Kurzfassung
Die vorliegende Masterarbeit geht der Frage nach, inwieweit sich die Sichtweisen einer Lehrkraft und der durch sie unterrichteten Schüler auf den Hausaufgabenprozess unterscheiden. Auf der Grundlage eines Modells zum Hausaufgabenprozess und unter Berücksichtigung bisheriger Forschungsergebnisse sowie relevanter rechtlicher Bestimmungen werden Befunde einer empirischen Studie vorgestellt. Es zeigen sich deutliche Unterschiede in der allgemeinen Wahrnehmung von Hausaufgaben sowie bei der Anzahl der Schüler, die Hausaufgaben bearbeiten und den Lehrererwartungen diesbezüglich. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass die Vergabe bei einem vergleichsweise großen Teil der Schüler nicht zu einer ausreichenden Zweckorientierung führt. Übereinstimmungen konnten bei der Wahrnehmung der inhaltlichen Vergabe sowie der Wahrnehmung des Stellenwertes von Kontrolle und Auswertung festgestellt werden. Ferner ergab die Untersuchung, dass die Hausaufgabenpraxis der teilnehmenden Lehrerin mehr auf ihrer Unterrichtserfahrung, denn auf wissenschaftlichen Befunden basiert.
Abstract
The Master’s Thesis at hand considers the question to what extent the views of a teacher and its class differ concerning the homework process. On the basis of a model for this process and with consideration of previous research as well as legal regulations, results of an empirical study are being presented. Shown are clear differences in the views on the perception of homework in general as well as concerning the number of students that finish their homework and the relating teacher expectations. Furthermore the study found that the assignment of homework does not lead to a sufficient functional orientation with a comparatively high number of students. Agreement was found concerning the perception of the content of the homework assigned as well as the status of homework control and evaluation. In addition the study found that the homework practice of the teacher taking part in the survey was developed on the basis of her teaching experience rather than findings of scientific research.
Inhaltsverzeichnis
Ehrenwörtliche Erklärung
Vorwort
Kurzfassung
Abstract
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Der theoretische Rahmen
2.1 Begriffsklärung
2.2 Das Prozessmodell zur Wirkungsweise von Hausaufgaben
2.3 Hausaufgaben als Bestandteil des schulischen Lernens
2.4 Ergebnisse bisheriger Studien zum Hausaufgabenprozess
2.5 Darstellung der Ziele des Literaturunterrichts
2.6 Aufgabentheorie für den Literaturunterricht
2.7 Zusammenfassung
3 Hausaufgaben im Literaturunterricht einer 8. Klasse
3.1 Ziel und Fragestellung
3.2 Methodisches Vorgehen
3.2.1 Gestaltung der Untersuchung
3.2.2 Beschreibung der Ausgangsbedingungen
3.2.3 Die Unterrichtssequenz in groben Zügen
3.3 Darstellung der Ergebnisse
3.3.1 Wahrnehmung der Unterrichtssequenz durch Lehrer und Schüler
3.3.2 Allgemeine Wahrnehmung von Hausaufgaben
3.3.3 Wahrnehmung von Hausaufgaben im Literaturunterricht
3.3.4 Hausaufgabe 1: Ein Lesetagebuch führen
3.3.4.1 Analyse der Aufgabe
3.3.4.2 Überlegungen zur Auswahl
3.3.4.3 Wahrnehmung der Vergabe
3.3.4.4 Bearbeitung der Aufgabe
3.3.4.5 Einschätzung der Wirkung
3.3.4.6 Zusammenfassung
3.3.5 Hausaufgabe 2: Textarbeit für die Charakteristik der Lieblingsfigur im Roman
3.3.5.1 Analyse der Aufgabe
3.3.5.2 Überlegungen zur Auswahl
3.3.5.3 Wahrnehmung der Vergabe
3.3.5.4 Bearbeitung der Aufgabe
3.3.5.5 Wahrnehmung der Kontrolle und Auswertung
3.3.5.6 Einschätzung der Wirkung
3.3.5.7 Zusammenfassung
3.3.6 Hausaufgabe 3: Wiederholung des Wissens zur Analyse epischer Texte
3.3.6.1 Analyse der Aufgabe
3.3.6.2 Überlegungen zur Auswahl
3.3.6.3 Wahrnehmung der Vergabe
3.3.6.4 Bearbeitung der Aufgabe
3.3.6.5 Wahrnehmung der Kontrolle und Auswertung
3.3.6.6 Einschätzung der Wirkung
3.3.6.7 Zusammenfassung
3.3.7 Hausaufgabe 4: Fertigstellung der schriftlichen Analyse eines Textauszuges
3.3.7.1 Analyse der Aufgabe
3.3.7.2 Überlegungen zur Auswahl
3.3.7.3 Wahrnehmung der Vergabe
3.3.7.4 Bearbeitung der Aufgabe
3.3.7.5 Wahrnehmung der Kontrolle und Auswertung
3.3.7.6 Einschätzung der Wirkung
3.3.7.7 Zusammenfassung
3.3.8 Hausaufgabe 5: Verfassen einer Rezension
3.3.8.1 Analyse der Aufgabe
3.3.8.2 Überlegungen zur Auswahl
3.3.8.3 Wahrnehmung der Vergabe
3.3.8.4 Bearbeitung der Aufgabe
3.3.8.5 Wahrnehmung der Kontrolle und Auswertung
3.3.8.6 Einschätzung der Wirkung
3.3.8.7 Zusammenfassung
3.4 Diskussion
4 Schlussfolgerungen
4.1 Für die Hausaufgabenpraxis von Lehrern und Schülern
4.2 Für weitere Untersuchungen
5 Literaturverzeichnis
6 Anhang
6.1 Grafische Darstellungen der Untersuchungsergebnisse
6.1.1 Wahrnehmung der Vergabe
6.1.2 Bearbeitung der Hausaufgaben
6.1.3 Wahrnehmung der Auswertung im Unterricht
6.2 Fragenkatalog für das Leitfadeninterview mit der Lehrerin
6.3 Fragebogen für die Schülerhand
6.4 Planung der Unterrichtssequenz zu Indigosommer
6.5 Kalendarische Übersicht der Sequenz
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Prozessmodell zur Wirkungsweise von Hausaufgaben
Abbildung 2: Schülerangaben - Hausaufgaben sind für mich
Abbildung 3: Hausaufgabe 2 - Nutzen und Gefallen
Abbildung 4: Hausaufgabe 3 - Nutzen und Gefallen
Abbildung 5: Hausaufgabe 4 - Nutzen und Gefallen
Abbildung 6: Hausaufgabe 5 - Nutzen und Gefallen
Abbildung 7: Verständnis der Hausaufgabe nach der Vergabe
Abbildung 8: Verständnis des Zwecks der Hausaufgabe nach der Vergabe
Abbildung 9: Bearbeitung der Hausaufgaben durch die Schüler
Abbildung 10: Wahrnehmung der Auswertung im Unterricht
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht zum Kompetenzbereich C für den Deutschunterricht
Tabelle 2: Schülerangaben zur Wahrnehmung der Sequenz
Tabelle 3: Schülerangaben zur Belastung durch Hausaufgaben im Allgemeinen
Tabelle 4: Wahrnehmung von Zweck und Einbindung der Hausaufgaben
Tabelle 5: Wahrnehmung der Kontrolle/Auswertung
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich versichere:
- dass ich die Masterarbeit selbständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient habe.
- dass ich dieses Masterthema bisher weder im In- und Ausland zur Begutachtung in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe.
- dass diese Arbeit mit der vom Begutachter beurteilten Arbeit übereinstimmt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Potsdam, 05.07.2012
Ort, Datum Unterschrift
Vorwort
Eine erste Anregung zur Wahl des Themas erhielt ich im Sommersemester 2011, als ich das Seminar „Hausaufgaben“ von Frau Dr. Heidemarie Mickler besuchte. Dort wurde mir die Komplexität der Hausaufgabenproblematik deutlich, die mich dazu anregte, mich weiter mit dem Thema zu beschäftigen.
Während meines Praxissemesters wurde mir dann bewusst, dass Hausaufgaben ein fester, aber selten thematisierter Teil des Unterrichts sind. Diese Erkenntnis motivierte mich dazu, mich noch intensiver mit ihnen zu beschäftigen. Dieser Prozess, der mit dem Abschluss dieser Arbeit sicher noch nicht abgeschlossen ist, war für mich überaus interessant und gewinnbringend.
Ich möchte mich deshalb für ihre besonderen Anregungen, ihre kritische Begutachtung meiner Entwürfe und ihre Unterstützung während des Arbeitsprozesses bei Frau Dr. Heidemarie Mickler und Herrn Dr. Jörg Link bedanken. Des Weiteren gilt mein Dank meiner Mentorin im Praxissemester, die mich nicht nur während des Praktikums hervorragend betreut hat, sondern mir auch bei der Untersuchung zu dieser Arbeit als angenehme Interviewpartnerin bereit stand. Natürlich haben auch die Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse meinen Dank für die Beantwortung des Fragebogens verdient. Abschließend möchte ich mich für die vielen kleinen und großen Unterstützungen und motivierenden Worte bei meiner Familie und meinen Freunden herzlich bedanken.
Kurzfassung
Die vorliegende Masterarbeit geht der Frage nach, inwieweit sich die Sichtweisen einer Lehrkraft und der durch sie unterrichteten Schüler auf den Hausaufgabenprozess unterscheiden. Auf der Grundlage eines Modells zum Hausaufgabenprozess und unter Berücksichtigung bisheriger Forschungsergebnisse sowie relevanter rechtlicher Bestimmungen werden Befunde einer empirischen Studie vorgestellt. Es zeigen sich deutliche Unterschiede in der allgemeinen Wahrnehmung von Hausaufgaben sowie bei der Anzahl der Schüler, die Hausaufgaben bearbeiten und den Lehrererwartungen diesbezüglich. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass die Vergabe bei einem vergleichsweise großen Teil der Schüler nicht zu einer ausreichenden Zweckorientierung führt. Übereinstimmungen konnten bei der Wahrnehmung der inhaltlichen Vergabe sowie der Wahrnehmung des Stellenwertes von Kontrolle und Auswertung festgestellt werden. Ferner ergab die Untersuchung, dass die Hausaufgabenpraxis der teilnehmenden Lehrerin mehr auf ihrer Unterrichtserfahrung, denn auf wissenschaftlichen Befunden basiert.
Abstract
The Master’s Thesis at hand considers the question to what extent the views of a teacher and its class differ concerning the homework process. On the basis of a model for this process and with consideration of previous research as well as legal regulations, results of an empirical study are being presented. Shown are clear differences in the views on the perception of homework in general as well as concerning the number of students that finish their homework and the relating teacher expectations. Furthermore the study found that the assignment of homework does not lead to a sufficient functional orientation with a comparatively high number of students. Agreement was found concerning the perception of the content of the homework assigned as well as the status of homework control and evaluation. In addition the study found that the homework practice of the teacher taking part in the survey was developed on the basis of her teaching experience rather than findings of scientific research.
1 Einleitung
Hausaufgaben bestimmen den Schulalltag von Schülern, Lehrern und oftmals auch die Feierabendzeit der Eltern. Dabei stellen sich zumindest die Schüler nachmittags wahrscheinlich oft die Frage, warum sie schon wieder Hausaufgaben machen müssen und dazu so manches Mal nicht wissen, was ihr Lehrer von ihnen erwartet.
Diese und andere mit dem Hausaufgabenprozess verbundene Fragen und Probleme wurden insbesondere seit dem letzten Jahrzehnt von Hausaufgabenforschern unter Einbeziehung der Wahrnehmung aller Beteiligten zu beantworten versucht. Dabei kam man zum einen zu der Ansicht, dass qualitativ hochwertige Hausaufgaben sich positiv auf den Lernstand eines Schülers auswirken können, zum anderen bei dem gesamten Prozess aber auch die Hausaufgabenpraxis von Lehrern und Schülern eine entscheidende Rolle spielt. Untersuchungen dieses unterschiedlichen Umgangs mit Hausaufgaben wurden häufig mit großen Personengruppen durchgeführt, was oft zu sehr allgemeinen Ergebnissen führte. Darüber hinaus wurden äußerst selten die Hausaufgaben selbst zum Teil der Untersuchung gemacht. Auch für den Deutschunterricht existiert eine entsprechende Studie bisher nicht, weshalb in dieser Arbeit – in Bezug auf eine konkrete Unterrichtssequenz – der Frage nachgegangen werden soll, inwieweit sich die Sichtweisen eines Lehrers und der durch ihn unterrichteten Schüler auf den Hausaufgabenprozess unterscheiden.
Als Grundlage für ein Verständnis von Hausaufgaben dient das von Britta Kohler (2011) entwickelte Prozessmodell zur Wirkungsweise von Hausaufgaben. Entsprechend seiner Einteilung des Hausaufgabenprozesses wird nach einer Darstellung der fachwissenschaftlichen und rechtlichen Grundlagen die Hausaufgabenpraxis einer Lehrerin und einer durch sie unterrichteten 8. Klasse untersucht und gegenübergestellt. Dazu wurde mit der Lehrerin ein Leitfadeninterview geführt und die Wahrnehmung der Schüler wurde mittels Fragebogen festgestellt. Für die Auswertung der Daten werden zuerst die allgemeine Einstellung zu Hausaufgaben sowie die Wahrnehmung der Sequenz dargestellt. Im Anschluss daran werden die Untersuchungsergebnisse der fünf nach Auswahl, Vergabe, Bearbeitung, Auswertung und Wirkung erforschten Hausaufgaben der Chronologie der Sequenz entsprechend dargestellt, um etwaige Bezüge zwischen ihnen darstellen zu können. Nach der anschließenden Diskussion der Daten in Bezug auf die Forschungsfrage werden Schlussfolgerungen für die Hausaufgabenpraxis von Lehrern und Schülern im Literaturunterricht gezogen.
Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen als Versuch einer genaueren Auseinandersetzung mit dem Hausaufgabenprozess im Literaturunterricht verstanden werden, die mittels der durchgeführten Studie nur die Sichtweisen eines begrenzten Personenkreises und dies nur in Bezug auf eine Unterrichtssequenz bereitstellen kann. Somit versteht sich diese Arbeit ferner als Anregung für eine weiterführende Untersuchung des Hausaufgabenprozesses nicht nur im Literaturunterricht, sondern auch der Fachdidaktik Deutsch im Allgemeinen.
2 Der theoretische Rahmen
2.1 Begriffsklärung
Klärung des Hausaufgabenbegriffs
Als Hausaufgaben werden jene Aufgaben verstanden, die von einer Lehrkraft unter einer bestimmten didaktischen und/oder pädagogischen Zielsetzung erteilt werden, um von den Schülern außerhalb des Unterrichts, also zumeist zuhause, bearbeitet zu werden (vgl. Kohler, 2011, 204).
Hausaufgabenprozess
Nach Kohler (2011) werden alle Bearbeitungsschritte einer Hausaufgabe von der Auswahl bis zur Auswertung als Prozess verstanden, an dem Lehrer und Schüler gleichermaßen beteiligt sind.
Hausaufgabenpraxis
Der Begriff Hausaufgabenpraxis wird im Zusammenhang mit dieser Arbeit als der individuelle Umgang mit Hausaufgaben verstanden. Daraus lässt sich ableiten, dass die Einstellung zu und die Art der Handhabung von Hausaufgaben auf Lehrer- und Schülerseite und darüber hinaus auch bei jedem Einzelnen sehr unterschiedlich sein können.
2.2 Das Prozessmodell zur Wirkungsweise von Hausaufgaben
Basierend auf dem „Angebots-Nutzungs-Modell der Wirkungsweise des Unterrichts“ von Helmke aus dem Jahre 2009 erstellte Britta Kohler ein ähnliches Modell für den Hausaufgabenprozess (vgl. Abbildung 1, S. 12). Dieses Modell ist deshalb sehr hilfreich für die Entwicklung eines Verständnisses von Hausaufgaben, weil es die Arbeit an und mit ihnen als einen Prozess versteht, der vielfältigen Einflüssen unterliegt.
Im Zentrum des Modells stehen die verschiedenen Arbeitsschritte, welche eine Hausaufgabe auf Lehrer- und Schülerseite durchlaufen kann. Sie umfassen die Situationen der Auswahl und der Vergabe, der Bearbeitung sowie der Kontrolle und Auswertung von Hausaufgaben. Jede dieser Situationen wird wiederum beeinflusst durch verschiedene Kriterien und Merkmale, die von Lehrern und Schülern gleichermaßen abhängen und dem Hausaufgabenprozess somit eine höchst individuelle Grundlage geben. Ein weiterer Vorteil dieses Modells besteht in der Darstellung des Hausaufgabenprozesses als Ereigniskette, die zwar zur Erreichung einer bestimmten Wirkung führen kann, es aber nicht zwangsläufig muss. So kann es vorkommen, dass eine ausgewählte Hausaufgabe aufgrund einer neuen Entwicklung im Unterricht nicht erteilt wird oder Hausaufgaben, die erteilt werden, vom Schüler nicht bearbeitet werden (vgl. Kohler, 2011, 212).
Als wichtig hervorzuheben ist, dass der Hausaufgabenprozess in diesem Modell nicht nur als Entwicklungskette, sondern auch als Kreislauf gelesen werden kann. Kohler stellt fest, dass die Bearbeitungskette auf unterschiedlichste Weise unterbrochen werden kann (vgl. ebd.), was bedeutet, dass die Wirkungen einer Hausaufgabe am Ende entweder erzielt werden oder nicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Prozessmodell zur Wirkungsweise von Hausaufgaben[1]
In jedem Fall wirkt sich dieses Erreichen oder nicht Erreichen des gewünschten Ziels aber auf den weiteren Unterricht aus, denn der mit einer Hausaufgabe verbundene Erfolg oder auch Misserfolg kann das Hausaufgabenverhalten von Lehrern und Schülern beeinflussen und Aspekte des Angebots oder der Nutzung verändern. Bearbeitet bspw. eine überdurchschnittliche Anzahl von Schülern eine Hausaufgabe nicht wie gefordert, kann dies eine Abweichung vom geplanten Unterrichtsverlauf herbeiführen und den Lernprozess somit direkt beeinflussen.
Da das Modell von Kohler in dieser Arbeit die Grundlage für das Verständnis des Hausaufgabenprozesses und seiner Untersuchung darstellt, erweist sich eine detaillierte Untersuchung der einzelnen Situationen im Hausaufgabenprozess als gleichermaßen notwendig und vorteilhaft.
Am Beginn des Prozesses steht die Auswahl der jeweiligen Aufgabe. Kohler (vgl. ebd., 212) weist darauf hin, dass Auswahl und Vergabe einer Hausaufgabe mitunter zwar im selben Moment stattfinden können, in einer Analyse aufgrund ihrer unterschiedlichen Intentionen und Kategorien zur genaueren Beschreibung, jedoch getrennt zu betrachten sind. Demzufolge seien für die Auswahl einer Hausaufgabe besonders Überlegungen zur Funktion der Aufgabe im Lernprozess von Bedeutung, während bei der Vergabe z.B. eher die Klarheit des Arbeitsauftrages oder die Motivierung der Schüler durch den Lehrer eine Rolle spielten.
Die Bearbeitung obliegt allein dem Schüler, dessen individuelle Einstellung zum Thema Hausaufgaben und auch Lernen im Allgemeinen einen wesentlichen Faktor für die Nutzung eines Hausaufgabenangebotes darstellen. Erfüllt ein Schüler die von Kohler in diesem Zusammenhang aufgeführten Kriterien, z.B. gute zeitliche, soziale oder materielle Ressourcen, hohe Motivation oder einen hohen Anspruch an sich selbst, so wird er Hausaufgaben eher bearbeiten als ein Schüler, bei dem dies nicht der Fall ist (vgl. Abbildung 1, S. 12).
Die Kontrolle und Auswertung sind nach Kohlers Verständnis (vgl. Kohler, 2011, 212) ebenso eng verknüpft, wie die Auswahl und Vergabe. Der Begriff Kontrolle bezieht sich im Hausaufgabenprozess lediglich auf die Überprüfung der Angebotsnutzung durch die Schüler. Die Auswertung geht über die bloße Prüfung des Vorhandenseins einer Hausaufgabe insofern hinaus, als dass hier auch die inhaltliche Richtigkeit der Aufgabenlösungen thematisiert wird.[2]
2.3 Hausaufgaben als Bestandteil des schulischen Lernens
Hausaufgaben sind nicht mehr nur ein Thema, das Lehrern, Schülern und auch Eltern im schulischen Umkreis begegnet, sondern das seit einiger Zeit auch in den Medien diskutiert wird.[3] Dabei geht es oft um die Belastungen, die von Hausaufgaben ausgehen. Eltern erhalten Hinweise, wie sie ihre Kinder richtig unterstützen können, Lehrer äußern sich zur Notwendigkeit von Hausaufgaben und über allem steht die Frage, ob sie wirklich nützlich sind. Auch in der Fachliteratur wird diskutiert, ob die Verlagerung der Zeit für Übungen in den häuslichen Bereich wirklich sinnvoll ist. Durch die Bearbeitung außerhalb der Schule würde zwar Zeit eingespart, die unter Umständen bei der ausführlichen Auswertung in der nächsten Stunde jedoch wieder verloren ginge (vgl. Unger, 2009, 163f.). Die öffentlichen und fachlichen Diskussionen zeigen aber, dass Hausaufgaben, trotz der bestehenden Fragen, ein fester Bestandteil des schulischen Lernens sind und auch ihre Einbindung in die Schulgesetze der Bundesländer bestätigt dies.
Die rechtlichen Bestimmungen des Landes Brandenburg regeln den Umgang mit Hausaufgaben in einigen Bereichen. Von besonderer Bedeutung sind der Punkt 5 der Verwaltungsvorschriften zum Schulbetrieb vom 29.06.2012 und der Punkt 11 der Verwaltungsvorschriften zur Leistungsbewertung vom 21.07.2011. Demzufolge sind Hausaufgaben im Land Brandenburg als Ergänzung „schulische[r] Arbeit im erforderlichen Umfang“ (VV Schulbetrieb vom 29.06.2012) zu verstehen, deren Nutzen in der Festigung von Unterrichtsinhalten sowie in der Vorbereitung folgender Stunden besteht. Ferner wird der zeitliche Umfang festgelegt, indem Schüler entsprechend ihrer Jahrgangsstufe mit Hausaufgaben belastet werden dürfen. In der Sekundarstufe I beläuft sich diese Zeit auf höchstens 90 Minuten pro Tag. Für die Sekundarstufe II gibt es keine genauen Richtwerte, hier wird die Einschätzung des nötigen Umfangs den Lehrkräften überlassen. Bezüglich der Vergabe wird lediglich reguliert, wann sie nicht erfolgen darf. Dies beinhaltet z.B. die Vergabe von Freitag zu Montag oder über freie Tage bzw. Ferien (vgl. VV- Schulbetrieb vom 29.06.2011).
Hausaufgaben werden überdies auch im Zusammenhang mit Leistungsbewertung in den Verwaltungsvorschriften genannt. Dort wird festgelegt, dass diese in den Unterricht einzubeziehen sind und ihre Anfertigung regelmäßig zu überprüfen ist (vgl. VV- Leistungsbewertung vom 21.07.2011). Für die Bewertung stehen Hausaufgaben nur in den Fällen zur Verfügung, in denen die mit ihnen verbundene Leistung in der Schule dargeboten oder zum Gegenstand einer Leistungsüberprüfung gemacht wird. Des Weiteren muss die Leistung dem Schüler entweder eindeutig zugeordnet werden können oder die Möglichkeit der Unterstützung durch Dritte in der Gewichtung der Note berücksichtigt werden (vgl. ebd.).
Dass es in diesem Rahmen neben den gesetzlichen Regelungen keine weiteren Hinweise zur konkreten Gestaltung des Hausaufgabenprozesses gibt, könnte laut Cooper/Valentine (2001, 143) an den teilweise stark widersprüchlichen oder schwer zu verallgemeinernden Ergebnissen der Hausaufgabenforschung liegen.
Im Vergleich wesentlich greifbarer und hilfreicher für die Optimierung des Hausaufgabenprozesses erscheinen die Empfehlungen von Alois Niggli, der mit einer im Internet frei erhältlichen Broschüre Hinweise für Lehrkräfte zur Verfügung stellt, die ihre Hausaufgabenpraxis reflektieren und/oder verändern möchten. Als Grundlage für den erfolgreichen Umgang mit Hausaufgaben stehen für ihn sieben Eckpfeiler:
1. Eine vom Lehrerkollegium regelmäßig reflektierte Hausaufgabenkultur,
2. die Nutzung von Hausaufgaben als positive Verbindung von Schule und Elternhaus,
3. die regelmäßige Erteilung eher kurzer Hausaufgaben,
4. den Schülern durch „denkanregende Hausaufgaben“ (ebd.) die Möglichkeit zu geben, den Unterricht vorzubereiten,
5. eine sorgfältig vorgenommene Differenzierung,
6. die Kommunikation über Hausaufgaben zwischen Lehrern und Schülern,
7. der Verzicht auf die Einbindung der Eltern in die Hausaufgabenbearbeitung (vgl. Niggli u.a., 2009, 34).
Diese Handreichung ist deshalb hilfreich, weil die hier beschriebenen Maßnahmen für die Verbesserung der Hausaufgabenpraxis von den Autoren als Konsequenzen aus aktuellen Forschungsergebnissen abgeleitet wurden (vgl. dazu auch Punkt 2.4 in dieser Arbeit). Im Gegensatz zu den gesetzlichen Regelungen wird den Lehrkräften hier ein Leitfaden für den Umgang mit Hausaufgaben gegeben, der zwar allgemein genug ist, um ihn auf alle Fächer anwenden zu können, gleichzeitig aber genug konkrete Hinweise enthält, um für Lehrkräfte umsetzbar zu sein.
2.4 Ergebnisse bisheriger Studien zum Hausaufgabenprozess
Dieser Abschnitt setzt sich in konzentrierter Form mit bisherigen Forschungsergebnissen zum Hausaufgabenprozess auseinander. Es werden Erkenntnisse dazu gesammelt, welche Überlegungen auf Lehrerseite zur Vergabe einer Hausaufgabe führen können und welche Rolle die Qualität der Aufgabenstellung für ihre Wirkung spielt. Darüber hinaus werden Ergebnisse zu Einflussfaktoren auf das Hausaufgabenverhalten von Schülern sowie dem Verhalten von Lehrern und Eltern während der Begleitung des Hausaufgabenprozesses dargestellt.
In einer Zusammenfassung vorangegangener Untersuchungen dazu, zu welchen Zwecken Hausaufgaben erteilt werden, stellten Epstein und Van Voorhis (2001, 182f.) zehn mögliche Motive für die Vergabe von Hausaufgaben fest, von denen fünf im Folgenden kurz näher betrachtet werden.
- Übung, d.h. die Schüler bekommen die Möglichkeit, im Unterricht Erlerntes zuhause zu festigen, den Arbeitsprozess an einer Aufgabe zu beschleunigen, bereits erlangte Fähigkeiten aufrecht zu erhalten oder sich auf Leistungserfassungen vorzubereiten.
- Vorbereitung, d.h. die Hausaufgaben werden genutzt, um sicher zu gehen, dass die Schüler auf die nächste Stunde vorbereitet sind. Dies schließe auch die Fertigstellung im Unterricht unvollendet gebliebener Aufgaben oder die Festigung neuen Wissens in Vorbereitung auf die Anwendung in der nächsten Stunde ein.
- Beteiligung am Lernprozess, d.h. Hausaufgaben tragen dazu bei, die Schüler am Lernen zu beteiligen, sodass sie sich aktiv am Unterrichtsgeschehen beteiligen können.
- Persönliche Entwicklung, d.h. Hausaufgaben dienen der Herausbildung von Verantwortung, Ausdauer, Zeitmanagement, Selbstbewusstsein, aber auch der Anerkennung von Schülerfähigkeiten, die im Unterricht selbst nicht direkt einbezogen werden können.
- Zusammenarbeit der Lerngruppe, d.h. die Stärkung von Zusammenarbeit durch Hausaufgaben, um die Schüler dazu anzuregen, sich gegenseitig zu motivieren und von einander zu lernen. So könnten Freunde und Mitschüler zusammen an kurz- oder langfristigen Aufgaben arbeiten oder sich zusammen auf Tests oder Klassenarbeiten vorbereiten.
Darüber hinaus könnten Hausaufgaben der Eltern-Kind-Beziehung, der Eltern-Lehrer-Kommunikation oder als Strafmaßnahme dienen. Diese Aspekte erscheinen, ebenso wie die Erteilung von Hausaufgaben, um gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen oder die Öffentlichkeitsarbeit der Schule zu unterstützen, jedoch entweder für das deutsche Bildungssystem eher untypisch oder sind für diese Arbeit irrelevant.
In der Forschung hat sich mittlerweile ein Konsens darüber gefunden, dass Hausaufgaben nur dann wirksam für die Unterstützung des Lernprozesses sein können, wenn sie eine entsprechende Qualität aufweisen. Mit Bezug auf Hascher/Hofmann (2011, 222) können, bisherigen Studien gemäß, folgende Qualitätskriterien festgestellt werden:
- Zeitnutzung, Art, Umfang und Häufigkeit der zu lösenden Hausaufgaben;
- Aufgabenstellung und Integration der Hausaufgaben in den Unterricht;
- Instruktionsqualität der Lehrperson bzgl. Hausaufgabenerteilung;
- Hausaufgabenstil und -engagement der Schüler und Schülerinnen;
- Unterstützung durch Eltern und häusliche Lernumgebung;
- Transferforderungen in der Situation der Leistungsüberprüfung.
Des Weiteren lassen sich laut Standop (vgl. 2011, 237) auf der Grundlage verschiedener Studien Zusammenhänge zwischen dem Lernerfolg durch Hausaufgaben und ihrer Qualität feststellen. Demzufolge kann der Lernerfolg (laut Studien bezogen auf den Mathematikunterricht, vgl. Lipowsky u.a., 2004) höher ausfallen, wenn die Schüler bei der Aufgabenbearbeitung über etwas Neues nachdenken müssen. Für die Auswertung sei darüber hinaus wichtig, dass die bloße Kontrolle mit inhaltlichen Rückmeldungen einhergeht und die Aufgaben prozessorientiert ausgewertet werden, also der Lösungsweg thematisiert oder auf Fehler eingegangen wird. Für die Aufgabenbearbeitung sei es von Bedeutung, dass Schüler Hausaufgaben kontinuierlich, gewissenhaft und regelmäßig erledigen, um von ihnen profitieren zu können.
Mit der Qualität eng verbunden sind auch der Umfang und die Häufigkeit der Vergabe von Hausaufgaben. Dazu fanden Cooper u.a. (vgl. 1998, 82) heraus, dass sich besonders bei jüngeren Schülern die häufige Gabe von Hausaufgaben negativ auf die Wahrnehmung dieser auswirkt und die Wahrscheinlichkeit, dass Schüler höherer Klassenstufen ihre Hausaufgaben vollenden, geringer wird, je mehr Hausaufgaben ihnen erteilt werden. Demzufolge müssten die Hausaufgaben an die Entwicklung der Schüler angepasst werden. Ergänzend dazu stellte Trautwein fest, dass nicht der Umfang einer Hausaufgabe ihre positive Auswirkung auf den Leistungszuwachs bestimmt, sondern die Häufigkeit, mit der Hausaufgaben generell erteilt werden (vgl. Trautwein, 2008, 566). Es ist also sinnvoller, öfter kleinere Hausaufgaben zu erteilen, als den Schülern eher selten umfangreiche Aufgaben zur Bearbeitung mitzugeben. Als Konsequenz ist festzuhalten, dass die Hausaufgabenpraxis des Lehrers die Effektivität der Hausaufgaben beeinflusst.
Entscheidend für die Bearbeitung ist das Hausaufgabenverhalten jedes Schülers. Ein von Trautwein u.a. (2006) vorgestelltes Modell zur Vergabe und Erledigung von Hausaufgaben stellt die Schülereigenschaften sowie die Erwartungen an und die Einschätzung des Nutzens von einer Hausaufgabe als wesentliche Einflussfaktoren auf die Bearbeitung von Hausaufgaben dar. Es spielen zum einen Geschlecht, kognitive Fähigkeiten und Gewissenhaftigkeit eine Rolle, zum anderen sind die Erwartung, eine Hausaufgabe meistern zu können und das wahrgenommene Verhältnis von Nutzen und Aufwand einer Hausaufgabe wesentlich dafür, ob ein Schüler motiviert ist, sie zu bearbeiten oder nicht (vgl. Trautwein u.a., 2006, 439f.). Für das fachbezogene Hausaufgabenverhalten seien darüber hinaus „time on task, homework effort, and learning strategies (cognitive and metacognitive)“ (ebd.) entscheidend. Dies bedeutet, dass die für Hausaufgaben verwendete Zeit, also der Zeitraum der konzentrierten Bearbeitung, den Lerneffekt beeinflusst. Darüber hinaus spielt die Anstrengungsbereitschaft der Schüler, die auch das Regelverständnis und Hausaufgabenengagement der Kinder und Jugendlichen umfasst, eine tragende Rolle (vgl. ebd.).
Auch die Betreuung, die den Schülern während des Hausaufgabenprozesses geboten wird, beeinflusst ihre Wirkung. So konnten Cooper u.a. (1998, 82) feststellen, dass Hausaufgaben in jüngeren Klassen das selbständige Lernen fördern können. Die Autoren fügen hier an, dass dies insbesondere der Fall sei, wenn entsprechende Strategien im Unterricht thematisiert werden. Hausaufgaben nutzen dem Lernfortschritt der Schüler also erst, wenn sie ein Verständnis dafür entwickelt haben, wie sie selbständig am effektivsten lernen können.
Bezüglich der Lehrerrolle bei der Auswertung von Hausaufgaben stellte Niggli (vgl. 2010, 50) fest, dass nicht die Erledigungskontrolle, sondern die prozessorientierte Besprechung der Hausaufgaben für die Lernentwicklung besonders förderlich ist. Aus Elternsicht ist eine gute Hausaufgabenbetreuung (insbesondere in der offenen Ganztagsschule) dadurch gekennzeichnet, dass Schülern bei Verständnisfragen geholfen wird, sie auf Fehler in den Hausaufgaben hingewiesen werden, für eine ruhige Arbeitsatmosphäre gesorgt wird, Schüler lernen, selbständig zu arbeiten und ihre Hausaufgaben in der vorgegebenen Zeit vollständig zu erledigen (vgl. Haag/Brosig, 2011, 308).
Die direkte Einbeziehung der Eltern in die Betreuung der Hausaufgabenbearbeitung wird in der Forschung zwiespältig betrachtet. Trautwein weist darauf hin, dass elterliche Unterstützung in Bezug auf Hausaufgaben sowohl positive, als auch negative Effekte haben kann. Dabei würde eher nicht wünschenswertes elterliches Hausaufgabenverhalten häufig durch die Wahrnehmung der Schülerleistung als unzureichend ausgelöst und manifestiere sich bspw. in „einer primär ergebnisorientierten Unterstützung über fehlerhafte inhaltliche Erklärungen bis hin zu unnötigen Einmischungen, negativen Rückmeldungen und kontrollierenden Verhaltensweisen“ (2008, 571). Darüber hinaus zeigen Haag/Brosig (vgl. 2008, 308), dass elterliche Unterstützung von der Klassenstufe des Kindes abhängig ist. Generell zeigt die Forschung ihrer Ansicht nach, dass Eltern sich mit der Hausaufgabenbetreuung überfordert sehen. Es ist also davon auszugehen, dass die Betreuung des Hausaufgabenprozesses eher durch Lehrer und anderes pädagogisch geschultes Personal vorgenommen werden sollte.
Es ist auffällig, dass bisherige Studien zum Hausaufgabenprozess ihren Schwerpunkt auf die Untersuchung langfristiger Entwicklungen (vgl. Wild/Gerber, 2007) oder großer Schüler- und Lehrerzahlen gelegt haben. Konkrete Untersuchungen zu Hausaufgaben in Zusammenhang mit einem bestimmten Fach hat es bisher nur in Mathematik oder Fremdsprachen gegeben (vgl. Lipowsky u.a., 2004 bzw. Schnyder u.a., 2008). Es ist deshalb nötig, in einem folgenden Schritt die grundlegenden Ziele des Literaturunterrichts, der im Fokus dieser Arbeit steht, zu klären.
2.5 Darstellung der Ziele des Literaturunterrichts
Die im empirischen Teil dieser Arbeit thematisierte Unterrichtssequenz bezieht sich auf die Behandlung eines Jugendromans. Aus diesem Grund ist die folgende Darstellung der Ziele des Literaturunterrichts beschränkt auf eine kurze Zusammenfassung der Kompetenzbereiche insgesamt und setzt sich danach mit den konkreten Anforderungen der Standards für den Umgang mit literarischen Texten in der 8. Klasse auseinander.
Der Deutschunterricht verfolgt die Ausbildung verschiedener Kompetenzbereiche, von denen alle auch für den Umgang mit Literatur von Bedeutung sind. Auch wenn im Rahmenlehrplan des Landes Brandenburg für das Fach Deutsch in der Sekundarstufe I keine Unterscheidung zwischen Literatur- und Sprachunterricht getroffen wird, lassen sich anhand der beschriebenen Kompetenzen und Standards die Ziele des Literaturunterrichts herausarbeiten.
Die fachbezogenen Kompetenzen umfassen:
- Lesen – mit Texten und Medien umgehen: im weitesten Sinne die Entnahme von Informationen aus verschiedenen Text- und Medienarten unter der Anwendung der entsprechenden Lesestrategien und -techniken.
- Schreiben: im weitesten Sinne die Fähigkeit, Texte „eigenständig, zielorientiert, situations- und adressatengerecht zu verfassen und sprachlich differenziert zu gestalten“ (MJBS, 2008, 13). Dazu gehören auch der bewusste Einsatz stilistischer Mittel sowie die Reflexion des Schreibprozesses.
- Sprechen und Zuhören: umfasst die bewusste Wahrnehmung und Anwendung mündlicher Kommunikation unter Beachtung der gültigen gesellschaftlichen Konventionen. Besonders für den Literaturunterricht von Bedeutung ist die Fähigkeit, literarische Texte wirkungsvoll vorzutragen.
- Sprachwissen und Sprachbewusstsein entwickeln: bezieht sich in erster Linie auf die Herausbildung von Kenntnissen zum Sprachsystem und dessen Entwicklung sowie die Reflexion der eigenen Sprachverwendung. Für den Literaturunterricht ist dies insofern von Bedeutung, als dass literarische Texte immer auch als Formen der Sprachverwendung betrachtet werden können und somit Auskunft über den Status oder die Entwicklung dieser geben können.
Die Standards für die Doppeljahrgangsstufe 7/8 sehen für den Umgang mit literarischen Texten einige Schwerpunkte vor. Im Themenbereich B Texte schreiben, gestalten und präsentieren umfassen diese die Verwendung von Lesestrategien und -techniken sowie die Untersuchung literarischer Texte in Bezug auf ihre Genremerkmale und Gestaltungsmöglichkeiten. Darüber hinaus sollen Schüler der 8. Klasse über Texte schreiben und literarische Texte produktionsorientiert und kreativ schreiben und gestalten können (vgl. ebd., 52).
Zusätzlich sind die Vorgaben im Kompetenzbereich C für die Auseinandersetzung mit literarischen Texten von besonderer Bedeutung (vgl. Tabelle 1, S. 21). In dieser Übersicht wird die Vielschichtigkeit der Anforderungen, die im Zusammenhang mit dem Umgang mit literarischen Texten stehen, besonders deutlich. Schüler müssen über eine Vielzahl von Kompetenzen verfügen, um den Ansprüchen gerecht werden zu können. Da diese dem Schüler im Unterricht in Form von Aufgabenstellungen dargeboten werden, wird für die weitere Beschäftigung mit diesem Komplex ein Modell zur Analyse von Aufgabenstellungen im Literaturunterricht vorgestellt.
Tabelle 1: Übersicht zum Kompetenzbereich C für den Deutschunterricht[4]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.6 Aufgabentheorie für den Literaturunterricht
Unabhängig davon, ob sie während des Unterrichts oder zuhause erledigt werden, Aufgaben sind ein Grundbestandteil jedes Unterrichts. Genauer definiert werden können sie als didaktische oder methodische Entscheidungen, die in ihrer Form den Charakter einer Handlungsanweisung oder eines -vorschlages für die Schüler haben (vgl. Leubner u.a., 2010, 183). Im Fach Deutsch dienen sie darüber hinaus der Operationalisierung der an das Fach geknüpften Kompetenzerwartungen und Standards (vgl. Abraham/Kepser, 2009, 260).
Um eine theoretisch fundierte Analyse von Aufgaben zu ermöglichen, haben Leubner u.a. (2010, 183ff.) ein Aufgabenmodell für den Literaturunterricht entworfen. Dieses wird im Folgenden beschrieben und im Punkt 3.3 als Grundlage für die Analyse der Aufgabenstellungen verwendet. Die Analyse einer Aufgabe erfolgt in diesem Modell anhand verschiedener Gesichtspunkte. Diese umfassen Format und Lenkungsgrad der Aufgabe, die angesprochenen (Teil-)Kompetenzen des Textverstehens, die erforderliche Methode, die Phasierung und den Schwierigkeitsgrad der Aufgabe.
Durch das Format wird die Textmenge reguliert, die für die Bearbeitung einer Aufgabe erforderlich ist. Bei Aufgaben im geschlossenen Format erfolgt keine Textproduktion, sondern die Auswahl oder Zuordnung vorgegebener Aussagen (z.B. Multiple Choice). Halboffene Aufgaben erfordern die Formulierung von Stichpunkten oder kurzen Sätzen oder das Ausfüllen von Lückentexten. Offene Aufgaben verlangen dagegen immer nach der Produktion eines mehr oder weniger umfangreichen Textes (vgl. ebd., 185ff.).
Der Lenkungsgrad ist eng mit dem Format verbunden und beeinflusst, „in welchem Maße die Lösung für eine Aufgabe von den Schülern selbständig gefunden werden soll. Dabei können Aufgaben (eher) nichtlenkend oder (eher) lenkend sein“ (ebd., 187). Lenkung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Den Schülern kann angegeben werden, welche Analysekategorien sie verwenden sollen oder die Aufgabenstellung enthält Hinweise auf wichtige Textstellen. Auch die Vorgabe von Teilergebnissen der Analyse bzw. Interpretation oder die Vorgabe von Hypothesen, die überprüft werden sollen, können als Lenkung verstanden werden. Im Gegensatz dazu müssen die Schüler bei nichtlenkenden Aufgaben selbständig entscheiden, welches Wissen sie zur Bearbeitung der Aufgabe benötigen (vgl. ebd., 188).
[...]
[1] Abbildung entnommen aus: Kohler, 2011, S. 211.
[2] Auch wenn in der Literatur und im Schulalltag Kontrolle und Auswertung von Hausaufgaben oftmals synonym verwendet werden, folgt diese Arbeit dem Verständnis von Kohler und trennt beide Situationen voneinander.
[3] Allein eine am 22.06.2012 auf der Internetseite der Zeitschrift FOCUS durchgeführte Suche nach dem Schlagwort „Hausaufgaben“ ergab für den Bereich Schule 292 Treffer.
[4] Tabelle entnommen aus: MJBS, 2008, 53.
- Citation du texte
- Janine Börstler (Auteur), 2012, Der Hausaufgabenprozess aus Lehrer- und Schülersicht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208378
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