In den letzten dreißig Jahren wurde die Entwicklung und zunehmende Internationalisierung unserer Weltwirtschaft von den wirtschaftspolitischen Grundsätzen aktiver Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung geleitet, was zur Etablierung einer neoliberalen Hegemonie führte. Laut kapitalismuskritischen Autoren befinden wir uns nun jedoch in einer durch den Neoliberalismus hervorgerufenen “multiplen Krise”, die sowohl den Wirtschafts- und Finanzsektor, als auch die Umwelt und die soziale Sphäre betrifft. Parallel zu diesen Krisenentwicklungen entstand der Global Governance Diskurs, der sich mit der Transformation von Machtverhältnissen und Regulierungsbefugnissen in einer globalisierten Welt beschäftigt um potenzielle Korrekturen für die Fehlentwicklungen des Neoliberalismus aufzuzeigen. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der These Ulrich Brands, dass der Global Governance Diskurs die neoliberale Hegemonie stabilisiert, und analysiert, wie sich Corporate Social Responsibility (dt.: Unternehmerische Sozialverantwortung) auf die zunehmende Macht der Konzerne auswirkt. Ziel der Arbeit ist die Beantwortung der Frage, wie sich das Rollenverständnis der transnationalen Konzerne in Zeiten der Krise verändert.
Inhaltsverzeichnis
Gliederung der Arbeit
1. Einführung: Global Governance Diskurs und multiple Krise
2. Politische Gestaltungsmacht im Dreieck von Staat, Zivilgesellschaft und Privatsektor: Analyse der Rolle von TNCs
2.1. Institutionelle Rahmenbedingungen und globaler Kontext
2.2. Potenziale der transnationalen Konzerne im Kontext der multiplen Krise
2.3. Corporate Social Responsibility: Begriffsklärung
2.4. NGOs, Konzerne und Regierungen als Akteure im Global Governance Diskurs
2.5. Einflussmöglichkeiten und Legitimation des politischen Gestaltungsmacht von TNCs
3. Schlussfolgerung und Ausblick
Gliederung der Arbeit
In dieser Arbeit wird im Rahmen des Global Governance Diskurses analysiert, wie sich das Konzept Corporate Social Responsibility auf das Rollenverständnis des Privatsektors in unserer Gesellschaft auswirkt. Nach einer Analyse der These Brands werden die für diese Arbeit relevanten Aspekte von Corporate Social Responsibility vorgestellt und in den Diskurs eingeordnet, um abschließend folgende Frage zu beantworten:
Wie verändert sich das Rollenverständnis transnationaler Konzerne in Zeiten der Krise?
1. Einführung: Global Governance Diskurs und multiple Krise
Der relativ neue Term Global Governance steht für eine politikwissenschaftliche Analysemethode, die sich mit den Transformationsprozessen von Machtverhältnissen im Kontext der Globalisierung beschäftigt und versucht, globale Herausforderungen und grenzüberschreitende Phänomene auf internationaler Ebene zu lösen. Essenziell für diesen neuen Diskurs sind die Annahmen, dass die zunehmende Internationalisierung von Politik und Wirtschaft zu einem partiellen Souveränitätsverlust nationalstaatlicher Politik führt und andere Akteure wie NGO's und Unternehmen zunehmend direkt an politischen Prozessen teilnehmen [Brand 2001]. Des Weiteren besteht ein Konsensus darüber, dass aktuelle Probleme wie z.B. der Klimawandel oder die zunehmende Prekarisierung sozialer Verhältnisse Probleme globaler Natur sind, die nur auf internationaler Ebene unter Einbeziehung aller Akteure gelöst werden können. In der (wirtschaftsliberalen) akademischen Debatte über Corporate Social Responsibility wird vermehrt die Ansicht vertreten, dass transnationale Konzerne durch „gutes“ Management und Selbst-Regulierung über großes Problemlösungspotential verfügen und einen signifikanten Teil zu nachhaltiger Entwicklung beitragen können[Crane, Matten, Spence 2008].
Einige kapitalismuskritische Analytiker gehen wiederum soweit, von einer „multiplen Krise“ (vgl. z.B. [Brand 2009][Altvater 2009][Brunnengräber 2009]) zu sprechen, die durch die Grundprinzipien des Neoliberalismus hervorgerufen wurde. Im Rahmen der multiplen Krise lassen sich folgende Problemfelder zusammenfassen: Die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise (auch Krise der finanzdominierten Akkumulation), die sozial-ökologische Krise (Zusammenfassung der Klima-, Energie-, Ressourcen- und Ernährungskrise), die Krise der Reproduktion (sinkende Arbeitsfähigkeit, soziale Belastung und individuelle Überlastungskrisen) und die Krise der parlamentarischen Demokratie, welche ein Repräsentationsdefizit der unteren bzw. mittleren Gesellschaftsschichten beschreibt und die Entdemokratisierung politischer Entscheidungsprozesse kritisiert [Bader, Becker, Demirovic, Dück 2010]. Die Krise wird von den Autoren deswegen als multipel angesehen, da die verschiedenen Krisenaspekte der einzelnen Sektoren interdependente Dynamiken entwickeln, welche zu einer Verschärfung der gesamten Krise führen, es liegt also ein Multiplikationseffekt vor.
Im Rahmen des Global Governance Diskurses wird versucht, unter Einbeziehung aller betroffenen Akteure (Regierungen, Zivilgesellschaft, Internationale Regime, Wirtschaftsakteure) neue formelle und informelle Strukturen zur Lösung dieser Probleme zu beschreiben. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Nationalstaaten einen Souveränitätsverlust erfahren und zivilgesellschaftliche Akteure wie z.B. NGOs genauso wie Akteure des Privatsektors (z.B. Konzerne) an Bedeutung gewinnen. Die Transformation von Machtverhältnissen (meist eine Verlagerung der politischen Gestaltungsmöglichkeiten vom öffentlichen in den privaten Sektor) wird genauso thematisiert wie die kooperative, multilaterale Gestaltung der Globalisierung. In Anbetracht der zunehmenden Macht von Transnational Corporations (TNCs) ist in diesem Kontext vor allem das an Popularität gewinnende Konzept Corporate Social Responsibility interessant, welches vermitteln will, dass die Schwächen des aktuellen
Regulierungssystems und die gegenwärtigen Probleme des Neoliberalismus durch Selbstregulierung und Nachhaltigkeits-Initiativen der Unternehmen gelöst werden können.
Der Politikwissenschaftler Ulrich Brand äußerte die These, dass Global Governance einen hegemonialen Diskurs darstellt, der die Grundprinzipien des Neoliberalismus nicht hinterfragt, sondern nur an einer „Verbesserung“ der bestehenden Verhältnisse bzw. Entwicklung eines „nachhaltigen Neoliberalismus“ interessiert ist, also der Stabilisierung dieser Hegemonie dient [Brand 2001].
Die Analyse in dieser Arbeit findet also im Theoriegebäude folgender Annahmen statt:
1. Nationalstaatliche Politik erfährt einen Souveränitätsverlust.
2. NGOs und Unternehmen nehmen verstärkt an politischen Prozessen teil und realisieren das neue wirtschaftspolitische Gestaltungspotenzial.
3. Das Rollenverständnis von TNCs erweitert sich von reinen Wirtschaftseinheiten zu wirtschaftspolitischen Akteuren.
4. Durch Integration einer „sozial-verantwortlichen“ bzw. „nachhaltigen“ Businessstrategie erneuern TNCs ihre internationale Legitimation und stabilisieren dadurch ihre neue Machtposition.
Aufgrund des formalen Rahmens dieser Arbeit werden in dieser Arbeit zur Beantwortung der Forschungsfrage die letzten beiden Thesen überprüft.
2. Politische Gestaltungsmacht im Dreieck von Staat, Zivilgesellschaft und Privatsektor: Analyse der Rolle von TNCs
2.1. Institutionelle Rahmenbedingungen und globaler Kontext
Für die Überprüfung der dritten These, dass sich das Rollenverständnis von TNCs in der gegenwärtigen Krise von reinen Wirtschaftseinheiten zu wirtschaftspolitischen Akteuren erweitert, ist es von großer Relevanz, die institutionellen Rahmenbedingungen für die Akteure eines potenziellen Krisenmanagements näher zu betrachten. Die politische Gestaltungsmacht beschränkt sich längst nicht mehr auf nationalstaatliche Gewalt, sondern räumt der Zivilgesellschaft und dem Privatsektor zunehmende Gestaltungsfreiheiten ein und begünstigt komplexe Prozesse, die sich sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene zwischen den verschiedensten Akteuren vollziehen können. Diese zunehmende Diversifizierung der Machtverhältnisse wird im Global Governance Diskurs thematisiert [Brand, Brunnengräber, Schrader, Stock, Wahl 2010], der Nichtregierungsorganisationen, internationale Institutionen und transnationale Konzerne zunehmend als wichtige Akteure in der nun kooperativen, multilateral gestalteten Weltpolitik ansieht [Brand 2001][Brand 2000][Rosenau 2003][Wilke 2006]. Das internationale System wird demnach zunehmend von einem anarchischen System souveräner Staaten in ein Mehrebenensystem transformiert, welches nun auch nicht-staatliche Akteure miteinbezieht und sich zunehmend mit der Schaffung von neuen politischen Strukturen zur Lösung von globalen, langfristigen Problemen beschäftigt. Das Verhältnis von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren gewinnt hierbei konstant an Bedeutung und wird je nach Ebene (lokal, national, regional oder global) jeweils neu definiert. Die Bewertung der “Macht” bzw. Entscheidungsgewalt der jeweiligen Akteure variiert jedoch stark. Einige Akademiker gehen soweit, die Macht der Wirtschaftswelt nun über der Macht der Staaten einzuordnen (“It is shown that power is said to have shifted from the world of states to the world of business”, [Fuchs, Lederer 2008]) und TNCs, die nicht nur in ihrer Zahl, sondern vor allem auch in ihrer Größe ständig wachsen, als politische Kraft zu bezeichnen.
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- Arbeit zitieren
- Julia Nordmann (Autor:in), 2011, Corporate Social Responsibility und „Global Governance“- Verändert sich das Rollenverständnis transnationaler Konzerne?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/206909
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