus
2.2.1. Die Komplexität des Qualitätsbegriffes
Es ist nicht einfach, Qualität zu definieren. Schon der Qualitätsbegriff an sich zeichnet sich durch ein hohes Maß an Komplexität aus. Diese ergibt sich aus fünf wesentlichen Faktoren (vgl. Bucher 2003:12).
1. Qualität ist keine Eigenschaft, sondern ein reines Beobachtungskonstrukt. Somit erfolgt das Qualitätsurteil eines Beobachters auf subjektivem Wege. Die Position, die Perspektive und auch die Interessen des Beobachters fließen in dessen Beurteilung ein. Objektive Qualitätsbeurteilung ist also nur dann möglich, wenn die Ansichten aus verschiedensten Positionen in Betracht gezogen werden. Bei der Debatte über journalistische Qualität sollen demnach also nicht nur die Ansichten der Medienmacher, sondern auch die der RezipientInnen miteinbezogen werden.
2. Ein zweiter Grund für die Komplexität der Qualitätsdebatte liegt in der Vielzahl der möglichen Bezugsaspekte. Qualitätsurteile können über unterschiedlichste Aspekte gefällt werden. Im journalistischen Bereich manifestiert sich dies beispielsweise darin, dass von dem journalistischen Produkt an sich über die Realisierung desselben und die möglichen Folgen bis hin zu Recherche, Kosten, Reichweite und die Kompetenz der Akteure alles Gegenstand einer Qualitätsuntersuchung sein kann. Hierbei entsteht das Problem, dass die einzelnen Bezugsaspekte nicht unabhängig voneinander bestehen. Aus dieser Vielzahl an Aspekten die relevantesten herauszufiltern, kann sich daher als schwierig herausstellen.
3. Auch konfigurierende Prinzipien, Maßstäbe, Normen und Regelungen tragen zur Komplexität von Qualitätsdebatten bei. Medienethische Grundsätze, Maßstäbe aus den Bereichen des Medienrechtes, des Persönlichkeitsschutzes und redaktionsspezifische Vereinbarungen tragen beispielsweise dazu bei, dass Qualität nicht eindeutig definierbar ist. Vor allem auch der Doppelcharakter der Medien erschwert dem Menschen die Auswahl der Prinzipien, nach denen Qualität ermittelt werden soll. Der Doppelcharakter ergibt sich daraus, dass Medien nicht nur die Aufgabe haben, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, sondern dass sie auch auf Profit ausgerichtete Wirtschaftsunternehmen sind.
4. Der vierte Punkt zur Erklärung der Komplexität des Qualitätsbegriffes ergibt sich daraus, dass Qualitätsstandards und deren Anwendung auf die Medienkommunikation variieren. Selbst wenn Qualitätsstandards strikt aneinander angepasst würden, wäre nicht gewährleistet, dass die Qualitätsurteile gleich ausfallen.
5. Qualität ist eine dynamische Größe. Sie müsste demnach nicht nur einmalig bestimmt bzw. nachgewiesen, sondern auch gesichert werden. Dafür bedarf es institutioneller Strukturen für die Qualitätssicherung, die es in dieser Form allerdings noch nicht gibt. (Vgl. Bucher 2003: 12 ff.)
2.2.2. Qualität im Journalismus
Wird der Journalismus zum Objekt von Qualitätsuntersuchungen, ist es unumgänglich, ihn in mehrere Ebenen zu unterteilen. Diese Unterteilung basiert auf dem Zwiebelmodell des Journalismus von Scholl/Weischenberg (1998: 27). Diesem Modell zufolge wird Journalismus in die Bereiche „Journalismus als Addition von Personen, Journalismus als Addition von Berufsrollen und Journalismus als Ergebnis von Kommunikationsprozessen“ untergliedert. Je nach Ebene variieren die Qualitätsstandards und deren Begründung.
Akteursorientierte Qualitätsbestimmungen
Wird der Medienakteur, also der Journalist, zum Untersuchungsobjekt, so ist das individuelle Können und Wollen Auslöser für Qualität. Hier fließt sehr stark die Berufsethik jedes einzelnen Journalisten mit ein. Denn nur Individuen können Verantwortung übernehmen. (Vgl. Bucher 2003: 15 f.)
Rollenorientierte Qualitätsbestimmungen
Hier werden die für den Journalismus konzipierten Rollen ins Blickfeld der Qualitätsuntersuchung gerückt. Was zum Beispiel einen guten Reporter, Chefredakteur oder Chef vom Dienst ausmacht, wird hier geregelt. Hier sind nur die Funktionen der einzelnen Rollen entscheidend, nicht aber die Leistungen der Individuen. (Vgl. Bucher 2003: 16) Der Begriff der Rolle kann als „Komplex von Verhaltensweisen (Rühl 1980: 272)“ oder als „ein Bündel obligatorischer Tätigkeiten (Goffman 1973: 97)“ definiert werden. Anders formuliert, sind Rollen „Handlungsmuster, die die Grundlage für rollenspezifische Qualitätsurteile bilden (Bucher 2003: 15)“. Ein Verständnis über eine spezifische Tätigkeit – beispielsweise die des Hörfunkjournalisten – kann nur dann entstehen, wenn der Beobachter weiß, was es heißt, diese Rolle gut oder schlecht auszufüllen. Der Begriff der Rolle enthält also gewissermaßen schon Qualitätsurteile. (Vgl. Bucher 2003: 15 f.)
Systemorientierte Qualitätsbestimmungen
Journalismus kann als ein sich selbst steuerndes System angesehen werden, das eine spezielle Funktion erfüllt, die es von anderen Systemen abgrenzt (vgl. Weischenberg 1992: 512 ff.) Die Basisfunktion des Journalismus ist hier der zentrale Referenzpunk für Qualitätsmessungen. Laut Luhmann (1995: 49) kann die Funktion des Systems Medien folgendermaßen beschrieben werden: „Die Funktion der Massenmedien besteht darin, dass sie ein Hintergrundwissen bereit stellen und jeweils fortschreiben, von dem man in der Kommunikation ausgehen kann“. Qualität im Journalismus ist also dann gegeben, wenn der Journalismus seiner zentralen Aufgabe gerecht wird. „Normative Vorgaben für die Erfüllung der Systemleistungen sind hier Qualitäten der Medienkommunikation wie ‚Neuigkeitswert’, ‚Faktizität’, ‚Anschlussfähigkeit’ und ‚Nachvollziehbarkeit’ (Bucher 2003: 18)“. Angesichts dieser Standards kann geprüft werden, ob der Journalismus seiner Systemaufgabe und damit den systemorientierten Systembestimmungen gerecht wird.
Journalistische Qualität ist ein Thema, das in der Kommunikationswissenschaft sehr häufig zur Sprache kommt. „Die Debatte über journalistische Qualität ist fast so alt wie die periodische Presse selbst (Wilke 2003: 35)“. Im Laufe der Zeit haben sich zahlreiche Forscher mit der Frage nach journalistischer Qualität auseinandergesetzt. Während in der Frühzeit der Presse Faktoren wie Unparteilichkeit und Informationsnutzen die Qualitätsurteile bestimmten (vgl. Wilke 2003: 36), haben sich mit der Zeit unzählige andere Faktoren herauskristallisiert, die Einfluss auf journalistische Qualität haben. Dazu zählen beispielsweise die Journalistischenausbildung (siehe Wilke 2003: 47 ff.), die Medienethik (siehe Wunden 2003: 55 ff.) und medienökonomische Faktoren (Siehe Altmeppen 2003: 113 ff.). Auf all diese Ansätze einzugehen, würde allerdings den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
2.2.3. Was sind Qualitätszeitungen?
Das Gabler Lexikon für Medienwirtschaft definiert Qualitätszeitungen folgendermaßen:
Qualitätszeitung, periodisch erscheinende Druckschrift von hoher redaktioneller Qualität. Als Qualitätsindikatoren für die Einstufung einer Zeitung als Qualitätszeitung dienen zumeist der hohe Anteil journalistischer Eigenleistung sowie ein hoher Grad redaktioneller Unabhängigkeit. Qualitätszeitungen erscheinen in der Regel als Tageszeitung. Bekannte Beispiele für Qualitätszeitungen sind im angloamerikanischen Raum de Washington Post, im deutschsprachigen Raum die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Neue Zürcher Zeitung. (Sjurts 2011: 514)
Ein hoher Grad an journalistischer Eigenleistung und redaktioneller Unabhängigkeit ist der zentrale Punkt dieser Definition. Eine weitere Definition zur Qualitätszeitung besagt, „dass sie der sachlichen Information Vorrang vor Effekthascherei gibt (Koziara 2006: 6)“. Weiters verfolgen sie Definitionen zufolge „hohe eigene Ansprüche – aber immer im Dienste ihrer Leser (Koziara 2006: 6)“. Zudem soll eine Qualitätszeitung „möglichst fehlerfrei sein (Koziara 2006:6)“.
Eine einheitliche Definition von Qualitätszeitungen existiert nicht. Doch aus den verschiedensten Definitionen können folgende Richtlinien abgeleitet werden: „exakte und genaue Recherche, Seriosität, Verlässlichkeit, ausführliche Hintergrundberichte, keine Effekthascherei, fehlerfreie Darstellung und Vertrauen der Rezipienten (Koziara 2006: 7)“. Meist werden überregionale Zeitungen als Qualitätszeitungen eingestuft. Qualität lässt sich allerdings nicht allein dadurch erreichen, dass man überregional berichtet. Denn „jede Zeitung hat ihre eigene Qualität, die sich nach der Zielgruppe richtet, die man ansprechen und vor allem erreichen will. Erreicht man sie, dann stimmt die Qualität.“ (Koziara 2006: 6f.)
Qualität im Journalismus hängt auch mit Medienethik zusammen. Denn in erster Linie geht es bei journalistischer Qualität um „das richtige Handeln“ (vgl. Wunden 2003: 57). „Medienethik ist normative Grundlage der journalistischen Praxis (Wunden 2003: 73).“ Demzufolge erfüllt ein Journalist seine Arbeit nur qualitativ hochwertig, wenn er sich an die ethischen Richtlinien hält. Diese sind in Österreich im „Ehrenkodex für die österreichische Presse“ geregelt.
2.3. Boulevardjournalismus
2.3.1. Was ist Boulevardjournalismus?
Boulevardjournalismus ist im Zentrum des Populärjournalismus angesiedelt (vgl. Renger 2000: 25). Populärjournalismus allgemein lässt sich folgendermaßen erklären: „Er dient dazu, mit sensationeller Berichterstattung zwischen Fakten und Fiktion maximalen unternehmerischen Profit zu erlangen und vermarktet Schicksale und Gefühle mit dem Suggestionsmittel der journalistischen Glaubwürdigkeit (Renger 2000: 18)“. Populärjournalismus ist also in erster Linie auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. Auf dem Zeitungsmarkt sind es die Boulevardblätter, die dem Populärjournalismus entsprechen.
Eine weitere Definition zu Boulevardjournalismus bietet uns Sparks (2000):
The tabloid is a form marked by two major features: it devotes relatively little attention to politics, economics, and society and relatively much to diversions like sports, scandal, and popular entertainment; it devotes relatively much attention to the personal and private lives of people, both celebrities and ordinary people, and relatively little to political processes, economic developments, and social changes. (Sparks 2000: 10)
Sparks unterstellt dem Boulevardjournalismus mit seiner Definition, er möge politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen weniger Beachtung schenken als dem Sport, den skandalösen Themen und der Unterhaltung. (Vgl. Sparks 2000: 11) Sparks Definition stützt sich zudem auf die Tendenz des Boulevardjournalismus, aus dem Privatleben der Menschen zu berichten. Ähnliche Aspekte finden sich auch in der Definition von Schultheiss (2001) wieder. Er charakterisiert Boulevardjournalismus anhand der folgenden Punkte:
- Soft News (der inhaltliche Schwerpunkt wird auf human-interest Themen gelegt)
- Sensationalisierung (Hervorhebung des Extremen)
- Emotionalisierung (Gefühle werden betont und vermehrt dargestellt)
- Personalisierung
- Vereinfachung (Einteilung in z.B. Gut und Böse)
- Alltagssprache (kurze Sätze, einfache Sprache)
- Bild als Transportmittel von emotionaler Information
- Visuelle Effekte
- Subjektivität (Vgl. Schultheiss 2001: 15)
Schultheiss vertieft sich auf die inhaltlichen und formalen Charakteristika des Boulevardjournalismus. Die Themenauswahl erfolgt laut ihm also subjektiv mit Fokus auf human-interest Themen. Die Themen werden zudem emotional, sensationell und personifizierend aufgearbeitet. Eine leicht verständliche Alltagssprache, Bilder und Effekte sollen dabei helfen, das Gelesene leichter verständlich zu machen bzw. zu untermauern.
Biere (1998: 55) hat bezüglich der Sprache im Boulevardjournalismus eine weitere Besonderheit erörtert. Demnach gebe es im Boulevardjournalismus die Tendenz, Begriffe zu verändern, um sie dadurch erschreckender zu machen. Zur Zeit der Ebula-Epidemie im Deutschland der späten 90er-Jahre seien die Boulevardmedien beispielsweise sehr kreativ mit der Bezeichnung des Virus umgegangen. So wurde aus dem „aggressivsten aller bekannten Viren“ kurzerhand ein „Killer-Virus“. (Vgl. Biere 1998: 55 f.)
Boulevardjournalismus will also Aufmerksamkeit erregen, erschrecken und unterhalten. Muckenhaupt (1998) trifft es auf den Punkt, wenn er sagt: „Boulevardblätter machen Geschichten (Muckenhaupt 1998: 128)“. Um das zu schaffen, verfolgen sie ihre ganz eigene Strategie. „Die Boulevardisierung des Nachrichtenstoffs konzentriert sich […] auf die Auswahl der Themen, ihre Gewichtung und die Strategie der Nachrichtendarstellung: die Versuche, im Normalen das Abweichende herauszustellen, das Ungewöhnliche, das Aufsehenerregende (Muckenhaupt 1998: 128).“ Die Strategie, Information in eine spannende Geschichte zu verpacken, trägt maßgeblich zum Erfolg der Boulevardpresse bei. Denn “people remember stories much better than facts or statistics (Charity 1995: 73)”.
Der Erfolg der Boulevardzeitungen ist unumstritten. Schon seit der Entstehung des Boulevardjournalismus erfreuen sich Boulevardzeitungen immer größer werdender Beliebtheit. (Vgl. Sparks 2000: 1 f.) Bevorzugte Themenbereiche der ersten Boulevardblätter waren Schlachten und Kriegsgräuel, Katastrophen und Unglücke, menschliche Leidensgeschichten, Sensationen und Verbrechen, Geschichten aus dem Leben berühmter Persönlichkeiten. Muckenhaupt (1998) geht davon aus, „daß die Themen und die Interessen des Publikums in vieler Hinsicht gleich geblieben sind. Auch heute gilt, daß das Ungewöhnliche, die Ausnahme, die Abweichung von der Norm das Interesse der Medien und des Publikums weckt.“ (Muckenhaupt 1998: 124) Und genau daran knüpfen die Boulevardzeitungen an. Dementsprechend haben sie im Vergleich zu Qualitätszeitungen auch eine höhere Zirkulation. (Vgl. Sparks 2000: 6)
Vor allem wegen der Fokussierung auf populäre Themen und des Schwerpunktes auf Unterhaltung ist der Boulevardjournalismus meist negativ konnotiert; und das, obwohl er die Mehrheit der Menschen erreicht. Wenn Boulevard genau das ist, was die Leser brauchen, was sie „dort abholt, wo sie sind (Schmidt 1991: 47)“, dann kann er doch nicht nur negativ betrachtet werden. In Europa trägt der Boulevardjournalismus zudem maßgeblich dazu bei, die Leser „an der Stange zu halten“. Andererseits würden zahlreiche Menschen gar nicht mehr zur Tageszeitung greifen. (Vgl. Sparks 2000: 9) Mit der Ansicht, dass Boulevardjournalismus schlechter oder gar minderwertiger Journalismus ist, muss also vorsichtig umgegangen werden. Schließlich ist er erfolgreicher denn je. (Vgl. Sparks 2000: 1 f.)
2.3.2. Infotainment
Der Begriff Infotainment setzt sich aus den Worten Information und Entertainment zusammen. Infotainment macht es sich zur Aufgabe, Informationen auf eine unterhaltsame Art und Weise zu vermitteln. Information ist in diesem Zusammenhang die Aufklärung über einen bestimmten Sachverhalt (vgl. Schultheiss 2001: 34) und Unterhaltung ist die als angenehm und vergnüglich empfundene Überbrückung von (Frei)Zeit (vgl. Bosshart 1991: 2). Wittwen (1995) findet zu Infotainment folgende Worte:
„Infotainment ist, wenn die zehn Gebote aus einem brennenden Dornbusch gereich werden, die unterhaltsame oder zumindest Interesse weckende Inszenierung von Information. Die dramaturgischen Mittel sind die gleichen wie im modernen Theater, von der Überzeichnung bis zu Verfremdung, von der Schaffung von Dissonanzen bis zur Stilisierung (Wittwen 1995: 15).“
Wenn also das Spannende, Besondere oder Überraschende aus einer Information gefiltert wird und daraus eine spannende, unterhaltsame Geschichte gemacht wird, spricht man von Infotainment. Wittwen nennt an dieser Stelle auch einige sprachliche Stilmittel, nämlich die Überzeichnung, Verfremdung, Schaffung von Dissonanzen und die Stilisierung. (Vgl. Wittwen 1995: 15) „Bei der Überzeichnung werden Eigenschaften und Merkmale überspitzt wiedergegeben (Tintel 2009: 33)“. Häufig geschieht das in Form von Stereotypisierung und Klischees (vgl. Tintel 2009: 33). Verfremdung meint das Abweichen von der Norm, das Abweichen von etablierten und anerkannten Konventionen (vgl. Spörl 2006: 124). Das Schaffen von Dissonanzen bedeutet, das Gegenteil von Harmonie zu erzeugen, also bewusst nach einem Konflikt in der Geschichte zu suchen (vgl. Lachmann 2008: 13). „Stilisierungen sind (Re)Produktionen und (Re)Präsentationen von gesellschaftlich konventionalisierten und im Sozialisationsverlauf erworbenen Vorstellungen und Mustern (Selting/Sandig 1997: 288)“.
Infotainment ist ein häufig genannter Begriff im Zusammenhang mit Boulevardjournalismus. Denn Unterhaltung ist die primäre Funktion der Boulevardpresse. Um dennoch eine Informationsinstanz für die Leser zu bieten, wird die wichtigste Information unterhaltsam aufgearbeitet. So entsteht Infotainment.
2.3.3. Was sind Boulevardzeitungen?
Das Gabler Lexikon für Medienwirtschaft definiert den Begriff Boulevardzeitung folgendermaßen:
Kaufzeitung, Tageszeitung, die im Gegensatz zur Abonnementzeitung ganz überwiegend über hoch frequentierte Verkaufspunkte ‚auf der Straße’ abgesetzt wird. Schwerpunkt des journalistischen Teils ist die Unterhaltung, die thematische Hauptausrichtung liegt entsprechend auf populären Themen. […] Boulevardzeitungen setzen auf ein hohes Maß an Personifizierung, d.h. es erfolgt eine Fokussierung auf prominente oder vermeintlich prominente Personen. (Sjurts 2011:63)
Was eine Boulevardzeitung also laut dieser Definition ausmacht, ist in erster Linie unterhaltungsorientierte und personifizierende Berichterstattung. Boulevardblätter versuchen, durch packende Schlagzeilen, Neugier erweckende Bildtexte und prägnante Nachrichtenpräsentation die Aufmerksamkeit der Leser zu gewinnen. „Dazu bedarf es auch Reizworten wie ‚Blutbad’, ‚Chaos’, ‚Terror’ und ‚Horror’ – Begriffe, die mit Emotionen gewürzt werden (können) (Renger 1999: 164, Anm. i. O.)“. Inhaltlich suchen die LeserInnen in der Boulevardzeitungen vor allem eines: die Themen des „human interest“, also „Liebe, Kriminalität, Glück, Tod, Tragik, Leidenschaften, Sehnsüchte, Sex, Sorgen, Reichtum, Traumvorstellungen, das Gute im Menschen, das Hereinfallen auf das Böse, das Eintreten für den kleinen Mann/die kleine Frau und vor allem – viel Charme und Humor (Renger 1999: 165)“. Durch die Setzung des inhaltlichen Schwerpunktes auf die genannten Themen gerät die Trennung von Nachricht und Kommentar, von Fakten und Interpretation ins Wanken. Doch „Boulevardzeitungen haben diese Grenzen längst aufgehoben und bekennen sich dazu (Zimmer 1994: 4)“.
Die bekannteste Boulevardzeitung in Österreich ist die Kronen Zeitung. Im Vergleich mit anderen Produkten des österreichischen wie auch europaweiten Pressemarktes nimmt sie eine Sonderstellung ein. Mit einer Reichweite von rund 40 Prozent ist sie in Relation zur Einwohnerzahl eine der größten, wenn nicht die größte Tageszeitung der Welt. (Vgl. Rest/Renger 2008: 175)
2.3.4. Boulevardisierung
Der Begriff der Boulevardisierung umfasst zwei Szenarien. Einerseits beschreibt er die steigende Zirkulation der Boulevardpresse auf dem Markt. Immer mehr Leser greifen zur Boulevardzeitung, und damit geht auch die Beobachtung einher, dass der Zeitungsmarkt von der Boulevardpresse dominiert wird. Andererseits umschreibt Boulevardisierung die Tatsache, dass zahlreiche Qualitätszeitungen gewisse Züge des Boulevardjournalismus adaptieren - wohl, um die Leser für sich zu gewinnen. (Vgl. Sparks/Tulloch 2000: 21). „Boulevardisierung vor allem in der heutigen Printmedienwelt ist aus historischer Sicht kein aktuelles Phänomen, sondern seit mehr als 150 Jahren schon längst vollzogen (Renger 1999: 145)“.
Boulevardisierung steht häufig im Zusammenhang mit ungebremster Unterhaltung. (vgl. Püschel 1998: 35) Der Begriff ist also in etwa gleich negativ behaftet wie der Begriff der Unterhaltung selbst; und das, obwohl Unterhaltung eigentlich einer legitimen gesellschaftlichen Aufgabe entspricht. So zählt sie beispielsweise neben der Information und der Bildung zum Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Medien. (Vgl. Püschel 1998: 35) Trotzdem wird Unterhaltung gerade in Printmedien oft als „problematisch“ eingestuft. Der Grund dafür ist, dass Zeitungen als Informationsmedium gelten. Dies verlangt dem Medium Presse Seriosität ab. Und Seriosität steht in einem ständigen Konflikt mit Unterhaltung. (Vgl. Püschel 1998: 36).
Boulevardisierung bedeutet nach Schmidt (1992: 47) „eine andere Form von Journalismus“. Darunter versteht er „knappe Schlagzeilen, Aufmacher, die ins Auge springen, Themen, die die Leute sofort fesseln, keine starre redaktionelle Aufteilung, Verwischung der Grenzen von Information und Unterhaltung, mehr sogenannte Human-Touch-Geschichten“. (Schmidt 1992: 47) Zusammenfassend beschreibt der Begriff der Boulevardisierung also die Entwicklung hin zu allen Charakteristika des Boulevardjournalismus, also sowohl zu inhaltlichen als auch zu stilistischen Merkmalen.
3. Theoretische Verortung
3.1. Die Nachrichtenwerttheorie
Die Nachrichtenwerttheorie wird in der Kommunikationswissenschaft vor allem im Rahmen der kommunikationswissenschaftlichen Selektionsforschung genannt. Die Selektions- forschung befasst sich mit den Kriterien, nach denen bestimmte Inhalte von den Rezipienten ausgewählt werden bzw. nach denen die Selektion der Nachrichten seitens der Medien geschieht. (Vgl. Tautz 2006: 7)
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- Maria Vögele (Author), 2012, Boulevard auf dem Vormarsch - Die Boulevardisierung der Qualitätszeitungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210677
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