To date, Intercultural Systemic Coaching is a theoretically disregarded coaching approach. The central question is how the theoretical concept of Intercultural Systemic Coaching can be described and which are its potential practical characteristics and consequences. Hence, this paper delivers theoretical fundamentals of systemic, culture and coaching theories, to combine them and thereby creating a fundamental understanding of the in practice of Intercultural Coaching relevant coaching modes. From the angle of constructivism Systemic Coaching is viewed as an approach, videlicet as a manner and mode of how Intercultural Coaching can be conducted. In contrast, Intercultural Coaching can be understood as the content that defines amongst others coaching topics and target group. That is to say Systemic Coaching is the context with Intercultural Coaching as its content. In conclusion, Mietusch devises a definition of the scientifically unnoticed phenomena Intercultural Systemic Coaching and drafts a model design of intercultural systemic contexts beneficial in its practice.
Keywords: Intercultural Systemic Coaching, Intercultural Coaching, Systemic Coaching
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Systemisches Coaching
1.1 Systemisches Coaching als Coachingansatz
1.2 Differenzierte theoretische Ansätze
2 Interkulturelles systemisches Coaching
2.1 Zum Verständnis des Interkulturellen Coaching
2.2 Kulturkonzept und Kontextfaktor Kultur
2.3 Systemische Aspekte im Interkulturellen systemischen Coaching
2.4 Schlussfolgerungen für ein Interkulturelles systemisches Coaching
3 Resumée
3.1 Zusammenfassung und Kritik
3.2 Ausblick
Literaturverzeichnis
Eigenständigkeitserklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zusammenhang zwischen den persönlichen und sozialen Systemen (Radatz 2010: 22)
Abbildung 2: Systemkontexte
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
Es war einmal ein Guru, den jedermann als die verkörperte Weisheit ansah. Jedem hielt er Vorlesungen über verschiedene Aspekte des geistigen Lebens, und allen war klar, dass dieser Mann nie an Vielfalt, Tiefe und ansprechendem Vortrag im Unterricht übertroffen werden konnte. Immer wieder fragten ihn seine Schüler nach der Quelle, aus der er diesen unerschöpflichen Vorrat an Weisheit zog. Er sagte ihnen, es stehe alles geschrieben in einem Buch, das sie nach seinem Tode erben würden. Am Tag nach seinem Tode fanden die Schüler das Buch genau dort, wo er es ihnen beschrieben hatte. Das Buch hatte nur eine Seite, und darauf stand nur ein Satz. Er lautete: „Begreift den Unterschied zwischen Behälter und Inhalt, dann wird die Quelle der Weisheit offen vor euch liegen.“ (von Schlippe, El Hachimi & Jürgens 2004: 18)
Systemisches Coaching und Interkulturelles Coaching sind in der Coachingliteratur als zwei Varianten des Coachings bekannt, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander verbindet, außer, dass sie der Wissenschaft und Praxis des Coaching zugeschrieben werden. Der populäre Ansatz des Systemischen Coaching erscheint vielleicht auch für ein Interkulturelles Coaching fruchtbar. Mit dem von Schlippe et al. (2004) Inhalt-Behälter-Bild gesprochen, wird in der vorliegenden Arbeit angenommen, dass Systemisches Coaching – als ein Coachingansatz - universal anwendbar ist und den Kontext (Behälter) für das Interkulturelle Coaching darstellen kann, welches wiederum der Inhalt an sich ist. Daraus lässt sich die Idee eines Interkulturellen systemischen Coaching ableiten, welches als Phänomen erschaffen und theoretisch hinterlegt werden soll. Dies führt zur zentralen Fragestellung was Interkulturelles systemisches Coaching sein kann und welche praktischen Besonderheiten es aufweist.
Systemisches Arbeiten bedeutet ganz allgemein gesprochen „(...) vom eindimensionalen Ursache-Wirkungs-Denken Abstand zu gewinnen“ (Rauen 2002: Abs. 3). Im Systemischen Coaching soll stets das gesamte "Klientensystem" berücksichtigt werden. Diese Systeme umfassen zum Einen die Personen (z.B. den Klienten und seine Mitarbeiter, Kollegen, Vorgesetzte usw.) und zum Anderen auch deren subjektive Deutungsmuster, (in)offizielle Regeln, sich wiederholende Verhaltensmuster, die Umwelt des Klientensystems (z.B. Kunden, Zulieferer) und seine bisherige Entwicklung (vgl. Rauen 2002: Abs. 6) unter Betrachtung sowohl zeitlicher (historischer) als auch kultureller Komponenten. Geht es bei dem systemischen Coachingansatz darum, Hintergründe, also das System, zu verstehen, so wird in der interkulturellen Beratung bzw. Coaching vor dem Hintergrund kultureller Systeme gearbeitet. Und in beiden Fällen werden individuelle Wissens- und Glaubenssysteme berücksichtigt, welche einer kulturellen bzw. systemischen Prägung unterliegen.
Der derzeitige Forschungsstand gibt bisher noch keine Hinweise auf den Gegenstand des Interkulturellen systemischen Coachings. Literatur lässt sich vielfältig zum Thema Systemisches Coaching zitieren. Anders ist es mit dem Feld des Interkulturellen Coachings, welches bis dato eher überschaubar beschrieben und untersucht ist bzw. keine eindeutige Definition aufweist, sondern mehr eine Praxis beschreibt.
Im ersten Teil dieser Arbeit soll geklärt werden, was im Coaching systemisch heißt, also was Systemisches Coaching ist (Kap. 1.1) und worin seine theoretischen Ursprünge liegen (Kap. 1.2). Dazu wird unter anderem eine Darstellung der theoretischen Einflüsse dargestellt, ohne diese kritisch zu kommentieren. Im zweiten Teil wird das Phänomen bzw. das Konzept des Interkulturellen systemischen Coaching eingeführt und entwickelt. Hierfür wird zur thematischen Überleitung eine definitorische Differenzierung von Interkulturellem Coaching an den Anfang gestellt (Kap. 2.1). Darauf aufbauend, werden anschließend mögliche kulturelle und systemische Aspekte und Grundlagen eines Interkulturellen systemischen Coaching dargestellt und erörtert (Kap. 2.2 und 2.3), um abschließend ein Modell der zu berücksichtigen Systemkontexte für die Anwendung und Praxis eines Interkulturellen systemischen Coaching zu entwickeln und zu diskutieren (Kap. 2.4).
Theoretische Grundlagen der vorliegenden Arbeit bilden Erkenntnisse und wissenschaftliche Konzepte der Psychologie (u.a. Humanistische, Coaching- und Kommunikationspsychologie), sowie Grundlagen der systemischen Therapie und (Personale) Systemtheorie. Maßgeblich werden konstruktivistische Konzepte des Kontextes sowie systemische Annahmen von Individuen als Teilhaber von diversen Systemen berücksichtigt, worunter auch im kulturtheoretischen Kontext die Berücksichtigung des (Einfluss-) Faktors Kultur fällt. Es wird in dieser Arbeit auf eine Definition des Begriffes Coaching verzichtet, denn dazu wurden bereits viele Abhandlungen geschrieben (siehe unter anderem Mietusch 2010). Es sei einleitend nur knapp darauf verwiesen, dass dieser Arbeit das Verständnis von Coaching als eine Form der Beratung (vgl. u.a. Radatz 2010: 16) zugrunde liegt. Somit kann und wird die rare Coachingliteratur – deren Hauptwerk zum Thema Interkulturelles Coaching gleichnamiges Handbuch von Nazarkiewicz & Krämer (2012) darstellt, mit Literatur zur systemischen und interkulturellen Beratung angereichert und deren Inhalte auf das Interkulturelle systemische Coaching übertragen werden – wie beispielsweise Arist von Schlippe et al. (1997, 2004) oder Hegemann & Oestereich (2009).
Kurzgefasst, in dieser Arbeit wird Systemisches Coaching als der Blickwinkel und die Haltung mit Auswirkungen auf Methoden und Interventionen verstanden, also dem Coachingansatz. Dem entgegen wird Interkulturelles Coaching als Coachingform bzw. -praxis verstanden, welches von Coachingthemen, -anlässen und Zielgruppe bestimmt wird – wie im Folgenden dargestellt wird.
1 Systemisches Coaching
Coaching wird im Kern als spezielle Form oder Methode der personenbezogenen Beratung verstanden (vgl. Rauen 2005: 11). Es „(...) zielt immer auf eine (auch präventive) Förderung von Selbstreflexion und -wahrnehmung, Bewusstsein und Verantwortung, um so Hilfe zur Selbsthilfe zu geben“ (Coaching Report 2001-2012 a: Definition Coaching, Abs. 5). Darüber hinaus versteht Greif (2005) Coaching als „(...) eine intensive und systematische Förderung der Reflexionen und Selbstreflexionen sowie Beratung von Personen oder Gruppen zur Verbesserung der Erreichung selbstkongruenter Ziele oder zur bewussten Selbstveränderung und Selbstentwicklung“ (Greif 2005, zit. nach Rauen 2005: 15). Gabriele Müller (2003) definiert Systemisches Coaching sehr ähnlich. Für sie ist es ein Veränderungsprozess auf Basis von Kooperation[1], indem der Coachee als Experte seiner Selbst und der anstehenden Veränderung gilt und somit eigenständig Richtung und Geschwindigkeit des Prozesses bestimmt. Der Coach übernimmt dabei die Rolle des Prozessbegleiters, indem er gezielte Fragen stellt und Antworten reflektiert. (vgl. Müller 2003: 8) Da dies eine unzureichende Abgrenzung des Systemischen Coaching zu Coaching im Allgemeinen darstellt, sei darüber hinaus auf die der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) verwiesen, welche die Besonderheit des Systemischen Coachings im Einbezug des Klientensystems in den Coachingprozess und dessen Reflektion betrachtet:
Die persönlichen Zielsetzungen und Entscheidungen des Klienten sind meist eng mit dem organisatorischen Umfeld vernetzt, so dass eher eine systemische als eine individuumszentrierte Sichtweise hilfreich ist: Der Kontext und seine Vernetzung rangieren hier vor den psychologischen Eigenschaften. Das legt nahe, die Organisationsstruktur und die Unternehmenskultur neben den persönlichen Ressourcen und Kompetenzen des Klienten entscheidend zu berücksichtigen. Denn im Rahmen der Organisation oder sonstiger Kontextbedingungen eröffnen sich Möglichkeiten oder stellen sich Hindernisse für eine befriedigende Entwicklung. Zu einem guten Coaching gehört es, mit dem Klienten die zu erwartenden Auswirkungen von gewünschten Veränderungen zu prüfen und ihre Bedeutung für das berufliche und familiäre Umfeld des Klienten zu reflektieren, um so über einen längeren Zeitabschnitt einen erfolgreichen Veränderungsprozess zu gestalten. (DGSF 2010)
Diese Definition eines Systemischen Coachings ist bereits weiter gefasst, allerdings lesen sich daraus lediglich organisationelle und unternehmensspezifische Kontextfaktoren heraus – werden also Unternehmen und Organisationen als System verstanden, worin sich eine ehemalige Limitierung des Coachings auf den beruflichen Kontext widerspiegelt. Dem müssten allerdings auch Familie als systemische Kontexte sowie andere soziale Kontexte hinzugefügt werden.
Die wohl präziseste Definition liefert wohl Dr. Michael Cavanagh, klinischer sowie Coaching Psychologe und Dozent an der University of Sidney, der Systemisches Coaching als „dealing with the system in all its complexity and tailoring one’s coaching to address issues at every level of the system—including the personal“ (Cavanagh 2006: 317) versteht.
Um eine differenzierte Darstellung von Systemischen Coaching als einen spezifischen Coachingansatz und eine Abgrenzung in seinen Besonderheiten vom allgemeinen Coachingverständnis vorzunehmen, soll im Folgenden Systemisches Coaching unter Berücksichtigung einzelner relevanter systemischer Aspekte betrachtet werden. Hierfür wird zuerst eine differenzierte Definition eines Systemischen Coaching (Kap. 1.1) vorgenommen und anschließend vertiefend die systemische Konzepte und Theorien dargestellt auf denen dieses Coaching (Kap 1.2) basiert.
1.1 Systemisches Coaching als Coachingansatz
Systemisches Coaching als einen Coachingansatz zu verstehen, der auf systemischen Sichtweisen, Methoden und Handlungsansätzen basiert und somit einen Einfluss auf Prozess und Prozessgestaltung hat, kann von Sonja Radatz Definition gestützt werden. Für Radatz (2010: 18) entspringt das Systemisches Coaching der Haltung des Coaches. Es basiert auf der „Teil-der-Welt-Haltung“ (von Foerster[2] 2001, zit. nach Radatz 2010: 18), wonach jeder Mensch Teil eines sozialen Systems ist, das er beschreibt. Durch das Handeln des Einzelnen wird das gesamte soziale System, in dem der Einzelne teilnimmt und teilhat, beeinflusst. Jede Handlung hat demzufolge eine Auswirkung auf das System, was gleichermaßen impliziert, dass jedes System vom Individuum mitgestaltet werden kann. Im Systemischen Coaching bedeutet das, dass der Klient nicht seinen sozialen Systemen hilflos ausgeliefert ist, sondern durch sein Verhalten Einfluss darauf nehmen kann. Darüber hinaus impliziert dies die Vorstellung, dass der Coachee auch ein System verlassen kann, wenn seine Handlungen nicht zu erwarteten oder gewünschten Veränderungen führen. Jedoch geht Radatz davon aus, dass wir die unterschiedlichen Systeme weiterhin in Form von Erfahrungen mit uns mittragen. (vgl. Radatz 2010: 18 f.)[3]
Zudem impliziert für Sonja Radatz diese Teil-der-Welt-Haltung, dass Systeme, in denen der Einzelne keine Teilhabe hat, von ihm auch nicht beeinflusst werden können. Beziehungsweise umgekehrt ausgedrückt: Einfluss kann nur auf die Welt genommen werden, in denen der Einzelne Teil ist (vgl. Radatz 2010: 19). Dies birgt die Annahme, dass wir unsere Strukturen jederzeit neu gestalten und verändern können (vgl. ebd.: 22) – was, wie in Kap. 1.2 noch dargestellt, eine konstruktivistische Grundannahme ist.
Die Annahme, dass Systeme holistisch sind, ist eine der wesentlichen systemischen Grundannahmen, die für das Systemische Coaching relevant ist. Um ein System zu verstehen, bedarf es der Einnahme einer Metaperspektive, für die man sich von der spezifischen Handlungsebene absetzt und das System auf seine Strukturen und Interaktionen und Interaktionspartner hin betrachtet und untersucht. (vgl. Cavanagh 2006: 316) In menschlichen, komplexen, lernfähigen Systemen wird menschliches Verhalten als emergente Eigenschaft verstanden. Menschliches Verhalten ist abhängig von Beziehungen und Ereignissen, sodass Systemmitglieder auf Ereignisse reagieren, Ziele anstreben und neues Verhalten etablieren um innerhalb des Systems zu funktionieren. So sind menschliche Systeme in der Lage sich immer wieder anzupassen an veränderte Umgebungen, indem sie positive und negative Feedback-Schleifen[4] berücksichtigen (Lewin 1993 und Stacey 2000, zit. nach Cavanagh 2006: 320).
Sonja Radatz visualisierte die Zusammenhänge und Coachinggegenstände innerhalb des Systemischen Coaching wie folgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Zusammenhang zwischen den persönlichen und sozialen Systemen (Radatz 2010: 22)
Systemisch ließe sich anhand dieser Abbildung also als ein Zusammenspiel von Beruf, Organisation und Privatleben definieren, welche alle drei innerhalb des Systemischen Coachings der Berücksichtigung bedürfen. Auch wenn Radatz (2010) in ihrem Buch nicht explizit darauf eingeht, so kann der Mensch aus der sozial-psychologischen Perspektive als Rollenträger (vgl. Glossar Medizinische Psychologie/ -Soziologie 2000) im Zusammenspiel mit anderen verstanden werden. Das heißt, eine Person hat in verschiedenen Situationen und Kontexten verschiedene Rollen und damit einhergehend Funktionen und entsprechendes Verhalten. So kann z.B. ein Mann die Rolle Vater, Ehemann, Sohn, Vorgesetzter und bester Freund haben – woraus sich auch verschiedene Rollenerwartungen ergeben und entsprechend rollenkonformes Verhalten. Systemisch gesehen treffen zu unterschiedlichen Zeiten demzufolge mit unterschiedlichen Personen unterschiedliche Rollen aufeinander und lösen i.d.R. ganz unterschiedliche systemische Dynamiken aus. Diese sollten u.a. im Systemischen Coaching Gegenstand sein bzw. einen zu berücksichtigenden Einflussfaktor auf Problematiken und Lösungsansätze darstellen.
In der systemischen Beratung wie auch im Systemischen Coaching wird die für die Beratung relevante Thematik im Kontext der Gesamtsituation betrachtet. Dabei sind die Betrachtungsebenen i.d.R. vielfältig und reichen u.a. von operativen Interaktionen (wie Teams oder Abteilungen), über hierarchische Beziehungen hin zu Auftrags- und Aufgabenkontext. Dies impliziert die Aufgabe des Beratungssystems (entsprechend dem Coach-Coachee-System), für das Beratungsziel relevante Kontextfaktoren zu identifizieren und in der Lösungsfindung mit zu berücksichtigen. Kontextbedingungen können das Problem maßgeblich beeinflussen und im Umkehrschluss können mögliche Lösungsschritte Auswirkungen auf das Coachee-System haben und müssen demzufolge antizipiert und mit berücksichtigt werden, um unerwünschte Effekte von Interventionen zu vermeiden. (vgl Hänsel 2004: 6) Eine weitere Grundhaltung des systemischen Kontext-Denken ist die ressourcenorientierte Annahme, dass Probleme nicht dysfunktional sind, sondern eine Funktion im Gesamtkontext haben (vgl. Hänsel 2004: 13), die es im systemischen Coaching zu berücksichtigen und durch eine neue bzw. De-Kontextualisierung (Reframing[5] ) zu lösen gilt.
Wie bereits angekündigt basiert ein Systemisches Coaching auf systemischen Grundannahmen und Theorien, welche im Folgenden näher dargestellt werden sollen.
1.2 Differenzierte theoretische Ansätze
Im systemischen Denken im Allgemeinen sind Holismus und Interdependenz wesentliche Grundannahmen. Angewandt auf das Systemische Coaching hat dies zur Folge, dass es zum Verstehen des Klienten unerlässlich ist, zu verstehen wie die Coachees zu Situationen, Ereignissen und Systemen, in denen sie involviert sind, in Beziehung stehen (vgl. Canvanagh 2006: 317). Konkret stellen die Grundlagen der systemischen Beratung sowie des Systemischen Coachings die Erkenntnisse der Systemtheorie, geprägt von Niklas Luhmann, die Philosophie des radikalen Konstruktivismus mit ihren Vertretern Heinz von Foerster, Humberto Maturana und Ernst von Glasersfeld, sowie die Ansätze der systemischen Therapie nach u.a. Steve de Shazer dar. Im Folgenden sollen einzelne theoretische Grundlagen herausgegriffen und aufgeführt werden, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit oder zeitlich stringente Darstellung zu erheben.[6]
In seiner Systemtheorie geht Nicolas Luhmann, Vertreter des Konstruktivismus, davon aus, dass jedes System geschlossen ist und sich durch seine Operationen selbst schafft und dadurch sich selbst aufrechterhält. Dabei versteht Luhmann soziale Systeme ausschließlich als Kommunikation (vgl. Von Schlippe & Schweitzer 1997: 70-74). Im Systemischen Coaching verlangt dies die Berücksichtigung der Kommunikationsprozesse innerhalb der zu betrachtenden Systeme.
Entsprechend der konstruktivistischen Erkenntnistheorie steht das Erkennen, also die Art und Weise, wie der Einzelne erkennt, im Fokus der Forschung und Theorie. Im radikalen Konstruktivismus wird davon ausgegangen, dass Wirklichkeit nicht von sich aus existiert und perzeptiv zugänglich ist, sondern konstruiert wird, sodass Wissen Resultat von Konstruktion von Wirklichkeit ist. Diese Annahme hat zur Folge, dass jede Erfahrung und jede Erkenntnis subjektabhängig ist und auf subjektivem Erleben aufbaut. (vgl. Fischer 1998, zit. nach Pohl 2004: 233f.) Paul Watzlawick (1921 - 2007), Vertreter des Konstruktivismus und neben Gregory Bateson Mitarbeiter der Palo-Alto Schule, sprach hingegen von zwei Wirklichkeiten der Wahrnehmung.
[...]
[1] Im Jahr 1996 schreiben Arist von Schlippe und Jürgen Kriz, dass das zentrale Wort moderner systemischer Therapie der Gegenwart Kooperation heißt. Wird Veränderung nicht mehr zielgerichtet von außen initiiert, so bedarf es nun der Kooperation aller Beteiligten. Therapie ließe sich demnach als Bemühung verstehen, einen Kontext zu kreieren, indem Veränderung möglich ist – und diese Veränderung nicht mehr selbst zu erzeugen. (vgl. von Schlippe & Kriz 1996: 1f.)
[2] Heinz von Foerster (1911 - 2002) ist ein österreichischer Physiker, der philosophisch dem radikalen Konstruktivismus zuzuordnen ist.
[3] Ergänzend zu Radatz ist an dieser Stelle zu betonen, dass trotz eines Ausstiegs aus einem sozialen System, dennoch emotionale Verstrickungen aufrecht erhalten werden bzw. werden können, die uns trotz Kontaktabbruch noch mit den alten sozialen Systemen verbinden. Diesbezüglich wäre es im Systemischen Coaching unerlässlich, über die gegenwärtige Situation auf die Historie des Coachee – also auch ehemalige Systeme – mit einzubeziehen, um systemisch holistisch zu arbeiten.
[4] Der Begriff feedback loop, im Deutschen Feedback-Schleife, ist in der Psychologie und Kommunikationstheorie sowie der Systemtheorie als wechselseitige Rückmeldungen zu verstehen. Unter anderem spricht Paul Watzlawick (1969) hier von Interpunktionen in der Kommunikation.
[5] Von Schlippe et al. (2004: 111) bezeichnen das Reframing als eine Umdeutung des Gegebenen, was eine systemische Beschreibung der Welt darstellt.
[6] Diese Auflistung der theoretischen und wissenschaftlichen Grundlagen des Systemischen Coaching erhebt keinen Anspruch auf absolute Vollständigkeit, da all diese Konzepte wiederum auf anderen Theorien und Wissenschaftszweigen beruhen. Die Darstellung dieser systemischen Grundlagen unterstreicht lediglich die Legitimation eines Systemischen Coaching.
- Citation du texte
- Diplom-Kommunikationspsychologin Alexandra Mietusch (Auteur), 2012, Interkulturelles systemisches Coaching, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207857
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