In den letzten zwei Jahrzehnten kam es in der Wirtschaftstheorie zu einem einschneidenden Richtungswechsel. Aus dem Anliegen heraus, den Anwendungsbereich der Neoklassik durch realitätsnähere Prämissen zu erweitern, entwickelte sich nach und nach die Neue Institutionenökonomik (NIÖ). Kernpunkt sind die Probleme bei der Interaktion von Menschen in einer arbeitsteiligen Wirtschaft, zu deren Bewältigung Institutionen nötig sind. Vor diesem Hinter-grund befasst sich die NIÖ mit der Analyse der Institutionen unter Berücksichtigung der Kosten, die diese verursachen. Die vorliegende Arbeit soll zunächst einen kurzen Überblick über die NIÖ geben, wobei hauptsächlich auf die Unterschiede zur neoklassischen Theorie eingegangen wird. Anschließend wird der Principal-Agent-Ansatz als der vertragstheoretische Zweig der NIÖ erläutert. Nach einer Analyse der Probleme, die sich aufgrund des delegierten Handelns in der arbeitsteiligen Wirtschaft ergeben, werden verschiedene Lösungsansätze beschrieben und anschließend beurteilt. Der letzte Teil der Arbeit ist einer zusammenfassenden Bewertung des PA-Ansatzes gewidmet.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Neue Institutionenökonomik und das Problem des delegierten Handelns
2 Neue Institutionenökonomik
2.1 Die sonderbare Welt kostenfreier Transaktionen
2.2 "Institutions matter"
3 Principal-Agent-Ansatz
3.1 Grundgedanken
3.2 Problematik von Agency-Beziehungen
3.2.1 Das Problem der adversen Selektion
3.2.2 Das Problem des Moral Hazard
3.2.3 Die Hold Up-Problematik
3.3 Normativer und positiver PA-Ansatz
3.3.1 Normativer PA-Ansatz
3.3.2 Positiver PA-Ansatz
3.4 Lösungsmöglichkeiten bei Agency-Problemen
3.4.1 Lösungsansätze bei adverser Selektion
3.4.2 Lösungsansätze beim Moral Hazard
3.4.3 Lösungsansätze bei der Hold Up-Problematik
3.5 Agency-Kosten als Bewertungskriterium der Lösungsalternativen
4 Kritische Würdigung des PA-Ansatzes
5 Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Neue Institutionenökonomik und das Problem des delegierten Handelns
In den letzten zwei Jahrzehnten kam es in der Wirtschaftstheorie zu einem einschneidenden Richtungswechsel. Aus dem Anliegen heraus, den Anwendungsbereich der Neoklassik durch realitätsnähere Prämissen zu erweitern, entwickelte sich nach und nach die Neue Institutionenökonomik (NIÖ). Kernpunkt sind die Probleme bei der Interaktion von Menschen in einer arbeitsteiligen Wirtschaft, zu deren Bewältigung Institutionen nötig sind. Vor diesem Hintergrund befasst sich die NIÖ mit der Analyse der Institutionen unter Berücksichtigung der Kosten, die diese verursachen. Die vorliegende Arbeit soll zunächst einen kurzen Überblick über die NIÖ geben, wobei hauptsächlich auf die Unterschiede zur neoklassischen Theorie eingegangen wird. Anschließend wird der Principal-Agent–Ansatz als der vertragstheoretische Zweig der NIÖ erläutert. Nach einer Analyse der Probleme, die sich aufgrund des delegierten Handelns in der arbeitsteiligen Wirtschaft ergeben, werden verschiedene Lösungsansätze beschrieben und anschließend beurteilt. Der letzte Teil der Arbeit ist einer zusammenfassenden Bewertung des PA-Ansatzes gewidmet.
2 Neue Institutionenökonomik
Mit dem Begriff Neue Institutionenökonomik (NIÖ) wird eine Vielzahl sehr heterogener Theorieentwicklungen vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet.[1]
Die NIÖ kann als eine Weiterentwicklung zur Neoklassik gesehen werden. Im Gegensatz zur Neoklassik, in deren Modellwelt keine Transaktionskosten (TAK), d.h. Kosten der Marktbenutzung, existieren und Institutionen weitgehend vernachlässigt werden, haben die verschiedenen Ansätze der NIÖ gemeinsam, dass sie die Bedeutung von TAK erkannt haben und sich darauf aufbauend mit der Entstehung und Wirkung von Institutionen beschäftigen. Auf diese Unterschiede soll im Folgenden näher eingegangen werden.
2.1 „Die sonderbare Welt kostenloser Transaktionen“
In der neoklassischen Idealwelt funktioniert der Austausch zwischen den Wirtschaftsakteueren völlig problemlos über den Markt. Dieser Theorie[2], in der das Preissystem das einzige Instrument zur Koordinierung wirtschaftlicher Tätigkeiten darstellt[3], liegen u.a. folgende Annahmen zugrunde: Auf allen Märkten herrscht vollständige Konkurrenz, Anbieter- als auch Nachfragerseite sind also polypolistisch strukturiert. Die Kunden besitzen keine Präferenzen in räumlicher, sachlicher oder personeller Hinsicht, alle Güter und Leistungen sind somit homogen. Aufgrund vollständiger Markttransparenz sind alle Akteure vollständig und kostenlos informiert.[4] In dieser Welt ist die Benutzung des Marktes kostenlos, es existieren keine TAK.
Den Transaktionskostenansatz, der als die „Geburtsstunde“ der NIÖ angesehen werden kann, lieferte im Jahre 1937 Ronald Coase in seinem Aufsatz „The Nature of the Firm“ mit der einfachen Frage, warum es überhaupt Unternehmen gibt, wenn man die Koordination wirtschaftlicher Aktivitäten über den Markt für so überlegen halte. Nach Coase gibt es Unternehmen deshalb, weil die Nutzung des Marktes nicht kostenfrei ist.[5] So unterscheidet Coase die „costs of using the price mechanism“ in Such- und Informationskosten, Verhandlungs- und Entscheidungskosten und Kosten der Sicherung.[6] Werden die über den Markt abgewickelten Aktivitäten in ein Unternehmen hineinverlegt, so lassen sich TAK senken. Warum laufen dann Transaktionen noch über den Markt? Tatsache ist, dass auch die Koordination der Aktivitäten innerhalb eines Unternehmens Kosten verursacht.
Diese Überlegungen lassen vermuten, dass die in der Neoklassik zugrunde liegenden Prämissen abstrakt und realitätsfern sind. Die Institutionenökonomen nehmen hingegen Folgendes an: Da der Markt grundsätzlich nicht vollständig transparent ist, sind die Informationen asymmetrisch unter den Marktteilnehmern verteilt und auch nicht kostenlos zu haben. Güter und Leistungen sind nicht homogen, es gibt bestimmte Präferenzen aus Sicht der Akteure. Aufgrund der mangelnden Beobachtbarkeit werden den Menschen Handlungsspielräume gewährt, die sie auf opportunistische Weise ausnutzen können. Verträge können aus Zukunftsunsicherheit resultierend nie vollständig abgeschlossen werden.[7]
Die Kosten, die mit diesen Überlegungen einhergehen, bezeichnet man bei Koordination über den Markt als Markttransaktionskosten, bei Koordination innerhalb des Unternehmens als Unternehmenstransaktionskosten.[8] Der Begriff der TAK wurde somit erweitert.
2.2 „Institutions matter“
Die Neoklassik klammert die Schwierigkeiten bei Transaktionen durch ihre anfangs beschriebenen Modellprämissen systematisch aus[9]. Da sich die Welt jedoch viel komplexer und unsicherer darstellt, stehen die Menschen vor meist großen Problemen: Aufgrund der mangelnden Markttransparenz kann es z.B. vorkommen, dass nachgefragte Leistungen nicht bereitgestellt werden; hohe Informationskosten erschweren die Suche nach passenden Vertragspartnern; die Marktteilnehmer können sich nicht sicher sein, dass sich ihre Vertragspartner wie vereinbart verhalten, Überwachungen sind jedoch zu teuer. Durch Institutionen, sollen die Probleme bei Transaktionen gelöst oder zumindest verringert werden.[10] Nach Schmoller ist „die Institution definiert als ein System formgebundener (formaler) und formungebundener (informeller) Regeln einschließlich der Vorkehrungen zu deren Durchstzung“[11], um menschliches Verhalten zu steuern und dadurch Unsicherheit zu vermindern.
Die NIÖ verfolgt in diesem Zusammenhang zwei grobe Erkenntnisziele:
1. Wie entstehen und wandeln sich Institutionen? (choice of rules)
2. Wie wirken bestimmte Institutionen auf das Verhalten der betroffenen Individuen und Organisationen? (choice within rules)[12]
Zur Entstehung von Institutionen gibt es mindestens zwei Ansätze. In einem geht man davon aus, dass Institutionen spontan entstehen, also „von selbst“ auf Grundlage individuellen Eigeninteresses (z.B. Geld, Sprache). Der andere Ansatz besagt, dass Institutionen das Ergebnis eines zielgerichteten Entwurfs, also geplant sind (z.B. Vereinsbildung). Hayek spricht im ersten Fall von „evolutionärem Rationalismus“, im zweiten von „konstruktivistischem Rationalismus“.[13] Vermutlich sind jedoch nur wenige Institutionen eindeutig auf eine Entstehungsart zurückzuführen.[14]
Die Wirkung von Institutionen wird wesentlich von drei verschiedenen, sich ergänzenden Ansätzen untersucht: Die Theorie der Verfügungsrechte (Property-Rights-Ansatz), die Transaktionskostentheorie und der Principal-Agents-Ansatz.[15] In dieser Arbeit soll der Principal-Agent-Ansatz näher untersucht werden.
3 Principal-Agent-Ansatz
3.1 Grundgedanken
Der Principal-Agent-Ansatz (PA-Ansatz) behandelt Situationen, in denen ein Wirtschaftssubjekt – der Prinzipal – zur Realisierung seiner Interessen bestimmte Aufgaben auf Basis einer Vereinbarung an einen anderen – den Agenten – überträgt, der für seine Dienste eine Entlohnung erhält. Der PA-Ansatz befasst sich also mit arbeitsteiligen Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen.[16]
Dass ein Mensch andere beauftragen muss, etwas für ihn zu tun, ist die Folge arbeitsteiligen Wirtschaftens. Niemand kann sein eigener Anwalt, Bäcker, Arzt, Handwerker usw. gleichzeitig sein. Infolgedessen treten Menschen miteinander in wechselseitige Vertragsbeziehungen.[17]
Der Vertrag stellt dabei eine Institution zur Regulierung der Arbeitsteilung dar.
Agency-Beziehungen sind in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Welt zahlreich zu finden. Beispiele sind die jeweiligen Verhältnisse zwischen Arzt und Patient, Steuerberater und Mandant, Architekt und Bauherrn, Versicherung und Versicherungsnehmer. Schwerpunkt des PA-Ansatzes bilden die Agency-Beziehungen im Bereich der Unternehmensordnung, dort speziell die Beziehung zwischen Aktionären und Managern einer Aktiengesellschaft.[18]
In Agency-Beziehungen nützt dem Prinzipal die spezialisierte Arbeitskraft und der Informationsvorsprung des Agenten. Aus dieser Informationsasymmetrie resultiert jedoch auch die Problematik der Arbeitsteilung, auf die in Punkt 3.2 näher eingegangen wird.
Der PA-Ansatz verfolgt drei Zielsetzungen: Zum einen sollen die auftretenden Probleme in einer Vertragsbeziehung analysiert werden. Des Weiteren sollen die zur Lösung verwendeten oder denkbaren institutionellen Arrangements beschrieben und bewertet werden. Schließlich folgt die Entwicklung der effizientesten Vertragsform zur Regelung einer Agency-Beziehung.[19]
Dabei unterteilt sich der PA-Ansatz in zwei Forschungsrichtungen:
Die Entwicklung effizienter Vertragsformen ist Gegenstand der normativen Richtung. Hierbei werden mathematische Modelle mit stark vereinfachenden, abstrakten Annahmen verwendet. Demgegenüber ist die positive Richtung überwiegend empirisch ausgerichtet. Sie ist in erster Linie um die Erklärung des Zustandekommens, der Ausgestaltung und Bewährung der in der Praxis verwendeten institutionellen Arrangements bemüht.[20]
[...]
[1] Vgl. Eger, T./ Nutzinger, H., Vergleich, 1999, S. 23.
[2] Richter, R./ Furubotn, E., Institutionenökonomik, 1999, S. 9.
[3] Vgl. Richter, R./ Furubotn, E., Institutionenökonomik, 1999, S. 12.
[4] Vgl. Erlei, M./ Leschke, M./ Sauerland, D., Neue, 1999, S. 46.
[5] Vgl. Erlei, M./ Leschke, M./ Sauerland, D., Neue, 1999, S. 42.
[6] Vgl. Schumann, J., Grundzüge, 1992, S. 435.
[7] Vgl. Göbel, E., Konzeption, 2002, S. 30.
[8] Vgl. Richter, R./ Furubotn, E., Institutionenökonomik, 1999, S. 47 ff.
[9] Vgl. Göbel, E., Konzeption, 2002, S. 31.
[10] Vgl. Göbel, E., Konzeption, 2002, S. 31.
[11] Schmoller, G., Grundriss, 1900, S. 61.
[12] Vgl. Leipold, H., Institutionalismus, 1998, S. 96.
[13] Vgl. Richter, R./ Furubotn, E., Institutionenökonomik, 1999, S. 7 ff.
[14] Vgl. Göbel, E., Konzeption, 2002, S. 9.
[15] Vgl. Göbel, E., Konzeption, 2002, S. 49.
[16] Vgl. Feldmann, H., Ordnungstheoretische, 1999, S. 132.
[17] Vgl. Göbel, E., Konzeption, 2002, S. 127.
[18] Vgl. Feldmann, H., Ordnungstheoretische, 1999, S. 132.
[19] Vgl. Feldmann, H., Ordnungstheoretische, 1999, S. 136.
[20] Vgl. Feldmann, H., Ordnungstheoretische, 1999, S. 136 ff.
- Quote paper
- Isabell Niebuhr (Author), 2002, Neue Institutionenökonomik und das Problem des deligierten Handelns (Principal-Agent-Problem), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21062
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