Es liegt der Schluss nahe, dass der Status quo auf Zypern absichtlich beibehalten wird, und angesichts der Worte, die der damalige britische Kolonialminister Henry Hopkinson 1954 im britischen Unterhaus wählte, ist die Annahme, dass der Zypernkonflikt nicht aufgrund eines ethnisch-religiösen Konflikts zwischen zwei Bevölkerungsgruppen entstand, sondern dass dieser ethnisch-religiöse Konflikt zur Durchsetzung imperialistischer Interessen evoziert und instrumentalisiert wurde, wohl nicht unberechtigt:
„It has always been understood and agreed that there are certain territories in the Commonwealth which, owing to their particular circumstances, can never expect to be
fully independent“
Dieses Zitat ist nur eines von vielen Zitaten und Fakten, auf die ich während meiner Recherche gestoßen bin und die mich dazu bewegt haben, den Zypernkonflikt unter dem Aspekt der imperialistischen Politik des Vereinigten Königreichs und der NATO zu untersuchen, nicht zuletzt da dieser Aspekt, soweit ich dies subjektiv beurteilen kann, in den Medien kaum angesprochen wird. Somit stellt er auch für mich die bisher unbekannteste und deshalb interessanteste Perspektive auf den Zypernkonflikt dar und umfasst zugleich sowohl die politische als auch die historische und die soziokulturelle Perspektive.
Die Facharbeit ist deshalb so aufgebaut, dass ich zuerst einige relevante geographische und historische Fakten über Zypern erläutere, und im Anschluss daran die britische Kolonialherrschaft und den Weg Zyperns zur Unabhängigkeit, die Verfassung der Republik Zypern von 1960, die Jahre nach dem interkommunalen Bruch und die Teilung der Insel infolge der türkischen Invasionen von 1974 unter dem Aspekt einer imperialistischen Politik seitens der Vereinigten Königreichs bzw. der NATO analysiere.
Daraufhin werde ich mögliche Zukunftsmodelle für eine Lösung des Zypernkonflikts vor dem Hintergrund der EU-Mitgliedschaft der Republik Zypern und den EU-Beitrittsbestrebungen der Türkei diskutieren und abschließend die Ergebnisse meiner Facharbeit resümieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Hintergrund der de facto Teilung Zyperns
2.1 Geographische und historische Fakten zur Insel Zypern Seite
2.2 Die Britische Kolonialherrschaft und der Weg Zyperns zur Unabhängigkeit
2.3 Die Republik Zypern und ihre fehlerlastige Verfassung Seite
2.4 Die Jahre nach dem interkommunalen Bruch Seite
2.5 Der Militärputsch, die Invasionen und die Folgen
3. Diskussion möglicher Zukunftsmodelle vor dem Hintergrund der EU-Mitgliedschaft der Republik Zypern und den EU-Beitrittsbestrebungen der Türkei
4. Resümee
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Nach dem Fall der Berliner Mauer im Jahre 1989 schien ein Leben in einem befriedeten und vereinten Europa zum ersten Mal in der Geschichte Europas möglich. Doch weit entfernt vom Lebensalltag der meisten Europäer standen und stehen noch immer Stacheldraht und Beton auf europäischem Territorium und teilen die Insel der Aphrodite in die von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannte Republik Zypern, die ein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist und de jure die gesamte Insel repräsentiert, und in die bisher nur von der Türkei anerkannte „Türkische Republik Nordzypern“.
Seit 2003 ist das zivile Passieren der Grenze über Checkpoints zwar möglich und es werden auch immer mehr dieser Checkpoints eingerichtet, doch der Fall der ‚Zypriotischen Mauer’ scheint in naher Zukunft, sofern sich die Tendenzen in den Verhandlungen zwischen der Republik Zypern und dem Regime im Norden der Insel nicht schlagartig verbessern, unwahrscheinlich – und dies, obwohl die Verhandlungen für eine Lösung des Konflikts seit 1974 geführt werden.
Es liegt deshalb der Schluss nahe, dass der Status quo auf Zypern absichtlich beibehalten wird, und angesichts der Worte, die der damalige britische Kolonialminister Henry Hopkinson 1954 im britischen Unterhaus wählte, ist die Annahme, dass der Zypernkonflikt nicht aufgrund eines ethnisch-religiösen Konflikts zwischen zwei Bevölkerungsgruppen entstand, sondern dass dieser ethnisch-religiöse Konflikt zur Durchsetzung imperialistischer Interessen evoziert und instrumentalisiert wurde, wohl nicht unberechtigt:
„It has always been understood and agreed that there are certain territories in the Commonwealth which, owing to their particular circumstances, can never expect to be
fully independent“[1]
Dieses Zitat ist nur eines von vielen Zitaten und Fakten, auf die ich während meiner Recherche gestoßen bin und die mich dazu bewegt haben, den Zypernkonflikt unter dem Aspekt der imperialistischen Politik des Vereinigten Königreichs und der NATO zu untersuchen, nicht zuletzt da dieser Aspekt, soweit ich dies subjektiv beurteilen kann, in den Medien kaum angesprochen wird. Somit stellt er auch für mich die bisher unbekannteste und deshalb interessanteste Perspektive auf den Zypernkonflikt dar und umfasst zugleich sowohl die politische als auch die historische und die soziokulturelle Perspektive.
Die Facharbeit ist deshalb so aufgebaut, dass ich zuerst einige relevante geographische und historische Fakten über Zypern erläutere, und im Anschluss daran die britische Kolonialherrschaft und den Weg Zyperns zur Unabhängigkeit, die Verfassung der Republik Zypern von 1960, die Jahre nach dem interkommunalen Bruch und die Teilung der Insel infolge der türkischen Invasionen von 1974 unter dem Aspekt einer imperialistischen Politik seitens der Vereinigten Königreichs bzw. der NATO analysiere.
Daraufhin werde ich mögliche Zukunftsmodelle für eine Lösung des Zypernkonflikts vor dem Hintergrund der EU-Mitgliedschaft der Republik Zypern und den EU-Beitrittsbestrebungen der Türkei diskutieren und abschließend die Ergebnisse meiner Facharbeit resümieren.
2. Der Hintergrund der de facto Teilung Zyperns
2.1 Geographische und historische Fakten zur Insel Zypern
Zypern umfasst eine Oberfläche von 9251 km2 und ist somit die größte Insel im östlichen Mittelmeerraum und nach Sizilien und Sardinien die drittgrößte Insel im gesamten Mittelmeer[2].
Die Insel liegt weit im Nordosten des Mittelmeeres, um genau zu sein, liegt sie etwa 380 km nördlich von Ägypten, 105 km westlich von Syrien, 75 km südlich der Türkei und ungefähr 380 km östlich der griechischen Inseln Rhodos und Karpathos[3]. Somit befindet sie sich am Scheideweg zwischen Europa, Asien und Afrika, was ihre Entwicklung sicherlich in jeder Hinsicht geprägt hat und wahrscheinlich auch in Zukunft prägen wird[4].
Der griechische Einfluss auf Zypern lässt sich bis ins 15. Jahrhundert v.Chr. zurückverfolgen, als Mykener Zypern besiedelten. Im 13. Jahrhundert v.Chr. brachten die Achäer die griechische Kultur und Sprache nach Zypern, die seitdem beide durch weitere Besiedelungswellen aus dem griechischen Kulturraum gefestigt wurden und ununterbrochen auf der Insel erhalten blieben[5].
Im 1. Jahrhundert v.Chr. wurde Zypern dem Römischen Reich eingegliedert und ab dem 4. Jahrhundert n.Chr. gehörte es dem griechisch-sprachigen Byzantinischen Reich an, bis die Insel im 12. Jahrhundert n.Chr. von den Kreuzrittern erobert wurde und von 1489 bis 1571 der Republik Venedig angehörte[6].
1571 wurde es von dem Osmanischen Reich erobert, das Zypern 1878 im Anschluss an den Berliner Kongress desselben Jahres an das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Irland verpachtete, wodurch Zypern zum britischen Protektorat wurde; im Gegenzug dazu sicherte das Vereinigte Königreich dem Osmanischen Reich Beistand im Falle einer russischen Offensive zu.
Nachdem das Osmanische Reich 1914 im Ersten Weltkrieg mit dem Deutschen Kaiserreich alliierte, annektierte das Vereinigte Königreich Zypern.
Durch die Unterzeichnung der Lausanner Verträge im Jahre 1923 nach dem Ende des griechisch-türkischen Krieges von 1919-1922 verlor die Türkei, der Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches, in Übereinstimmung mit dem Artikel 16 der Lausanner Verträge jegliche formalen Rechte und Ansprüche auf Zypern sowie in Übereinstimmung mit Artikel 27 jegliches Recht auf „Gewalt oder Jurisdiktion in politischen, legislativen oder administrativen Angelegenheiten über die Bevölkerung auf Zypern“[7].
2.2 Die Britische Kolonialherrschaft und der Weg Zyperns zur Unabhängigkeit
„Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts gab es auf Zypern weniger einen Konflikt zwischen den Sprach- und Religionsgruppen, als vielmehr einen Konflikt zwischen den Klassen“[8].
Der Grundstein für die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen wurde damit gelegt, dass im Jahre 1925 die britische Kolonialmacht auf Zypern eine Kolonialverfassung einführte, durch die Zypern zur britischen Kronkolonie wurde und die die ethno-religiöse Segregation verfassungsrechtlich zementierte[9].
Dadurch wurde die gesellschaftliche Struktur, die bis dato durch ein System sozialer Klassen geprägt war[10] und die von den seit dem 19. Jahrhundert entwickelten extremen Chauvinismen in den Mutterländern Griechenland und Türkei nur verhältnismäßig gering belastet war[11], zunehmend durch den Gegensatz der Nationalitäten ersetzt, wodurch aus den Sprach- und Religionsgemeinschaften klar definierte und gegeneinander abgegrenzte Volksgruppen entstanden[12]. Dieser Schritt erfolgte jedoch nicht aus Zufall, sondern gemäß der imperialistischen britischen Divide-and-rule- Politik[13], die darauf abzielte, die griechisch-zypriotische und die türkisch-zypriotische Bevölkerung[14] sowie später die Mutterländer gegeneinander auszuspielen, um die britischen Interessen auf Zypern gegen das Bestreben der Mehrheit der Bevölkerung, insbesondere der griechisch-zypriotischen Bevölkerung, nach Selbstbestimmung durchsetzten zu können[15].
[...]
[1] Henry Hopkinson, nach: Mirbagheri, Farid: Historical dictionary of Cyprus. 1. Auflage. Scarecrow Press, Inc. Lanham, Maryland, 2010, S.78
[2] vgl. Presse- und Informationsamt, Republik Zypern: Zypern. Nikosia, Zypern, 2004, S.8
[3] vgl. ebd.
[4] vgl. Presse- und Informationsamt, Republik Zypern: Das Zypern-Problem. Historische Übersicht und Analyse der jüngsten Entwicklungen. Nikosia, Zypern, 1998, S.4
[5] vgl. Presse- und Informationsamt, Republik Zypern: Das Zypern-Problem. Historische Übersicht und Analyse der jüngsten Entwicklungen. Nikosia, Zypern, 1998, S.4
[6] vgl. ebd.
[7] vgl. Presse- und Informationsamt, Republik Zypern: Das Zypern-Problem. Historische Übersicht und Analyse der jüngsten Entwicklungen. Nikosia, Zypern, 1998, S.5
[8] Kadritzke, Niels / Wagner, Wolf: Im Fadenkreuz der Nato. Ermittlungen am Beispiel Cypern. 1. Auflage. Rotbuch Verlag Berlin. Westberlin, 1976, S. 14
[9] vgl. Mallinson, William: Partition through foreign aggression. The case of Turkey in Cyprus. 1. Auflage. Mediterranean and East European monographs. Modern Greek Studies. University of Minnesota. Minneapolis, Minnesota, 2010, S. xi
[10] vgl. Kadritzke, Niels / Wagner, Wolf: Im Fadenkreuz der Nato. Ermittlungen am Beispiel Cypern. 1. Auflage. Rotbuch Verlag Berlin. Westberlin, 1976, S.22
[11] vgl. Kadritzke, Niels / Wagner, Wolf: Im Fadenkreuz der Nato. Ermittlungen am Beispiel Cypern. 1. Auflage. Rotbuch Verlag Berlin. Westberlin, 1976, S.17
[12] vgl. Kadritzke, Niels / Wagner, Wolf: Im Fadenkreuz der Nato. Ermittlungen am Beispiel Cypern. 1. Auflage. Rotbuch Verlag Berlin. Westberlin, 1976, S.22
[13] vgl. Kadritzke, Niels / Wagner, Wolf: Im Fadenkreuz der Nato. Ermittlungen am Beispiel Cypern. 1. Auflage. Rotbuch Verlag Berlin. Westberlin, 1976, S.27
[14] 82% der Bevölkerung griechische Zyprioten, 18% der Bevölkerung türkische Zyprioten; nach: Presse- und Informationsamt, Republik Zypern: Das Zypern-Problem. Historische Übersicht und Analyse der jüngsten Entwicklungen. Nikosia, Zypern, 1998, S.4
[15] vgl. Kadritzke, Niels / Wagner, Wolf: Im Fadenkreuz der Nato. Ermittlungen am Beispiel Cypern. 1. Auflage. Rotbuch Verlag Berlin. Westberlin, 1976, S.19-20, S.27
- Citation du texte
- Alexandros Zarotis (Auteur), 2012, Gründe für die Entstehung des Zypernkonflikts und mögliche Zukunftsmodelle, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205319
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