Laut einer Studie verbringen Kinder täglich bis zu vier Stunden in digitalen Fantasie-welten, 80% von ihnen besitzen einen eigenen Fernseher (Brämer, 2006). Dadurch dass Kinder in einer Konsum- und Medienwirtschaft aufwachsen, fehlen ihnen echte Erfahrungen, sog. „Primärerfahrungen“ (Lang, S. 17). Statt selbst unmittelbare Erleb-nisse zu erfahren, sammeln Kinder ihre Sekundärerfahrungen vor dem Fernseher oder PC. Sie identifizieren sich mit den dargestellten Idealfiguren, jedoch fehlt ihnen hier die Möglichkeit, Einfluss auf die Handlung zu nehmen. Die o.g. Primärerfahrun-gen sind jedoch unabdingbare Voraussetzung für die Ausbildung eines gesundes Ichs und eines starken Selbstwertgefühls. Stattdessen finden sich Kinder von einem voll gepackten Terminkalender völlig überfordert. Was von den Eltern gut gemeint war, verhindert vielmehr, dass sich das Kind spontanen Interessen widmen kann oder sich beim freien Spielen austoben kann. Dies wiederum führt dazu, dass Kinder zusehends weniger in der Lage sind, sich selbstständig zu beschäftigen. Kommt Langeweile auf, wird kurzer Hand der Fernseher eingeschaltet. Doch auf der Suche nach der eigenen Persönlichkeit brauchen Kinder Herausforderungen und Span-nung, um eigene Grenzen kennen zu lernen. Darin liegt die Chance der Abenteuer- und Erlebnispädagogik. Sie schafft intensive Erlebnisse und fördert durch eine Vielzahl an Möglichkeiten das Selbstbewusstsein. Diese haben von sich aus einen ausgeprägten Entdeckersinn. Doch bei Film und Computerspielen fehlen sinnliche Wahrnehmungen und zugleich das Gefühl, selbst etwas leisten zu können (Lang, 1992). [...]
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Erfahrungsbegriff – Ein Definitionsversuch
2.1 Der Erfahrungsbegriff nach Bollnow
2.2 Der Erfahrungsbegriff nach Dewey
2.3 Der Erfahrungsbegriff nach Dieckmann
3 Natur und Kinder heute
3.1 Jugendreport Natur 2006
3.2 Das kindliche Bedürfnis nach Abenteuer
4 Naturerfahrung mit Hilfe der Abenteuer- und Erlebnispädagogik
4.1 Grundzüge der Abenteuer- und Erlebnispädagogik
4.2 Naturerfahrung am Beispiel des Kletterns
5 Erfahrung und Bewegung zur Förderung kindlicher Entwicklung
5.1 Motorische Entwicklung
5.2 Soziale Entwicklunga
5.3 Psychische Entwicklung
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Laut einer Studie verbringen Kinder täglich bis zu vier Stunden in digitalen Fantasiewelten, 80% von ihnen besitzen einen eigenen Fernseher (Brämer, 2006).
Dadurch, dass Kinder von heute in einer Konsum- und Medienwirtschaft aufwachsen, fehlen ihnen echte Erfahrungen, sog. „Primärerfahrungen“ (Lang, S. 17). Statt selbst unmittelbare Erlebnisse zu erfahren, sammeln Kinder ihre Sekundärerfahrungen vor dem Fernseher oder PC. Sie identifizieren sich mit den dargestellten Idealfiguren, jedoch fehlt ihnen hier die Möglichkeit, Einfluss auf die Handlung zu nehmen. Die o.g. Primärerfahrungen sind jedoch unabdingbare Voraussetzung für die Ausbildung eines gesunden Ichs und eines starken Selbstwertgefühls. Doch bei Filmen und Computerspielen fehlen sinnliche Wahrnehmungen und zugleich das Gefühl, selbst etwas leisten zu können.
Sitzen Kinder in ihrer Freizeit nicht vor dem PC, verhindert der oft von den Eltern überladene Terminkalender, dass sich das Kind spontanen Interessen widmen oder sich beim freien Spielen austoben kann. Dies wiederum führt dazu, dass Kinder zusehends weniger in der Lage sind, sich selbstständig zu beschäftigen. Kommt Langeweile auf, wird kurzer Hand der Fernseher wahllos eingeschaltet. Doch auf der Suche nach der eigenen Persönlichkeit brauchen Kinder Herausforderungen und Spannung, um eigene Grenzen kennen zu lernen.
Darin liegt die Chance der Abenteuer- und Erlebnispädagogik. Sie schafft intensive Erlebnisse und fördert durch eine Vielzahl an Möglichkeiten das Selbstbewusstsein (Lang, 1992).
Die Abenteuer- und Erlebnispädagogik stellt an Kinder und Jugendliche zudem reale Anforderungen. Ihre Entscheidungen werden unmittelbar umgesetzt und ermöglichen das Lernen aus den Konsequenzen, die bestimmte Handlungen mit sich bringen (Fischer, Klawe, Thiesen, 1985).
Im Folgenden soll nun näher auf den Erfahrungsbegriff eingegangen werden. Darauf aufbauend schließen Übersichten über Naturerfahrungen von Kindern von heute an sowie die Möglichkeiten der Abenteuer- und Erlebnispädagogik, Kindern Naturerfahrungen wieder näher zu bringen. Dies soll am Beispiel des Kletterns genauer erläutert werden. Abschließend wird auf die Bedeutung von Naturerfahrungen für die kindliche Entwicklung und darauf, welchen Beitrag die Abenteuer- und Erlebnispädagogik dazu leisten kann, eingegangen.
2 Der Erfahrungsbegriff – Ein Definitionsversuch
Im Folgenden werden verschiedene Vorschläge abgegeben, den weitläufigen Erfahrungsbegriff einzugrenzen. Diese Versuche sind jedoch nur Annäherungen und keine allgemeingültigen, vollständigen Definitionen.
2.1 Der Erfahrungsbegriff nach Bollnow
Was bedeutet das Wort „Erfahrung“ aus etymologischer Sicht? Zunächst einmal kommt das Verb „erfahren“ von „fahren“, meint also eine Ortsbewegung. Eine Reise war ursprünglich immer mit einer negativen Vorstellung behaftet. Es lauerten Ge“fahren“, die man bewältigen musste und die deswegen in Erinnerung blieben. Eine Erfahrung „machen“ ist jedoch keine intentionale Tätigkeit, sondern ein subjektiver, interner Prozess, den man nicht herstellen kann.
Wichtiger Bestandteil der Erfahrung ist nach Bollnow die Schmerzhaftigkeit. Dies bedeutet, dass eine Erfahrung nur stattfinden kann, wenn etwas entgegen der eigenen Erwartung gelaufen ist. Dies ist aber nicht die einzige Bedingung, die an die Erfahrung gebunden ist.
Das „Erfahrung machen“ ist keinesfalls ein aktiver Vorgang, vielmehr kann man nicht beeinflussen, wann eine Erfahrung gemacht werden kann. Es ist keine Tätigkeit, sondern ein Ausgeliefertsein an die Geschehnisse.
Bollnow grenzt die Begriffe „Erfahrung“ und „Erlebnis“ voneinander ab, wobei letzteres eine positiv erlebte Situation beschreibt. Wissen und Erfahrung sind ebenfalls zwei völlig voneinander sich unterscheidende Begriffe. Jemand, der viel weiß, verfügt nicht automatisch auch über viel Erfahrung.
Ebenso wichtig ist es, dass eine bestimmte Situation zum wiederholten Male stattfindet, sodass man aus dieser Regelmäßigkeit auf eine Gesetzmäßigkeit schließen kann. Beispielsweise lernt ein Kind das Meiden bestimmter Konstellationen, wie beispielweise das Berühren einer heißen Herdplatte erst nach wiederholten Berührungen. Der Zufall spielt eine weitere wichtige Rolle. Erfahrungen sind nicht planbar, man gewinnt sie erst im Nachhinein, wenn man eine Lehre aus der Situation zieht (Bollnow, 1974).
2.2 Der Erfahrungsbegriff nach Dewey
„Ein Gramm Erfahrung wiegt mehr als eine Tonne Theorie.“ (Dewey, 1986, S.193)
Dewey betont die Bedeutung der Erfahrung und dem damit erworbenen Wissen und lehnt Theoriewissen, wie es etwa in der Schule vermittelt wird, ab. Er unterscheidet zwei Bestandteile der Erfahrung. Die aktive Komponente umschließt das Ausprobieren oder den Versuch, während die passive Seite geprägt ist von Erleiden und Hinnehmen. Zwischen dem handelnden Subjekt und dem Gegenstand, auf den eingewirkt wird, entsteht eine Wechselwirkung, die allerdings noch keine Erfahrung ausmacht. Erst wenn die durch das Handeln entstandene Veränderung auf das Subjekt zurück wirkt, kann ein Lernprozess initiiert werden. Dewey sieht in der Erfahrung ein Experiment mit der Welt, das zu nachhaltigem Wissen führt.
Er spricht sich gegen eine Trennung von Körper und Geist aus und betont, dass die körperliche Betätigung und der Einsatz der Sinne die Wahrnehmung schult. Dies ermöglicht ganzheitliche Erfahrungen und bspw. herauszufinden, wie etwas funktioniert oder aufgebaut ist. Denn erst durch praktische Erfahrung ist Theoriebildung möglich. Wissen kann sich demzufolge erst durch die körperliche Auseinandersetzung entwickeln.
2.3 Der Erfahrungsbegriff nach Dieckmann
Nach Dieckmann (1994) ist der Mensch das einzige Lebewesen, das fähig ist, Erfahrungen zu machen und sich dadurch die Welt anzueignen. Erfahrungen sind dabei völlig subjektiv, keiner kann gleiche Erfahrungen wie ein anderer machen. Erfahrung und Lernen gehören unmittelbar zusammen. Man lernt aus einer bestimmten Situation, ähnlich wie bei Bollnow, wenn eine Erwartung enttäuscht wurde und man sich nun von vorher zurechtgelegten Handlungsmustern trennen muss und dadurch seine Fähigkeiten erweitert. Ebenso kann Erfahrung auch als Bildungsprozess verstanden werden. Erfahrung ist reflexiv, d.h. unmittelbar mit der Erfahrung sind Bewusstwerdung, Selbsterkenntnis und damit Bildung verknüpft. All unser Wissen erwerben wir durch Erfahrungen, die also als Basis aller Lernprozesse angesehen werden können. Dieses Lernen aus Erfahrung kann jedoch nicht absichtlich erfolgen, beispielsweise lernen wir am meisten durch plötzliche, einschneidende Erlebnisse, die die Persönlichkeitsstrukturen von Grund auf ändern können. Neben Vernunft und Verstand gehören auch Sinneswahrnehmungen und Impressionen zur Ausbildung von Erfahrung.
3 Natur und Kinder heute
Wie sieht das Verhältnis der Kinder von heute zur Natur aus? Spielt die Natur im Alltag von Kindern eine Rolle oder wird sie durch Medienkonsum aus dem Alltag verdrängt? Im Folgenden sollen unter anderem diese Fragestellungen untersucht werden. Dafür werden anhand einer Studie relevante Ergebnisse in Bezug auf die Bedeutung der Natur für Kinder aufgezeigt. Im Anschluss wird analysiert, welche Rolle die Natur beim kindlichen Bedürfnis nach Abenteuer spielt.
3.1 Jugendreport Natur 2006
In der Studie von Rainer Brämer (2006) wurde untersucht, wie Kinder und Jugendliche die Natur heute erfahren. Dafür wurden die Naturbeziehungen von über 2.200 Studienteilnehmern untersucht. Zentrales Ergebnis war, dass vielen Jugendlichen elementare Naturerfahrungen fehlen, jedoch nicht für alle Jugendlichen die Natur einen fremden Raum darstellt, da dieser von den meisten innerhalb weniger Fußminuten erreicht werden könnte.
Beispielsweise gab ein Viertel der Befragten im Alter zwischen 12 und 15 Jahren an, noch nie ein Reh in freier Wildbahn beobachtet und ein Drittel noch nie einen Bach gestaut zu haben. Zudem sind acht von zehn Befragten der Auffassung, keine Käfer oder Würmer in die Hand nehmen zu dürfen, da dies ihrer Meinung nach verboten sei. Erklärt werden die allgemein erkennbaren Defizite an Naturerfahrungen mit der schwindenden Lust an der Natur. Die Reize, die die Natur bietet, werden von technischen Medien überboten. Je spektakulärer dementsprechend die Naturerfahrungen ausfallen, desto mehr Jugendliche fühlen sich angesprochen. So gehören für viele Jugendliche Nachtwanderungen oder Übernachtungen im Zelt zu Klassen- oder Vereinsfahrten dazu.
Brämer betont in seiner Studie den Zusammenhang zwischen Naturinteresse und Naturschutz. So sei es wichtig, Jugendliche für die Natur zu begeistern, da sich das damit verbundene Bewusstsein für Naturschutz automatisch entwickle. Diese Gruppe von Jugendlichen verbringe auch gleichzeitig weniger Zeit vor dem Computer.
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- Citar trabajo
- Judith Wölfel (Autor), 2011, Zur Bedeutung von Naturerfahrungen für die kindliche Entwicklung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207604
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