Volunteer Tourismus ist ein Nischenprodukt, welches
sich erst langsam auf dem deutschen Reisemarkt
etabliert. Es lässt sich als eine Art Alternativer Tourismus
beschreiben mit besonderer Betonung auf
Nachhaltigkeit, Verantwortung und Bildung. Teilnehmer
versuchen neue Aspekte eines Landes kennen
zu lernen, während sie gleichzeitig benachteiligten
Bevölkerungsgruppen oder Umweltprojekte aktiv unterstützen.
Die Reisen können von Reiseveranstaltern,
Entsendeorganisationen oder lokalen NGOs
organisiert werden.
Insgesamt bieten erst 11 Reiseveranstalter Volunteer
Reisen auf dem deutschen Markt an und sind vor allem
in den Bereichen Bildungs- und Studienreisen
sowie nachhaltige Individual- und Abenteuerreisen zu
finden. Großbritannien kann als Vorbild im Hinblick
auf Volunteer Tourismus betrachtet werden. Volunteering
ist dort tief in der Gesellschaft verankert, gehört
zum täglichen Leben und wird von der Öffentlichkeit
anders wahrgenommen als in Deutschland. Die langjährige
Entwicklung brachte unterschiedliche Trends
mit sich, wie z.B. das Gap Year, career und retirement
gapper, aber auch Cooperate Volunteering und
Fundraising Aktionen etablieren sich als feste Nische
auf dem britischen Reisemarkt. Diese Entwicklungen
ließen sich teilweise auch in Deutschland realisieren.
Volunteer Tourismus wird als ein Trend mit zukünftigem
Potential gesehen. Dennoch sollte trotz des
Wachstums auf einen gewissen Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandard
geachtet werden.
Oberstes Ziel der Arbeit ist es, den Stellenwert des
Nischenproduktes Volunteer Tourismus auf dem deutschen
Reisemarkt mit Hilfe einer Marktanalyse zu
ermitteln. Mit Großbritannien als Benchmark sollen
mögliche Handlungsstrategien für die zukünftige Weiterentwicklung
der Nische gefunden werden.
I Einführung in das Thema
1 Einleitung
„Jemandem zu helfen, bedeutet nicht sich selbst zu vernachlässigen“
(Sprichwort der Mamprusi, Afrika)
Immer mehr Reisende schließen sich diesem afrikanischen Sprichwort an und verbinden ihre Reise mit aktiver Mitarbeit. Volunteer Tourismus wird die neue Tourismusform genannt, welche sich von dem englischen Wort ‚Volunteering’ für ‚freiwillig’ herleiten lässt. In den letzten Jahren verzeichnen Reiseveranstalter, die ihre Reisen mit der Mitarbeit in Sozial- oder Umweltprojekten koppeln, deutliche Zuwächse. Die etablierten Veranstalter erweitern die spezifischen Angebote; neue, teilweise ausländische Anbieter drängen auf den deutschen Markt, um von dem steigenden Interesse an Volunteering zu profitieren. Besonders in Großbritannien boomt die Reiseform bereits seit mehreren Jahren und soll aus diesem Grund in der vorliegenden Arbeit eine gewisse Vorbildfunktion für den deutschen Reisemarkt einnehmen.
„Bis in die neunziger Jahre war das freiwillige Arbeiten im Urlaub etwas für meist junge Freaks mit einer Neigung zum politisch motivierten Gutmenschentum. Sie reisten in so genannte Workcamps, wo sie schufteten, Erbsensuppe löffelten und abends nach Absingen eines Standardrepertoires kämpferischer Lieder todmüde auf ihre Schlafpritschen fielen“ (KRAMER 2006, S. 1f). Diese Form des Volunteerings verschwand mit der Entwicklung zur Spaßgesellschaft, wo Hilfsbereitschaft und Freiwilligenarbeit kaum mehr Platz fand. Gegenwärtig ist jedoch ein gesellschaftlicher Wandel von der Spaß- zur Sinngesellschaft zu beobachten. Dazu passt Reisen und Helfen, allerdings in abgewandelter Form: „Gefragt sind pragmatische, unideologische Angebote, verbunden mit der Möglichkeit, sich zu erholen, orientiert am unverkrampften Volunteering, wie es in der britischen Gesellschaft Tradition hat“ (KRAMER 2006, S. 2).
Der im oberen Abschnitt zitierte Zeitschriftenaufsatz war der Auslöser für die Thesisformulierung dieser Arbeit. Es entwickelt sich eine neue, sehr interessante Nischenform auf dem deutschen Tourismusmarkt, die es gilt stärker zu untersuchen als es bisher in der Tourismuswissenschaft geschah. Doch in welcher Form entwickelt sich das neue touristische Produkt? Wer bietet es an und wie unterscheidet sich die Entwicklung zum britischen Markt, wo Volunteering bereits als eine Art gesellschaftliche Tradition verankert ist?
1.1 Problemdarstellung und Zielsetzung
Die vorliegende Arbeit versucht an diesem Punkt anzuknüpfen, in dem vorrangig der Stellenwert der neuen Tourismusform auf dem deutschen Reisemarkt untersucht werden soll. Durch den Vergleich mit dem britischen Tourismusmarkt sollen zudem mögliche Handlungsstrategien für eine zukünftige Weiterentwicklung des Nischensegmentes auf dem deutschen Markt gefunden werden. Der zu beobachtende gesellschaftliche Wandel von der Spaß- zur Sinngesellschaft wirkt sich auch auf den internationalen Tourismus aus. Das heißt es beginnt eine Abkehr des Massentourismus hin zum Alternativtourismus, welche die optimale Ausgangslage für die Einführung der neuen Nischenform bietet. Bereits heute stellt der Volunteer Tourismus ein boomendes Segment im Jugendreisebereich dar. Somit ist es wichtig die Bedeutung, Potenziale und Risiken des Volunteer Tourismus für Deutschland frühzeitig zu erkennen, da die jungen Reisenden von heute die Reisetrends von morgen bestimmen werden (vgl. SCHIEKEL 2009, o. S.).
Um die beiden Hauptziele erreichen zu können, werden in den einzelnen Themenkomplexen der Arbeit folgende Forschungsaufgaben verfolgt:
II Theoretischer Bezugsrahmen
- Was verbirgt sich hinter dem Begriff Volunteer Tourismus?
- Wie entwickelte sich Volunteering in Deutschland und in Großbritannien?
III Empirische Analyse
- Inwiefern konnte sich der Volunteer Tourismus bisher auf dem deutschen Reisemarkt etablieren?
- Wie sieht der Aufbau solcher Reisen aus?
- Inwieweit lassen sich die Entwicklungen Großbritanniens nutzbringend auf Deutschland übertragen?
- Wo liegen die Stärken/Chancen bzw. die Schwächen/Risiken von Volunteer Tourismus in Deutschland?
IIII Abschlussbetrachtung
- Wie lässt sich die zukünftige Entwicklung dieser Tourismusform beschreiben?
Mit Hilfe einer empirischen Marktanalyse und ausgewählten Expertengesprächen sollen die voran gestellten Fragen geklärt werden. Es wird damit einer touristisch ausgerichteten, marktorientierten Aufgabenstellung nachgegangen. Thematisiert wird ein neues Tourismussegment, welches sich versucht, im Zuge des allgemeinen Veränderungsprozesses in der Tourismuswirtschaft, auf dem Markt zu etablieren.
1.2 Forschungslage und Forschungsdefizite
Volunteer Tourismus, dessen nähere Definition in Kapitel 3 erfolgt, findet erst seit wenigen Jahren eine wachsende Bedeutung auf dem Tourismusmarkt. Gegenwärtig kann beobachtet werden, dass sich „kommerziell orientierte Tourismusunternehmen verstärkt um die Integration von ‚volunteer experience’ in ihre Angebotspalette bemühen“ (MÜLLER/REEH 2010, S. 19) und sich das Nischensegment zu einem schleichenden Trend in der Tourismuswirtschaft entwickelt. Allerdings ist das freiwillige und bürgerschaftliche Engagement – im angelsächsischen Sprachraum ‚Volunteering genannt’ – kein neues Phänomen, sondern weltweit ein historisch gewachsenes Segment. Täglich sind Menschen als Volunteers unterwegs, welche ihr Engagement als persönlichen Beitrag zur sozialen, kulturellen, umweltbezogenen und wirtschaftlichen Entwicklung in einer sich verändernden Welt betrachten (vgl. PAULWITZ 1996, S. 12).
Das Interesse an Volunteer Tourismus kommt aus unterschiedlichen Disziplinen, wird aber meist von Sozial-, Bildungs- und Wirtschaftswissenschaften dominiert. Der deutschen Tourismuswissenschaft liegen bis heute nur wenige Studien zum Thema vor, wo hingegen im angelsächsischen Raum in den letzten Jahren vermehrt Studien mit dem Schwerpunkt Volunteer Tourismus durchgeführt wurden. Die Pionierarbeit leistete vor allem Stephan WEARING, Professor der University of Technology in Sydney, Australien. Er veröffentlichte im Jahr 2001 das Buch mit dem Titel „Volunteer Tourism: Experiences that make a difference“, welches sich ausschließlich mit der Thematik des Volunteer Tourismus befasst. Die Veröffentlichung des Buches rückte das Nischensegment verstärkt in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Diskussionen. In den Folgejahren erschienen vereinzelt Studien und Zeitschriftenartikel, die sich mit unterschiedlichen Aspekten des Volunteer Tourismuses beschäftigen. Eine Studie mit dem Titel „Volunteer Tourism: a global analysis“ wurde 2008 von TRAM – Tourism Research and Marketing veröffentlicht und gibt einen ersten, globalen Überblick über die Entwicklung des Volunteer Tourismuses sowie eine Analyse der Beweggründe von Volunteers und Aktivitäten der Organisationen, die solche Reisen anbieten. Zwei nennenswerte Zeitschriftenartikel wären „Volunteer Tourism – Involve me and I will learn?“ von Harngh LUH SIN (2009) in der Fachzeitschrift Annals of Tourism Research (Vol. 36, Nr. 3) sowie ganz aktuell (2010) „Volunteer Tourismus in Namibia“ von Dorothea MÜLLER und Tobias REEH im Themenheft: Innovationen im Tourismus – Nischenprodukte und Nischenkompetenz der Zeitschrift für Tourismuswissenschaft.
Einen soliden Forschungstand hinsichtlich Volunteer Tourismus weisen die Länder Australien, Neuseeland, die USA und Großbritannien auf. Im deutschsprachigen Raum zeigt sich jedoch ein Defizit. Lediglich Begriffe und Publikationen zu den Themen „Projekttourismus“ oder „Tourismus in Entwicklungsländern“ tauchen auf, wo sich die Form des Volunteer Tourismus zuordnen ließe.
Auffällig ist, dass die Reiseliteratur bereits auf die steigende Nachfrage von Volunteer Reisen reagierte und veröffentlichte im Jahr 2007 ein bedeutendes Werk. Die populäre Reihe Lonely Planet Publications veröffentlichte eine Ausgabe mit dem Titel „Volunteer: A Traveller’s Guide to Making a Difference Around the World“ (vgl. MÜLLER/REEH 2010, S. 20). Dieser Reiseführer beinhaltet alle wichtigen Informationen und Anlaufstellen für Menschen, die während ihrer Reise zu Volunteers werden wollen.
Abschließend lässt sich feststellen, dass Volunteer Tourismus in der Literatur bisher als eine weitgehend positive Tourismusform dargestellt wird. Kritische Beiträge und Diskussionen sind kaum zu finden. Dennoch ist das enorme Forschungsdefizit in der deutschen Tourismuswissenschaft zu bemängeln. Aufgrund der durchaus positiven Entwicklung von Volunteer Tourismus auf dem touristischen Markt sollte dieses Defizit in Zukunft aufgehoben werden. Die vorliegende Arbeit versucht ihren Teil dazu bei zu tragen und sich auch kritisch mit der Tourismusform auseinander zu setzen.
1.3 Aufbau der Arbeit und Forschungsdesign
Diese Arbeit setzt sich aus 4 verschiedenen Teilen sowie 11 Kapiteln zusammen.
Der erste Teil beschäftigt sich mit der Einführung in das Thema. Es wird der Untersuchungsgegenstand der Arbeit, die Forschungsaufgaben sowie die methodische Vorgehensweise näher erläutert.
Im zweiten Teil wird der theoretische Bezugsrahmen hergestellt, um eine grundlegende Basis für die Thematik dieser Arbeit zu schaffen. Die Tourismusform wird zunächst definiert bzw. die auftauchenden Begriffe terminologisch abgegrenzt. Bevor die historische Entwicklung des Volunteerings in Deutschland und Großbritannien näher erläutert wird. Der geschichtliche Aufriss ist notwendig, um die Strukturen und Wertvorstellungen beider Gesellschaften nachvollziehen zu können und Gründe für die unterschiedliche Entwicklung von Volunteer Tourismus zu benennen. Ebenso Teil des theoretischen Bezugsrahmens sind die wichtigsten Aspekte des deutschen Reisemarktes sowie die nähere Erläuterung des Benchmarkings.
Der dritte Teil besteht aus der empirischen Analyse, wobei es sich um die nähere Betrachtung und Analyse des deutschen Reisemarktes in Bezug auf Volunteer Tourismus handelt. Die Angebotsseite des deutschen Reisemarktes wird nach bestimmten Kriterien untersucht, so dass sich mögliche Anbieter finden lassen und die Frage geklärt werden kann, wie solche Reisen aufgebaut sind. Mit Großbritannien als Benchmark sollen Entwicklungen herausgestellt werden, die sich eventuell nutzbringend auf den deutschen Reisemarkt übertragen lassen. Abschließend werden die Stärken und Schwächen sowie die Chancen und Risiken dieses Nischenproduktes dargestellt, um mögliche Handlungsstrategien für den deutschen Reisemarkt leichter zu formulieren.
Im vierten und letzten Teil soll die zukünftige Entwicklung des Volunteer Tourismus in Deutschland beleuchtet werden. Es folgt eine kritische Auseinandersetzung mit dem Nischenprodukt Volunteer Reisen, bevor ein Fazit, welches die gesamten Erkenntnisse dieser Arbeit zusammenfasst, die Arbeit abschließt.
Das Forschungsdesign, die Methodik und die Kapitelstruktur folgen den zentralen Forschungsaufgaben dieser Arbeit und können in Form eines mehrgliedrigen Schemas veranschaulicht werden (s. Abb. 1)
Abb. 1: Konzeptioneller Aufbau der Arbeit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung 2010
2 Methodische Vorgehensweisen
Die grundlegende Motivation dieser Arbeit ist es, herauszufinden, inwiefern sich das Nischensegment Volunteer Tourismus auf dem deutschen Reisemarkt etabliert und sich zukünftig weiter entwickeln wird. Um dieses Ziel zu erreichen, sind unterschiedliche Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens sehr hilfreich. Im theoretischen Teil der Arbeit wird vorwiegend die Literatur- und Webanalyse angewandt, während im praktischen Teil vorwiegend eigene empirische Forschungsarbeit, in Form von Experteninterviews sowie einer empirischen Marktanalyse, geleistet wird. Eigene Beobachtungen des Verfassers fließen während der ganzen Arbeit mit ein.
2.1 Literatur- und Webanalyse
Der theoretische Teil der Arbeit stützt sich auf eine ausführliche Literaturrecherche, wobei zu dem Thema Volunteer Tourismus bislang nur wenige wissenschaftliche Arbeiten sowie andere wissenschaftliche Werke veröffentlicht wurden. Allerdings lässt sich einige Basisliteratur zum Thema Volunteering, Ehrenamt und soziales Engagement finden. Aufgrund rudimentärer Literaturauswahl wird der theoretische Teil dieser Arbeit durch eine umfangreiche Internetrecherche und vereinzelten Zeitungsartikeln ergänzt. Die gewonnen Informationen werden in Form einer Literatur- und Webanalyse ausgewertet.
Die Vorgehensweise ist eine „systematische, strukturierte und klar nachvollziehbare Methode zur Identifizierung, Evaluierung, Integration und Interpretation relevanter Beiträge in der Literatur mit dem Ziel der Gewinnung von Einsichten zu einer konkreten Fragestellung“ (AUER-SRANKA 2009, S. 10). Die Ergebnisse sollen einen ersten Überblick über die Begrifflichkeiten von Volunteering und Volunteer Tourismus in der Literatur und im Web geben, dann kann die eigene Forschungsarbeit angeknüpft werden.
Zu Beginn der Literatur- oder Webrecherche ist es wichtig, dass das Thema konkretisiert und eine klare Zielsetzung festgelegt wird. Daraufhin kann mit Hilfe von Schlagwörtern und den formulierten Forschungsfragen die Literatursuche begonnen werden. Nach der inhaltlichen Schnellanalyse, bei der jede gefundene und relevante Literatur oder Website mit Hilfe des „Querlesens“ gesichtet wird, folgt die systematische Literatur- bzw. Webrecherche. Diese orientiert sich vor allem an der erstellten Gliederung und läuft im Grunde bis zum Ende der Arbeit weiter. Das so genannte Schneeballprinzip kann nützlich sein, um weitere, neue Quellen zu gewinnen und nach relevanten Informationen aus zu werten. Der Ausgangspunkt stellt hierbei ein Überblicksartikel dar, dem weitere Literaturhinweise entnommen werden können. Generell ist es von Vorteil, zuerst die aktuelle Literatur zu sichten und sich dann langsam in die Vergangenheit zurückzuarbeiten (vgl. DEPPE 1997, o. S.).
2.2 Die empirische Marktanalyse
Im Zuge der theoretischen Auseinandersetzung mit der Thematik wurden Überlegungen angestellt, wie die zu beantwortenden Forschungsfragen methodisch am besten anzugehen sind. Diese Überlegungen bündeln sich im praktischen Teil dieser Arbeit. Dort wird eine empirische Marktanalyse durchgeführt, die sich an selbst festgelegten, relevanten Kriterien orientiert und mit einigen Experteninterviews und eigenen Beobachtungen des Verfassers ergänzt werden.
Die Marktanalyse beschränkt sich auf die Angebote, die es im Hinblick des Volunteer Tourismus auf dem deutschen Reisemarkt gibt. Genau genommen sollen hier folgende Forschungsaufgaben geklärt werden:
- Inwiefern konnte sich der Volunteer Tourismus bisher auf dem deutschen Reisemarkt etablieren?
- Wie sieht der Aufbau solcher Reisen aus?
Um die Sortimentsbreite zu ermitteln, wird das Internet als wichtige Bezugsquelle genutzt. Es gilt neben den Katalogen als wichtigstes Informations-, Marketing- und Verkaufsinstrument. Die Internetauftritte der verschiedenen Reiseveranstalter stellen den jeweiligen Leistungsumfang sowie den inhaltlichen Aufbau von Volunteer Reisen dar. Zusätzliche Angebots- und Produktinformationen, die sich etwa aus Katalogen oder anderen Veröffentlichungen (Newsletter, allgemeine Informationsbroschüren, Pressemitteilungen, etc.) ergeben, werden in der Arbeit nur am Rande mit einbezogen. Somit wird die Marktanalyse als qualitative Untersuchung der Anbieter und deren Angebote im Internet durchgeführt und umfasst die aktuelle Saison 2010.
2.3 Die qualitative Befragung
Der praktische Teil der Arbeit wird durch eine weitere qualitative Datenerhebung, dem Leitfaden gestützten Experteninterview, ergänzt. Es handelt sich dabei um eine teilstrukturierte Interviewsituation, also um „Gespräche, die aufgrund vorbereiteter und vorformulierter Fragen strukturiert und durch geführt werden“ (SCHNELL/HILL/ESSER 2005, S. 322). Die Abfolge der Fragen kann dabei vom Interviewer selbst, je nach Verlauf des Gesprächs, geändert oder ergänzt werden. Der Interviewer entscheidet selbst, „ob und wann er detailliert nachfragt und ausholende Ausführungen des Befragten unterstützt bzw. ob und wann er bei Ausschweifungen des Befragten zum Leitfaden zurückkehrt“ (MAYER 2008, S. 37). Wichtig ist jedoch, dass die vorgegebene Frageformulierung benutzt und den gesamten Fragekatalog innerhalb der Befragung abgearbeitet werden.
Den Fragekatalog bildet der so genannte Leitfaden. Er besteht aus offen formulierten Fragen auf welche der Befragte frei antworten kann. Zudem „schneidet er die interessierenden Themen aus dem Horizont möglicher Gesprächthemen heraus und dient dazu, dass Interview auf diese Themen zu fokussieren“ (MEUSER/NAGEL 1997, S. 488). Es sollten somit Themenkomplexe gebildet werden, welche sich an der zu Grunde liegenden Problemstellung der Arbeit orientieren. Diesen werden anschließend Nachfrage-Themen zugeordnet, die den Interviewer entlasten und die spätere Vergleichbarkeit erleichtern.
Durch den „konsequenten Einsatz des Leitfadens wird zum einem die Vergleichbarkeit der Daten erhöht und zum anderen gewinnen die Daten durch die Fragen eine Struktur“ (MAYER 2008, S. 37). Außerdem wird durch die Entwicklung eines Leitfadens ausgeschlossen, dass sich „der Forscher als inkompetenter Gesprächspartner darstellt“ und sich „das Gespräch nicht in Themen verliert, die nichts zur Sache tun“ (MEUSER/NAGEL 1991, S. 448).
Ein weiteres wichtiges Kriterium für ein leitfadengestütztes Experteninterview bildet der Experte selbst. Ihm wird erlaubt während der Befragung seine Sicht der Dinge frei zu äußern und lässt sich folgendermaßen definieren: „Als Experte gilt jemand, der auf einem begrenzten Gebiet über ein klares und abrufbares Wissen verfügt. Seine Ansichten gründen sich auf sichere Behauptungen und seine Urteile sind keine bloße Raterei oder unverbindliche Annahmen“ (MAYER 2008, S. 41).
Auf die genaue Zielsetzung des Leitfadens und einen Überblick aller befragten Experten wird in Kapitel 5 noch stärker eingegangen.
II Theoretischer Bezugsrahmen
3 Volunteer Tourismus – allgemeine Grundlagen
Obwohl der Gedanke eine Reise mit der Absicht Freiwilligenarbeit zu leisten in der Tourismusindustrie kein neuer ist, taucht der Begriff Volunteer Tourismus erst in jüngster Zeit auf. Es handelt sich meist um die englische Bezeichnung „Volunteer Tourism“ oder „Volunteerism“, der in der deutschen Sprache noch wenig Eingang gefunden hat. Im Rahmen der Arbeit wird der Begriff „Volunteer Tourismus“, als Mix beider Sprachen, gebraucht. Doch was verbirgt sich hinter diesem neuen Ausdruck in der Tourismusindustrie? Wie lässt sich dieser genauer definieren und wie entwickelte er sich? Um diese Fragen zu klären, soll folgendes Kapitel als theoretischer Bezugsrahmen dienen.
3.1 Terminologische Abgrenzung
Der Begriff „Volunteer Tourismus“ setzt sich aus zwei Begriffen zusammen. Aus diesem Grund sollen diese zunächst einzeln betrachtet werden.
3.1.1 Terminus „Volunteer“ bzw. „Volunteering“
Volunteer bzw. Volunteering kommt aus der englischen Sprache und kann simpel mit Freiwillige/-r bzw. Freiwilligenarbeit ins Deutsche übersetzt werden. Dennoch gibt es zahlreiche, unterschiedliche Arten in der Literatur, die diesen Begriff näher definieren. Eine sehr einfache Definition, welche dennoch drei sehr wichtige Elemente benennt, stammt aus Großbritannien:
“The traditional definitions of volunteering have focused on three elements: the gift of time; the element of free choice; and the lack of payment“
(HEDLEY/SMITH 1992, S. 6).
Auf der Weltkonferenz in Paris wurde 1990 von der Weltorganisation International Association of Volunteer Effort (IAVE) folgende nationenübergreifende Definition entwickelt und zeigt, dass der Begriff bereits seit ca. 20 Jahren in öffentlichen Diskussionen auftaucht:
„(a) Freiwilliges Engagement basiert auf persönlicher Motivation und Wahlmöglichkeiten. Es entsteht aus freiem Willen, mit eigener Entscheidung und ist ein Weg zur bürgerschaftlichen Beteiligung im Gemeinwesen. Freiwilliges und bürgerschaftliches Engagement findet in Form von Aktivitäten einzelner oder in Gruppen statt und wird in der Regel im Rahmen einer Organisation ausgeübt.
(b) Durch die Förderung von Volunteer-Engagement werden zwischenmenschliche Solidarität und alltägliche Lebensqualität als Humanvermögen erhöht.
(c) Im Streben nach einer besseren und Frieden liebenden Welt gibt freiwilliges und bürgerschaftliches Engagement Antworten auf große Herausforderungen unserer Zeit. Es kann zur wissenschaftlichen Belegung beitragen und sogar neue Berufsprofile (Professionen) schaffen“ (PAULWITZ 1996, S. 13).
Dieser sehr ausführlichen Definition steht nun noch eine letzte von der Association of Voluntary Service Organisation (AVSO) gegenüber:
„Volunteers and their organisations participate in local projects which promote intercultural and social learning. The volunteers engage themselves on the basis of a personal decision concerning their own development and commitment to the volunteer philosophy” (TRAM 2008, S. 10).
Es zeigt sich, wie unterschiedlich sich der Begriff Volunteer weltweit definieren lässt. Ganz gleich welche Definition betrachtet wird, folgende Gemeinsamkeiten werden bei allen genannt und sollen als Grundlage für den weiteren Verlauf der Arbeit dienen:
1. gewisse Kostenneutralität: d.h. die Freiwilligenarbeit wird nicht bezahlt, lediglich in Ausnahmefällen kommt es zu einer Aufwandsentschädigung
2. Freiwilligkeit der Arbeit: der Beteiligte entscheidet sich selbst und mit freiem Willen dazu
3. Gemeinschaft: Volunteering hilft vorwiegend anderen Beteiligten (lokalen Bevölkerung, benachteiligten Bevölkerungsgruppen, etc.)
4. gewisser organisierter Rahmen: die Arbeit findet nicht zufällig oder planlos statt, sondern wird von Organisationen, Verbänden etc. organisiert.
3.1.2 Terminus „Volunteer Tourismus“
Nachdem für Volunteering oder auch Volunteer zahlreiche Definitionen in der Literatur gefunden worden sind, schränkt sich die Vielzahl bei dem Begriff Volunteer Tourismus sehr ein. Es kann behauptet werden, dass Volunteer Tourismus einer der am wenigsten definierte Begriff in der Tourismuswissenschaft ist. Dennoch lassen sich in jüngeren Zeitschriftenartikel allmählich Versuche finden, die diesen Begriff näher beschreiben. Von TRAM (2008, S.10) stammt beispielsweise folgende Definition:
„The simple way of approaching volunteer tourism is to assume that it is a combination of volunteering and travel.“
Die gängigste und in der Literatur am häufigsten verwendete Definition veröffentlichte WEARING (2001) und lautet wie folgt:
“The generic term ‘volunteer tourism’ applies to those tourists who, for various reasons, volunteer in an organized way to undertake holidays that might involve aiding or alleviating the material poverty of some groups in society, the restoration of certain environments or research into aspects of society or environment” (TRAM 2008).
Obwohl diese Definition sehr gebräuchlich ist, lässt sie doch Fragen offen, wie beispielsweise: Ist die Volunteer Erfahrung der Hauptbeweggrund einer Reise oder nur eine weitere Beschäftigung während der Reise in Form von working holiday? Außerdem bleibt unklar, wie und von welchen Akteuren solche Volunteer Reisen organisiert werden. Denn sie können von Reiseveranstaltern, anderen Entsendeorganisationen oder von lokalen NGOs angeboten werden (vgl. TRAM 2008, S. 9).
Deshalb soll folgende, selbst entwickelte Definition als Grundlage für diese Arbeit dienen:
„Volunteer Tourismus ist eine Art Alternativer Tourismus oder Ökotourismus mit einer besonderen Betonung auf Nachhaltigkeit, Verantwortung und Bildung. Teilnehmer versuchen neue Aspekte eines Landes kennen zu lernen, während sie gleichzeitig benachteiligte Bevölkerungsgruppen oder Umweltprojekte unterstützen. Die Reisen können von Reiseveranstaltern, Entsendeorganisationen oder lokalen NGOs organisiert werden.“
(eigene Definition 2010)
3.2 Historie von Volunteering in Deutschland und Großbritannien
In der Literatur hat sich die Hypothese durchgesetzt, dass sich der Volunteer Tourismus ursprünglich nicht als neue Tourismusart entwickelte, sondern vielmehr aus dem organisierten Volunteering, d.h. aus den uneigennützigen Freiwilligendiensten auf internationaler Ebene, entstand. Somit existiert Volunteering in Europa schon seit Jahrhunderten. Einige Länder können eine lange Tradition von Freiwilligenarbeit aufweisen. „Where once these people were missionaries and soldiers, colonialists and explores, teachers and entrepreneurs – now they are international volunteers“, so beschreibt SIMPSON (2007, S.10) die Entwicklung von Volunteering in der westlichen Welt.
Im Folgenden soll die historische Entwicklung der Länder Deutschland und Großbritannien, auf welche sich die Arbeit bezieht, im Einzelnen betrachtet werden, um die gesamte Entwicklung des Nischensegments Volunteer Tourismus auf beiden Märkten besser nachvollziehen zu können.
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3.2.1 Volunteering in Deutschland
Deutschland ist kein klassisches ‚Volunteering Land’ im Vergleich zu den Niederlanden, Großbritannien oder den USA. Laut einer aktuellen Studie (2008) entwickelte sich die „German civil society infrastructure“ vorwiegend in den letzten zehn Jahren (vgl. EUROPEAN COMMISION 2010, S. 1).
Die Grundlage für die Entwicklung von Volunteering in Deutschland bildet das Subsidiaritätsprinzip, welches Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt wurde. Offiziell wird es von der BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (BPB 2009, o. S.) folgendermaßen definiert:
„[Von lat. subsidium: Hilfe] Nach dem Subsidiaritätsprinzip soll eine (staatliche) Aufgabe soweit wie möglich von der unteren Ebene bzw. kleineren Einheit wahrgenommen werden. Die Europäische Gemeinschaft darf nur tätig werden, wenn die Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht ausreichen und wenn die politischen Ziele besser auf der Gemeinschaftsebene erreicht werden können.“ (BPB 2009, o. S.)
Vereinfacht bedeutet dies, dass „der Einzelne, die Familie, Gruppen oder andere Körperschaften“ selbst und aus eigener Kraft Aufgaben wahrnehmen können und diese weder von einer „übergeordneten Instanz noch vom Staat“ an sich gezogen werden können (BPB 2009, o. S.). Somit wird in Deutschland sichergestellt, dass „Kompetenz und Verantwortung des jeweiligen Lebenskreises anerkannt und genutzt werden“ (BpB 2009, o. S.). Allerdings schließt das die staatlichen Pflichten mit ein, welche kleinere Einheiten falls nötig stärken, so dass diese entsprechend tätig werden können (vgl. BAGFW 2010, o. S.). „According to this principle, preference is given to non-profit organisations over public services in relation to the provision of core and welfare services” (EUROPEAN COMMISION 2010, S. 1). Somit gewann die Idee des Volunteerings in Deutschland einen größeren Bedeutungsumfang.
Ein weiterer Schlüsselfaktor in der deutschen Entwicklung von Volunteering war die Teilung des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg, „which meant that during the next four decades, volunteering developed diffrently in two parts of this divided country“ (EUROPEAN COMISSION 2010, S.1). Während in Westdeutschland das Subsidiaritätsprinzip als Grundlage der Sozialpolitik und als generelles Prinzip galt, um öffentlich-private Beziehungen in der Bundesrepublik zu lenken, unterlag die Volunteer- Bewegung in Ostdeutschland der führenden sozialistischen Partei (SED). Dadurch konnten sich in Westdeutschland zu dieser Zeit weitaus mehr unabhängige Wohlfahrtsvereinigungen (z.B. Arbeiterwohlfahrt, Caritasverband, Deutsches Rotes Kreuz, etc.) bilden als in Ostdeutschland, wo jede lokale Organisation verpflichtet war, sich einer sozialen Massenorganisation unterzuordnen, wie beispielsweise der Freien Deutschen Jugend.
Ab den neunziger Jahren erlebte die Volunteer- Bewegung im Zuge der Wiedervereinigung eine neue Bedeutung. Im Mittelpunkt der neuen Politik standen „neue, nicht-staatliche Versorgungsgruppierungen, Projekte und Initiativen sowie der Beitrag sozialer Netzwerke und der Selbsthilfe“ (ROBERT BOSCH STIFTUNG 1996, S. 46). Es mangelte jedoch an einer entsprechenden Infrastruktur auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, da die neu hinzugewonnen Bundesländer rückständig im Hinblick auf Volunteering waren. In einem Gutachten von 1994 mit dem Titel „Rechtsfragen des freiwilligen sozialen Engagements – Rahmenbedingungen und Handlungsbedarf“ vom Bundesministerium für Familie und Senioren wurden sämtliche, relevante Rechtsfragen in Bezug auf Volunteering festgelegt, wodurch die bisherigen „Grauzonen“ in diesem Bereich beseitigt werden sollten, um letztendlich einen einheitlichen Rahmen in Deutschland zu schaffen. Daraufhin gründeten sich vermehrt neue Organisationen und Strukturen, welche Volunteering in den Vordergrund rücken lassen, beispielsweise wurden Volunteer Center gegründet, die spezielle Programme anboten. „This second generation of volunteer centres is defined by greater involvement and participation by volunteers in the management and running of the organisations and the developement/design of projects than what it was the previously case” (EUROPEAN COMISSION 2010, S. 2).
Gegenwärtig wird die Situtaion in Deutschland von intensiven Debatten bestimmt. Es gibt einerseits diejenigen, die „eine Ausbreitung des Volunteerings fördern – entweder aus finanziellen Gründen oder aus Sorge um die Überprofessionalisierung der sozialen Dienste“ – und andererseits diejenigen, die „gegen solche Strategien und gegen den möglichen Missbrauch des Volunteering kämpfen“ (ROBERT BOSCH STIFTUNG 1996, S. 46). Dennoch ist eine leichte Zunahme des Volunteering in Deutschland zu beobachten.
3.2.2 Volunteering in Großbritannien
In Großbritannien ist Volunteering seit Jahrzehnten fest verankert und gehört „fast schon zum guten Ton in der Gesellschaft“ (MANGELS 2009). Anders als in Deutschland trägt hier der Staat zur entscheidenden Entwicklung, Einflussnahme und Kontrolle des Volunteerings bei.
Ausgangspunkt dieses historischen Abrisses soll der Zweite Weltkrieg sein. Nach 1945 „the nature of voluntary action might have been assumed to change“ (HOWLETT 2008, S.2). Mit dem Beginn des Wohlfahrtstaates in Großbritannien war die Regierung ursprünglich der Ansicht Volunteering reduzieren zu können. Allerdings bemerkte Beveridge, grundlegender Ideengeber für den britischen Wohlfahrtstaat, in seinem bekannten Beveridge Report, dass die „voluntary action is an important component of healthy democracy and […] encompasses much more than the services that were nationalised into the National Health Service and the wider welfare state“ (HOWLETT 2008, S. 2). Somit wurde Volunteering nicht reduziert, sondern in das politische System Großbritanniens integriert.
In den sechziger Jahren wirkte sich die Integration positiv aus. Es begann ein Anstieg von Volunteers und Volunteer Organisationen, worauf das Land reagieren musste. Als erste Maßnahme wurde eine Agentur gegründet, die das Volunteering unterstützen sollte und heute unter ‚Volunteering England’ bekannt ist. Außerdem wurde eine „Voluntary Service Unit“ mit insgesamt 23 Volunteer Büros gebildet, um eine Infrastruktur diesbezüglich im Land zu entwickeln (vgl. EUROPEAN COMMISSION 2010, S. 1). In den Folgejahren erwies sich Volunteering zum Vorteil, um vor allem junge Menschen in die Gesellschaft mit einzubringen.
Der Regierungswechsel im Jahr 1979, bei dem die Labour Partei von den Konservativen abgelöst wurde, brachte in Großbritannien auch einen Wechsel im Hinblick auf Volunteering. Die Konservative Partei zeigte kaum noch Interesse an den Voluntary Organisationen, außer dass sie ihren Service im Interesse des Staates abgeben sollten, so dass Volunteering eine billige Alternative zu staatliche Leistungen wurde. Das bedeutete, dass nun die Volunteer Organisationen nicht allein für die Vermittlung junger Menschen fungieren sollten, sondern nun auch die Aufgabe übertragen bekamen, Arbeitslose im Bereich Volunteering zu vermitteln (vgl. HOWLETT 2008, S. 4f).
Erst mit der Wiederwahl der Labour Party im Jahr 1997 und mit der Ernennung Tony Blairs als Premierminister kehrte die Ursprungsidee von Volunteering in die Regierung zurück. Sie setzten die Unterstützung der Zivilgesellschaft auf ihre Agenda. Ein wichtiger Schritt war das Bündnis zwischen dem „voluntary sector“ und der Regierung (vgl. HILGER 2010, S.4). Mit diesem Abkommen waren beide offiziell verpflichtet, in Sachen Volunteering zu kooperieren, sich zu informieren und zu unterstützen. „The objective was to enhance the status of engaged citizens and enable them to carry out voluntary activities by offering necessary support“ (HILGER 2010, S. 4). Damit sollte eine bessere Kooperation zwischen der lokalen Regierung und den lokalen Organisationen gewährleistet werden. Die Folge war die Entstehung zahlreicher, landesweiter Projekte. Beispielsweise das Projekt ‚Millennium Volunteers’, welches sich vorwiegend an junge Menschen richtete, aber auch Experience Corps, das vorwiegend die ältere Zielgruppe ansprechen sollte.
Im Jahr 2004 schlossen sich drei Spitzenorganisationen zum Dachverband „Volunteering England“ zusammen. „It acts as a secretary for the English Volunteer Development Council (EDVC) which represents the voluntary sector and it is also the volunteer hub that coordinates support and research volunteering on behalf of the government” (HILGER 2010, S. 5).
Großbritannien hat eine lange Geschichte in Bezug auf Volunteering vorzuweisen und es zeigt sich, inwiefern die Regierungspolitik die Entwicklung mit beeinflusst hat. Umgekehrt wirkt sich Volunteering aber auch positiv auf weite Bereiche der Politik und die Gesellschaft aus. Im Moment bereitet sich Großbritannien auf das „European Year of Volunteering“ im Jahr 2011 vor und auch während der Olympiade 2012 in London werden tausende Volunteers mit einberechnet, um unterschiedliche Aufgaben im Bereich Sport, Medizin, Service und Transport zu übernehmen. Somit zeigt sich, wie stark Volunteering in Großbritannien integriert ist und welche bedeutende Rolle es in der Gesellschaft spielt.
In beiden Ländern kann festgestellt werden, dass seit Beginn des 21. Jahrhunderts ein „quantitatives Wachstum, aber auch eine qualitative Veränderung im Volunteering“ (MÜLLER/REEH 2010, S. 20) entsteht. Immer mehr Vereine, Agenturen und professionelle Tourismusunternehmen reagieren auf das steigende Volunteerinteresse, engagieren sich und gestalten Freiwilligeneinsätze zu buchbaren, touristischen Angeboten um (vgl. MÜLLER/REEH 2010, S. 20). Diese Bestrebungen der Tourismuswirtschaft, welche sich langsam zu einem kommerziell-orientierten Volunteer Tourismus entwickeln, kann als vorerst letzte Phase in der Historie der Volunteerentwicklung hinzugefügt werden.
3.3 Einordnung von Volunteer Tourismus auf dem Tourismusmarkt
Um einen Überblick zu erhalten, in welchen Bereich sich das Nischensegment Volunteer Tourismus auf dem Tourismusmarkt einordnen lässt, soll folgende Abbildung dienen.
Abb. 2: Einordnung des Volunteer Tourismus auf dem Tourismusmarkt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung nach WEARING 2001, S. 30
Demnach werden zunächst zwei Kategorien unterschieden: Zum einen der Massentourismus, der den Markt dominiert, und zum anderen der Alternativtourismus, der sehr unterschiedliche Formen annehmen kann. Die unterschiedlichen Formen haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Sie bilden Alternativen zum Massenmarkt (vgl. WEARING 2001, S. 30). Das heißt, es handelt sich dabei nicht um den „mass large-scale“ Tourismus, sondern um einen „small-scale, low-density“ Tourismus, einem weniger dichten Tourismus, der sich vorwiegend in ländlichen Räumen ansiedelt. Diese Kategorie richtet sich nach WEARING (2001, S. 30) überwiegend an Zielgruppen mit meist überdurchschnittlicher Bildung und gutem Einkommen.
Das Schaubild zeigt die Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Tourismusformen, so wie sie häufig in der Literatur und in Verbindung mit Volunteer Tourismus genannt werden. Demnach bilden der Kultur-, Bildungs-, Wissenschafts-, Abenteuer- und ländliche Tourismus Alternativen zum Massentourismusmarkt. Der Öko- bzw. Naturtourismus ist nur schwer einzuordnen und wird unterhalb des Volunteer Tourismus angesiedelt. Obwohl er in die meisten Tourismusbereich übergreift, ist er nicht direkt mit dem Kulturtourismus verbunden. Der Volunteer Tourismus selbst greift jedoch in alle Bereiche über und bildet eine wichtige sowie wachsende Nische in der Kategorie des Alternativtourismus.
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- Quote paper
- Franziska Maier (Author), 2010, Volunteer Tourismus - eine Marktanalyse des deutschen Reisemarktes mit GB als Benchmark, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208828
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