Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der schulischen Förderung von Kindern mit Angelman-Syndrom. Mit der Bezeichnung Angelman-Syndrom wird ein Symptomkomplex beschrieben, der mit einer geistigen Behinderung einhergeht.
Ich wurde mit dem Begriff erstmals im Rahmen meiner Tätigkeit im
familienentlastenden Dienst konfrontiert, als ich ein Mädchen mit diesem Syndrom betreute. So hatte ich die Möglichkeit, eigene Beobachtungen und Erfahrungen zu sammeln. Im Bemühen mir weitere Kenntnisse zu verschaffen, suchte ich nach geeigneten Quellen. Ich wandte mich damals zunächst an Pädagogen für Schüler mit einer geistigen Behinderung. Dabei musste ich feststellen, dass auch diese nicht auf theoretisches Wissen zurückgreifen konnten. Die Rückfrage in der Schule des Mädchens ergab, dass die pädagogische Arbeit im Wesentlichen auf Erfahrungen im Umgang mit dem Kind basierte.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Hausarbeit beschloss ich, dass o. g. Problem aufzugreifen und mich intensiver damit auseinander zu setzen. Recherchen in Bibliotheken und im Internet zeigten, dass deutschsprachige Literatur zum Angelman-Syndrom kaum vorhanden ist. Es finden sich lediglich zwei Veröffentlichungen des Angelman e. V. sowie einige medizinische Dissertationen und Zeitschriftenartikel, die sich im Wesentlichen mit der Ursachenforschung beschäftigen. Über das Internet sind vor allem amerikanische Schriften verfügbar, die ebenfalls überwiegend den Bereich der Medizin betreffen.
Diese Arbeit beschäftigt sich in der Hauptsache mit den pädagogischen
Gesichtspunkten des Angelman-Syndroms. Da es notwendig ist, sich dazu auch mit den medizinischen Aspekten auseinander zu setzen, werden diese im ersten Teil der vorliegenden Arbeit behandelt. Im zweiten Teil steht die schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Angelman-Syndrom im Vordergrund, wobei der Kommunikation besondere Bedeutung beigemessen wird. Im Mittelpunkt des dritten Teils steht die Zusammenarbeit mit den Eltern.
Verzeichnis der Abkürzungen
1. Einleitung
2. Das Angelman-Syndrom
2.1 Historie
2.2 Ätiologie
2.3 Epidemiologie
2.4 Diagnostik
2.4.1 Wertigkeit der Diagnosestellung
2.4.2 Klinisches Bild
2.4.3 AS in den verschiedenen Entwicklungsstufen
2.4.4 Genetische Nachweisverfahren
2.4.5 Phänotyp-Genotyp-Korrelation
2.4.6 Differenzialdiagnose
2.5 Gesundheitsproblematik
3. Die schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Angelman-Syndrom
3.1 Luise, ein Mädchen mit Angelman-Syndrom
3.2 Sonderpädagogische Grundlegung
3.2.1 Darstellung des Behinderungsbegriffes
3.2.2 Sonderpädagogische Bildung und Erziehung im Bereich der geistigen Entwicklung
3.2.3 Sonderpädagogische Bildung und Erziehung bei Schülern mit AS
3.3 Kommunikation bei Schülern mit AS
3.3.1 Grundlegung Kommunikation
3.3.2 Kommunikation bei Kindern und Jugendlichen mit AS
3.3.3 Grundlegung Unterstützte Kommunikation
3.3.4 Förderung durch Unterstützte Kommunikation
4. Zusammenarbeit mit den Eltern
4.1 Elternbefragung
4.1.1 Ziel
4.1.2 Methoden
4.1.3 Durchführung
4.1.4 Auswertung
4.2 Interpretation der Elternbefragung
5. Resümee
6. Thesen
Literatur
Literatur zum Angelman-Syndrome – Kapitel 2
Schulische Förderung - Kapitel 3
Zusammenarbeit mit den Eltern - Kapitel 4
Ressourcen
Anhang
Tabelle 1: Alter, Geschlecht und Herkunftsland
Tabelle 2: Diagnosestellung
Verzeichnis der Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der schulischen Förderung von Kindern mit Angelman-Syndrom. Mit der Bezeichnung Angelman-Syndrom wird ein Symptomenkomplex beschrieben, der mit einer geistigen Behinderung einhergeht. Ich wurde mit dem Begriff erstmals im Rahmen meiner Tätigkeit im familienentlastenden Dienst konfrontiert, als ich ein Mädchen mit diesem Syndrom betreute. So hatte ich die Möglichkeit, eigene Beobachtungen und Erfahrungen zu sammeln. Im Bemühen mir weitere Kenntnisse zu verschaffen, suchte ich nach geeigneten Quellen. Ich wandte mich damals zunächst an Pädagogen für Schüler mit einer geistigen Behinderung. Dabei musste ich feststellen, dass auch diese bezüglich des Angelman-Syndroms nicht auf theoretisches Wissen zurückgreifen konnten. Die Rückfrage in der Schule des Mädchens ergab, dass die pädagogische Arbeit im Wesentlichen auf Erfahrungen im Umgang mit dem Kind basierte.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Hausarbeit beschloss ich, dass o. g. Problem aufzugreifen und mich intensiver damit auseinander zu setzen. Recherchen in Bibliotheken und im Internet zeigten, dass deutschsprachige Literatur zum Angelman-Syndrom kaum vorhanden ist. Es finden sich lediglich zwei Veröffentlichungen des Angelman e. V. sowie einige medizinische Dissertationen und Zeitschriftenartikel, die sich im Wesentlichen mit der Ursachenforschung beschäftigen. Über das Internet sind vor allem amerikanische Schriften verfügbar, die ebenfalls überwiegend den Bereich der Medizin betreffen.
Diese Arbeit beschäftigt sich in der Hauptsache mit den pädagogischen Gesichtspunkten des Angelman-Syndroms. Da es notwendig ist, sich dazu auch mit den medizinischen Aspekten auseinander zu setzen, werden diese im ersten Teil der vorliegenden Arbeit behandelt. Im zweiten Teil steht die schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Angelman-Syndrom im Vordergrund, wobei der Kommunikation besondere Bedeutung beigemessen wird. Im Mittelpunkt des dritten Teils steht die Zusammenarbeit mit den Eltern.
2. Das Angelman-Syndrom
1965 stellte der englische Pädiater Harry Angelman (1915-1996) in einem Artikel mit dem Titel „Puppet Children“ <engl., „Marionettenkinder“> zwei Mädchen und einen Jungen vor, deren Charakteristika ihm so ähnlich erschienen, dass er ein gemeinsames Krankheitsbild vermutete. Angelman hatte bei allen drei Kindern morphologisch und motorisch ähnliche Auffälligkeiten sowie Krampfanfälle beobachtet. Seine Assoziation zu Marionetten resultierte aus den steifen ruckartigen Bewegungen und dem häufigen Lachen der Kinder.[1] Der daraus abgeleitete Begriff „Happy-Puppet-Syndrom“ wurde später zu Gunsten von „Angelman-Syndrom“ aufgegeben, um einerseits den Erstbeschreiber zu würdigen und andererseits Diskriminierungen zu vermeiden.[2]
Ich verwende im Folgenden gemäß der neueren wissenschaftlichen Forschung den Begriff Angelman-Syndrom bzw. die Abkürzung AS.
Heute wird das Angelman-Syndrom als neurogenetische Erkrankung beschrieben, die mit Verzögerungen der geistigen Entwicklung und einem Anfallsleiden einhergeht und sich phänotypisch sowie durch charakteristisches Verhalten bemerkbar macht. In der Mehrzahl der Fälle sind genotypische Veränderungen nachweisbar.
Nach anfänglichem Interesse wurde lange Zeit nur sporadisch über das von Angelman beschriebene Syndrom berichtet. Viele Ärzte bezweifelten sogar die These, dass ein solches Krankheitsbild überhaupt existiere.[3] Dies änderte sich schlagartig, als sich 1987 erste Hinweise auf einen genetischen Hintergrund ergaben.[4] Im Interesse der medizinischen Forschung stehen heute vor allem die Ätiologie des Angelman-Syndroms, die Verbesserung der genetischen Diagnostik, die Korrelation von Genotyp und Phänotyp und nicht zuletzt die Gesundheitsfürsorge, besonders bezüglich möglicher Anfälle. Der pädagogische Fokus richtet sich vor allem auf Kommunikationsförderung von Kindern und Jugendlichen mit AS.
2.1 Historie
Bezugnehmend auf Angelmans 1965 erschienene Darstellung dreier Patienten mit ähnlichen Symptomen, beschrieben Bower und Jeavons 1967 zwei Patienten mit diesen Auffälligkeiten und fassten die Merkmale erstmals unter einem Krankheitsbild, bezeichnet als „Happy-Puppet-Syndrom“, zusammen.[5] In der Folgezeit erschienen weitere Berichte von Wissenschaftlern, die die klinischen Merkmale an verschieden großen Patientengruppen unterschiedlichen Alters und unterschiedlichen Geschlechts untersucht hatten, so zum Beispiel Berg und Pakula 1972, Williams und Frias 1982, Dorries et al. 1988, Robb et al. 1989, Fryburg et al. 1991, Clayton-Smith 1993, King et al. 1993, Buntinx et al. 1995, Smith et al. 1996, Sandanam et al. 1997.[6] Aufgrund dieser Berichte gelten die folgenden Merkmale nunmehr als spezifisch für das seit 1982 auf Anregung von Williams und Frias als Angelman-Syndrom bezeichnete Störungsbild: motorische Auffälligkeiten, im Sinne eines breitbasigen ataktischen Ganges mit häufigen sprunghaften Gliedbewegungen und stereotypen Winkbewegungen der Hände, Lachparoxysmen, Hyperaktivität, Mikro- und Brachyzephalie, Makrostomie, Protrusion der Zunge, Prognathie und Hypopigmentation. Alle von o. g. Wissenschaftlern untersuchten Fälle wiesen eine geistige Verzögerung auf und verfügten entweder über gar kein expressives Sprachvermögen oder sprachen nur wenige Wörter. Übermäßig häufig traten zerebrale Anfälle unterschiedlicher Art, einhergehend mit spezifischen Elektroenzephalogramm-Entladungen, auf.
Ausgehend von der klinischen Beschreibung des Syndroms und Hinweisen im Rahmen der Familienbetrachtung wuchs zunehmend der Verdacht auf einen genetischen Hintergrund. So referierten u. a. Kuroki et al. 1980, Hersh et al. 1981, Pashayan et al. 1982, Dijkstra et al. 1986, Baraitser et al. 1987, Fisher et al. 1987 und Willems et al. 1987, ferner Robb et al. 1989, Imaizumi et al. 1990, Knoll et al. 1990, Schmidt et al. 1991, Clayton-Smith et al. 1992, Sugimoto et al. 1992 und Cassidy und Schwartz 1998 einige Fälle von betroffenen Geschwistern.[7] Die Zahl dieser Fälle war nicht sehr hoch, präsentierte aber dennoch ein nicht unbedeutendes Wiederholungsrisiko. Es wurde in Erwägung gezogen, dass das Angelman-Syndrom nicht den Mendelschen Gesetzen unterliegt, sondern eine dominante Mutation darstellt.
Ein erster Schritt zur Klärung des genetischen Hintergrunds gelang 1987 den Arbeitsgruppen um Kaplan und Magenis sowie 1988 der Gruppe um Pembrey.[8] Sie wiesen bei Patienten mit Angelman-Syndrom Deletionen auf dem langen Arm des Chromosoms 15 nach. Dies war insofern aufsehenerregend, da Deletionen in dieser Region bereits früher als ursächlich für das Prader-Willi-Syndrom (PWS) beschrieben worden waren. Weitere Untersuchungen von Donlon 1988, Williams et al. 1988 und Knoll et al. 1989 ergaben, dass es der elterliche Ursprung der Deletionen ist, der sich entscheidend auswirkt.[9] Über die unterschiedlichen genetischen Veränderungen, die dem Angelman-Syndrom zu Grunde liegen, berichteten unter anderen auch Williams et al. 1989, 1990 und 2001, Greenstein 1990, Imaizumi et al. 1990, Knoll et al. 1990 und 1991, Malcolm et al. 1990 und 1991, Hamabe et al. 1991, Hulten et al. 1991, Kuwano et al. 1992, Meijers-Heijboer et al. 1992, Smith et al. 1992 und 1996, Tonk et al. 1992, Wagstaff et al. 1992 und 1993, Chan et al. 1993, Freeman et al. 1993, Greger et al. 1993, Reis et al. 1993, Robinson et al. 1993, Bundey et al. 1994, Buxton et al. 1994, Saitoh et al. 1994, Reish und King 1995, Gillessen-Kaesbach et al. 1995 und 1999, Beuten et al. 1996, Bürger et al. 1996 und 1997, Burke et al. 1996, Smith et al. 1996, Greger et al. 1997, Kishino et al. 1997, Matsuura et al. 1997, Rougeulle et al. 1997, Trent et al. 1997, Vu und Hoffman 1997, Buiting et al. 1998 und 2001, Fung et al. 1998, Fridman et al. 1998 und 2000, Malzac et al. 1998, Stalker und Williams 1998, Tsai et al. 1998, Fang et al. 1999, Ohta et al. 1999, Kokkonen und Leisti 2000 sowie Tekin et al. 2000.[10] Die Ergebnisse der verschiedenen Wissenschaftler und Forschungsteams lassen sich wie folgt zusammenfassen: Das Angelman-Syndrom ergibt sich aus einem Verlust maternaler Erbinformation auf dem Chromosom 15. In den meisten Fällen wird dieser Verlust durch sporadische Deletionen verursacht. Weitere bisher erforschte Ursachen sind uniparentale Disomien, Fehler während des Genomischen Imprintings sowie Veränderungen in einem speziellen Gen. In der Mehrheit der Fälle beträgt die erneute Auftretenswahrscheinlichkeit weniger als ein Prozent, kann aber auch je nach Ursache auf fünfzig Prozent anwachsen. Es ist fast immer möglich, das Angelman-Syndrom genetisch nachzuweisen. Dazu sind abhängig vom jeweiligen Verursachungsmechanismus unterschiedliche Nachweismethoden erforderlich.
2.2 Ätiologie
Seit den achtziger Jahren ist bekannt, dass die Ätiologie des Angelman-Syndroms im Zusammenhang mit genetischen Veränderungen steht. Diese Veränderungen lassen sich als Aktivitätsverlust der maternalen Erbinformation auf dem langen Arm des Chromosoms 15, in der Region 15q11-13 beschreiben.[11]
Chromosomen sind in lange und kurze Arme eingeteilt und haben ein zentrales Segment, Zentromer genannt. Der kurze Arm wird mit p und der lange Arm mit q bezeichnet. Die q-Region gliedert sich zahlenmäßig in mehrere Segmente, wobei sich das q11-13-Segment auf einen Bereich bezieht, der ungefähr in der Mitte des Chromosoms 15 liegt. Er umspannt etwa fünf bis zehn Millionen Nukleinsäuremoleküle und schließt mehrere Gene ein. Deletionen in der Region 15q11-13 werden auch als Ursache für das Prader-Willi-Syndrom angenommen. Im Gegensatz zum Angelman-Syndrom ist dort jedoch die Aktivität des paternalen Chromosoms betroffen.[12] Inzwischen weiß man, dass beide Syndrome durch den Verlust unterschiedlicher Gene in der beschriebenen Region bedingt sind.[13]
Jahrelange Forschungen mit immer besseren zur Verfügung stehenden Methoden haben zur Erkenntnis geführt, dass es mehrere genetische Mechanismen gibt, die für den Aktivitätsverlust der mütterlichen Erbinformation in der Region 15q11-13 verantwortlich sind. Diese Mechanismen können wie folgt zusammengefasst werden:
Deletionen:
Bei etwa 65 bis 75 Prozent der Betroffenen[14] ist eine Deletion der Region 15q11-13 nachweisbar. Normalerweise handelt es sich dabei um einen spontanen Chromosomen-Defekt, bei dem eine große Region, die zwischen fünf bis zehn Millionen Nukleinsäuremoleküle umspannt, im Chromosom 15 fehlt. Das Wiederholungsrisiko liegt daher bei weniger als einem Prozent.[15]
In seltenen Fällen können Deletionen auch durch eine Chromosomenneuanordnung, wie Translokation oder Inversion, verursacht werden. Das Wiederholungsrisiko hängt dann davon ab, ob es sich um de-novo- Mutationen oder ererbte Veränderungen handelt. Bei letzteren kann das Wiederholungsrisiko bis zu fünfzig Prozent betragen.[16]
Ferner kann es auch Mikrodeletionen geben, die das Fehlen kleinerer Segmente in Regionen, wie zum Beispiel dem Imprinting-Center (IC) oder der UBE3A-Gen-Region, bezeichnen.[17] Diese werden als gesonderte Mechanismen beschrieben.
Paternale uniparentale Disomie (UPD)
Uniparentale Disomie tritt auf, wenn beide Chromosomen eines bestimmten Paares von demselben Elternteil stammen. Beim Angelman-Syndrom sind beide Chromosomen 15 vom Vater ererbt, was wiederum bedeutet, dass die mütterliche Erbinformation nicht aktiviert werden kann.
Dieses Phänomen kann bei etwa drei bis sieben Prozent der Betroffenen beobachtet werden.[18] Das Wiederholungsrisiko liegt bei circa einem Prozent.[19] Dies steht mit der Annahme in Einklang, dass infolge einer meiotischen Störung zunächst Trisomie vorliegt, die anschließend durch den Verlust eines überschüssigen Chromosoms wieder kompensiert wird.[20]
Imprinting-Mutationen
Es gibt einen kleinen Bereich der DNS auf Chromosom 15, der die Kontrolle über große Regionen von 15 q11-13 hat und die Aktion bestimmter Gene beeinflussen kann. Diese Kontrollregion wird Imprinting-Center (IC) genannt. Das IC scheint seine Wirkung von einem entfernten Standort auszuüben, aber wie dies genau geschieht, ist noch nicht bekannt.[21]
Bei Imprinting-Mutationen, auch als Imprinting Defects (ID) bezeichnet, handelt es sich um Mutationen, bei denen der Imprint während der Gametogenese zurückgestellt wird. Sie lassen sich meist auf Deletionen in der beschriebenen Kontrollregion zurückführen. Mikrodeletionen im IC sind sowohl bei Personen mit AS als auch bei Personen mit PWS gefunden worden.[22]
Bestimmte Gene werden abhängig von ihrer elterlichen Herkunft unterschiedlich exprimiert, was bedeutet, dass von normalerweise zwei aktiven Genen eines inaktiv ist, obwohl eine biparentale Erbschaft vorliegt. Bei der Vererbung müssen diese Gene ihren aktiven Status ändern. Diesen Prozess nennt man Genomisches Imprinting. Er steht in deutlichem Kontrast zu den Mendelschen Gesetzen, in denen beide elterlichen Allele einen gleichen Status aufweisen. Tritt nun eine Deletion im IC auf, bleibt diese unwirksam, so lange die Keimbahn des gleichen Geschlechts durchwandert wird. Das heißt, ein auf einem paternalen Chromosom entstandener Defekt kann über mehrere gesunde Männer vererbt werden. Erst bei Passage durch eine weibliche Keimbahn, die die Umwandlung eines maternalen Epigenotyps in einen paternalen Epigenotyp erfordert, kommt es zur Störung. Eine Transkription ist nicht möglich und das nun maternale Chromosom trägt weiterhin einen paternalen Epigenotyp.[23]
AS stellt eines der besten Beispiele für Genomisches Imprinting im Menschen dar. Hier wird die Imprinting-Mutation von der Mutter ererbt und verläuft in der oben beschriebenen Weise: Die Transkription des paternalen in einen maternalen Epigenotyp ist nicht möglich und es resultiert infolge ausbleibender Aktivierung das Angelman-Syndrom.[24] Viele Probanden haben eine phänotypisch normale Mutter, bei der ebenfalls IC-Deletionen nachweisbar sind. Es handelt sich in diesen Fällen um ererbte Mutationen, bei denen die Mütter als Konduktorinnen fungieren.
Imprinting-Mutationen treten bei etwa einem bis neun Prozent der Personen mit AS auf.[25] Das Wiederholungsrisiko beträgt im oben beschriebenen Fall fünfzig Prozent.[26] Bei de-novo- Mutationen liegt das Wiederholungsrisiko bei weniger als einem Prozent.[27]
Imprinting-Mutationen ohne nachweisbare IC-Deletionen sind bisher nur als sporadische Veränderungen beobachtet worden und wahrscheinlich auf eine de-novo- Mutation im Imprinting Prozeß zurückzuführen.[28] Daher beträgt das Wiederholungsrisiko weniger als ein Prozent.
UBE3A-Gen-Mutationen
1996/ 1997 gelang es Wagstaff und Beaudet ein einzelnes Gen zu identifizieren, das das Angelman-Syndrom verursacht.[29] Sie zeigten, dass mehrere Probanden mit AS in dem Gen, das UBE3A kodiert, Veränderungen aufweisen.[30] Bei etwa zwanzig bis fünfzig Prozent der Betroffenen[31], die aufgrund biparentaler Erbschaft und normaler DNS-Methylierungs-Analyse als triple-non- Patienten, das heißt nondeleted, non- UPD und nonimprinted, befunden worden, wurden solche Mutationen im UBE3A-Gen nachgewiesen, das genau innerhalb der zuvor als AS-kritisch beschriebenen Region lokalisiert ist.[32]
UBE3A ist ein für den normalen Eiweißumsatz enzymatischer Bestandteil eines komplexen Eiweißsystem, das sich im Zytoplasma aller Zellen befindet. Die Aktion des UBE3A-Moleküls besteht darin, dass es an Eiweiße angehangen werden kann, wodurch bewirkt wird, dass diese im Gehirn abgebaut werden.[33]
Der genaue Mechanismus, der den Mangel des Eiweißes verursacht, ist noch nicht bekannt. Gegenwärtig wird angenommen, dass die Mutationen in dem vermeintlichen „AS-Gen“[34] durch den fehlerhaften Imprint oder die unzulängliche Funktion des mütterlich ererbten UBE3A-Alleles verursacht werden.[35]
Es wird geschätzt, dass etwa elf Prozent der Probanden mit AS identifizierbare UBE3A-Gen-Mutationen haben. UBE3A-Gen-Mutationen können sporadisch auftreten oder ererbt sein. Es sind mehrere Fälle von Übertragung einer solchen Mutation durch die Mutter bemerkt worden.[36] Wenn die Mutter eines Probanden eine UBE3A-Gen-Mutation hat, beträgt das Wiederholungsrisiko theoretisch fünfzig Prozent.
Die vorläufige Mutationsanalyse von Probanden mit AS hat ergeben, dass die Mehrheit von UBE3A-Gen-Mutationen partielle Eiweißveränderungen sind. Diese Beobachtung wird mit der Annahme in Einklang gebracht, dass Betroffene mit dezenteren Mutationen einige Symptome zeigen können, aber nicht alle klinischen Merkmale, die mit AS assoziiert werden, aufweisen müssen.[37]
Ursache unbekannt
Es verbleiben circa elf bis zwanzig Prozent der Betroffenen, bei denen keine der genannten Veränderungen nachweisbar ist, die aber dennoch die phänotypischen Merkmale des Angelman-Syndroms aufweisen.[38] Diese Betroffenen verfügen über eine biparentale Erbschaft des Chromosoms 15q11-q13 und normale DNS-Methylierung und zeigen keine Beweise einer Deletion oder einer Unterbrechung des Imprinting-Prozesses. Auch die Erkenntnisse über die UBE3A-Genmutationen konnten noch nicht alle Fälle ursächlich klären helfen. UBE3A-Mutationen sind nur bei etwa zwanzig bis fünfzig Prozent der Probanden mit normaler DNS-Methylierung wahrgenommen worden, obwohl diese Häufigkeit bis auf achtzig Prozent zunimmt, wenn nur die familialen Fälle analysiert werden.[39] Fünfzehn Prozent aller Personen mit AS sind UBE3A-negativ und können daher als quadruple-non, das heißt nondeleted, non -UPD, nonimprinted und non -UBE3A, bezeichnet werden.[40] Möglicherweise sind die genetischen Veränderungen bei diesen Betroffenen so klein, dass sie mit dem heutigen Stand der Technik noch nicht erkennbar sind. Es ist auch denkbar, dass eine Mutation in einem anderen Gen Ursache sein könnte.[41]
Je nachdem, ob es sich dabei um spontane oder ererbte Mutationen handelt, könnte das Wiederholungsrisiko bei dieser Gruppe von Betroffenen theoretisch bei bis zu fünfzig Prozent liegen.[42]
2.3 Epidemiologie
Das Angelman-Syndrom galt auf Grund diagnostischer Unzulänglichkeiten lange Zeit als seltene Erkrankung. Bis 1987 wurden nur wenige Fälle in der Literatur beschrieben. Erst seit Bekanntwerden des genetischen Hintergrunds[43] findet das Syndrom vermehrt wissenschaftliche Zuwendung. Es gibt Berichte von Betroffenen in verschiedenen Teilen der Welt. Ein geographischer oder ethnischer Faktor scheint also keine Rolle zu spielen.[44] Das Verhältnis von betroffenen Mädchen zu betroffenen Jungen liegt vermutlich bei 1 zu 1.[45]
Die Angelman Syndrome Foundation (A.S.F.) nimmt in den Vereinigten Staaten und in Kanada etwa 1000 bis 5000 Betroffene an und geht von einer Inzidenz zwischen 1 zu 15.000 bis 1 zu 30.000 aus.[46] Peterson et al. geben die Häufigkeit mit etwa 1 zu 10.000 an.[47] Clayton-Smith und Pembrey sowie Steffenburg et al. benennen Häufigkeitsraten zwischen 1 zu 12.000 und 1 zu 20.000.[48]
Reis et al. geben 1994 auf Grund langjähriger Beobachtungen für das Stadtgebiet West-Berlins eine Häufigkeit von etwa 1 zu 16.000 an.[49] Da dieser Wert im Mittel der beschriebenen Häufigkeiten liegt und es weder territoriale, ethnische noch geschlechtliche Einflussgrößen zu geben scheint, lässt sich bezogen auf die Bevölkerung der Bundesrepublik eine Gesamtzahl von circa 5.000 Betroffenen abschätzen.
2.4 Diagnostik
Die Diagnose des Angelman-Syndroms beruht auf einer Kombination aus klinischer und genetischer Analyse. Am Anfang steht dabei die klinische Untersuchung, die auf Grund der speziellen Merkmale des Syndroms schon eine nahezu aussagekräftige Diagnose zulässt. Diese wird dann durch eine zytogenetische Analyse und molekulargenetische Tests verifiziert. Für das Vorgehen bei diesen Nachweisverfahren lassen sich mitunter in bestimmten Korrelationen zwischen Phänotyp und Genotyp Anhaltspunkte finden.
Das Angelman-Syndrom wird normalerweise noch nicht bei der Geburt oder im Säuglingsalter erkannt, da die in dieser Zeit unspezifisch auftretenden Symptome nicht signifikant die Diagnose AS determinieren. In der frühen Kindheit sind die typischen Merkmale jedoch bereits voll ausgeprägt. Meistens wird der Befund zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr gestellt, wenn die körperlichen und geistigen Charakteristika des Syndroms am deutlichsten hervortreten.[50] Spätestens in diesem Alter ist bei genauer Untersuchung auch eine Abgrenzung zu ähnlich erscheinenden Störungen möglich.
Bevor ich zu detaillierteren Ausführungen zu den o. g. Punkten komme, möchte ich im folgenden Kapitel zunächst klären, warum es überhaupt erforderlich ist, eine konkrete Diagnose zu stellen.
2.4.1 Wertigkeit der Diagnosestellung
Besonders für Eltern, aber auch für Ärzte, Pädagogen und Erzieher ist eine genaue Diagnosestellung oft unerlässlich, besonders wenn es sich um einen Symptomenkomplex im Sinne eines Syndroms handelt. Erst dann können, unter Beachtung des Faktums, dass jede Person ein Individuum darstellt, ungefähre Entwicklungsprognosen gestellt werden, die für Eltern die Zukunft teilweise wieder planbar machen und wichtige Anhaltspunkte für die pädagogische Arbeit bieten. Für Eltern endet mit dem konkreten Befund oft eine quälende Zeit der Ungewissheit, was mit ihrem Kind anders ist. Sie können sich mit den Problemen und Einschränkungen, die aus der Störung möglicherweise erwachsen, aber auch mit den positiven Perspektiven auseinander setzen und sie können selbst aktiv werden, um Ressourcen ausfindig zu machen. Auch finanzielle Unterstützung wird oft erst aufgrund einer bestimmten Diagnose gewährt.
Überwiegend sind es Ärzte, die den Eltern die Mitteilung machen müssen, dass bei ihrem Kind eine Störung festgestellt wurde. Diese Situation fordert vom mitteilendem Arzt sehr viel Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, einschätzen zu können, welches Maß an Information die Eltern zu welchem Zeitpunkt wünschen und bewältigen können. Diese Informationen beinhalten neben den medizinischen Aspekten ebenso Auskünfte über wichtige Hilfeangebote, wie pädagogische Förderung, Familienentlastende Dienste, Selbsthilfegruppen u. a. Auch Pädagogen haben dahingehende Beratung zu leisten. Außerdem müssen sie sich hinsichtlich der pädagogischen Arbeit mit den aus der Störung erwachsenden möglichen Beeinträchtigungen und den negativen und positiven Perspektiven auseinander setzen. Dazu ist es gerade im Falle eines Syndroms wichtig, über dieses in seiner Gesamtheit Bescheid zu wissen und nicht nur über Einzelaspekte informiert zu sein.
Bei der Frage nach der Wertigkeit einer konkreten Diagnosestellung spielt es eine entscheidende Rolle, wer Interesse an einem genauen Befund hat und worauf sich dieses Interesse begründet. Die systematische Bezeichnung einer Störung ist, meines Erachtens, nur dann sinnvoll, wenn sich daraus konkrete Erkenntnisse und Handlungsoptionen für die Betroffenen und deren Familien ergeben. Sie erscheint mir dagegen unnütz, wenn sie Anlass für eine immer detailliertere Ursachenforschung wird, aus der keine Konsequenzen für die Verbesserung der aktuellen Lebenssituation des Betroffenen erwachsen. Besonders hinsichtlich des genetischen Hintergrunds des Angelman-Syndroms werden hier die ethischen Grenzen der Medizin berührt. Einerseits sind bei der Suche nach erblichen Ursachen und der Früherkennung von Krankheiten, Risiken und Behinderungen in den letzten Jahren entscheidende Fortschritte erzielt worden, andererseits aber sind Handlungsmöglichkeiten dem gegenüber entweder nicht vorhanden oder so begrenzt und teuer, dass sie nicht für alle Patienten zur Verfügung stehen.[51] Besonders hinsichtlich Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit und Schwangerschaftsabbrüchen sind Aktionen ethisch fragwürdig. Diese Diskrepanz legt nahe, dass es den Forschern lediglich um die Befriedigung ihres Erkenntnisinteresses geht. Neuer-Miebach spricht außerdem in dem letztgenannten Zusammenhang von „möglicherweise eugenisch motivierte[r] Planung von Nachkommen“.[52]
Der aufgezeigte Argumentationszusammenhang soll nicht die Wertigkeit einer konkreten Diagnosestellung an sich bestreiten. Diese kann aus den o. g. Gründen sowohl für die Betroffenen als auch für deren Familien bedeutend sein. Aber es stellt sich, meines Erachtens die Frage, wie detailliert die Diagnostik ausfallen sollte, was erforderlich und den Betroffenen zumutbar ist. Bezüglich des Angelman-Syndroms geht es dabei um die Notwendigkeit der genetischen Nachweisverfahren, wenn die klinische Diagnose sehr eindeutig ist.
2.4.2 Klinisches Bild
1995 wurden in der amerikanischen Zeitschrift für medizinische Genetik („American Journal of Medical Genetics“) folgende Entwicklungsbefunde und physischen Angaben als Konsenskriterien für die klinische Diagnose veröffentlicht:[53]
Einheitlich zu beobachten (bei 100%):
funktionell schwerwiegende Entwicklungsverzögerung
Redebeeinträchtigung, keine oder minimale Verwendung von Wörtern; rezeptive und nonverbale Kommunikationsfertigkeiten höher als verbale
Bewegungs- und Gleichgewichtsstörungen, Gangataxie, Tremor der Extremitäten
Verhaltensauffälligkeiten: häufiges Lachen/ Lächeln; offensichtlich fröhliche Grundstimmung; leicht erregbar, oft mit stereotypen Winkbewegungen; hyperaktives und hypermotorisches Verhalten; kurze Aufmerksamkeitsspanne
Meistens zu beobachten (bei mehr als 80%):
verzögertes, unverhältnismäßiges Wachstum des Kopfumfangs, ab dem 3. Lebensjahr Mikrozephalie
Krampfanfälle, Beginn normalerweise vor dem 4. Lebensjahr; auffälliges Elektroenzephalogramm (EEG), charakteristisches Muster intermittierender spike and wave mit Abfolge von raschen und langsamen Abläufen mit hoher Amplitude
Oft zu beobachten (bei 20 - 80%):
flacher Hinterkopf; Hinterkopffurche
Protrusion der Zunge; Saug- und Schluckstörungen; Fütterungsprobleme während der Kleinkindzeit; Prognathie; breite untere Gesichtshälfte mit breitem Mund, weit auseinanderstehende Zähne; übermäßiger Speichelfluss, übermäßige Kaubewegungen, orale Verhaltensweisen
Strabismus
im Vergleich zur Familie hypopigmentierte Haut, helles Haar und helle Augenfarbe (nur in Fällen von Deletionen registriert)
kleine Hände und Füße, kleiner Körperbau; hyperaktive Sehnenreflexe, charakteristische Armposition mit Handgelenks- und Ellenbogenflexion, häufiges Erheben der Arme, besonders während des Gehens
gesteigerte Hitzeempfindlichkeit
Schlafstörungen
Faszination für Wasser
In weiteren Symptomlisten, zum Beispiel der Angelman Syndrome Foundation, werden einige Merkmale präzisierter dargestellt bzw. hinzugefügt.[54] Dazu zählen im motorischen Bereich Charakteristika wie: Steifheit der Extremitäten, ruckartige Bewegungen, ein breitbasiger Gang mit flachen, nach außen gedrehten Füßen. In Zusammenhang mit dem übermäßigen Speichelfluss und der Protrusion der Zunge wird eine Makrostomie angeführt. Die gesteigerte Hitzeempfindlichkeit äußert sich in starken Schweißabsonderungen.
Die für das Angelman-Syndrom charakteristischen EEG-Veränderungen sind nicht an das Auftreten der Anfallsleiden gebunden.[55] Neben der o. g. Wellenart können auch steile Wellen und einzelne Krampfspitzen (spikes) auftreten, die besonders im hinteren Drittel des Kopfes ausgeprägt sind und normalerweise nur bei geschlossenen Augen gesehen werden.[56] Da das Angelman-Syndrom mit sehr unterschiedlichen EEG-Veränderungen einhergeht, ist keine Aussage darüber möglich, in welcher Form sich der Anfall manifestiert.
2.4.3 AS in den verschiedenen Entwicklungsstufen
Wie bereits angedeutet, ist die Klinik des Syndroms stark vom Alter der betroffenen Personen abhängig. Den heutigen Stand der Erkenntnisse über die Befunde in den verschiedenen Entwicklungsphasen werde ich in Anlehnung an Veröffentlichungen der A.S.F. und des Angelman e. V. nachstehend darlegen:[57]
Pränatale Phase und Geburt:
Die Entwicklung in der pränatalen Phase verläuft in der Regel normal. Es gibt keine Hinweise auf einen Zusammenhang mit exogenen Schädigungseinflüssen, wie zum Beispiel Medikamente, Drogen, Infektionskrankheiten, Intrauterine Mangelernährung oder Strahlenexposition.
Während der Geburt kommt es zu keiner erhöhten Rate von Komplikationen und Geburtsalter, Geburtsgewicht und Kopfumfang entsprechen den Durchschnittswerten. Apgar-Score sowie andere Richtwerte für die Gesundheit und Reife Neugeborener sind normal. Bis auf eine selten zu beobachtende Abflachung des Hinterkopfes gibt es keine phänotypischen Hinweise auf AS.
Säuglingsalter (0;0 Jahre – 1;0 Jahre):
In dieser Entwicklungsphase treten einige physischen Merkmale und Verhaltensweisen auf, die auf AS deuten können, die aber noch keine pathologischen Abweichungen darstellen müssen. So gibt es häufig Probleme beim Stillen, die durch mangelndes Interesse seitens des Säuglings sowie Schwierigkeiten beim Saugen und Schlucken gekennzeichnet sind. Die Säuglinge weisen teilweise anormales Herausstrecken der Zunge oder starkes Sabbern auf, was auf ein oralmotorisches Koordinationsproblem zurückgeführt werden könnte. Häufiges Spucken kann als Überempfindlichkeit gegen die Nahrung oder deren Zusammensetzung bzw. als gastro-ösophagealer Reflux fehlinterpretiert werden. Es kann zu Gewichtsverlust oder geringfügigen Entwicklungsverzögerungen führen.
Als erste deutlichere Abweichungen werden etwa im Alter von sechs Monaten eine verzögerte motorische Entwicklung, muskuläre Hypotonie und Redeverzögerungen beobachtet. Bei einigen Kindern wird eine schwache zerebrale Lähmung diagnostiziert, besonders da Sehnenreflexe, zum Beispiel der Patellarsehnenreflex, fast immer hyperaktiv sind. Die Bewegungen des Oberkörpers können zittrig sein und den Sitzvorgang oder andere Fähigkeiten, für die ein Gleichgewicht der Lendenwirbelsäule notwendig sind, stark behindern.
Bei Kindern mit AS ist oft frühzeitig soziales Lächeln zu beobachten und zwischen drei und sechs Monaten kommt es zu übermäßigem Kichern, Glucksen und Gurgeln oder Lachparoxien. Die fröhliche Grundstimmung bleibt bis ins Alter bestehen und äußert sich überwiegend in einem glücklichen Gesichtsausdruck, ferner in Lachanfällen, was aber nicht bedeutet, dass Personen mit AS nicht auch über eine Vielfalt anderer Emotionen verfügen. Bisher konnte nicht geklärt werden, warum das Lachen in Verbindung mit dem Angelman-Syndrom so ausgeprägt auftritt. Williams und Frias interpretieren es als expressive motorische Reaktion auf physische und geistige Reize. Die exzessive Freude geht mit einem Hervorstrecken der Zunge einher, was oft den Anschein erweckt, diese sei besonders groß. Die Zunge hat meist jedoch eine normale Form und Größe.
Obwohl die Kopfgröße bei der Geburt normal ist, verlangsamt sich die Entwicklung so stark, dass 50 Prozent der Kinder zwischen sechs und zwölf Monaten eine Mikrozephalie entwickeln.
Bei ca. 30 bis 80 Prozent der Säuglinge ist ein Schielen zu beobachten. Dem wird diagnostisch jedoch wenig Bedeutung beigemessen, da Schielen im ersten Lebensjahr auf Grund der relativen Untrainiertheit und der noch nicht voll ausgeprägten Koordinationsfähigkeit der Augenmuskulatur häufig ist und keinen zwingend pathologischen Aspekt hat.
Eine Minderheit der Säuglinge bekommt schon im Alter von zwölf Monaten Krampfanfälle. Diese Anfälle können sehr heftig sein und sind von einem auffälligen EEG begleitet. Computer-Tomogramm (CT) oder Magnetresonanz-Tomogramm (MRT) zeigen in der Regel ein normal strukturiertes Gehirn. In manchen Fällen sind dezente Zeichen einer kortikalen Atrophie oder Dysmyelination zu finden. Die Laborwerte sind normal.
Kleinkindalter (1;0 Jahre - 6;0 Jahre):
Zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr treten oft die ersten Anfälle auf. Diese sind meist von geringerem Ausmaß und daher schwer als solche erkennbar. Trotz der Auffälligkeiten des EEG ergeben neurodiagnostische Tests meist keine Anomalitäten. MRT- oder CT-Analysen weisen auf eine geringfügige Atrophie oder Dysmyelination des zerebralen Kortex hin, zeigen aber keine strukturellen Veränderungen des Gehirns. Einige wenige Kinder bekommen nie Anfälle, obwohl das EEG auffällig ist und bleibt.
Das Kind mit AS lernt durchschnittlich zwischen zweieinhalb und sechs Jahren Laufen, wobei das Gangbild die typischen Charakteristika aufweist. Bei etwa zehn Prozent sind die Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates so stark, dass selbständiges Gehen nicht möglich ist. Auch o. g. andere Merkmale werden zu dieser Zeit erkennbar. Die Kinder sind oft überreizt, hypermotorisch und ständig in Bewegung. Viele haben bei herausgestreckter Zunge permanent ihre Hände oder ihr Spielzeug im Mund. Zunehmend werden auch die fazialen Merkmale, wie der breite Mund mit hervorstehendem Unterkiefer sowie die kleinen, weit auseinanderstehenden Zähne, augenscheinlich. Diese Veränderungen könnten infolge der übermäßigen oralmotorischen Aktivität mechanisch ausgelöst sein. Das hypermotorische Verhalten wird in Zusammenhang mit der sehr geringen Konzentrationsfähigkeit der Kinder betrachtet. Häufig kommen Schlafprobleme vor, die durch einen verminderten Bedarf nach Schlaf und anormale Schlaf-Wach-Zyklen charakterisiert sind.
Im Kleinkindalter wird auch das fehlende expressive Sprachvermögen deutlich. Ein oder zwei gut verständliche Worte können gesprochen werden, werden jedoch meist zusammenhanglos verwendet. Die Kinder scheinen jedoch Sprache zu verstehen und brabbeln teilweise vor sich hin oder machen durch Quietschen und Schreien, Mimik und Gestik auf Wünsche und Bedürfnisse aufmerksam, so dass die soziale Interaktion nicht erheblich beeinträchtigt sein muss. In diesem Alter suchen die Kinder meist vermehrt Körperkontakt und sind sehr anhänglich.
Ab circa dem zweiten Lebensjahr liegen die Kinder bezüglich des Längenwachstums im unteren Bereich der Normalwerte, ohne dass der Körperbau auffällig klein wäre. Bezüglich des Körpergewichts befinden sich die Kinder im durchschnittlichen Bereich.
Blut- und Urinproben, die auf metabolische Störungen untersucht werden, ergeben normale Werte. Muskelbiopsien, Untersuchungen der Leitungsfähigkeit der Nerven und andere neuromuskuläre Tests weisen ebenfalls normale Werte auf.
Schulkindalter (6;0 Jahre– 11;0 Jahre)
Während dieses Alters bestehen viele der o. g. Probleme weiter, mit langsamen aber stetigen Fortschritten in der Entwicklung. Es scheint keinen neurologischen Verfall bei Kindern mit AS zu geben.
Bei einigen Kindern treten ab der späten Kindheit Gewichtsprobleme auf, die aber selten die Qualität einer Adipositas annehmen.
In diesem Alter können die nonverbalen Ausdrucksmöglichkeiten, nicht zuletzt durch pädagogische Einflüsse, erheblich an Qualität gewinnen. Die meisten älteren Kinder und Erwachsenen sind in der Lage über Gesten, Kommunikationsbretter und andere nonverbale Mittel zu kommunizieren, nach Clayton-Smith trete jedoch keine flüssige Verwendung der Zeichensprache auf.
Jugendalter (11;0 Jahre– 21;0 Jahre)
Während der Pubertät kommt es zur Geschlechtsreife, die zwischen ein bis drei Jahren verspätet eintreten kann. Sowohl für Männer als auch für Frauen scheint die Fortpflanzung theoretisch möglich, obwohl dazu kaum verlässliche Daten vorliegen. Bisher ist nur von einem Fall berichtet worden.
Das weitere Entwicklungspotenzial der Menschen mit AS ist größtenteils unbekannt, da noch wenig Informationen über die langfristige Entwicklung zur Verfügung stehen. Es scheint zu keinem nennenswerten Verfall der geistigen Leistung oder physischen Konstitution zu kommen. Die Krampfanfälle schwächen sich mit fortschreitendem Alter ab oder treten gar nicht mehr auf. Das bizarre EEG-Muster verbessert sich.[58]
Jugendliche und Erwachsene scheinen mit Ausnahme möglicher Anfälle und Obstipationen eine gute physische Gesundheit zu haben. Mit zunehmenden Alter prägt sich bei vielen Betroffenen eine Skoliose aus.
Obwohl noch keine statistischen Auswertungen über die Lebensspanndaten zur Verfügung stehen, wird keine deutliche Verringerung der Lebenserwartung vermutet.[59] An der Universität von Florida sind eine 54-jährige Frau mit AS und mehrere Patienten in den 30ern bekannt. Der älteste bekannte Patient ist 75 Jahre alt.[60]
2.4.4 Genetische Nachweisverfahren
Die genetische Ursache des Angelman-Syndrom liegt in einer chromosomalen Aberration an Chromosom 15, die durch verschiedene Mechanismen hervorgerufen wird. Das Ziel der genetischen Diagnose besteht in erster Linie darin, die klinische Diagnose zu bestätigen. Das heißt, sie sollte nur durchgeführt werden, wenn genügend Anhaltspunkte für AS oder eine ähnliche Chromosomenstörung vorliegen. Des Weiteren soll durch die genaue Kenntnis der jeweiligen Verursachungsmechanismen das mögliche Wiederholungsrisiko abgeschätzt werden. Um diese verschiedenen Mechanismen wahrzunehmen, sind unterschiedliche genetische Tests notwendig. Dabei unterscheidet man zwischen zytogenetischen und molekulargenetischen Untersuchungsmethoden, die meist in Kombination angewendet werden. Bei den zytogenetischen Verfahren wird unter dem Mikroskop eine Chromosomenanalyse von Zellen durchgeführt, die sich im Stadium der Zellteilung befinden. Die molekulargenetischen Tests betreffen die DNS-Studie von Chromosomen. Um abzuklären, ob es sich um ererbte oder de-novo -Mutationen handelt, werden einige Untersuchungen im Rahmen der genetischen Beratung sowohl bei den Betroffenen, als auch bei den Eltern, gegebenenfalls auch bei den Geschwistern durchgeführt.[61] Wie der tatsächliche Überprüfungsplan dann im einzelnen aussieht, ist individuell sehr variabel und hängt zum einen von der lokalen Verfügbarkeit der Verfahren und nicht zuletzt vom Niveau der diagnostischen Kenntnis des Arztes ab. Zur Zeit gibt es fünf gängige Methoden, die ich nachstehend in Anlehnung an Clayton-Smith aufführe:[62]
Methylierungs-Test
Der Methylierungs-Test ist aufgrund seines geringen Kostenaufwands, seiner relativ einfachen Anwendung und einer Identifizierungsquote von fast achtzig Prozent der nützlichste diagnostische Test. Es handelt sich dabei um eine DNS-Analyse, die Änderungen des Methylierungs-Status von Nukleinsäuren in der 15q11-13-Region aufzeigt, die mit dem Prozess des Genomischen Imprintings in Zusammenhang stehen. Wenn der Test positiv ausfällt, das heißt die Methylierungs-Muster charakteristisch für das Angelman-Syndrom sind, dann ist die Diagnose eindeutig. Durch weitere Verfahren kann dann bestimmt werden, ob das Syndrom im jeweiligen Fall auf Deletionen, eine uniparentale Disomie oder Imprinting-Mutationen zurückzuführen ist.
High-Resolution-Chromosomenanalyse
Als High-Resolution-Chromosomenanalyse wird eine mikroskopische Chromosomenuntersuchung mit hoher Auflösung bezeichnet. Das heißt, das Chromosom wird zur besseren Übersicht gedehnt. So können sowohl große Deletionen, als auch Chromosomenneuanordnungen erkannt werden. Als alleiniges Untersuchungsverfahren ist die High-Resolution-Chromosomenanalyse eher unzulänglich, da sie sowohl falsch negative als auch falsch positive Ergebnisse liefern kann. Dennoch wird diese in der Praxis gut verfügbare Analyse durchgeführt und zwar, um Chromosomenneuanordnungen zu erkennen. Diese treten zwar selten auf, können aber ein Wiederholungsrisiko von fünfzig Prozent implizieren und sind nicht durch DNS-Analysen nachweisbar. Des Weiteren wird durch die Chromosomenanalyse sichergestellt, dass keine andere Chromosomenstörung vorliegt.
Fish-Analyse
Bei der sogenannten Fish (Fluoreszenz in situ- Hybridisierung) -Analyse handelt es sich um eine verhältnismäßig neue, weiterentwickelte Art der Chromosomenanalyse, die auch sehr kleine Abweichungen mit relativer Sicherheit wahrnimmt. Das bedeutet, wenn die Untersuchung positiv ausfällt, liegt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit AS aufgrund einer Deletion vor. Innerhalb der letzten Jahre hat die Fish-Analyse aufgrund ihrer höheren Genauigkeit zu Ungunsten der High-Resolution-Chromosomenanalyse zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sie wird meist nach der Methylierungs-Analyse angewendet, um Deletionen zu bestätigen bzw. auszuschließen.
RFLP-Analyse
Der als RFLP (Restriktionsfragment-Längen-Polymorphismus) -Analyse bezeichnete DNS-Test dient mit Hilfe von Markern der Überprüfung, ob von jedem Elternteil ein Chromosom eines bestimmten Paares erhalten wurde oder ob eine uniparentale Disomie vorliegt. Wenn diese Untersuchung zeigt, dass beide Chromosomen 15 paternaler Herkunft sind, kann AS aufgrund einer uniparentalen Disomie diagnostiziert werden. Meist kommt dieser Test zur Anwendung, wenn die Methylierungs-Analyse positiv aber die Fish-Analyse negativ ausfällt. Wird trotz vorausgegangener positiver Methylierungs-Analyse und negativer Fish-Analyse keine uniparentale Disomie durch dieses Verfahren bestätigt, kann davon ausgegangen werden, dass ein Impriting Defekt vorliegt. Mit weiteren Untersuchungen kann ausfindig gemacht werden, ob dieser im jeweiligen Fall sporadisch aufgetreten oder ererbt ist. Diese molekularen Analysetests werden bisher nur in Forschungslabors durchgeführt und sind für die Praxis nicht verfügbar.
UBE3A-Gen-Analyse
Bei Personen, die sowohl mit der Metylierungs-Analyse als auch mit der Fish- und der RFLP-Analyse als negativ befunden werden, aber dennoch die Klinik des Angelman-Syndroms aufweisen, bleibt die Möglichkeit Mutationen, im UBE3A-Gen nachzuweisen. Dazu ist ein spezielles Verfahren entwickelt worden, das sehr aufwendig und teuer ist. Seit Kurzem ist es auch auf klinischer Basis verfügbar.
2.4.5 Phänotyp-Genotyp-Korrelation
Je nach dem genetischen Mechanismus werden Unterschiede zwischen den jeweiligen phänotypischen Manifestationen angenommen.[63] Im allgemeinen scheint eine große Chromosomendeletion schwerwiegendere Beeinträchtigungen als eine uniparentale Disomie oder als andere Verursachungsmechanismen hervorzurufen. Moncla et al. geben auf einer Skala von mehr bis weniger beeinträchtigt zunächst die Deletionen, dann die UBE3A-Gen-Mutationen und zum Schluss die Imprinting Defekte sowie die uniparentalen Disomien an.[64]
Deletionen der Region 15q11-13 umfassen häufig das Gen, das wichtig für die Pigmententwicklung ist und führen daher zur Hypopigmentation von Iris, Haut und Haar.[65]
2.4.6 Differenzialdiagnose
Einzelne Symptome des Angelman-Syndroms können zeitweise sogar in der Entwicklung eines gesunden Kindes auftreten bzw. bei zahlreichen anderen Störungen vorkommen. Besonders im frühen Kindesalter überschneiden sich die klinischen Merkmale des Angelman-Syndroms mit denen anderer Beeinträchtigungen. Die A.S.F. geht von Tausenden unerkannter oder fehldiagnostizierter Fälle aus.[66] Daher ist genau zu überlegen, welche differenzialdiagnostischen Alternativen, in Erwägung zu ziehen sind. Hilfreich sind dabei genetische und EEG-Untersuchungen.[67]
Abgesehen davon, dass eine Diagnose immer eine Festlegung des Kindes darstellt, die selten revidiert wird, ist es auch aus pädagogischen und therapeutisch spezifischen Überlegungen notwendig, eine Abgrenzung zu folgenden Störungsbildern zu treffen:
Prader-Willi-Syndrom (PWS):
Das Prader-Willi-Syndrom (PWS) wird ebenfalls mit Strukturveränderungen des Chromosoms 15 in Zusammenhang gebracht. Im Gegensatz zum Angelman-Syndrom wird es jedoch durch den paternalen Verlust in der Region 15 q11-q13 verursacht. Es ist bei älteren Kindern klinisch eindeutig differenzierbar, hat aber bei Kindern unter zwei Jahren eine klinische Affinität zum Angelman-Syndrom, zum Beispiel hinsichtlich Fütterproblemen während des Säuglingsalters, Muskelhypotonie und Entwicklungsverzögerungen. Durch eine elternteilspezifische DNS-Methylierungs-Analyse kann eindeutig zwischen AS und PWS unterschieden werden.
Rett-Syndrom:
Die Leitsymptome des Rett-Syndroms sind denen des Angelman-Syndroms sehr ähnlich. Nach unauffälliger Schwangerschaft, Geburt und normaler Entwicklung während der ersten sechs bis achtzehn Monate werden die Kinder auffällig durch Mikrozephalus, Entwicklung von Handstereotypien, Gangataxie, fehlende Sprachentwicklung, motorische und mentale Entwicklungsverzögerungen sowie epileptische Anfälle. Da hier ein X-chromosomal dominanter Erbgang zu Grunde liegt, erkranken im Gegensatz zum Angelman-Syndrom ausschließlich Mädchen. Weiterhin ist das Syndrom durch schwerwiegende Abbauprozesse und fehlende soziale Interaktion gekennzeichnet. Zur Differenzierung dienen auch die bei den beiden Syndromen völlig unterschiedlichen EEG-Merkmale.[68]
Zerebrale Bewegungsstörung
Die Infantile Zerepralparese (ICP, CP) ist eine sensomotorische Störung von Haltung und Bewegung durch eine permanente, nicht progrediente Läsion des unreifen Gehirns. Je nach Sitz der Läsion und Art der Bewegungsstörung werden verschiedene Formen der Zerepralparese unterschieden. Besonders die hypoton-ataktische Form der ICP, auch als zentrale Hypotonie oder Ataxie bezeichnet, weist in ihrem Erscheinungsbild Ähnlichkeiten mit dem Angelman-Syndrom auf. Diese sind zum Beispiel muskuläre Hypotonie, deutlich gesteigerte Sehnenreflexe, Störung des Gleichgewichts, motorische Entwicklungsverzögerung, breitbasiges und ataktisches Gangbild und mentale Retardierung. Im Gegensatz zum Angelman-Syndrom sind Krampfanfälle jedoch selten, und einige Auffälligkeiten sind schon zur Geburt ersichtlich, da als Ursache meist eine perinatale Asphyxie angenommen wird.
Mitochondriale Myopathie
Muskelhypotonie, Muskelkrämpfe und eine externe Ophthalmoplegie könnten Hinweise auf einen angeborenen Fehler des Stoffwechsels, wie eine mitochondriale (Enzephalo-) Myopathie geben. Dabei handelt es sich um einen Enzymdefekt auf Grund morphologischer Veränderungen der Mitochondrien, der durch die o. g. Symptome charakterisiert ist und sich biochemisch nachweisen lässt. Überschneidungen mit dem Angelman-Syndrom ergeben sich hinsichtlich der Symptome Hypotonie und Strabismus. Eine Abgrenzung kann hier getroffen werden, da sowohl Blut-, Urin- und Liquorproben, die auf metabolische Störungen untersucht werden, als auch Muskelbiopsie und Elektromyographie (EMG) bei Personen mit AS normale Werte ergeben.
Lennox-Gastaut-Syndrom
Als Lennox-Gastaut-Syndrom wird ein meist zwischen dem zweiten und siebenten Lebensjahr auftretendes Syndrom verstanden, das durch die Kombination verschiedenster Anfallsformen gekennzeichnet ist. Ursächlich kommen Hirnschädigungen unterschiedlicher Art oder neurometabolische Erkrankungen in Betracht. In vielen Fällen kommt es infolge unzureichender Behandelbarkeit zu rasch fortschreitendem geistigen Abbau. Dieses Syndrom wird wahrscheinlich diagnostisch nur beim Auftreten der ersten Anfälle in Erwägung gezogen. Weitere Symptome des Angelman-Syndroms lassen dann sehr schnell eine Differenzierung zu.
Autismus
Häufig wurden und werden Kinder mit AS aufgrund bestimmter Wesensmerkmale, die häufig mit einer Behinderung einhergehen bzw. auf der Grundlage dieser entstehen, als autistisch fehldiagnostiziert.[69] Dabei spielt vermutlich auch die relative Unbekanntheit des Angelman-Syndroms im Gegensatz zur Popularität des autistischen Syndroms eine nicht unerhebliche Rolle.
Autismus ist eine schwere Form einer früh beginnenden tief greifenden Entwicklungsstörung, die kognitive, emotionale, interaktionale, sprachliche und motorische Funktionsdefizite umfasst und vor allem durch eine nicht einfühlbare, schwere Kontaktstörung mit Bevorzugung von unbelebten Gegenständen und ängstlich-zwanghaftem Bedürfnis nach Gleicherhaltung der dinglichen Umwelt sowie zusätzlicher Störung der Kommunikation gekennzeichnet ist. Eine Abgrenzung zum Angelman-Syndrom kann vor allem hinsichtlich der emotionalen Entwicklung sowie der Kommunikation und Interaktion getroffen werden.
Verhaltensstörungen
Es gibt eine ganze Reihe von Verhaltensstörungen, zum Beispiel Stereotypien, Ticstörungen, Hyperkinetisches Syndrom sowie emotionale, reaktive und neurotische Störungen, deren Leitsymptome mit einigen Merkmalen des Angelman-Syndroms assoziieren. Sie treten aber meist isoliert und zeitbegrenzt bzw. zu einem späteren Zeitpunkt der Entwicklung auf.
2.5 Gesundheitsproblematik
Einige medizinische Probleme, die in Zusammenhang mit dem Angelman-Syndrom auftreten, können besondere Aufmerksamkeit erfordern. Dazu zählt in erster Linie die Prävention möglicher Anfälle. Des Weiteren können auch Sehstörungen, Lauf- und orthopädische Probleme, Ernährungsstörungen und Probleme des Magen-Darm-Traktes, Schlafstörungen sowie Hyperaktivität eine medizinische Indikation bedingen. Auf Grund der hypopigmentierten Haut ist besonderer Sonnenschutz notwendig.
Im Folgenden werde ich die derzeit gängigsten medizinischen Maßnahmen bei o. g. Problemen in Anlehnung an Veröffentlichungen der A.S.F. und des Angelman e. V. darstellen:[70]
[...]
[1] Vgl. Angelman: „Puppet“ Children.
[2] Vgl. Wessel: Identifizierung neuer Mikrosatelliten und Segregationsanalysen in der kritischen Region des Angelman-Syndrom-Gens, S. 1.
[3] Vgl. Angelman: personal correspondence, 1991 Nach: A.S.F.(Hrsg.): Facts About Angelman Syndrome, S. 2.
[4] Vgl. Wessel: Identifizierung neuer Mikrosatelliten und Segregationsanalysen in der kritischen Region des Angelman-Syndrom-Gens, S. 1.
[5] Vgl. McKusick et al.: #105830 Angelman Syndrome, S. 1.
[6] Vgl. McKusick et al.: #105830 Angelman Syndrome.
[7] Vgl. ebd.; Vgl. auch Tyler: Genetische Aspekte zur Ätiologie des Angelman Syndroms, S. 8.
[8] Vgl. Wessel: Identifizierung neuer Mikrosatelliten und Segregationsanalysen in der kritischen Region des Angelman-Syndrom-Gens, S. 3-4; Vgl. auch McKusick et al.: #105830 Angelman Syndrome, S. 5.
[9] Vgl. McKusick et al.: #105830 Angelman Syndrome, S. 3.
[10] Vgl. McKusick et al.: #105830 Angelman Syndrome; Vgl. auch Wessel: Identifizierung neuer Mikrosatelliten und Segregationsanalysen in der kritischen Region des Angelman-Syndrom-Gens, S. 2-5.
[11] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome.
[12] Vgl. ebd.
[13] Vgl. Wessel: Identifizierung neuer Mikrosatelliten und Segregationsanalysen in der kritischen Region des Angelman-Syndrom-Gens, S. 4.
[14] Anm.: Die verschiedenen Häufigkeiten sind auf unterschiedliche Studien zurückzuführen. Dies gilt auch für die Häufigkeitsangaben bei den weiteren Verursachungsmechanismen.
[15] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S. 8; Vgl. auch Cassidy et al.: ASHG/ACMG Report, S. 1088; Vgl. auch Celle: The UBE3A Gene and its Role in Angelman Syndrome.
[16] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S. 8.
[17] Vgl. ebd., S. 3.
[18] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S. 8; 11; Vgl. auch Cassidy et al.: ASHG/ACMG Report, S. 1085.
[19] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S. 8; Vgl. auch Cassidy et al.: ASHG/ACMG Report, S. 1088; Vgl. auch Wessel: Identifizierung neuer Mikrosatelliten und Segregationsanalysen in der kritischen Region des Angelman-Syndrom-Gens, S. 4.
[20] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S. 9.
[21] Vgl. A.S.F. (Hrsg.): Facts about Angelman Syndrome S. 3.
[22] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S. 3.
[23] Vgl. Schuffenhauer: Molekulargenetische und zytogenetische Untersuchungen bei Patienten mit Verdacht auf Prader-Willi-Syndrom oder Angelman-Syndrom, S. 138.
[24] Vgl. ebd., S. 9-12.
[25] Vgl. ebd., S. 8; Vgl. auch Celle: The UBE3A Gene and its Role in Angelman Syndrome.
[26] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S. 8.
[27] Vgl. Willams: Genetics 101 of Angelman Syndrome, S. 3.
[28] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S. 9.
[29] Vgl. Celle: The UBE3A Gene and its Role in Angelman Syndrome, S. 3.
[30] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S. 12.
[31] Vgl. ebd.
[32] Vgl. Smith: „What kind of research is being done?“, S. 2.
[33] Vgl. Williams: Genetics 101 of Angelman Syndrome, S. 2.
[34] A.S.F. (Hrsg.): Facts about Angelman Syndrome S. 3.
[35] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S. 11; 13.
[36] Vgl. ebd., S. 9.
[37] Vgl. ebd., S. 12
[38] Vgl. ebd.
[39] Vgl. ebd.
[40] Vgl. Williams: Summary of Scientific Symposium, S. 1.
[41] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S. 12.
[42] Vgl. Williams: Genetics 101 of Angelman Syndrome, S. 3.
[43] Vgl. Wessel: Identifizierung neuer Mikrosatelliten und Segregationsanalysen in der kritischen Region des Angelman-Syndrom-Gens, S. 1.
[44] Vgl. A.S.F. (Hrsg.): Touched by an Angel, S. 2; Vgl. auch Tyler: Genetische Aspekte zur Ätiologie des Angelman Syndroms, S. 8.
[45] Vgl. Tyler: Genetische Aspekte zur Ätiologie des Angelman Syndroms, S. 8.
[46] Vgl. A.S.F. (Hrsg.): Touched by an Angel, S. 1.
[47] Vgl. Alvares und Downing: Survey of Exprecssive Communication Skills in Children with Angelman Syndrome, S. 14.
[48] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S. 6.
[49] Vgl. Wessel: Identifizierung neuer Mikrosatelliten und Segregationsanalysen in der kritischen Region des Angelman-Syndrom-Gens, S. 1.
[50] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome: Consensus for Diagnostic Criteria, S. 238.
[51] Vgl. Neuer-Miebach: Ethische Herausforderungen durch die Verheißung der Gentechnik, S. 6.
[52] Ebd.
[53] Williams et al.: Angelman Syndrome: Consensus for Diagnostic Criteria, eigene Übersetzung.
[54] Vgl. Miller: Elternratgeber S. 3.
[55] Vgl. Tyler: Genetische Aspekte zur Ätiologie des Angelman Syndroms, S. 9; Vgl auch A.S.F. (Hrsg.): Facts about Angelman Syndrome S. 4.
[56] Vgl. Tyler: Genetische Aspekte zur Ätiologie des Angelman Syndroms, S. 9.
[57] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome; Vgl. auch A.S.F. (Hrsg.): Facts about Angelman Syndrome; Vgl. auch Williams et al.: Informationen über das Angelman-Syndrom.
[58] Vgl. Tyler: Genetische Aspekte zur Ätiologie des Angelman Syndroms, S. 7.
[59] Vgl. Tyler: Genetische Aspekte zur Ätiologie des Angelman Syndroms, S. 7; Vgl. auch Wessel: Identifizierung neuer Mikrosatelliten und Segregationsanalysen in der kritischen Region des Angelman-Syndrom-Gens, S. 2.
[60] Vgl. Tyler: Genetische Aspekte zur Ätiologie des Angelman Syndroms, S. 7.
[61] Anm.: An dieser Stelle möchte ich auf das Kapitel „Wertigkeit der Diagnosestellung“ verweisen.
[62] Vgl. Clayton-Smith: Genetic Testing For Angelman Syndrome.
[63] Vgl. Smith: „What kind of research is being done?“, S. 1.
[64] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S.5.
[65] Vgl. Williams et al.: Angelman Syndrome, S. 5.
[66] Vgl. A.S.F. (Hrsg.): Touched by an Angel, S. 1.
[67] Vgl. Tyler: Genetische Aspekte zur Ätiologie des Angelman Syndroms, S. 8.
[68] Vgl. ebd. S. 9.
[69] Vgl. A.S.F. (Hrsg.): Touched by an Angel, S. 1.
[70] Vgl. Williams et al.: Informationen über das Angelman-Syndrom; Vgl. auch A.S.F. (Hrsg.): Facts about Angelman Syndrome.
- Quote paper
- Franziska Waldschmidt (Author), 2001, Die schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Angelman-Syndrom, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20865
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