Die Suche nach Gerechtigkeit bestimmt seit jeher schon das Denken der Menschen- und noch immer gibt es wohl keinen Staat auf der Welt in dem sich jeder Bürger allzeit gerecht behandelt fühlt. Ist Gerechtigkeit also überhaupt möglich? Oder ist es eine Illusion, die von Generation zu Generation weitergetragen wird- eine art ewiger Menschheitstraum? Ein besonderer Teil der Betrachtungen kann auf das Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit gelenkt werden. Eine bestehende Rechtsordnung schreibt immer Gebote und Verbote vor und setzt somit fest, was in einem gewissen Rahmen richtig und falsch ist. Genau so bestimmt sie über die Arbeitsweise und die Funktion von gesellschaftlichen Institutionen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Forschungsstand
3. Die Grundpositionen: Positivismus- Nichtpositivismus
4. Relativismus
4.1 Existenz und doppelte Subjektivität von Werten
4.2 Letztbegründete Wirklichkeit und Werteproblem
5. Hans Kelsen
5.1 Reine Rechtslehre
5.2 Gerechtigkeit
6. Fazit und Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Ist es wirklich gerecht, wenn eine Kassiererin für das Unterschlagen von Pfandbons im Wert von 1,30€ entlassen wird? Auch in Deutschland werden immer wieder Urteile gefällt, die von der gefühlten Gerechtigkeit weit entfernt liegen, dabei ist Deutschland ein international renommierter Rechtsstaat[1].
Die Suche nach Gerechtigkeit bestimmt seit jeher schon das Denken der Menschen- und noch immer gibt es wohl keinen Staat auf der Welt in dem sich jeder Bürger allzeit gerecht behandelt fühlt. Ist Gerechtigkeit also überhaupt möglich? Oder ist es eine Illusion, die von Generation zu Generation weitergetragen wird- eine art ewiger Menschheitstraum? Ein besonderer Teil der Betrachtungen kann auf das Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit gelenkt werden. Eine bestehende Rechtsordnung schreibt immer Gebote und Verbote vor und setzt somit fest, was in einem gewissen Rahmen richtig und falsch ist. Genau so bestimmt sie über die Arbeitsweise und die Funktion von gesellschaftlichen Institutionen. Recht ist also normativ und beschreibt, wie eine Gesellschaft leben sollte[2]. Auch Moral bezieht sich auf Sollensaussagen, doch fehlt dieser, im Gegensatz zum Recht die Allgemeinverbindlichkeit und die stellt nur einen Teil des Rechtes dar[3]. Da auch eine Rechtsordnung ohne allgemeine Geltung nutzlos wäre, wird in diesem Aufsatz im Folgenden vorausgesetzt, dass es sich um respektiertes Recht handelt, welches im Ernstfall auch mit rechtlich geregelten Verfahren durchgesetzt werden könnte.
Aus der Diskussion um das Verhältnis von Recht und Moral hat sich Hans Kelsen nicht nur mit seiner Reinen Rechtslehre hervorgetan, sondern er hat auch die Theorie des Werterelativismus wiederbelebt. Aus ihren Prämissen muss gefolgert werden , dass absolute Gerechtigkeit nicht möglich ist[4]. Nimmt uns diese Theorie also einen großen Berg der moralischer Belastung ab oder ist sie nicht auch eine Fluchttür um sich vor der Frage der Gerechtigkeit zu drücken?
Seit den historischen Erfahrungen mit der Naziherrschaft hingegen galt der Rechtspositivismus als überwunden und besiegt. Doch in Folge der alltäglichen Konflikte, die auch aus unterschiedlichen Weltanschauungen oder Werteprämissen resultieren, möchte diese Hausarbeit das Thema mit der folgenden Fragestellung beleuchten:
Hans Kelsens Werterelativismus- die Lösung auf der Suche nach Gerechtigkeit?
Dabei ist das Ziel die Idee des Werterelativismus kritisch zu betrachten und einen Überblick über dieses Themenfeld schaffen. Dabei wird der Blick später vor allem auf die Ideen des Rechtsphilosophen Hans Kelsen gelenkt. Seine Stellung in der Hausarbeit resultiert zum einen aus der Wichtigkeit, die ihm im rechtsphilosophischen Diskurs um den Positivismus im letzten Jahrhundert zugeschrieben werden muss, und zum anderen aus der Klarheit, die ihm eigen ist, seine Gedanken zu formulieren und darzulegen. Da Sprache wohl immer unscharf ist, ist diese Eigenschaft Kelsens vor allem im Geisteswissenschaftlichen Diskurs von großem Vorteil.
Dazu muss zunächst das Verhältnis von Recht und Moral genauer betrachtet werden. Im ersten Kapitel werden die zwei Grundpositionen der Positivisten und Nicht-Positivisten in Kürze dargestellt und die dazugehörigen Thesen erläutert.
Anschließend soll der Relativismus ausführlich untersucht werden. Dabei wird die Idee der Wertesysteme und der Subjektivität von Wertesystemen eine Rolle spielen.
Im dritten Kapitel wird der Gegenstand der Gerechtigkeit nach Hans Kelsen erläutert und seine Konklusion aus der Annahme der These der subjektiven Wertesysteme vorgestellt.
Im letzten Kapitel sollen die Thesen noch einmal zusammengefasst dargestellt werden und eine abschließende Bewertung zur Ausgangsfrage formuliert werden.
2. Forschungsstand
Sowohl die Frage nach Gerechtigkeit als auch die Frag nach der Beziehung von Recht und Moral sind Probleme, welche die Menschheit schon seit sehr langer Zeit beschäftigen[5].
In der Diskussion um den Zusammenhang zwischen dem, was die Gerechtigkeit fordert und dem, was das Recht setzt, sei nur ein Beispiel des griechischen Alkibiades vorgetragen, welcher Perikles bereits im fünften Jahrhundert vor Christus fragte: „ Also auch, wenn ein Tyrann sich des Staates bemächtigt und den Bürgern vorschreibt, was sie tun sollen, auch das ist Gesetz?“[6].
Vor allem im 19. Jahrhundert erlangte der Rechtspositivismus wieder an Bedeutung und wurde später von berühmten Vertretern, die sich um Hans Kelsen bildeten, weitergetragen[7]. Auch Werke des englischen Juristen H.L.A. Hart haben vor allem auf angelsächsischen Boden die Diskussion erweitert[8].
Nach dem Zusammenbruch des Naziregimes in Deutschland galten der Positivismus und die Idee des Relativismus allerdings als überholt und besiegt und es erfolgte eine Rückbesinnung auf das Naturrecht[9]. Der ehemalige Positivist Gerd Radbruch verdeutlicht diese Wende sehr gut, da er sich nach 1945 in seinen Schriften eindeutig abkehrt von früheren Behauptungen und nicht zuletzt in der Radbruchschen Formel fordert, dass ein Richter sich im Spannungsfeld zwischen moralischen Vorstellungen und einem als zu höchst ungerecht empfundenen gesetzten Rechts im Zweifelsfall für die moralisch Richtige Position entscheiden soll[10]. Die Erfahrungen mit dem Unrechtregime trugen dazu bei, die formalen Demokratietheorien und den Rechtspositivismus noch einmal auf seine Grundthesen hin zu untersuchen[11]. Beides steht im engen Zusammenhang zueinander, denn schließlich kann der Positivismus mit der Kernthese „ Jeder beliebige Inhalt kann Recht sein“ und relativistischer Demokratien mit „ jeder beliebige Inhalt kann von einem demokratischen Gremium als Recht gesetzt werden“ zusammengefasst werden[12].
Trotzdem gab es in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts immer wieder Autoren, die sich mit dem Positivismus auseinandergesetzt haben. So zum Beispiel Robert Alexy, Norbert Hoerster oder Ralf Dreier.
3. Die Grundpositionen: Positivismus- Nichtspositivismus
Im der Diskussion um das Verhältnis von Recht und Moral gibt es seit jeher zwei Grundpositionen, die in allen erdenklichen Spielarten vertreten werden: auf der einen Seite die Anhänger der Trennungsthese, die besagt, dass Recht und Moral voneinander unabhängig sind und auf der anderen Seite die Vertreter der Verbindungsthese, die einen verbindlichen Zusammenhang zwischen dem Recht, wie es ist und dem Recht, wie es sein sollte, sieht[13].
Der positivistische Standpunkt wurde von Kelsen in seinem Werk „Reine Rechtslehre“ zusammenfassend formuliert: „Daher kann jeder beliebige Inhalt Recht sein“[14]. Er bestätigt das wichtigste analytische Argument, dass es keinen begrifflichen Zusammenhang zwischen Recht und Moral gibt. Jeder Positivist sollte dieser These uneingeschränkt zustimmen, auch wenn später die Positionen durch unterschiedliche Prioritäten vielfältig werden[15].
Da der Rechtsbegriff unabhängig von moralischen Elementen begriffen wird, bleiben nur noch zwei Definitionselemente: erstens, das der sozialen Wirksamkeit und zweitens die autoritative Gesetztheit[16]. Unter der sozialen Wirksamkeit versteht man die Verbindlichkeit, mit der ein Gesetz befolgt wird und autoritative Gesetztheit beschreibt den Zustand eines Gesetzes, welches, laut der Rechtsordnung, legal existiert. Der Positivismus umfasst also eine Erkenntnistheorie, die auf gesetzten Prämissen beruht und der wissenschaftliche Gegenstand ist unabhängig von der subjektiven Einstellung neutral und damit objektiv erkennbar[17].
Im Vordergrund steht also nicht, ob eine Rechtsordnung richtig oder falsch, gut oder schlecht ist, sondern ob sie in ihrer Gesamtheit widerspruchsfrei funktionieren kann.[18] Im Gegensatz dazu erweitern die Nichtpositivisten ihre Definitionselemente um eine moralische Komponente.[19] Es gibt neben dem analytischen Argument noch ein normatives, welches aufzeigt, dass es notwendig ist die Moral mit einzubeziehen, um bestimmte Ziele zu erreichen[20].
Der Gerechtigkeitsbezug wird also als relevant erachtet[21], außerdem wird in geisteswissenschaftlichen Betrachtungen hervorgehoben, dass es dem Betrachter nicht zur Verfügung steht seinen Forschungsgegenstand objektiv zu betrachten, da er selbst Teil dieser Wirklichkeit ist[22]. Auch Positivisten verleugnen nicht die Stellung der Gerechtigkeit, nur ordnen sie diese der Moral zu und nicht dem Recht[23].
4. Relativismus
Die Auffassung, dass es keine absoluten Werte gibt spielen den Positivisten gut zu, denn sie verstärken die Trennungsthese. Norbert Hoerster zählt den Relativismus sogar als eigenständige These, der so genannten Subjektivismusthese, in das Spektrum des Positivismus[24]. Was aber verstehen Relativisten unter Werten, Wertesystemen und wie kommen sie zu Stande? Außerdem soll die Antwort des Relativismus auf das Werteproblem genauer beleuchtet werden. Mit diesen Fragen wird sich dieses Kapitel beschäftigen.
[...]
[1] Vgl. Crolly 2011.
[2] Vgl. Kunz/ Mona 2006, 6.
[3] Vgl. ebd. 7.
[4] Vgl. Kelsen 1953, 43.
[5] Vgl. Alexy 1992, 15.
[6] Xenophon 1917, 16, zit.n. Alexy 1992,15.
[7] Vgl. Kelsen 1960, Vorwort zur ersten Auflage, III.
[8] Vgl. Hoerster 1971, 5.
[9] Vgl. Hoerster 1989, 7. / Gusy 1982, 503.
[10] Vgl. Hart 1971, 40 f.
[11] Vgl. Dreier/ Paulson 1999, 247.
[12] Vgl. ebd., 247.
[13] Vgl. Alexy 1992, 15 ff.
[14] Kelsen 1960, 201.
[15] Vgl. Alexy 1992, 41.
[16] Kunz/ Mona2006, 36.
[17] Vgl. ebd. 33.
[18] Vgl. ebd. 98.
[19] Vgl. Alexy 1992, 17.
[20] Vgl. ebd., 41.
[21] Vgl. Kunz/ Mona 2006, 32.
[22] Vgl. ebd., 33 f.
[23] Vgl. ebd., 207.
[24] Vgl. Hoerster 1989, 9 f.
- Citation du texte
- Marie Schröter (Auteur), 2011, Hans Kelsens Werterelativismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207309
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