„Ihr lieben Völker im weiten Reich – so ganz im Geheimen bewundere ich euch: da nähret ihr mit eurem Fleische und Blut gutmütig diese verkommene Brut.“ Zeilen aus dem Tagebuch einer Kaiserin, die keine sein wollte: Elisabeth, Kaiserin von Österreich und Königin von Un-garn. Bei diesem Namen haben die meisten die junge Romy Schneider in Marischkas Sissi-Trilogie der 1950er Jahre vor Augen: Elisabeth als pflichtbewusste Monarchin, liebende Gattin, treusorgende Mutter und lebensfrohen Familienmenschen – quasi das „süßes Hascher“, wie der Wiener sagen würde, und aufopfernde Kaiserin in einer Person.
Die deutsch-österreichische Historikerin Brigitte Hamann räumt in ihrer Biographie „Elisabeth. Kaiserin wider Willen“ kräftig mit diesem romantischen Kitsch-Bild auf. Wer weiter an das süße Sissi-Klischee glauben möchte, sollte das Buch von Hamann lieber nicht zur Hand nehmen.
Rezension zu
Brigitte Hamann: Elisabeth. Kaiserin wider Willen
Die Entzauberung eines Prinzessinnen-Märchens
„Ihr lieben Völker im weiten Reich – so ganz im Geheimen bewundere ich euch: da nähret ihr mit eurem Fleische und Blut gutmütig diese verkommene Brut.“ Zeilen aus dem Tagebuch einer Kaiserin, die keine sein wollte: Elisabeth, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn. Bei diesem Namen haben die meisten die junge Romy Schneider in Marischkas Sissi-Trilogie der 1950er Jahre vor Augen: Elisabeth als pflichtbewusste Monarchin, liebende Gattin, treusorgende Mutter und lebensfrohen Familienmenschen – quasi das „süßes Hascherl“, wie der Wiener sagen würde, und aufopfernde Kaiserin in einer Person.
Die deutsch-österreichische Historikerin Brigitte Hamann räumt in ihrer Biographie „Elisabeth. Kaiserin wider Willen“ kräftig mit diesem romantischen Kitsch-Bild auf. Wer weiter an das süße Sissi-Klischee glauben möchte, sollte das Buch von Hamann lieber nicht zur Hand nehmen. Schon die korrekte Schreibweise des Spitznamens mit nur einem „s“ in der Mitte dürfte bei eingeschweißten Sissi-Fans auf Skepsis stoßen. Brigitte Hamann zeichnet in ihrer Biografie den Lebensweg einer Kaiserin nach, die zu den gebildetsten und interessantesten Frauen ihrer Zeit gehörte: Durch monatelange Reisen entfloh sie der verhassten „Wiener Kerkerburg“, lernte Sprachen, las die griechischen Philosophen im Original, absolvierte täglich ein exzessives Sportprogramm und vergötterte ihre, schon zu Lebzeiten bewunderte, legendäre Schönheit. Entgegen aller romantischer Vorstellungen über die Kaiserin, nahm Sisi in ihrem egozentrischen Lebensstil weder Rücksicht auf Ehemann, Kinder und Familie, noch auf ihre gesellschaftliche Stellung als Regentin eines riesigen Vielvölkerreiches. Elisabeths lebenslanges Streben nach Selbstverwirklichung und persönlichem Individualismus, verbunden mit ihrer (geheimen) Abneigung gegenüber der Aristokratie spiegeln neben dem Seelenbild einer zutiefst unglücklichen Frau, auch die antimonarchistischen Ideen der Gesellschaft im späten 19. Jahrhundert wider. Hamanns, bereits zum Standardwerk gewordene, Biographie entzaubert mit Hilfe von bis dato unbekanntem Quellenmaterial entzaubert den Elisabeth-Mythos.
„Ich will wissenschaftlich fundiert schreiben und ich will Leser haben“, brachte Brigitte Hamann nach Erscheinen der Biographie in einem Rundfunkinterview ihre Ambitionen als Autorin klar auf den Punkt. Dies dürfte in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts in der Geschichtswissenschaft eine schwierige Aufgabe gewesen sein. Die soziologische Arbeitsweise, überwiegend geprägt von Statistiken und Nüchternheit, war in der damaligen Geschichtswissenschaft üblich. Als Hamann begann ihre historischen Biographien zu schreiben lag sie also damit keineswegs im Trend. Biographien galten als unwissenschaftlich und indiskutabel für die Geschichtswissenschaft. Sogar Hamanns eigener Ehemann, ein angesehener Wiener Geschichtsprofessor, hatte Angst, seine Frau würde ihn vor den Wissenschaftskreisen blamieren. Brigitte Hamann setzte ihren rheinischen Dickschädel jedoch durch: Auf der Grundlage akribischer Quellenarbeit in den Archiven und der Überzeugung keine Heldengeschichte zu schreiben, sondern durch eine Biographie auch die Geschichte einer bestimmten Zeit aufzuschlüsseln, verfasste sie ihre Dissertation über Kronprinz Rudolf von Österreich – ein Erfolg.
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- Arbeit zitieren
- Mette Bartels (Autor:in), 2012, Rezension zu Brigitte Hamann: Elisabeth. Kaiserin wider Willen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210320
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