Wenn man sich heutzutage in der sich auf den EU-Beitritt vorbereitenden Türkei auf die Spuren der legendären Bagdadbahn macht, so wird man dort wohl nur noch von den älteren Generationen brauchbare Auskünfte über das einstige Mammutvorhaben bekommen. Was früher von den Engländern als akute Gefährdung Indiens gefürchtet, von Russland entgegen der eigenen Ziele um die strategisch wichtigen Meerengen wegen der Stärkung der Türkei verpönt, von Frankreich nur zeitweise widerwillig unterstützt, von der Türkei selbst als Strohhalm zur Erhaltung des porösen Staates angesehen und von Deutschland zu einem Symbol von Weltmachtstellung heraufstigmatisiert wurde, ist für die heutige Bevölkerung des ehemaligen Konstantinopels und des anatolischen Hinterlandes weitgehend ohne Belang. Der oft liegen bleibende Zug in Richtung Morgenland gleicht vielmehr einem „Gespenster-Expreß“ und die so genannten Posta Treni (Postzüge) verkehren nur schleppend auf den maroden Krupp-Schienen. Kaum zu glauben, dass das mittlerweile vollkommen unrentable Transportsystem Anfang des letzten Jahrhunderts in Medien, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft für dermaßen Furore sorgte, dass ihm später (ob berechtigt oder nicht) sogar eine Teilschuld am Kriegsausbruch im Juli 1914 gegeben wurde. In einer Hochphase des Kolonialismus war die Lokomotive, die einen „new short cut to the East“ eröffnete, reinster Zündstoff im leicht entflammbaren Konglomerat fiebriger Gemüter und Mentalitäten, welche die Atmosphäre in Europa und an seiner Peripherie erhitzten. Was zu jener Zeit nicht alles debattiert wurde: Die deutschen Gazetten proklamierten den Drang nach Osten, wohingegen in England eine aggressive, ebenso hartnäckige und als „anti-german fever“ bekannte Pressekampagne gegen selbiges Vorhaben lief, welche so einflussreich war, dass sie selbst den 1903 amtierenden Premierminister Balfour zu einer Kehrtwende in Fragen der Beteiligung an dem deutschen Bahnprojekt zwang. Gerade für das wilhelminische Deutschland und das edwardianische England wurde die Bagdadbahn „mehr als nur eine Spezialfrage von lokalem Charakter“ , sondern zeigte sich in ihr, nach Ansicht Friedrich Heinz Bodes, das „gesamte deutsch-englische Verhältnis der Vorkriegszeit […] mit all seinen Spannungen, Irrungen, Unklarheiten, seinem Nichtverständnis für die Belange des Anderen, seinem gegenseitigen Misstrauen und […] den niedrigen Gehässigkeiten.“
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Chronologie
- Bahnbau in der Türkei vor 1888
- Die Anatolische Eisenbahn 1888-1896
- Die Bagdadbahn
- Ziele
- Die Deutsche Bank
- Reichskanzler Bismarck
- Die deutsche Diplomatie der wilhelminischen Epoche
- Sultan Abdul Hamid II.
- Reaktionen
- England
- Russland
- Frankreich
- Resümee
- Literatur
- Anhang
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Geschichte der Bagdadbahn, einem ambitionierten Eisenbahnprojekt, das zwischen 1888 und 1903 durch das Osmanische Reich geplant und teilweise realisiert wurde. Die Arbeit analysiert die Entstehung und die Entwicklung des Projekts, die beteiligten Akteure und deren Ziele sowie die Reaktionen der europäischen Großmächte. Im Fokus stehen die politischen, wirtschaftlichen und strategischen Aspekte der Bagdadbahn und ihre Rolle im Kontext der internationalen Beziehungen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.
- Die Entstehung und Entwicklung des Bagdadbahn-Projekts
- Die Ziele der beteiligten Akteure, insbesondere der Deutschen Bank, Reichskanzler Bismarck, der deutschen Diplomatie der wilhelminischen Epoche und Sultan Abdul Hamid II.
- Die Reaktionen der europäischen Großmächte England, Russland und Frankreich auf die Bagdadbahn
- Die Rolle der Bagdadbahn im Kontext der internationalen Beziehungen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert
- Die Bedeutung der Bagdadbahn für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Bagdadbahn als ein historisch relevantes Projekt vor, das in der heutigen Zeit weitgehend vergessen ist. Sie beleuchtet die unterschiedlichen Perspektiven auf die Bahnstrecke, die von den Engländern als Gefahr für Indien angesehen, von Russland wegen der Stärkung der Türkei abgelehnt, von Frankreich nur zögerlich unterstützt, von der Türkei selbst als Hoffnungsschimmer und von Deutschland als Symbol der Weltmachtstellung betrachtet wurde. Die Einleitung führt außerdem die wichtigsten Akteure und Themen der Arbeit ein.
Das Kapitel „Chronologie" zeichnet die Geschichte des Bahnbaus in der Türkei von den 1830er Jahren bis zur endgültigen Konzessionserteilung für die Bagdadbahn im Jahr 1903 nach. Es beleuchtet die Anfänge des Bahnbaus im Osmanischen Reich, die Rolle des deutschen Ingenieurs Wilhelm von Pressel und die Bedeutung des Staatsbankrotts von 1875 für die Entwicklung des Projekts. Das Kapitel beschreibt die Verhandlungsprozesse um die Konzessionen für die Anatolische Eisenbahn und die Bagdadbahn, die Rolle der Deutschen Bank und die Bedeutung der politischen Unterstützung durch die deutsche Regierung.
Das Kapitel „Ziele" analysiert die Motive der beteiligten Akteure im Zusammenhang mit der Bagdadbahn. Es behandelt die wirtschaftlichen Interessen der Deutschen Bank, die politische Zurückhaltung Bismarcks, die weltpolitische Ausdehnungsmentalität der wilhelminischen Epoche und die innenpolitischen Bedürfnisse Sultan Abdul Hamids II.
Das Kapitel „Reaktionen" untersucht die Positionen der europäischen Großmächte England, Russland und Frankreich gegenüber der Bagdadbahn. Es analysiert die strategischen Interessen Englands im Persischen Golf, die russischen Bestrebungen zur Schwächung der Türkei und die französischen ökonomischen Interessen im Osmanischen Reich.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Bagdadbahn, das Osmanische Reich, die deutsche Diplomatie, die wilhelminische Epoche, der Imperialismus, die Weltmachtpolitik, England, Russland, Frankreich, die Türkei, der Erste Weltkrieg und die europäischen Großmächte.
- Arbeit zitieren
- Markus Müller (Autor:in), 2005, Die Bagdadbahn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207963
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.