1963 erscheint der erste Band der edition suhrkamp beim Suhrkamp Verlag. Gegründet von Siegfried Unseld hat diese erste Taschenbuchreihe des Verlags die literarische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich geprägt. Ihr Programm, das intellektuell anspruchsvoll und dabei auf Politik fundiert ist, soll sich speziell an junge Leser wenden. Schon während erster Planungsphasen hat die Taschenbuchreihe Anlass zu Kritik und Skepsis aus dem Verlag selbst gegeben: Nach Einschätzung vieler Verlagsautoren und –lektoren passte eine Taschenbuchreihe nicht in das Konzept des Suhrkamp Verlages, der sich an das gebildete, Publikum wendete. Auffallend schon allein wegen der legendären Umschlaggestaltung durch Willy Fleckhaus ist die edition suhrkamp auch heute noch ein Begriff. Wie die edition suhrkamp als erste Taschenbuchreihe im Suhrkamp Verlag geplant und entwickelt wurde, inwiefern sie als umstritten galt und welche Wirkungen sie auf die Gesellschaft hervorrief stellt die vorliegende Arbeit dar.
Bevor aber Planungs-, Umsetzungs-, Evaluations- und Wirkungsphasen der edition suhrkamp erläutert werden, ist eine Analyse des Taschenbuchs ab den 1930er Jahren sinnvoll. Welche Wechselwirkungen der Taschenbuchreihe edition suhrkamp können mit intellektuellen Strömungen in der Bundesrepublik der 1960er und 1970er Jahre in Verbindung gebracht werden?
Inhalt
1. Einführung
2. Beginn des modernen Taschenbuchmarkts in Deutschland
3. Die edition suhrkamp
3.1. Grundidee
3.2. Planungsphase
3.3. Umschlaggestaltung
3.4. Inhaltliche Gestaltung
3.5. Reaktionen auf die e dition suhrkamp
3.5.1. Reaktionen aus Buchhandel und Presse
3.5.2. Reaktionen aus der Öffentlichkeit
3.6. Auflagen
3.7. edition suhrkamp Neue Folge und Subreihen
4. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einführung
1963 erscheint der erste Band der edition suhrkamp beim Suhrkamp Verlag. Gegründet von Siegfried Unseld hat diese erste Taschenbuchreihe des Verlags die literarische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich geprägt. Ihr Programm, das intellektuell anspruchsvoll und dabei auf Politik fundiert ist, soll sich speziell an junge Leser wenden. Schon während erster Planungsphasen hat die Taschenbuchreihe Anlass zu Kritik und Skepsis aus dem Verlag selbst gegeben: Nach Einschätzung vieler Verlagsautoren und –lektoren passte eine Taschenbuchreihe nicht in das Konzept des Suhrkamp Verlages, der sich an das gebildete, Publikum wendete. Auffallend schon allein wegen der legendären Umschlaggestaltung durch Willy Fleckhaus ist die edition suhrkamp auch heute noch ein Begriff. Wie die edition suhrkamp als erste Taschenbuchreihe im Suhrkamp Verlag geplant und entwickelt wurde, inwiefern sie als umstritten galt und welche Wirkungen sie auf die Gesellschaft hervorrief stellt die vorliegende Arbeit dar.
Bevor aber Planungs-, Umsetzungs-, Evaluations- und Wirkungsphasen der edition suhrkamp erläutert werden, ist eine Analyse des Taschenbuchs ab den 1930er Jahren sinnvoll.
2. Beginn des modernen Taschenbuchmarkts in Deutschland
Wie Füssel (1996, S. 339) erläutert, ist der Buchmarkt in den 1920er Jahren durch die Entwicklung der neuen Medien Hörfunk und Film stark bedroht. Das Buch muss, um konkurrenzfähig zu sein, Bildung und Unterhaltung für einen Großteil der Bevölkerung werden. In diesem Zuge ist es das preiswerte, das broschierte Buch, das anfängt sich zu etablieren und damit den Grundstein für den Triumph des Taschenbuchs in den fünfziger Jahren legt. Weiter sind finanzielle Nöte und Papierknappheit nach dem Zweiten Weltkrieg Grund für die Anfänge der Taschenbuchproduktion (Ising, 2006-2008).
Als Erster beginnt der Rowohlt-Verlag mit der Produktion von preisgünstigen Taschenbüchern: 1950 wird dort der erste Titel „Kleiner Mann – was nun?“ von Hans Fallada herausgebracht und ebnet damit den Weg in ein neues Buchzeitalter, das Zeitalter des Taschenbuchs (Rowohlt Verlag GmbH). Die Fischer Bücherei publiziert ihre ersten Taschenbücher 1952, 1955 folgen die ersten Bände der Ullstein-Taschenbücher (Fellinger & Schopf, 2003, S. 13). Weitere Verlage folgen und können durch Taschenbuchreihen Titel, die zuvor im Hardcover erschienen waren, preisgünstiger anbieten. Da Verlage die keine Taschenbuchreihe haben, zunehmend den finanziellen Vorteil der günstigen Versionen erkennen, schließen sich 1960 elf Verlage (Artemis, Beck/Biederstein, Deutsche Verlags-Anstalt, Hanser, Hegner, Insel, Kiepenheuer & Witsch, Kösel, Nymphenburger Verlagshandlung, Piper und Walter) zum „Deutschen Taschenbuch Verlag“ (dtv) zusammen, dessen erste Bände 1961 erscheinen (Deutscher Taschenbuch Verlag, 1995-2010). Titel wie „Irisches Tagebuch“ von Heinrich Böll, „Ich zähme die Wölfin“ von Marguerite Yourcenar, „Die Wurzeln des Himmels“ von Romain Gary oder auch „Palmström Palma Kunkel“ von Christian Morgenstern werden verlegt. Auch Siegfried Unseld, Verleger und Leiter des Suhrkamp Verlages, wird um Mitarbeit beim dtv gebeten, lehnt eine Beteiligung aber ab (Fellinger & Schopf, 2003, S. 14).
3. Die edition suhrkamp
Siegfried Unselds Plan ist es, eine eigene, von Lizenzen Anderer unabhängige Taschenbuchreihe zu entwerfen (Fellinger & Schopf, 2003, S. 14); seine Reihe soll sich dadurch von den dtv-Taschenbüchern abgrenzen, dass sie primär Neuübersetzungen klassischer Werke beinhaltet. Doch über Gespräche mit Verlagsfreunden wird ihm klar, dass eine Reihe mit historischem Hintergrund nicht in die Philosophie des Suhrkamp Verlages passt, der sich der Zeitgenossenschaft verpflichtet sieht (ebd., S. 16).
3.1. Grundidee
Peter Suhrkamp, der 1959 verstorbene Gründer des Suhrkamp Verlages, hatte dem Taschenbuch ablehnend gegenüber gestanden, so wie Siegfried Unseld zu Beginn ebenfalls (Unseld, 1984, S. 9). Mit einer Taschenbuchreihe, deren Texte „in einer Ausstattung, die einfach, kennzeichnend, einleuchtend und attraktiv“ sein soll will Siegfried Unseld sich zeitgenössischen Publikationsformen anpassen (ebd., S.9). Dabei soll eine Reihe von Taschenbüchern entstehen, die doch keine Taschenbücher im Sinne von bisherigen Taschenbüchern ist (Unseld, 1976, S. 41); die Reihe soll den Taschenbuchmarkt folglich revolutionieren, das Taschenbuch in ein besseres Licht als das eines „billigen Buches“ gerückt werden. Unselds erste Idee ist es, neue Übersetzungen von Klassikern wie Aristophanes und Menander herauszubringen (Fellinger & Schopf, 2003, S. 16). Doch eine historische Reihe passt, wie erwähnt, nicht in das Verlagsprogramm des Suhrkamp Verlages der 1960er Jahre. Deshalb plant Unseld die edition suhrkamp, wie die Reihe heißen soll, für eine jüngere Leserschaft.
3.2. Planungsphase
Über Inhalt, Gestaltung und Erscheinungsweise der edition suhrkamp soll ein Gremium bei einer Sitzung im Juni 1962 in Wasserburg entscheiden. Dieses besteht aus den Autoren Hans Magnus Enzensberger, dessen erstes Werk „Verteidigung der Wölfe “ 1957 bei Suhrkamp erschienen war, Martin Walser, der sein erstes Buch „Ein Flugzeug über dem Haus und andere Geschichten“ bereits 1955 bei Suhrkamp hatte verlegen lassen und Uwe Johnson („Mutmassungen über Jakob“, 1959). Außerdem arbeiten die Lektoren Walter Boehlich und Karl Markus Michel mit. Von den Mitarbeitenden ist allerdings nur Martin Walser mit den Vorschlägen Unselds, 48 Bände pro Jahr zu verlegen, einverstanden. Autoren und Lektoren können sich nicht einigen, wie viele Bände jährlich erscheinen sollen, wie Gestaltung und Gehalt geplant werden. Unselds Mitarbeiter fürchten den intellektuellen sowie wirtschaftlichen Niedergang des renommierten Verlages durch eine Taschenbuchreihe. Max Frisch als weiterer Autor des Suhrkamp Verlags sieht in der geplanten Taschenbuchreihe „eine verspätete und daher verschämte und aus der Verschämtheit heraus wiederum betont eigenwillige Kapitulation vor dem Taschenbuch […]“. Er erklärt Siegfried Unseld, er habe keine Bedenken um seine Autorenschaft, seine Bedenken gälten der Zukunft des Verlages, wenngleich er einräumt, dass „[d]ie Idee, der studierenden Masse nicht länger die Substanz des Suhrkamp Verlages vorzuenthalten, […] nobel“ sei. Und weiter: „Ich zweifle nicht an ihrem [ edition suhrkamp ] Erfolg, ich fürchte eher einen Erfolg“, womit er darauf deutlich zu machen versucht, der Name „Suhrkamp“ werde durch eine Taschenbuchreihe an Wert verlieren. Doch trotz Einwänden, Ängsten und Skepsis der Autoren und Lektoren beschließt Siegfried Unseld, die Reihe ab Mai 1963 mit jeweils 48 Bänden jährlich zu publizieren und trifft sich eine Woche nach der Konferenz in Wasserburg mit dem Grafiker Willy Fleckhaus, der die Umschlaggestaltung der geplanten Taschenbuchreihe durchführen soll.
3.3. Umschlaggestaltung
Siegfried Unseld trifft sich im Frühjahr 1962 mit Willy Fleckhaus, mit dem er seit 1959 bekannt ist. Die erste gestalterische Bucharbeit von Fleckhaus ist die Umschlagneugestaltung der Bibliothek Suhrkamp gewesen. Der zweite Auftrag stellt die Gestaltung der edition suhrkamp dar (Fellinger & Schopf, 2003, S. 23). Schon Unseld beschreibt in „Marienbader Korb. Über die Buchgestaltung im Suhrkamp Verlag“ seine ersten Vorstellungen davon, wie die Reihe das Publikum ansprechen soll: Die Reihe ist für jene deutschsprachige Autoren geplant, die auf eine „neue junge Leserschaft zielten und die für ein neues Demokratiebewusstsein werben wollten“ (Unseld, 1976, S. 41). Unseld zufolge muss es dabei „um die Elemente gehen, um die Eigenschaften des Marienbader Korbes: vernünftig, zweckmäßig, einfach“. Die erste Idee ist, einzelnen literarischen Gattungen eigene Farben zuzuteilen. Die jeweilige Gattungsfarbe soll dabei aber nicht identisch, sondern spektral gefächert sein. So ist die erste Planung Dramen in Rubinrot bis hin zu Orange einzufärben; Epik soll Blau bis Dunkelviolett gestaltet werden. Der Künstler Fleckhaus sieht sich bei dem Farbspiel, das Unseld plant mit dem Problem konfrontiert, dass der so entstehende Farbenkreis nie nach außen wirken kann: Texte gleicher Gattungen sollen in verschieden großen Zeitabständen erscheinen, damit würde niemand die gesamte Edition mit dem Farbfächer besitzen, der Effekt der Spektralreihe auf das menschliche Auge nie vollständig entfaltet werden können. Also mischt Fleckhaus die Farben, es entsteht eine Reihenfolge, ein Lichtband, dem Sonnenspektrum gleich. Dabei sind die Farben so angeordnet, dass sie bei Blauviolett beginnen, über Violett, Rot, Orange, Gelblichrot, Gelb, Grüngelb, Grün und Blau schließlich wieder bei Blauviolett enden. Der Beginn der Farbenreihe ist der jeweils erste der 48 jährlich erscheinenden Bände, mit Band 48 schließt sich der Kreis: „Ich sehe ein endloses Band, das sich wieder schließt, selbstverständlich wie die Natur, präzise und schön“, sagt Willy Fleckhaus (ebd., S. 42). Auch die typografische Komposition der edition suhrkamp wird einem bestimmten Muster folgen: die Vorderseite des Covers bleibt auf der oberen Hälfte leer. Die untere Hälfte ist – je nach Länge des Titels – meist von acht Linien durchzogen. Zwischen Autor, Titel, Verlagszeile und Verlagssignet, die alle mit der Schrift Garamond 2 Cicero linksbündig gedruckt werden, ist erneut leerer Raum.
Auch hier wird Unselds Plan von Verlagsseite her kritisiert: Walter Boehlich fordert, die „Ostereifarben“ zu unterbinden, Suhrkamps Farbe sei Grau und eine intellektuelle Reihe solle generell einen grauen Umschlag haben. Als Reaktion fasst Unseld kurzfristig den Entschluss, einen Schutzumschlag in den geplanten Spektralfarben herstellen zu lassen, während der Bucheinband Grau bleibt. Dieses Verfahren wird allerdings nur bis Band 354 angewandt, ab Band 355 werden die Bücher selbst in der Farbenreihe gedruckt, ohne den Umschlag. Es hat sich abgezeichnet, dass die Farben der Reihe auf positive Reaktionen stoßen: Schon vor Erscheinen von Band 48 gibt es zahlreiche Rezensionen aus der Presse, die sowohl das Konzept der edition suhrkamp als auch die Covergestaltung loben:
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- Citation du texte
- Antonia Beggert (Auteur), 2010, Entstehung und Entwicklung der "edition suhrkamp", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208838
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