Die vorliegende Hausarbeit setzt sich mit der Funktion und Einbettung der Fotografien in W.G. Sebalds „Die Ausgewanderten“ auseinander. Da Sebald bekannt ist für seine Amateurfotografie und die Sammelleidenschaft von Fotos , soll nun untersucht werden ob diese essentiell für die Erzählungen sind. Welche Wirkung erzielen sie an der jeweiligen Textstelle? Dienen sie nur der Authentifizierung? Diese und andere Fragen sollen im Folgenden näher beleuchtet werden.
Eingangs wird die erste Erzählung im Hinblick auf die Fragestellung analysiert, danach folgt die zweite Geschichte. Aufgrund der Bilderfülle werden die dritte und vierte Erzählung des Buches hier nicht weiter betrachtet, zumal die dritte Geschichte auch schon von Andrea Gnam hinsichtlich der eingefügten Fotografien detailliert untersucht worden ist.
Am Ende werden die Ergebnisse aus den Untersuchungen der Einzelgeschichten miteinander verglichen und mögliche Zusammenhänge ermittelt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Fotografien in der Erzählung um Dr. Henry Selwyn
3. Bilder in der Paul Bereyter Erzählung
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit setzt sich mit der Funktion und Einbettung der Fotografien in W.G. Sebalds „Die Ausgewanderten“[1] auseinander. Da Sebald bekannt ist für seine Amateurfotografie und die Sammelleidenschaft von Fotos[2], soll nun untersucht werden ob diese essentiell für die Erzählungen sind. Welche Wirkung erzielen sie an der jeweiligen Textstelle? Dienen sie nur der Authentifizierung? Diese und andere Fragen sollen im Folgenden näher beleuchtet werden.
Eingangs wird die erste Erzählung im Hinblick auf die Fragestellung analysiert, danach folgt die zweite Geschichte. Aufgrund der Bilderfülle werden die dritte und vierte Erzählung des Buches hier nicht weiter betrachtet, zumal die dritte Geschichte auch schon von Andrea Gnam hinsichtlich der eingefügten Fotografien detailliert untersucht worden ist.[3]
Am Ende werden die Ergebnisse aus den Untersuchungen der Einzelgeschichten miteinander verglichen und mögliche Zusammenhänge ermittelt.
2. Fotografien in der Erzählung um Dr. Henry Selwyn
Die erste Geschichte des Buches handelt von Dr. Henry Selwyn. Sie gehört zu den zwei kürzeren Erzählungen in dem Buch und enthält 7 Fotos, die in den Text integriert sind. Der Handlung wird am Anfang ein Foto von einem Baum, der auf einem Friedhof steht, vorangestellt.[4] Im Text selbst wird kein direkter Bezug zu diesem Bild aufgebaut. Es wird lediglich ein Rasenfriedhof mit Pinien und Eiben erwähnt.[5] Der abgebildete Baum auf dem Foto gehört, laut Jan Ceuppens zu der Gattung der Eiben, welche häufig auf Friedhöfen in Großbritannien vorkommen.[6] Durch die Unschärfe in diesem Bild, kann die Baumgattung nur vermutet werden, da eine genaue Identifikation nicht möglich ist. Thomas von Steinaecker stellt darüber hinaus fest, dass sich alle Fotografien in den Ausgewanderten durch verschwimmende Konturen auszeichnen.[7] Das erste Bild stellt somit keinen Einzelfall dar. Die Erzählung geht in diesem Absatz auch auf eine Kirche ein, die auf dem Rasenfriedhof stehen soll, sie ist jedoch auf dem Foto am Anfang des Buches nicht zu sehen. Dadurch kann man davon ausgehen, dass der im Text beschriebene Platz nicht mit dem auf dem Foto gezeigten übereinstimmt. Folglich ist das Foto wohl eher dazu geeignet, dem Leser eine gefühlsmäßige Einstimmung in die Geschichte zu geben, als direkt mit dieser verknüpft zu sein. Diese von der Aufnahme unterstützte, melancholische Stimmung nimmt das Ende des Protagonisten Dr. Henry Selwyn vorweg. Dieser begeht am Schluss der Geschichte Selbstmord.
Jan Ceuppens bewertet die Eibe als Symbol für eine feste Verwurzelung und daraus folgend Beständigkeit. Laut ihm bildet die Eibe am Anfang des Buches einen Kontrast zu der Entwurzelung der Ausgewanderten.[8] Durch den umgebenden Friedhof scheint sie aber eher das Schicksal des Protagonisten vorwegzunehmen und den unumgänglichen Tod, sowie die Vergänglichkeit des Menschen zu symbolisieren.
Der Ort, der auf dem zweiten Bild zu sehen ist[9], wird diesmal auch explizit im Text erwähnt. Es handelt sich hierbei um einen Tennisplatz, der langsam verwildert. Im Text heißt es „the court has fallen into disrepair, like so much else around here“[10]. Dieser kurze Einschub auf Englisch soll, laut Ana-Isabel Aliaga-Buchenau bewirken, dass der Erzähler der Geschichte sich vom eigentlichen Protagonisten distanziert, indem er betont, dass dieser eine andere Sprache spricht.[11] Diese scheinbare Distanz wäre dann ein Mittel der Authentifizierung des Textes.
Die Fotografie steht mitten im Text und unterbricht den Monolog des Erzählers auf doppelte Weise, da sie nicht nur mittig in diesem angebracht wurde, sondern auch noch einen Satz in zwei Teile untergliedert. Die Stelle, in der der Lesefluss durch das Foto unterbrochen wird, scheint unglücklich gewählt worden zu sein, denn der Tennisplatz wird im Text erst nach dem Auftauchen des Fotos erwähnt. Der Satz, der durch das Lichtbild geteilt wird, legt einen Fokus auf den Boden. Dieser ist im Bild jedoch nicht, wie im Satz beschrieben mit Schalen übersät.[12] Somit passt das Bild an dieser Stelle nicht in den Text und sorgt so für eine kurzzeitige Verunsicherung des Lesers. Die kurz darauf folgende Textstelle, die den Tennisplatz beschreibt, löst die Verunsicherung des Lesers wieder auf, käme aber auch ohne das Bild aus. Das Foto ist demnach nicht essentiell für die Geschichte, es unterstützt aber durch den dargestellten Zerfall den düsteren Gesamteindruck vom Anfang. Der Tennisplatzfotografie gegenüberliegend befindet sich das dritte Foto innerhalb der Geschichte. Es zeigt einen verwilderten Garten und im Hintergrund einige halb zerfallene Gebäude. Bei dem Garten handelt es sich, wenn man der Beschreibung im Text glauben schenken darf, um einen ehemaligen Küchengarten. Interessant ist hierbei, dass auch dieses Foto den vorangestellten Satz in zwei Hälften unterteilt. Die erste Hälfte beschreibt neutral den Küchengarten, während die zweite Hälfte auf die halbverfallenen Glashäuser im Hintergrund des Bildes näher eingeht. Dabei wird der negative Eindruck des Bildes durch die Wörter „Vernachlässigung“, „stöhne“ und „sinke“[13] noch verstärkt. Die Stelle, an der das Foto in den Text eingefügt wurde verursacht hier, anders als beim zweiten Bild keine Verunsicherung des Lesers. Der Lesefluss wird auch weniger stark gestört, da der Satz an dieser Stelle schon durch ein Komma gegliedert wurde. Der Eindruck des Bildes ist, ebenso wie der des zweiten Fotos, eher negativ, denn die Lichtbilder zeigen den Sieg der Natur über die domestizierte Welt eines Gartens. Im Text wird hier aber auch eine positive Seite dieses Prozesses erwähnt, denn der Garten bringt einige Früchte von „außergewöhnlich feine[m] Geschmack“[14] hervor, gerade durch die Rückkehr zur Natur. Diese positive Deutung führt Jan Ceuppens noch weiter aus, indem er den Küchengarten als „ausgelagertes Paradies“ und „Garten Eden“[15] beschreibt.
[...]
[1] Siehe Sebald, W.G.: Die Ausgewanderten. Vier lange Erzählungen. Frankfurt am Main 2009.
[2] Vgl. Kim-Cohen, Seth: What Counts As True? Pctures and Fiction in W.G. Sebald. In: Witness: Memory, Representation and the Media in Question. Hg. von Ulrik Ekman, Frederik Tygstrup. Copenhagen 2008, S. 192.
[3] Siehe Gnam, Andrea: Fotografie und Film in W.G. Sebalds Erzählung Ambros Adelwarth und seinem Roman Austerlitz. In: Verschiebebahnhöfe der Erinnerung. Zum Werk W.G. Sebalds. Hg. von Sigurd Martin, Ingo Wintermeyer. Würzburg 2007, S. 27-48.
[4] Vgl. Sebald: Die Ausgewanderten, S. 7.
[5] Vgl. Sebald: Die Ausgewanderten, S. 8.
[6] Vgl. Ceuppens, Jan: Vorbildhafte Trauer. W.G. Sebalds Die Ausgewanderten und die Rhetorik der Restitution. Brüssel 2009, S. 121.
[7] Vgl. von Steinaecker, Thomas: Zwischen schwarzem Tod und weißer Ewigkeit. Zum Grau auf den Abbildungen W.G. Sebalds. In: Verschiebebahnhöfe der Erinnerung. Zum Werk W.G. Sebalds. Hg. von Sigurd Martin, Ingo Wintermeyer. Würzburg 2007, S. 128.
[8] Vgl. Ceuppens: Vorbildhafte Trauer, S. 122.
[9] Vgl. Sebald: Die Ausgewanderten, S. 12.
[10] Ebd.: Die Ausgewanderten, S. 13.
[11] Vgl. Aliaga-Buchenau, Ana-Isabel: „A Time He Could Not Bear to Say Any More About“: Presence and Absence of the Narrator in W.G. Sebald’s The Emigrants. In: W.G. Sebald. History-Memory-Trauma. Hg. von Scott Denham, Mark McCulloh. Berlin 2006, S. 146.
[12] Vgl. Sebald: Die Ausgewanderten, S. 12.
[13] Vgl. Ebd.: Die Ausgewanderten, S. 13.
[14] Vgl. Ebd.: Die Ausgewanderten, S. 14.
[15] Ceuppens: Vorbildhafte Trauer, S. 130.
- Citation du texte
- Anna Sommerfeldt (Auteur), 2011, Was bewirken die Fotografien? Funktion und Einbettung der Illustrationen in W.G. Sebalds „Die Ausgewanderten“ , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210369
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