Der St. Galler Klosterplan ist ein einzigartiges Zeugnis frühmittelalterlicher Baukunst. Er beschäftigt die Forschung mittlerweile seit über drei Jahrhunderten unter verschiedenen Aspekten wie zum Beispiel der Kirchen-, Wirtschafts-, Architektur-, und Kunstgeschichte. Die Forschung habe sich mit keinem anderen Bilddokument so intensiv und oft befasst. Laut Martin Gosebruch zählt er zu den „hohen Werken des Menschengeistes“ und sollte allein seiner Singularität wegen beachtet werden, da nur wenige solcher Quellen überliefert worden sind. Die Erkenntnisse, welche aus dem Plan gewonnen werden können, stellen eine große Bereicherung für die Mittelalterforschung dar. Besonders unter dem Aspekt betrachtet, dass es bisher nur spärliche Erkenntnisse über Mönchtum und Klosterwesen gab , soll diese Arbeit im Folgenden die wirtschaftlichen Gegebenheiten in karolingischen Klöstern anhand des St. Galler Klosterplanes analysieren. Parallel dazu wird die Benediktsregel, welche Benedikt von Nursia im 6. Jahrhundert für sein gegründetes Einzelkloster Montecassino schrieb, vergleichend hinzugezogen. Die Benediktsregel stellt einen Regelkanon dar, welcher nahezu alle Bereiche des monastischen Lebens regelt.
Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit die wirtschaftlichen Strukturen des St. Galler Klosterplans, welcher als eine Musteranlage für größere Klöster zählt, mit der Benediktsregel übereinstimmen können. Das heißt ob das monastische Ideal überhaupt mit der tatsächlich vorgesehenen Lebensweise einer Klostergemeinschaft zusammengehen konnte.
Zuerst werden einige Anmerkungen zur Überlieferungs- und Entstehungsgeschichte des Planes gemacht und im Folgenden die Wirtschaftsstruktur, aufgegliedert in drei Teilbereiche: Bäckerei und Brauerei, Handwerke und Stallungen, analysiert. Parallel dazu wird im letzten Kapitel die Benediktsregel auf ihre Vereinbarkeit mit den vorher gewonnenen Erkenntnissen geprüft.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Über den Klosterplan und die Benediktsregel
2.1 Entstehungsgeschichte und aktueller Forschungsstand des St. Galler Klosterplans
2.2 Wirtschaftsstruktur
2.2.1 Bäckerei und Brauerei
2.2.2 Handwerksbetriebe
2.2.3 Stallungen
2.3 Rolle der Benediktsregel
3. Schluss
4. Anhang
5. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Der St. Galler Klosterplan ist ein einzigartiges Zeugnis frühmittelalterlicher Baukunst. Er beschäftigt die Forschung mittlerweile seit über drei Jahrhunderten unter verschiedenen Aspekten wie zum Beispiel der Kirchen-, Wirtschafts-, Architektur-, und Kunstgeschichte.[1] Die Forschung habe sich mit keinem anderen Bilddokument so intensiv und oft befasst.[2] Laut Martin Gosebruch zählt er zu den „hohen Werken des Menschengeistes“[3] und sollte allein seiner Singularität wegen beachtet werden, da nur wenige solcher Quellen überliefert worden sind. Die Erkenntnisse, welche aus dem Plan gewonnen werden können, stellen eine große Bereicherung für die Mittelalterforschung dar. Besonders unter dem Aspekt betrachtet, dass es bisher nur spärliche Erkenntnisse über Mönchtum und Klosterwesen gab[4], soll diese Arbeit im Folgenden die wirtschaftlichen Gegebenheiten in karolingischen Klöstern anhand des St. Galler Klosterplanes analysieren. Parallel dazu wird die Benediktsregel, welche Benedikt von Nursia im 6. Jahrhundert für sein gegründetes Einzelkloster Montecassino schrieb, vergleichend hinzugezogen. Die Benediktsregel stellt einen Regelkanon dar, welcher nahezu alle Bereiche des monastischen Lebens regelt.
Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit die wirtschaftlichen Strukturen des St. Galler Klosterplans, welcher als eine Musteranlage für größere Klöster zählt, mit der Benediktsregel übereinstimmen können. Das heißt ob das monastische Ideal überhaupt mit der tatsächlich vorgesehenen Lebensweise einer Klostergemeinschaft zusammengehen konnte.
Zuerst werden einige Anmerkungen zur Überlieferungs- und Entstehungsgeschichte des Planes gemacht und im Folgenden die Wirtschaftsstruktur, aufgegliedert in drei Teilbereiche: Bäckerei und Brauerei, Handwerke und Stallungen, analysiert. Parallel dazu wird im letzten Kapitel die Benediktsregel auf ihre Vereinbarkeit mit den vorher gewonnenen Erkenntnissen geprüft.
2. Über den Klosterplan und die Benediktsregel
2.1 Entstehungsgeschichte und aktueller Forschungsstand des St. Galler Klosterplans
Der St. Galler Klosterplan ist ein Bilddokument, welches aus fünf zusammengenähten Kalbspergamentblättern besteht und circa 112 x 77 cm misst. Die Grundrissdarstellung wurde mit roter Tusche aufgetragen und in schwarzer Tinte sind die rund 350 Beischriften, welche auf die Funktionen der dargestellten Gebäude verweisen,[5] vorgenommen worden.[6] Dass der Plan überhaupt überliefert wurde, ist vielmehr dem Zufall zu verdanken, dass ein Mönch, da Pergament sehr teuer war, auf die Rückseite zurückgriff, um eine Vita beati Martini episcopi unterzubringen. Von einigen Historikern, wie zum Beispiel Ferdinand Keller oder Hans Reinhardt wurde der Mönch deshalb als Unwissender, welcher diesen Plan gar nicht zu schätzen wusste, verurteilt. Doch schlussendlich ist es sein Verdienst, dass dieses einzigartige Dokument bis heute erhalten geblieben ist.[7] Glücklicherweise wurde der Plan damals nicht zerschnitten sondern gefaltet.[8] Somit ist er bis auf eine Ausradierung der nordwestlichen Ecke der Vorderseite vollständig erhalten auch wenn durch die Knickfalze die Lesbarkeit erschwert wird.[9] Der Plan wird in der Stiftsbibliothek der ehemaligen Benediktinerabtei St. Gallen in einem Liegeschrank mit Lüftungslöchern und Filtern mit einer Sekuritplatte, welche bei einem Schlag in feines Pulver zerfällt und somit keine Schäden durch Scherben verursachen könnte[10], aufbewahrt.[11]
Weder in seiner Widmung noch in irgendeiner sonstigen Notiz ist eine Datumsangabe vermerkt. Daher lässt sich über das Entstehungsjahr nur spekulieren.[12] Fest steht, dass er dem Abt Gozbert, welcher dem Kloster 816-837 vorstand, gewidmet ist.[13] Somit kann seine Datierung zwischen dem zweiten und dritten Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts festgesetzt werden. Obwohl der Adressat bekannt ist, gibt es keinen Vermerk über den Verfasser und Entstehungsort.[14] Neue Forschungen vermuten und dies wurde auch durch die paläografische Untersuchung von B. Bischoff bestätigt, dass diese Zeichnung aus dem Kloster Reichenau stammt.[15] Nach Horn musste sie von einer höherstehenden Person als Abt Gozbert verfasst worden sein, da die Anrede mit dulcissime fili cozberte, also mein liebster Sohn Gozbert, erfolgte und dies sich eine rangniedere Person nicht erlauben könne.[16]
In der Forschung ist umstritten, ob es sich bei dieser Quelle um ein Original oder eine Kopie handelt. Dies im Einzelnen darzustellen würde an dieser Stelle zu weit führen, deshalb nur ein kurzer Überblick über die Forschungskontroverse: Horn und Born waren bisher der Meinung, dass es sich bei der Zeichnung um eine Kopie handle. Diese These stützt sich vor allem darauf, dass keine Vorzeichnungen zu sehen sind,[17] jedoch begegnet ihr die neuere Forschung mit Skepsis.[18] Jacobsen sieht in dem Plan eine Originalzeichnung, welche jedoch auch eher als eine Vorlage diente.[19] Unabhängig davon, ist jedoch aufgrund des spärlichen Wissens über diese Zeit die hohe Bedeutung unabdingbar und jener verdient vielmehr Interesse seines Inhalts wegen.[20] Weiterhin kontrovers ist der Entstehungsrahmen des St. Galler Klosterplans. Einige Forscher, zum Beispiel Dopsch, waren der Ansicht, dass der Plan auf die anianische Klosterreform zurückgehe. Jacobsen bestreitet dies wiederrum und meint, dass der Plan unabhängig davon, beziehungsweise vor der anianischen Reform entstanden sein soll. Schließlich liege er in einer sehr durchdachten Form vor, so dass seine Entstehung im Rahmen theoretischer Überlegungen unwahrscheinlich sei.[21] Es sei vielmehr ein Resultat praktischer Übung, welches jederzeit verwirklicht werden konnte und keine Neukonstruktion.[22]
2.2 Wirtschaftsstruktur
Der Lageplan stellt circa 40 Gebäude sowie Garten- und Friedhofsflächen dar und die Wege zwischen den einzelnen Bereichen verlaufen rechtwinklig. Aus der Positionierung der Bauten lassen sich Erkenntnisse über die funktionalen Zusammenhänge des Klosterlebens gewinnen.[23] Im Zentrum der Anlage steht die große Abteikirche und die sich daran anschließende Klausur, das heißt der innere Lebensbereich der Mönche.[24] Dieser überragt alle anderen Gebäude und bildet den geistlich- liturgischen Bereich.[25] Im Süden schließen sich die Dienst- und Wirtschaftsgebäude, im Osten der Bereich der Novizen und Kranken, westlich der landwirtschaftliche Nutzungsbereich und im Norden der weltliche Aufgabenbereich an.[26] Anhand der Lage und Anordnung der Gebäude, kann man von einer genauen Funktionseinteilung sprechen, welche kurze Wege und enge Nutzungszugehörigkeit zum Ziel hatte.[27] Dies lässt darauf schließen, dass dem Zeichner die alltäglichen Abläufe im Kloster stark vertraut waren und somit die Lebensgewohnheiten widerspiegeln.[28] Auf die Funktionalität der einzelnen Wirtschaftsgebäude wird in den folgenden Kapiteln genauer eingegangen. Besonders die streng geometrische Anordnung der Gebäude und die funktionale Zuordnung der einzelnen Bauten machen das Schematische und Ideale des Plans aus. Ziel war es das Klosterleben, welches auf die Einhaltung einer festen Struktur, wie es durch die Benediktsregel[29] vorgeschrieben ist, aufbaut, so optimal wie möglich zu verwirklichen und die Bedingungen für eine monastische Lebensgemeinschaft vorzugeben.[30] Somit soll der Plan „das Maximalprogramm eines karolingerzeitlichen Klosters“[31] vermitteln.
[...]
[1] Vgl. Duft, J.: Vorwort, in: Duft, J.: Studien zum St. Galler Klosterplan, St. Gallen 1962, S. 13.
[2] Vgl. Hecht, K.: Der St. Galler Klosterplan, Sigmaringen 1983, S. 13.
[3] Gosebruch, M.: Vorwort in: Hecht, K.: Klosterplan, Sigmaringen 1983, S. 9.
[4] Vgl. Schwind, F.: Zu karolingerzeitlichen Klöstern als Wirtschaftsorganismen und Stätten handwerklicher Tätigkeit, in: Braasch-Schwersmann, U. (Hg.): Burg, Dorf, Kloster, Stadt, Beiträge zur hessischen Landesgeschichte und zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, Marburg 1999, S. 445.
[5] Vgl. Zettler, A.: Art. „Sankt Galler Klosterplan“, in LexMa VII, Sp. 1155-1156.
[6] Vgl. Jacobsen, W.: Der St. Galler Klosterplan- 300 Jahre Forschung, in: Ochsenbein, P. und Schmuki, K. (Hg.): Studien zum Klosterplan, St. Gallen 2002, S. 13.
[7] Vgl. Duft, J.: Aus der Geschichte des Klosterplans und seiner Erforschung, Duft, J.: Studien zum Klosterplan, St. Gallen 1962, S. 34.
[8] Weiterführend dazu: Büker, D.: Vier Jahrhunderte und vier Jahre, Der Klosterplan von St. Gallen und seine Bedeutung als Dokument frühmittelalterlicher Schriftlichkeit, Frankfurt am Main 2009, S. 29 und 31.
[9] Vgl. Duft, J.: Aus der Geschichte des Klosterplans, Duft, J.: Studien zum Klosterplan, St. Gallen 1962, S. 35.
[10] Vgl. Büker, D.: Vier Jahrhunderte, Der Klosterplan von St. Gallen, Frankfurt am Main 2009, S. 32.
[11] Vgl. Ebd.: S. 19.
[12] Vgl. Duft, J.: Aus der Geschichte des Klosterplans, Duft, J.: Studien zum Klosterplan, St. Gallen 1962, S. 41.
[13] Weiterführend dazu: Bischoff, B.: Die Entstehung des Klosterplans in paläographischer Sicht, Studien zum Klosterplan, St. Gallen 1962, S. 67-78.
[14] Vgl. Duft, J.: Aus der Geschichte des Klosterplans, Duft, J.: Studien zum Klosterplan, St. Gallen 1962, S. 42-43.
[15] Vgl. Schwind, F.: Zu karolingerzeitlichen Klöstern als Wirtschaftsorganismen, in: Braasch-Schwersmann, U. (Hg.): Burg, Dorf, Kloster, Stadt, Marburg 1999, S. 450.
[16] Vgl. Horn, W.: On the Author of the plan of St. Gall and the relation of the plan to the monastic reform movement , in: Duft, J.: Studien zum St. Galler Klosterplan, St. Gallen 1962, S. 103-104.
[17] Vgl. Hecht, K.: Der St. Galler Klosterplan, Sigmaringen 1983, S. 14-24.
[18] Vgl. Zettler, A.: Art. „Sankt Galler Klosterplan“, in LexMa VII, Sp. 1155-1156.
[19] Vgl. Schwind, F.: Zu karolingerzeitlichen Klöstern als Wirtschaftsorganismen, in: Braasch-Schwersmann, U. (Hg.): Burg, Dorf, Kloster, Stadt, Marburg 1999, S. 450.
[20] Vgl. Jacobsen, W.: Der St. Galler Klosterplan- 300 Jahre Forschung, in: Ochsenbein, P. und Schmuki, K. (Hg.): Studien zum Klosterplan, St. Gallen 2002, S. 13.
Hecht, K.: Der St. Galler Klosterplan, Sigmaringen 1983, S. 14.
[21] Vgl. Schwind, F.: Zu karolingerzeitlichen Klöstern als Wirtschaftsorganismen, in: Braasch-Schwersmann, U. (Hg.): Burg, Dorf, Kloster, Stadt, Marburg 1999, S. 450-451.
[22] Vgl. Hafner, P.: Der St. Galler Klosterplan im Lichte von Hildemars Regelkommentar, Studien zum Klosterplan, St. Gallen 1962, S. 192.
[23] Vgl. Büker, D.: Vier Jahrhunderte, Der Klosterplan von St. Gallen, Frankfurt am Main 2009, S. 23.
[24] Vgl. Jacobsen, W.: Der St. Galler Klosterplan- 300 Jahre Forschung, in: Ochsenbein, P. und Schmuki, K. (Hg.): Studien zum Klosterplan, St. Gallen 2002, S. 15.
[25] Vgl. Büker, D.: Vier Jahrhunderte, Der Klosterplan von St. Gallen, Frankfurt am Main 2009, S. 23.
[26] Vgl. Nieden zur, A.: Der Alltag der Mönche, Studien zum Klosterplan von St. Gallen, Hamburg 2008, S. 23.
[27] Vgl. Jacobsen, W.: Der St. Galler Klosterplan- 300 Jahre Forschung, in: Ochsenbein, P. und Schmuki, K. (Hg.): Studien zum Klosterplan, St. Gallen 2002, S. 17.
[28] Vgl. Nieden zur, A.: Der Alltag der Mönche, Studien zum Klosterplan von St. Gallen, Hamburg 2008, S. 24.
[29] Genaueres zur Benediktsregel wird in Kapitel 2.3 erläutert.
[30] Vgl. Schwind, F.: Zu karolingerzeitlichen Klöstern als Wirtschaftsorganismen, in: Braasch-Schwersmann, U. (Hg.): Burg, Dorf, Kloster, Stadt, Marburg 1999, S. 453.
[31] Schwind, F.: Zu karolingerzeitlichen Klöstern als Wirtschaftsorganismen, in: Braasch-Schwersmann, U. (Hg.): Burg, Dorf, Kloster, Stadt, Marburg 1999, S. 449.
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- Lisa Fäustel (Autor), 2012, Analyse der Wirtschaftsstruktur des St. Galler Klosterplans im Zusammenhang mit der Benediktsregel, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210337
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