Von allen Schutzgebieten geht vom Nationalpark die größte Faszination aus. Normalerweise erscheinen dem Laien bei der Erwähnung des Begriffs vor dem inneren Auge Bilder von riesigen Bäumen, weiten Steppen, in denen Löwen Jagd auf Antilopen machen oder auch Bären, die in den Zelten von Urlaubern nach Essbarem suchen. Was sind Nationalparks wirklich und hat sich ihre Konvention seit der ersten Gründung im Jahr 1872 verändert? Auf diese und weitere Fragen soll im Rahmen dieser Arbeit Bezug genommen werden. Zunächst wird geklärt, was „Schutzgebiet“ und „Nationalpark“ bedeuten und ob diese Begriffe so einfach definiert werden können. Im dritten Kapitel wird die Geschichte der nordamerikanischen Nationalparks behandelt, dem Kontinent also, auf dem die Nationalparkidee ihren Ursprung hat. In Kapitel vier wird versucht, darzustellen, ob und in welcher Form sich die ursprüngliche Nationalparkidee in Europa durchgesetzt und verändert hat und an entsprechende Umstände angepasst wurde. Das fünfte Kapitel zeigt, wie Nationalparks in Entwicklungsländern gehandhabt werden und mit welchen Problemen die Betreiber dort zu kämpfen haben. Welche Ziele heutzutage mit Nationalparken verfolgt werden und welchen Nutzen diese Ziele haben wird in Kapitel 6 behandelt, bevor im letzten Kapitel ein kurzes zusammenfassendes Schlusswort erfolgt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definitionen
2.1. Definition des Begriffs „Schutzgebiet“
2.2. Diskussion verschiedener „Nationalpark“-Definitionen
3. Geschichte und Entwicklung der Nationalparks in Nordamerika
3.1. US-amerikanische Nationalparks
3.1.1. 1830 – 1918
3.1.2. 1918 – heute
3.2. Kanadische Nationalparks
4. Verwirklichung der Nationalparkidee in Europa
4.1. Erste europäische Nationalparks in Schweden und der Schweiz
4.2. Nationalparks in Deutschland
4.3. Besonderheiten ausgewählter europäischer Nationalparkausgestaltungen
5. Nationalparks in Entwicklungsländern
6. Ziele und Nutzen von Nationalparks
7. Deutsches Fallbeispiel – Nationalpark Bayerischer Wald 17 8. Zusammenfassung
1. Einleitung
Von allen Schutzgebieten geht vom Nationalpark die größte Faszination aus. Normalerweise erscheinen dem Laien bei der Erwähnung des Begriffs vor dem inneren Auge Bilder von riesigen Bäumen, weiten Steppen, in denen Löwen Jagd auf Antilopen machen oder auch Bären, die in den Zelten von Urlaubern nach Essbarem suchen. Was sind Nationalparks wirklich und hat sich ihre Konvention seit der ersten Gründung im Jahr 1872 verändert? Auf diese und weitere Fragen soll im Rahmen dieser Arbeit Bezug genommen werden. Zunächst wird geklärt, was „Schutzgebiet“ und „Nationalpark“ bedeuten und ob diese Begriffe so einfach definiert werden können. Im dritten Kapitel wird die Geschichte der nordamerikanischen Nationalparks behandelt, dem Kontinent also, auf dem die Nationalparkidee ihren Ursprung hat. In Kapitel vier wird versucht, darzustellen, ob und in welcher Form sich die ursprüngliche Nationalparkidee in Europa durchgesetzt und verändert hat und an entsprechende Umstände angepasst wurde. Das fünfte Kapitel zeigt, wie Nationalparks in Entwicklungsländern gehandhabt werden und mit welchen Problemen die Betreiber dort zu kämpfen haben. Welche Ziele heutzutage mit Nationalparken verfolgt werden und welchen Nutzen diese Ziele haben wird in Kapitel 6 behandelt, bevor im letzten Kapitel ein kurzes zusammenfassendes Schlusswort erfolgt.
2. Definitionen
2.1. Definition des Begriffes „Schutzgebiet“
Im Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) werden „Schutzgebiete“ definiert als „ein geographisch festgelegtes Gebiet, das im Hinblick auf die Verwirklichung bestimmter Erhaltungsziele ausgewiesen ist oder geregelt und verwaltet wird“ (BMU 1992). Welche Erhaltungsziele gemeint sind, hat die Weltnaturschutzunion (IUCN) in Bezug auf ihre verschiedenen Schutzgebietskategorien genauer ausgeführt. In dieser Seminararbeit soll jedoch in den nachfolgenden Kapiteln lediglich die Kategorie II „Nationalpark“ betrachtet werden, da eine Betrachtung aller Schutzgebietskategorien den Rahmen sprengen würde. Für Deutschland erfolgt im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in der „Erklärung zum Schutzgebiet“ eine Differenzierung ebendieser Gebiete:
„(1) Die Länder bestimmen, dass Teile von Natur und Landschaft zum
1. Naturschutzgebiet, Nationalpark, Biosphärenreservat, Landschaftsschutzgebiet, Naturpark oder
2. Naturdenkmal oder geschützten Landschaftsbestandteil
erklärt werden können. [...]“ (BNatSchG §22).
2.2. Diskussion verschiedener „Nationalpark“-Definitionen
Da die Idee eines vor den Menschen geschützten Gebietes in den USA entstanden ist und dort auch zum ersten Mal umgesetzt wurde, hat sich der dort verwendete Begriff „Nationalpark“ international durchgesetzt für ein Schutzgebiet, dass reizvolle Natur bietet und sich dem vorrangigen Schutz der Natur verschrieben hat. Weltweit werden Gebiete ausgewiesen, die fortan das gemeinsame Label „Nationalpark“ tragen, in der Ausführung und Ausrichtung ihrer Schutztätigkeit aber erhebliche Unterschiede aufweisen. Zudem zu unterscheiden sind Definitionen, die rechtlich nicht bindend sind, wie die der hier erläuterten IUCN-Maßgaben, und für einzelne Länder gesetzlich festgelegte Vorgaben, wie sie zum Beispiel im BNatSchG stehen. Eine internationale Definition von „Nationalpark“ wurde erstmals 1969 vom IUCN in Neu-Delhi vorgestellt, welche sich im Nachhinein jedoch vor allem für die dicht besiedelten Räume Europas oder Südostasiens als ungeeignet erwies (vgl. Woltering 2012: 20ff.). In der aktuellen Erklärung der Management-Kategorien der IUCN werden Schutzgebiete der Kategorie II explizit als Nationalparks aufgeführt und beschrieben als „zur Sicherung großräumiger ökologischer Prozesse ausgewiesene, großflächige natürliche oder naturnahe Gebiete oder Landschaften samt ihrer typischen Arten- und Ökosystemausstattung, die auch eine Basis für umwelt- und kulturverträgliche geistig-seelische Erfahrungen und Forschungsmöglichkeiten bieten sowie Bildungs-, Erholungs- und Besucherangebote machen“ (Europarc 2010: 23). Zudem schreibt die IUCN für Nationalparke einen Prozessschutzanteil von 75% vor (vgl. Liebecke et al. 2008: 127). Die Richtlinien zur Klassifikation für Schutzgebiete der IUCN definieren „Nationalpark“ wie folgt:
„Natürliches Landgebiet oder marines Gebiet, das ausgewiesen wurde, um (a) die ökologische Unversehrtheit eines oder mehrerer Ökosysteme im Interesse der heutigen und kommender Generationen zu schützen, um (b) Nutzungen oder Inanspruchnahme, die den Zielen der Ausweisung abträglich sind, auszuschließen und um (c) eine Basis für geistig-seelische Erfahrungen sowie Forschungs-, Bildungs- und Erholungsangebote für Besucher zu schaffen. Sie alle müssen umwelt- und kulturverträglich sein“ (IUCN 1994: 19).
Die Definition der verschiedenen Schutzgebiete ergibt sich auch vor allem über die zugeordneten Managementziele. So haben Schutzgebiete der IUCN-Kategorie II das vorrangige Ziel „herausragende Naturerscheinungen und [die] mit ihnen verbundene biologische Vielfalt und Lebensräume“ (Europarc 2010: 23) zu schützen (vgl. Kap. 6). Weiter geht das deutsche BNatSchG:
„(1) Nationalparke sind rechtsverbindlich festgelegte einheitlich zu schützende Gebiete, die
1. großräumig und von besonderer Eigenart sind,
2. im überwiegenden Teil ihres Gebiets in einem von Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden oder geeignet sind, sich in einen Zustand zu entwickeln oder in einen Zustand entwickelt zu werden, der einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik gewährleistet.
(2) Nationalparke haben zum Ziel, im überwiegenden Teil ihres Gebietes den möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik zu gewährleisten. Soweit es der Schutzzweck erlaubt, sollen Nationalparke auch der wissenschaftlichen Umweltbeobachtung, der naturkundlichen Bildung und dem Naturerlebnis der Bevölkerung dienen.
(3) Die Länder stellen sicher, dass Nationalparke unter Berücksichtigung ihres besonderen Schutzzwecks sowie der durch die Großräumigkeit und Besiedlung gebotenen Ausnahmen geschützt werden.“ (BNatSchG §24)
Wie auch Woltering (2012: 24) betont, wird im BNatSchG deutlich, dass in Deutschland „das absolute Oberziel“ (vgl. auch Ruschkowski 2010: 4) der ungestörte Ablauf der Naturvorgänge ist, während die Erholung zum nachrangigen Ziel verkommt, ganz im Gegensatz zur oben erwähnten IUCN-Definition. Allein wenn der Schutzzweck es zulässt, ist es in Deutschland möglich, dass Nationalparks auch für Erholung und Forschung zugänglich gemacht werden, im Gegensatz zu Totalreservaten, in denen Tourismus strikt verhindert werden soll (vgl. Ruschkowski 2010: 3). Die kleine Auswahl der vorhandenen Nationalparkdefinitionen zeigt nach Auffassung des Verfassers, dass es auch heute noch unterschiedlich gewichtete Verständnisse von Nationalparks gibt, sie sich aber alle im Laufe der Zeit einander annähern und, je neuer sie sind, den Schutz der Ökosysteme immer stärker betonen.
3. Geschichte und Entwicklung der Nationalparks in Nordamerika
3.1. US-amerikanische Nationalparks
3.1.1. 1830 – 1918
Der Ursprung der nordamerikanischen Idee eines von staatlicher Seite eingerichteten Nationalparks ist vielschichtig. Schon in den 1830er Jahren schlug der Künstler und Naturkundler George Catlin die Einrichtung eines Nationalparks vor, durch den die Büffelherden und Indianerstämme der Great Plains geschützt werden könnten. Der Vorschlag Caitlins fand jedoch wenig Beachtung und wurde erst nach zwei Jahrzehnten wiederbelebt (vgl. Gray 2003: 176). In den 1850er Jahren gab es einen Wunsch und das Verlangen der amerikanischen Bevölkerung einerseits nach Natur- und Wildniserlebnissen, hauptsächlich hervorgerufen durch literarische Erzeugnisse, z.B. Henry David Thoreaus, und malerische Werke wie Landschaftsmalereien, z.B. Thomas Morans, und andererseits nach „Nationalsymbolen“ (Woltering 2012: 11), hervorgerufen durch das Fehlen eines geschichtlichen Bewusstseins der Amerikaner, deren Land Dilsaver (vgl. 1994: The Early Years) als „rude, uncultured backwater“ beschreibt, durch die Abwesenheit komplexer bewusstseinsschaffender Geschichte und Tradition, wie sie in Europa über Jahrhunderte entstehen konnte (vgl. dazu u.a. Dilsaver 1994: The Early Years, Woltering 2012: 11). Besonders wichtig für den Nationalparkaktivismus dieser Zeit zeichnete sich auch John Muir, ein schottischer Immigrant und Naturschützer, der sich stark für die Einrichtung von Schutzgebieten auf amerikanischem Staatsgebiet einsetzte (vgl. Gray 2003: 175f.).
Am 30. Juni 1864 kam es dann zu einem für die Ideengeschichte der Nationalparks besonders wichtigen Ereignis. Ungelenkter Tourismus und willkürliche Ausbeutung durch die Landbesitzer hatte dazu geführt, dass der Kongress sich darum bemüht hatte, die prachtvollen Naturlandschaften im Yosemite Tal allen Amerikanern zugänglich zu machen. An diesem Tag trat das von Präsident Abraham Lincoln unterzeichnete Gesetz, der Yosemite Act, über einen ‚state park’ in der Sierra Nevada in Kraft (vgl. Job 2010: 78). Damit wurde mit dem Yosemite Tal und Mariposa Big Tree Grove erstmals ein großflächiges nordamerikanisches Schutzgebiet ausgewiesen, das fortan als unverkäuflich galt und nur Zwecken der Erholung und Freizeit der Bevölkerung dienen sollte (vgl. Yosemite Act). Der größte Unterschied zu den späteren US-Nationalparks lag darin, durch wen der Park verwaltet wurde. Im Falle des state parks lag die Verantwortung beim Bundesstaat, in diesem Falle Kalifornien, wohingegen Nationalparks bis heute der Verwaltung des Nationalstaats der USA unterliegen.
Im Zusammenhang mit der Fortentwicklung der Nationalparkidee wird in der Fachliteratur immer wieder auf die Bedeutung der Washburn-Langford-Doane Expedition von 1870 in das Gebiet des Yellowstone Rivers hingewiesen, welche das öffentliche Interesse auf die Errichtung eines Nationalparks richtete (vgl. u.a. Gray 2003: 176, Sellars 1997: 8). Nachdem die Expedition zurückgekehrt war, hielt Nathaniel Langford, einer der Teilnehmer, Vorträge über die Erfahrungen und Entdeckungen der Expedition. Die Aufmerksamkeit des damaligen Direktors des US Geological Survey, Ferdinand V. Hayden, wurde bei einem der Vorträge auf das Gebiet rund um den Yellowstone River, in dem eine Fülle von Geysiren und weiteren Naturschauspielen beobachtet worden war, gerichtet, weshalb sich Hayden daran machte, beim Kongress Gelder für eine genaue Erkundung des Gebiets im Jahr 1871 zu beantragen, was auch erfolgreich war. Nach der Rückkehr einer Erkundungsexpedition wurde Hayden der Vorschlag unterbreitet, man solle das entdeckte Gebiet für immer als öffentlichen Park schützen. Dass die Teilnehmer dieser Expedition sich einsetzten für ein staatlich geschütztes Gebiet, in dem sich Flora und Fauna entfalten kann, lag selbstverständlich an dem Eindruck, den die einzigartige Natur auf die Männer gemacht hatte, jedoch sind schon damals beim ersten Besuch in dem Gebiet auch kaufmännische Motive nicht von der Hand zu weisen (vgl. Sellars 1997: 8f.). Vor 140 Jahren wurde dann in den knapp hundert Jahre alten USA der Grundstein gelegt für die heute mehr als 3800 Nationalparks. Durch das Unterzeichnen des Yellowstone National Park Act (YNPA) am 1. März 1872 durch Präsident Ulysses S. Grant wurde der weltweit erste Nationalpark, der damals 8991 km2 große (vgl. Graner 1996: 10) Yellowstone National Park, ins Leben gerufen: „[...] the tract of land in the Territories [...] near the headwaters of the Yellowstone River [...] is hereby reserved and withdrawn from settlement, occupancy, or sale under the laws of the United States, and dedicated and set apart as a public park or pleasuring-ground for the benefit and enjoyment of the people [...]“ (Yellowstone Act). Andere Quellen wischen die Behauptung, das Konzept der Nationalparks sei am Rande eines Lagerfeuers in Wyoming entstanden, mit einem Satz beiseite (vgl. Dilsaver 1994: The Early Years).
Die Verwaltung und Kontrolle des Yellowstone Nationalparks wurde im Gesetzestext dem Innenministerium der USA übertragen, dessen Aufgabe es auch war, nun Regeln und Richtlinien für ein angemessenes und sinnvolles Management der Gebiete zu erstellen. Genauer ausgedrückt, sollte die Natur bewahrt werden, indem die Holzbestände, natürlichen Mineralvorkommen und sogenannten Naturkuriosiäten und –wunder vor der Ausbeutung bewahrt und in ihrem natürlichen Zustand belassen werden sollten. Ebenso wurde explizit untersagt, mutwillig die Tierwelt durch Jagd oder Fischen zu stören (vgl. Yellowstone Act). Dass die letztgenannten Punkte nach Ansicht des Verfassers sehr großzügig von den Verantwortlichen ausgelegt, bzw. missachtet wurden, zeigt sich vor allem darin, dass, ungeachtet des Ideals der von Menschenhand unberührten Natur, Eingriffe in Flora und Fauna in den nordamerikanischen Nationalparks der Anfangszeit selbst nach Ausweisung der Gebiete durchaus an der Tagesordnung waren. So wurden Fischbestände manipuliert, um Besuchern das Sportfischen zu ermöglichen, oder große Säugetierbestände reguliert, indem sie vor natürlichen Prädatoren geschützt wurden. In besonders kalten Wintern kam es zudem zur Fütterung der sonst wohl verhungernden Tiere (vgl. Sellars 1997: 23ff.). Diese Eingriffe, die der Erhaltung der touristisch gut zu verwertenden Flora und Fauna dienen sollten, bildeten lange Zeit das Rückgrat des Ressourcenmanagements der Nationalparks und Sellars (1997: 27) schreibt dazu: „[...] it is clear that the early parks were not intended to be giant nature preserves with little or no development for tourism“. Die zentrale Aufgabe von Nationalparks lag in den USA der 1870er Jahre also nicht auf dem unbedingten Schutz der Natur, sondern war vor allem wie im Yellowstone Act festgeschrieben das Ermöglichen einer besonderen Freizeiterfahrung für die wachsende Bevölkerung.
[...]
- Citation du texte
- Hendrik Geisler (Auteur), 2012, Geschichte und Entwicklung von Schutzgebieten in Nationalparks, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209088
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