Die Idee des Leviathan geht zunehmend verloren. Der Staat, dem wir die Wahrung
der Sicherheit übertragen haben, ist seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen. Unsere
Gesellschaft ist von Angst und Unsicherheit geprägt. Dabei geht es nicht nur um die
Ängste des Einzelnen, sondern vor allem um die Unsicherheit in der politischen und
gesellschaftlichen Sphäre. Denn durch wachsendes Misstrauen in den Staat wird der
Unterbau der Demokratie ausgehebelt und die Staatsfunktion Sicherheit verliert an
Bedeutung, was wiederum zu unkontrollierten Auswirkungen führen kann.
Die vorliegende Arbeit soll sich im Rahmen des Seminars „Staatsaufgaben“ diesem
Thema widmen. Dabei wird zunächst eine Begriffsklärung von Sicherheit
vorgenommen, um zu versuchen, seine Dimension zu verdeutlichen. Im zweiten Teil
wird auf den historischen und ideengeschichtlichen Hintergrund eingegangen, der die
beiden Aspekte der Sicherheit durch Macht und Sicherheit durch Recht beleuchtet. In
einem dritten Teil wird die verfassungsrechtliche Ausgestaltung in Deutschland
vorgestellt, um die Normen für einen Sicherheitsgebrauch oder –anspruch
herauszustellen. Im letzten Teil schließlich soll die Fragestellung des
Sicherheitsbedürfnisses versus Sicherheitsgewährleistung aufgeworfen werden,
wobei es vor allem um die wachsende Unsicherheit und um sicherheitstheoretische
und politische Neuorientierung geht.
Die Arbeit versucht, der Staatsaufgabe Sicherheit einen Rahmen zu geben und ihre
Möglichkeiten und Grenzen zu benennen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Der Sicherheitsbegriff
3. Historischer und ideengeschichtlicher Hintergrund
3.1. Sicherheit durch Macht und durch Recht
3.2. Sicherheit durch Macht
3.2.1. Anthropologische Grundlagen und Naturzustand bei Thomas Hobbes
3.2.2. Staatslegitimation durch Sicherheit
3.3. Sicherheit durch Recht
3.3.1. Menschenbild und Naturzustand bei John Locke
3.3.2. Der Staat als Ende des Naturzustands
4. Staatszweck „Sicherheit“ im Verfassungsstaat des Grundgesetzes
4.1. Gewaltmonopol
4.2. Rechtsgehorsam
4.3. Rechtsschutz
4.4. Äußere Sicherheit
4.5. Frage der absoluten Sicherheit
5. Grundrecht auf Sicherheit?
5.1. Rechtsdreieck Staat-Störer-Opfer
5.2. Inhalt und Reichweite
5.3. Verweisung auf Gesetz
5.4. Grundrechts-Status des Eingriffsbelasteten
5.5. Grundrechts-Status des Schutzbedürftigen
5.6. Schutzpflicht und Ermessen
5.7. Fazit
6. Sicherheitsbedürfnis vs. Sicherheitsgewährleistung
6.1. Sphären der Sicherheitsgewährleistung
6.2. Wachsende Prävention
6.3. Paradigmenwechsel
6.4. Probleme und Konflikte in der Sicherheitssphäre
6.5. Anforderungen an eine höhere Effektivität
6.6. Entlastung
6.7. Sicherheit im Zeichen des Terrorismus
7. Inhalt
1. Einleitung
Die Idee des Leviathan geht zunehmend verloren. Der Staat, dem wir die Wahrung der Sicherheit übertragen haben, ist seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen. Unsere Gesellschaft ist von Angst und Unsicherheit geprägt. Dabei geht es nicht nur um die Ängste des Einzelnen, sondern vor allem um die Unsicherheit in der politischen und gesellschaftlichen Sphäre. Denn durch wachsendes Misstrauen in den Staat wird der Unterbau der Demokratie ausgehebelt und die Staatsfunktion Sicherheit verliert an Bedeutung, was wiederum zu unkontrollierten Auswirkungen führen kann.
Die vorliegende Arbeit soll sich im Rahmen des Seminars „Staatsaufgaben“ diesem Thema widmen. Dabei wird zunächst eine Begriffsklärung von Sicherheit vorgenommen, um zu versuchen, seine Dimension zu verdeutlichen. Im zweiten Teil wird auf den historischen und ideengeschichtlichen Hintergrund eingegangen, der die beiden Aspekte der Sicherheit durch Macht und Sicherheit durch Recht beleuchtet. In einem dritten Teil wird die verfassungsrechtliche Ausgestaltung in Deutschland vorgestellt, um die Normen für einen Sicherheitsgebrauch oder –anspruch herauszustellen. Im letzten Teil schließlich soll die Fragestellung des Sicherheitsbedürfnisses versus Sicherheitsgewährleistung aufgeworfen werden, wobei es vor allem um die wachsende Unsicherheit und um sicherheitstheoretische und politische Neuorientierung geht.
Die Arbeit versucht, der Staatsaufgabe Sicherheit einen Rahmen zu geben und ihre Möglichkeiten und Grenzen zu benennen.
2. Der Sicherheitsbegriff
Sicherheit ist ein Grundbedürfnis des Menschen und ein klassisches Kollektivgut. Der Begriff ist nicht nur normativ hoch aufgeladen, sondern nach Franz Xaver Kaufmann auch „Wortsymbol einer gesellschaftlichen Wertidee“ (so zitiert bei Glaeßner 2002: 3). Dabei ist Sicherheit ein soziales Konstrukt, wobei vor allem in den modernen Gesellschaften durch deren schnellen politischen und sozialen Wandel der Wunsch nach Sicherheit eine elementare Hoffnung darstellt. Die staatliche Ordnung ist in erster Linie für die Sicherheitsgewährleistung zuständig, wobei sich Sicherheit und Freiheit immer in einem Spannungsverhältnis befinden. Schon Sigmund Freud bemerkte in „Das Unbehagen der Kultur“ 1929: „Der Kulturmensch hat für ein Stück Glücksmöglichkeit ein Stück Sicherheit eingetauscht“. (ebd.). In der heutigen Gesellschaft besitzt der Begriff vier Bedeutungsebenen. Zum einen ist Sicherheit die Gewissheit, die Verlässligkeit, das Vermeiden von Risiken und die Abwesenheit von bzw. der Schutz vor Gefahren. Sicherheit ist aber auch Statussicherheit, die Gewährleistung des erreichten Lebensniveau und die Bewahrung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Sicherheit steht aber auch für das institutionelle Arrangement, welches geeignet ist, innere und äußere Bedrohungen einer sozialen und politischen Ordnung abzuwehren. Als viertes ist die Sicherheit im juristischen Sinne zu nennen, die die Unversehrtheit der Rechtsgüter beinhaltet, diese zu schützen und bei möglicher Verletzung wiederherzustellen. Dies ist Aufgabe der Rechtsordnung und des Staats. „Sicherheit nach Außen und im Inneren eines Gemeinwesens zu garantieren, ist Aufgabe staatlicher Instanzen“ (Glaeßner 2002: 4). In diesem Zusammenhang bedeutet Rechtssicherheit der Schutz vor willkürlicher Gewaltausübung und der Beachtung der anerkannten Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens und der individuellen Lebensführung. Doch „ ebenso alt wie die Sicherheit gewährleistende Funktion des Staates ist auch die Furcht vor seiner Macht. Sicherheit und Freiheit der Bürger befinden sich stets in einem Spannungsverhältnis“ (Glaeßner 2002: 3).
Bull fordert für eine wissenschaftliche Behandlung des Begriffs Sicherheit zusätzlich die Erklärung der Öffentlichen Sicherheit und der Inneren Sicherheit. Unter Verwendung des Allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts von Götz (1993: 41) ist Öffentliche Sicherheit die „Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und der Rechtsgüter des Einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und der sonstigen Träger der Hoheitsgewalt“. Das bedeutet, dass im Gegenzug zur Privaten Sicherheit die öffentliche alle Sicherheitsbelange eines Gemeinwesens umfasst und „die der Staat (vor allem durch die Polizei) im öffentlichen Interesse nach Maßgabe des objektiven Rechts zu gewährleisten hat“ (Erbel 2002: 15). Bei der inneren Sicherheit handelt es sich um die Abwehr politischer und sozialer Unruhen, wobei vorwiegend der innere Notstand gemeint ist und nicht der Schutz vor „normalen Gefahren“ (Bull 1994: 14) Dies ist, jedoch ohne Begriffsverwendungen, in den Art. 87 a Abs. 4 und dem Art. 91 Abs. 1 festgehalten, immer vor dem Hintergrund der Einbeziehung des Verfassungsschutzes.
3. Historischer und ideengeschichtlicher Hintergrund
3.1. Sicherheit durch Macht und durch Recht
Der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit ging einher mit einem schleichenden, jedoch unaufhaltsamen Wandel der Welt. Der Glaube an Gott und an die kirchlichen Institutionen hörte auf, die bestimmende, alles beherrschende Maxime menschlichen Handelns und Denkens zu sein.
“Immer seltener wurden göttliche Eingriffe in die Geschichte, Strafen wie Wunder, bemüht, um Katastrophen oder glückliche Wendungen verständlich zu machen. Der Gang der Geschichte mußte allein aus diesseitigen Faktoren erklärt werden: der menschlichen Natur, den wirtschaftlichen Entwicklungen, der geographischen Lage, dem Klima und, nicht zuletzt, aus Zufällen“ (Münkler 1987: 79).
Die Menschen begannen, ihre Umwelt mit anderen Augen zu sehen. Naturkatastrophen und individuelle Bedrohungen wurden nicht mehr allein als Werk Gottes angesehen, sondern man war bemüht, diesseitige Ursachen dafür zu suchen. Diese Entwicklung begann zunächst im Bereich der Philosophie, breitete sich dann vor allem auf die aufstrebenden Naturwissenschaften aus, erfasste später auch weitere Wissens- und Lebensbereiche und erreichte nicht zuletzt die Politik. Politische Herrschaft wurde von diesem Moment an auf eine rational-naturrechtliche Grundlage gestellt. Dem Staat und seinem Oberhaupt wurde aberkannt, ihre Legitimation aus Gottes Gnaden oder aus der Natur des Menschen, wie Aristoteles noch postulierte, zu beziehen. Sie wurden angehalten, sich durch innerweltliche Zwecke zu legitimieren, „unter denen der Sicherheitszweck stets an prominenter Stelle figurierte“ (Preuß 1996: 524).
Wie aber soll dieser erste Zweck des Staates verwirklicht werden? Nicht wenige Philosophen, Politiker und Staatswissenschaftler haben sich dieser Frage angenommen. Eine ganze Reihe Vorschläge wurden erbracht, von denen an dieser Stelle aus Platzgründen und wegen ihres wegweisenden Charakters lediglich zwei Erwähnung finden sollen: Thomas Hobbes und John Locke. Ihre Vorstellungen von Sicherheit und ihrer Erstellung sind bis in die heutigen Tage hinein Anlass verschiedener Kontroversen. Von einer ähnlichen Grundlage ausgehend, trennen sich ihre Wege spätestens bei der Ausgestaltung des sicherheitproduzierenden Staates. Preuß (ebd.) umschreibt die beiden Formen als „Sicherheit durch Macht und durch Recht“.
Im Folgenden soll das Staatsverständnis der beiden Philosophen und Staatstheoretiker aufgegriffen werden. Ziel ist es sein, Aussagen und Vorstellungen bezüglich staatlicher Sicherheit aufzugreifen und kurz zu skizzieren. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Umstände, welche einen erhöhten Sicherheitsbedarf hervorrufen, und der Definition und Herstellung von Sicherheit im Rahmen staatlichen Handelns.
3.2. Sicherheit durch Macht
3.2.1. Anthropologische Grundlagen und Naturzustand bei Thomas Hobbes
Der Staat konnte, wie bereits angesprochen, sich nicht mehr auf die Religion oder die Natur des Menschen berufen. Er war gezwungen, eine neue Basis für sich zu ergründen. Eine solche fand sich schnell in der inneren und äußeren Sicherheit.
Eine philosophische Rechtfertigung liefert hierzu Thomas Hobbes. Er malt den Naturzustand des Menschen in durchweg dunklen Farben. Seine Ausführungen über den Staat und seine Ziele und Zwecke fußen auf einem zutiefst pessimistischen Menschenbild. Im 13. Kapitel seines wohl bekanntesten Werkes Leviathan geht er zwar davon aus, dass alle Menschen von Natur aus gleich sind und die Freiheit besitzen, „nach welcher ein jeder zur Erhaltung seiner selbst seine Kräfte beliebig gebrauchen und folglich alles, was dazu etwas beizutragen scheint, tun kann“ (Hobbes 1998: 118), jedoch führt ein solches Recht der Selbsterhaltung und der Freiheit der Mittelwahl zwangsläufig zu Konflikten unter den Menschen:
„Sooft daher zwei ein und dasselben wünschen, dessen sie aber beide nicht zugleich teilhaftig werden können, so wird einer des andern Feind, und um das gesetzte Ziel, welches mit der Selbsterhaltung immer verbunden ist, zu erreichen, werden beide danach trachten, sich den anderen entweder unterwürfig zu machen oder ihn zu töten“ (Hobbes 1998: 113 f.).
So versucht ein jeder dem anderen zuvorzukommen, wenn es darum geht, sein Eigentum, seine Freiheit und sein Leben zu sichern. Solang ein Angreifer nichts weiter als den Widerstand des Einzelnen zu fürchten hat, wird er nicht von seinem Vorhaben abzubringen sein und versuchen, sich den Besitz anzueignen. Ob der Unterlegene bei diesem Unterfangen zu Schaden kommt oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Machtstreben und Ruhmsucht bilden eine für diese Taten ausreichende Rechtfertigungsgrundlage.
Diesem Spiel, in dem ein jeder das Recht auf alles besitzt, folgt, dass jedermann rechtlos ist. „In einem solchen Zustande haben selbst die Namen gerecht und ungerecht keinen Platz“ (Hobbes 1998: 117). Die einzige Möglichkeit, die den Menschen in diesem, von Hobbes (1998: 115) als „Krieg aller gegen alle“ bezeichneten Zustand bleibt, ist ihren „Machtspielraum zu halten, zu festigen und zu erweitern“ (Schwan 2000: 182, vgl. Hobbes 1998: 114 f.). Ein anderer Weg, ihr Hab und Gut und ihr Leben zu sichern, steht ihnen nicht offen. Das Recht auf Selbsterhaltung kommt einem beständigen Ausbau der eigenen Macht gleich. Sicherheit ist somit im Naturzustand nicht von vornherein gegeben.
Es wäre sicherlich nicht vermessen zu behaupten, dass ein derartiger Zustand nicht im Sinne der Menschen liegen kann. Wer will schon in Furcht leben und dem Tod tagtäglich ins Auge schauen! Auch ein angenehmes Leben im Sinne von dem Besitz äußerer Güter ist nicht möglich, da Angst und Unsicherheit keinen Platz für Eigentum, Industrie, Handel, Wissenschaft und Kunst lassen. Dies läuft der menschlichen Natur zuwider (vgl. Macpherson 1996: 139). Genau diese Todesfurcht und die Aussicht auf ein Leben ohne Besitz lassen die Menschen ihren Hang zur Freiheit und Herrschaft aufgeben, um nach mehr Ordnung und Sicherheit zu streben (vgl. Hobbes 1998: 118). Welches Mittel ist aber stark genug, diesen Naturzustand zu beenden und den Traum der Menschen nach einem friedlichen Miteinander in Abwesenheit von Todesfurcht Wirklichkeit werden zu lassen?
Es ist die Vernunft, die jenes Mittel entdeckt. Die elementaren Leidenschaften des Menschen seinen Mitmenschen gegenüber sind Machtstreben und Todesfurcht. Ersteres könnte dem Einzelnen nahe legen, sein Leben in zügelloser Freiheit zu führen. Die Furcht vor einem gewaltsamen Tode stürzt ihn jedoch in eine tiefe Krise. Den Ausweg aus diesem durch Leidenschaften bestimmten Lebens zeigt die Vernunft. Sie macht klar, dass es kein Überleben ohne das Zusammenleben unter dem Dach bestimmender Regelungen geben kann (vgl. Schwan 2000: 183).
3.2.2. Staatslegitimation durch Sicherheit
Die Setzung dieser Regeln sieht Hobbes als Aufgabe des Staates. Jedoch warnt er davor, dass Gesetze und Verträge allein noch keinen Frieden stiften können, da sie bloß Worte sein und Worte keine Sicherheit erstellen können. Somit hätten sie ihr Ziel verfehlt. Infolgedessen ist es unumgänglich, ihnen ein respekteinflößendes Instrument in die Hand zu geben. Ebenso wenig ist Sicherheit zu erreichen, indem sich nur wenige Menschen zusammenschließen, da eine zu geringe Anzahl einem Gegner nur Mut machen würde, anzugreifen. Schließlich ist es der beabsichtigten Sicherheit nicht zuträglich, wenn ein Bund nur für eine bestimmte Zeit geschlossen würde (vgl. Hobbes 1998: 151 ff.).
Sicherheit vor einem gewaltsamen Tod und der Schutz des Eigentums sind also der ersten und wichtigsten Gründe, welche die Menschen dazu bewegen, sich in einem Staat zu vereinigen und ihre von Geburt an gegeben Rechte unter die Gewalt des Staates zu stellen. Wie eine derartige, über allen Menschen stehende Staatsmacht entstehen soll, beschreibt Hobbes (1998: 155) so:
„Um aber eine allgemeine Macht zu gründen, unter deren Schutz gegen auswärtige und innere Feinde die Menschen bei dem ruhigen Genuß der Früchte ihres Fleißes und der Erde ihren Unterhalt finden können, ist der einzig mögliche Weg folgender: jeder muß alle seine Macht oder Kraft einem oder mehreren Menschen übertragen, wodurch der Willen aller gleichsam auf einen Punkt vereinigt wird, so daß dieser eine Mensch oder diese eine Gesellschaft eines jeden einzelnen Stellvertreter werde und ein jeder die Handlungen jener so betrachte, als habe er sie selbst getan, weil sie sich dem Willen und Urteil jener freiwillig unterworfen haben. Dies faßt aber noch etwas mehr in sich als Übereinstimmung und Eintracht; denn es ist eine wahre Vereinigung in einer Person und beruht auf dem Vertrage eines jeden mit einem jeden, wie wenn ein jeder zu einem jeden sagte: ‘Ich übergebe mein Recht, mich selbst zu beherrschen, diesem Menschen oder dieser Gesellschaft unter der Bedingung, daß du ebenfalls dein Recht über dich ihm oder ihr abtrittst’“.
Der Charakter dieses Vertrages gleicht dem des individuellen Naturzustandes. War der vorstaatliche Zustand ein Zustand des Krieges eines jeden mit einem jeden, so ist auch der Vertrag, der ihn beendet, ein Vertrag eines jeden mit einem jeden (vgl. Kersting 1996: 214). Hobbes nennt diesen so entstandenen Staat bzw. Gemeinwesen Leviathan. „Das Geburtsereignis des Leviathan ist der wechselseitig versprochene Souveränitätsverzicht der Individuen. Die Selbstentmündigung der Menschen erzeugt einen sterblichen Gott, der die größte Macht auf Erden besitzt und für die Menschen denkt und handelt“ (Kersting 1996: 218). Diese jedem überlegene Macht versetzt den Leviathan in die Lage, die Gewalt, die die Menschen sich untereinander antun, zu unterbinden. Kein Individuum soll es wagen, ihn in Frage zu stellen. Sich mit seiner Macht zu messen, käme einem Selbstmord gleich. Dem Leviathan unterwerfen sich alle Individuen und händigen ihm ihre Waffen aus. Von diesem Punkt an hat allein er das Recht auf Ausübung physischer Gewalt. Auf diese Weise ist er in der Lage, seiner einzigen Aufgabe gerecht zu werden: der „Herstellung einer Gesamtordnung der Sicherheit: der Zustand des effektiven Bürgerfriedens“ (Isensee 1983: 4).
Die Tatsache, dass Hobbes die Entstehungsstunde des Staates in einem Vertrag fest macht, könnte zu der Annahme verleiten, dass es ein Vertrag zwischen zwei gleichberechtigten Partner ist, und dass für beide Rechte und Pflichten aus diesem hervorgehen. Dem ist jedoch nicht so. Hobbes Vertragsgedanke beruht nicht auf wechselseitiger Verpflichtung und Verantwortlichkeit. Die Staatsgewalt wird vielmehr erst durch den Vertrag erschaffen und davon losgelöst auf sich selbst gestellt. Der Staat steht über all seinen Angehörigen, die somit zu Untertanen degradiert werden und absoluten Gehorsam leisten müssen. So hat zwar ein jeder mit einem jeden den Vertrag geschlossen, aus welchem den Souverän hervorgeht, jedoch ist dieser nicht Vertragspartner. Es ist ein Vertrag der Individuen untereinander, der zugunsten eines dem Vertrag nicht angehörigen Dritten geschlossen wird. Ein rechtliches Verhältnis zwischen dem Souverän und den Individuen ist für Hobbes undenkbar. Der Staat soll frei von allen rechtlichen Bindungen herrschen können (vgl. Schwan 2000: 184 f., Kersting 1996: 221 f.).
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- Citation du texte
- Alexandra Schwerin (Auteur), 2002, Staatsaufgabe Sicherheit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21021
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