Wenn über Antisemitismus diskutiert wird, dann meist im Rahmen von Holocaust und Naziregime. Die Debatte konzentriert sich stark auf Deutschland, weil der Antisemitismus hier seine verheerendsten Ausmaße angenommen hat.
Von einer antisemitischen Bewegung in Skandinavien erfährt man dagegen wenig. Die norwegische Theologin Ingun Montgomery schrieb 1982 in Kirken, krisen og krigen, der Antisemitismus habe es zu schwer, sich ins schwedische Bewusstsein zu integrieren. 1942 und '43 forderte der Sozialdemokrat Erik Gottfrid Christian Brandt im schwedischen Reichstag zweimal eine Gesetzgebung gegen Rassenpropaganda. Der Vorschlag stieß zwar auf Interesse, wurde aber jedes Mal abgelehnt. Antisemitismus wurde als jüdisches und als deutsches, aber nicht als schwedisches Problem betrachtet.
Wer allerdings Roy Anderssons neuesten Film Du Levande gesehen und aufgepasst hat, der hat gesehen, dass es auch in der schwedischen Gesellschaft zumindest Nazis gegeben haben muss: Als in einer offenbar wohl situierten Familie im Rahmen eines Zaubertricks das Tischtuch von der Festtafel gezogen wird, kommt darunter ein dickes Hakenkreuz zum Vorschein. Und Nationalsozialismus ist zwar nicht synonym mit Antisemitismus, aber das tragende Element des Nationalsozialismus ist Antisemitismus. In der Verfilmung von Jan Guillous Roman Ondskan wird mit der Figur eines Lehrers noch direkter auf die Verbreitung von Nazismus, Rassenideologie und Antisemitismus in der schwedischen Gesellschaft der 1940er und 50er Jahre hingewiesen: Dieser stellt der Klasse den blonden und athletisch gebauten schwedischen Schüler Erik Ponti als vorbildliches Exemplar der arischen Rasse vor. Dessen Gegensatz demonstriert er am dunkelhaarigen und etwas dicklichen französischen Mitschüler Pierre Tanguy. Im anschließenden Gespräch zwischen den Schülern heißt es, direkt nach dem Krieg wäre die ganze Lehrerschaft voller Nazis gewesen und erst jetzt würde man in der Schule wieder Juden zulassen.
In dieser Arbeit möchte ich hinter diese Fassaden schauen und mich mit der Geschichte des Antisemitismus in der schwedischen Gesellschaft befassen. Es wird sich zeigen, dass sich hier umfangreicheres Material findet als vielleicht erwartet, wenn auch natürlich in keiner Weise mit dem deutschen Naziregime vergleichbar.
Inhaltsverzeichnis
- (1.) Einleitung
- (2.) Zum Begriff Antisemitismus
- (3.) Die Geschichte der antisemitischen Tradition
- (3.1.) Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert
- (3.2.) Die Rassenideologie in Schweden
- (3.3.) Der Antisemitismus innerhalb der Kirche
- (3.4.) Der Antisemitismus in Wirtschaft und Handel
- (4.) De mörka åren: Der Antisemitismus in Schweden zwischen den 1920er Jahren und Kriegsende.
- (4.1.) Schweden und das Dritte Reich
- (4.2.) Die schwedische Flüchtlingspolitik der 1930er Jahre
- (4.3.) Antisemitische Parteien und Organisationen
- (5.) Nachkriegs- und Gegenwartsantisemitismus
- (6.) Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Geschichte des Antisemitismus in Schweden und untersucht die Entwicklung der antisemitischen Bewegung vom Mittelalter bis in die Nachkriegszeit. Im Fokus stehen die Ursachen und Hintergründe des Antisemitismus in Schweden sowie die Ausprägungen und Auswirkungen dieser Ideologie auf die schwedische Gesellschaft.
- Die Entstehung und Entwicklung des Antisemitismus in Schweden
- Die Rolle der Rassenideologie und des Nationalsozialismus in Schweden
- Antisemitische Einstellungen in der schwedischen Kirche, Wirtschaft und Politik
- Die Geschichte der antisemitischen Bewegung in Schweden während der 1920er und 1930er Jahre
- Der Antisemitismus in der Nachkriegszeit und der Gegenwart
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung beleuchtet die Relevanz des Themas Antisemitismus in Schweden und zeigt auf, dass die Debatte um Antisemitismus oft auf Deutschland fokussiert ist, während Schweden oft als Ausnahmekultur dargestellt wird. Der Autor stellt anhand von Beispielen aus der schwedischen Kultur, wie Filmen und Literatur, die Existenz von Antisemitismus in Schweden in Frage und motiviert den Leser, sich mit der Geschichte des Antisemitismus in Schweden auseinanderzusetzen.
- Zum Begriff Antisemitismus: Dieses Kapitel befasst sich mit der Definition des Begriffs Antisemitismus und zeigt die Vielfältigkeit seiner Erscheinungsformen auf. Der Autor betont die lange Geschichte des Antisemitismus und seine verschiedenen Begründungen, von theologischen Argumenten bis hin zu rassistischen und politischen Ideologien.
- Die Geschichte der antisemitischen Tradition: Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Entstehung des Antisemitismus in Schweden vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Der Autor beschreibt die theologischen Grundlagen des Antisemitismus und die Rolle der Juden als "Erzfeind" der westlichen Gesellschaft und Kultur.
- Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert: Dieses Kapitel beleuchtet die frühen Formen des Antisemitismus in Schweden, die vor allem theologisch begründet waren. Die Christen sahen die Juden als Jesu Mörder und betrachteten sich selbst als Gottes auserwähltes Volk. Der Autor stellt die Juden als Symbol für den Erzfeind der westlichen Gesellschaft und Kultur im frühen Mittelalter dar.
- Die Rassenideologie in Schweden: Dieses Kapitel untersucht die Rolle der Rassenideologie im Antisemitismus in Schweden. Der Autor analysiert die Entstehung und Verbreitung rassistischer Ideen in Schweden und ihre Auswirkungen auf die antisemitische Bewegung.
- Der Antisemitismus innerhalb der Kirche: Dieses Kapitel behandelt den Antisemitismus innerhalb der schwedischen Kirche. Der Autor zeigt, wie antisemitische Einstellungen in der Kirche verbreitet waren und wie diese die gesellschaftliche Wahrnehmung der Juden beeinflusst haben.
- Der Antisemitismus in Wirtschaft und Handel: Dieses Kapitel betrachtet den Antisemitismus in der schwedischen Wirtschaft und im Handel. Der Autor untersucht die Rolle von wirtschaftlichen und sozialen Faktoren im Antisemitismus und zeigt, wie Juden in diesem Bereich diskriminiert und ausgegrenzt wurden.
- De mörka åren: Der Antisemitismus in Schweden zwischen den 1920er Jahren und Kriegsende.: Dieses Kapitel beleuchtet die antisemitische Bewegung in Schweden während der 1920er und 1930er Jahre. Der Autor beschreibt die Rolle Schwedens im Zweiten Weltkrieg und die schwedische Flüchtlingspolitik gegenüber jüdischen Flüchtlingen.
- Schweden und das Dritte Reich: Dieses Kapitel analysiert die Beziehung zwischen Schweden und dem Dritten Reich während des Zweiten Weltkriegs. Der Autor untersucht die schwedische Politik gegenüber dem Nazi-Regime und die Rolle von antisemitischen Organisationen in Schweden.
- Die schwedische Flüchtlingspolitik der 1930er Jahre: Dieses Kapitel beleuchtet die schwedische Flüchtlingspolitik gegenüber jüdischen Flüchtlingen während der 1930er Jahre. Der Autor zeigt, wie die schwedische Regierung die Einwanderung von Juden aus Deutschland und Österreich stark eingeschränkt hat.
- Antisemitische Parteien und Organisationen: Dieses Kapitel behandelt antisemitische Parteien und Organisationen in Schweden. Der Autor beschreibt die Entstehung, Ideologie und Aktivitäten dieser Gruppen und ihre Auswirkungen auf die schwedische Gesellschaft.
Schlüsselwörter
Antisemitismus, Schweden, Geschichte, Rassenideologie, Nationalsozialismus, Kirche, Wirtschaft, Handel, Zweiter Weltkrieg, Flüchtlingspolitik, Nachkriegszeit, Gegenwart, Juden, jüdische Identität, Boris Beltzikoff.
- Citation du texte
- M.A. Maike Zazie Matern (Auteur), 2008, Schweden und der Antisemitismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207571