Die Darstellung Christi als Pantokrator übersetzt das theozentrische Denken des Mittelalters in ein Bild: Christus ist der Allherrscher, von dem alle Macht der Welt und des Universums ausgeht. Die höchste vorstellbare Legitimation vermochte ein Herrscher für sich geltend zu machen, wenn er sich als der Stellvertreter Christi bezeichnen konnte. Damit war er der unanfechtbare Mittler aller Macht auf Erden. Sowohl die Kaiser in Ost und West als auch die Päpste sahen sich als berechtigte Inhaber des Titels Vicarius Christi. Zwangsläufig musste das zu Spannungen, Verwerfungen und Brüchen zwischen diesen Parteien führen.
Am 23. September 1122 wurde das Wormser Konkordat, zwischen päpstlicher und kaiserlicher Partei ausgetauscht. Nicht zu Unrecht wird dieser Kompromiss am Ende des Investiturstreites als Niederlage des Kaisers interpretiert und es brauchte in Folge mehrere Jahrzehnte, bis sich die Kommunikation zwischen beiden Seiten diesbezüglich auch nur annähernd normalisierte.
Doch nicht erst seit Gregor VII. gab es Konflikte um Macht und Autorität „von Gottes Gnaden“ in Europa. Die Auseinandersetzung, die Anfang des 12. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht hatte, kann in ihren Grundzügen bis zu Kaiser Konstantin zurückverfolgt werden.
Die Regelung der Investitur kirchlicher Würdenträger im Wormser Konkordat war nur die vordergründige Aussage des Paktes, viel schwerer wog der Verlust der sakralen Aura, die bis dahin die weltlichen Herrscher umgab. Diese nährte sich von einem Amalgam aus der byzantinischen Kaiseridee und den Relikten des germanischen Herrscherethos, der die Mächtigen mit den alten Göttern und Helden verband.
Diese Arbeit soll die wesentlichen Stationen der Auseinandersetzung zwischen staatlicher und kirchlicher Macht, angefangen von der Rolle Konstantins bis zur Indienstnahme der Reichskirche unter Otto I. und den daraus entstandenen Konflikt nachzeichnen und Unterschiede und Parallelen in der Entwicklung in Ost und West verdeutlichen. Dabei sind u.a. Konstantin, Augustinus, Leo I., Gelasius und Justinian I., Karl d. Große und Leo III., sowie schließlich Otto I. wichtige Stationen.
In einem Ausblick wird die Entwicklung nach dem Wormser Konkordat skizziert, in der sich Könige und Kaiser auch ohne päpstlichen Segen eine sakrale Aura zu verschaffen wussten und so ihre Macht als gottgegeben demonstrieren konnten. Die staufische Sakralisierungspolitik u. schließlich die Erwerbung der Reliquie der Dornenkrone durch Frankreich sind dafür Zeugen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Rom und Konstantinopel in der Spätantike
2.1. Vom gottgleichen Kaiser zum Stellvertreter des einen Gottes
2.2. Die neue Hauptstadt: Trennung von weltlicher und geistlicher Autorität
2.3. Der Kaiser als problhma qeou - Vicarius Christi
2.4. Der Patriarch von Konstantinopel: „Hofkaplan“ des Kaisers
3. Die Herrschaftsauffassung im Westen des Reiches
3.1. Der Vorrang des Hauptstadtbischofs und die Denker des Westens
3.2. Das Herrschaftsvakuum in Rom – Leo I. und die neuen Aufgaben
3.3. Gelasius und die Zweigewaltenlehre
3.4. Die Entfremdung und der Bruch zwischen Ost- und Westrom
4. Das abendländische Imperium
4.1. Karls Weg zu Kaiserwürde – translatio imperii?
4.2. Politisch schwach und taktisch klug: Leo III.
4.3. Die folgenreiche Krönung
4.4. Karls Nachfolge
5. Reichskirche und Investiturstreit
5.1. Otto I. und die Idee der Reichskirche
5.2. Reformpapsttum contra Reichskirche
6. „Vicarius Christi?“ – Eine Zusammenfassung
Bibliographie
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- dipl. theol. Ralf Gührer (Author), 2013, Vicarius Christi? Die Auseinandersetzung zwischen weltlicher und geistlicher Macht in Europa von Konstantin bis zum Wormser Konkordat, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210335
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