Auf deutschen Straßen und anderen jugendkulturellen Schauplätzen urbaner Ballungsräume von Großstädten wie Berlin entdeckt man mit einer sozialphänomenologisch- alltagsweltlichen Neugierde einen sich anscheinend durchsetzenden jugendkulturellen Stil. XXL- Hosen, offene Turnschuhe, Baseballhemden und Goldketten tragend treffen sich vorwiegend männliche Jugendliche an Straßenecken, deren z.T. bedrohlich wirkendes Auftreten Assoziationen mit medialen Berichten über amerikanische Großstadtghettos erweckt. Ebenso gehört mittlerweile Graffiti zum normalen Stadtbild in Deutschland.
HipHop wird als die große „Asphaltkultur“ Jugendlicher tituliert (Henkel, 1996), die im letzten Jahrzehnt ihren kommerziellen Durchbruch in Deutschland hatte. Seitdem gibt es, wie selbstverständlich, HipHop- Sendungen auf den großen Musiksendern (z.B. „Mixery Raw Deluxe“, VIVA), die über diese Kultur berichten und ihre Spielregeln Interessierten erklären. Ebenso groß scheint in Jugendzentren die Nachfrage und das Angebot an Rap- oder Breakdance- Kursen zu sein. Hört man einigen der Texten von Rappern aufmerksam zu, so scheint es, als sei hier ein gesellschaftserneuerndes Potential und ein Moment von Widerstand vorhanden. Auffallend ist, dass sich insbesondere Jugendliche für HipHop interessieren, die der sogenannten zweiten oder dritten Migrantengeneration in Deutschland zugehören. Doch trotz seiner uns alltäglich begegnenden Präsenz, scheint hinsichtlich dieser jugendkulturellen Erscheinung ein großer Erklärungsbedarf zu bestehen. HipHop ist eine Kultur, um die sich zahlreiche Legenden ranken und deren Stil oftmals parodiert wird. Für Außenstehende ist HipHop sehr schwer nachvollziehbar. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, das Mysterium der HipHop-Jugendkultur zu lüften und es seiner Stigmatisierung zumindest im Rahmen meiner Arbeit zu entledigen.
Gliederung
1 Einleitung
2 Jugend und Kultur- Erklärungsansätze
2.1 Der Begriff der Subkultur
2.2 Jugendsoziologische Betrachtungen
2.3 Die Subkulturforschung des „Centre for Contemporary Cultural Studies“
2.4 Die Subkulturdiskussion
2.5 Die Verabschiedung des Subkulturbegriffs: Jugendkulturen und Lebensstile
2.6 Fazit
3 Was ist HipHop?
3.1 Die sozioökonomischen Entstehungsbedingungen von HipHop
3.2 Die Entwicklungsgeschichte von HipHop
3.2.1 Die Anfangsphase des HipHop- Die Old School bis 1983
3.2.2 Die Phase der Politisierung des HipHop- Die New School von 1983 bis 1985
3.2.2.1 Schwarzer Nationalismus und HipHop
3.2.2.2 Gangster- Rap
3.3 Kulturtechniken im HipHop
3.3.1 Rap
3.3.2 Breakdance
3.3.3 Graffiti
3.4 Fazit
4 Der Zusammenhang von HipHop- Kultur und Jugendgangs
4.1 Vorüberlegungen: Parallelen in der Entwicklungsgeschichte von Crews und Gangs
4.2 Begriffsbestimmung und Spezifika: Jugendgangs
4.3 Ein Erklärungsansatz: Das sozialökologisches Modell der „Chicago School“
4.4 Entstehungshintergründe von Gangbildungen in Deutschland
4.5 Ethnische Gangs in Deutschland
4.6 Exkurs: Mädchen und Gangs
4.7 Ein Vergleich: Gang und Jugendkultur
4.8 Die Gruppenstruktur im HipHop
4.9 Fazit
5 Der subkulturelle Stil im HipHop am Beispiel von Kleidung und Sprache
5.1 HipHop- Kleidung
5.1.1 Der Stilbildungsprozess am Beispiel der HipHop- Kleidung
5.1.2 Zur internen Bedeutung von Stil
5.2 Versteckte Widerständigkeit- Signifying Rapper
5.2.1 Das Signifyin(g)- Konzept
5.2.2 Subversive Botschaften im Rap
5.2.3 Kritik
5.3 Fazit
6 Exkurs: Geschlecht und HipHop
6.1 Frauen und Jugendkultur
6.2 Zur Problemstellung: die Geschlechterbeziehung in den Black Communities
6.3 Rap als Dialog: Frauenrap- Männerrap
6.4 Das Frauenbild im HipHop
6.5 Das Männerbild im HipHop
6.5.1 Der Sexismusvorwurf
6.5.2 Homophobie und HipHop
6.5.3 Ein Beispiel für inszenierte Männlichkeit in einer Jungengang
6.5.3.1 Gruppenkonstitution und Männlichkeit
6.5.3.2 „Männliche“ Beleidigungsrituale
6.6 Fazit
7 Strukturelle Benachteiligungen „ausländischer“ Jugendlicher in Deutschland
7.1 Lebensentwürfe von Jugendlichen in Deutschland
7.1.1 Forschungstendenzen: Identitätskrise und Kulturkonflikt
7.1.2 Rechtsstatus
7.1.3 Schulausbildung und berufliche Zukunftspläne
7.1.4 Freizeitaktivitäten
7.1.5 Häusliche Lebenswelt und Elternbeziehung
7.1.6 Private Lebensplanung- Eheschließung und Familiengründung
7.1.7 Ausländerfeindlichkeit
7.1.8 Fazit
7.2 Gruppenbildungen „ausländischer“ Jugendlicher in Deutschland
7.2.1 HipHop als Forum
7.2.2 Die Bedeutung nationaler Symbolik
7.2.3 Der eigene Sprechstil: “Kanak Sprak“
7.2.4 Fazit
8 HipHop- Jugend in Deutschland
8.1 Die ersten jugendlichen HipHop- Aktivisten in Deutschland
8.2 Ausverkauf einer Jugendkultur
8.3 Die ethnische Segmentierung des HipHop
8.4 Faszination „Ghetto”- Die Gefahr der Ästhetisierung
8.5 Fazit
9 Empirische Untersuchungen
9.1 Identitätskonstruktion im HipHop
9.1.1 Untersuchung
9.1.2 Theoretische Vorüberlegungen
9.1.3 Der Kulturbegriff im HipHop
9.1.4 Individuelle Identitätskonstruktion- Das Konzept „style“
9.1.5 Gruppenidentität
9.1.5.1 Das Konzept „realness“
9.1.5.2 Kommerzialisierung- HipHop und „Sell Out“
9.1.6 Repräsentationsstrategien im HipHop- „represent“
9.1.7 Zusammenfassung
9.2 Deutsch- türkische HipHop- Jugend
9.2.1 Untersuchung
9.2.2 Theoretische Vorüberlegungen
9.2.3 Die Elterngeneration- Migranten- und Minderheitenstrategie
9.2.4 Lebenswelten der deutsch- türkischen HipHop- Jugend
9.2.5 Kreuzberg- „diasporic space“
9.2.6 Kultureller Nationalismus
9.2.7 Freizeitkultur- partikulare und universale Konstituenten
9.2.8 Deutsch- türkische Jugendliche der Mittelklasse
9.2.9 Beispiele deutsch- türkischer Rapformationen
9.2.9.1 Kultureller Nationalismus- Rap
9.2.9.2 Universalistischer politischer Rap
9.2.9.3 „Türkischer“ Gangster- Rap
9.2.9.4 „Türkischer“ Frauenrap
9.2.10 Zusammenfassung
9.3 Abschließende Betrachtung 206
10 Schlussbetrachtung
10.1 Folgerung
10.2 Anregungen für die Jugendarbeit
11 Anhang
11.1 Glossar
11.2 Diskografie
11.3 Filmografie
11.4 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Auf deutschen Straßen und anderen jugendkulturellen Schauplätzen urbaner Ballungsräume von Großstädten wie Berlin entdeckt man mit einer sozialphänomenologisch- alltagsweltlichen Neugierde einen sich anscheinend durchsetzenden jugendkulturellen Stil. XXL- Hosen, offene Turnschuhe, Baseballhemden und Goldketten tragend treffen sich vorwiegend männliche Jugendliche an Straßenecken, deren z.T. bedrohlich wirkendes Auftreten Assoziationen mit medialen Berichten über amerikanische Großstadtghettos erweckt. Ebenso gehört mittlerweile Graffiti zum normalen Stadtbild in Deutschland.
HipHop wird als die große „Asphaltkultur“ Jugendlicher tituliert (Henkel, 1996), die im letzten Jahrzehnt ihren kommerziellen Durchbruch in Deutschland hatte. Seitdem gibt es, wie selbstverständlich, HipHop- Sendungen auf den großen Musiksendern (z.B. „Mixery Raw Deluxe“, VIVA), die über diese Kultur berichten und ihre Spielregeln Interessierten erklären. Ebenso groß scheint in Jugendzentren die Nachfrage und das Angebot an Rap- oder Breakdance- Kursen zu sein. Hört man einigen der Texten von Rappern aufmerksam zu, so scheint es, als sei hier ein gesellschaftserneuerndes Potential und ein Moment von Widerstand vorhanden. Auffallend ist, dass sich insbesondere Jugendliche für HipHop interessieren, die der sogenannten zweiten oder dritten Migrantengeneration in Deutschland zugehören. Doch trotz seiner uns alltäglich begegnenden Präsenz, scheint hinsichtlich dieser jugendkulturellen Erscheinung ein großer Erklärungsbedarf zu bestehen. HipHop ist eine Kultur, um die sich zahlreiche Legenden ranken und deren Stil oftmals parodiert wird. Für Außenstehende ist HipHop sehr schwer nachvollziehbar. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, das Mysterium der HipHop- Jugendkultur zu lüften und es seiner Stigmatisierung zumindest im Rahmen meiner Arbeit zu entledigen.
HipHop ist nicht synonym mit Rap- Musik zu verwenden. HipHop ist der Oberbegriff für einen umfassenderen kulturellen Komplex, der aus den Konstituenten Rap, Graffiti und Breakdance besteht und das gesamte kulturelle Umfeld wie spezifische Mode, Stil, Einstellungen und Ideologien umfasst. Allerdings birgt insbesondere der Rap ein enormes Potential zur Selbstreflektion. Rap wird oftmals als „message music“ bezeichnet (Farin, 2001:134), denn „so viel Text pro Zeiteinheit hat es nie zuvor gegeben“ (Jacob, 1993:183). Jacob definiert Rap als „Lust an der Kommunikation, endloses Reden und Argumentieren“, was damit zu erklären ist, dass es hier offenbar „ein gesellschaftliches Müssen, ein Bedürfnis nach Selbstaufklärung gibt. Und die Überzeugung, daß Diskurse dabei helfen können“ (ebenda). Die Ursprünge von HipHop sind in den USA- Großstadtghettos der Siebzigerjahre, der „Erfahrungswelt der Lower Class Blacks“ und „sozial geerdet in dem von äußeren Rassismus zusammengehaltenen Sozialmilieu der Black Community“ zu verorten (ebenda). Die HipHop- Kultur in Deutschland ist, angesichts des Vorwurfs „vorgefertigtes Klischee“ oder „Ausfluss von Marketingstrategien“ zu sein, in einen Rechtfertigungsdruck geraten (Jahnke, 1994:189). Kritiker bezweifeln die Glaubwürdigkeit der Existenz einer solchen Kultur in Deutschland, da die bundesrepublikanischen sozialstrukturellen Hintergründe andere sind, als die der USA- Metropolen.
Die Frage ist, ob oder inwiefern HipHop in Deutschland als ein jugendlicher Mode- oder Konsumstil zu begreifen ist, oder ob HipHop in Deutschland eher als jugendliche Subkultur bezeichnet werden kann. In das Zentrum meiner Arbeit rücken jugendliche Migrantenkinder, die in den USA diese kulturellen Techniken in den Siebzigerjahren erfanden und auch in Deutschland pionierhaft diese Impulse aufgriffen und weiter bearbeiteten. HipHop entstand ursprünglich relativ autonom innerhalb eines lokal begrenzten Raumes. Den Nährboden, auf dem sich diese Kultur entwickelte, bildeten wie Rose (1994) es beschreibt, die aus grundlegenden gesellschaftlichen Umwälzungsprozessen resultierenden sozialen Spannungen und Widersprüche. Eine entscheidende Rolle spielen hier stadtpolitische Veränderungen, die zu einer Ghettoisierung von Stadtvierteln führten. HipHop stellte für die im Exil lebenden Jugendlichen eine Art Widerstandskultur dar, innerhalb der sie ihr Recht auf Ausdruck behaupteten und Raumverdrängungs- und Aneignungsprozesse eine Rolle spielten. Aufgrund dessen scheint es angemessen anzunehmen, dass die HipHop- Kultur für Jugendliche, die sich in einer gesellschaftlich marginalen Position befinden, eine gruppenorientierte Strategie darstellt, um mit sozioökonomischen Restriktionen umgehen zu können. Um diese Annahme überprüfen zu können, muss zunächst geklärt werden, inwiefern ein Zusammenhang zwischen dem sozialen Hintergrund eines Jugendlichen und seinen HipHop- Aktivitäten in Deutschland anzunehmen ist. Ist HipHop auch in Deutschland eine Kultur der Marginalisierten, wie es ursprünglich als „schwarze Kultur der amerikanischen Großstadtghettos“ gehandelt wurde? Kann in Deutschland eine solche Kultur überhaupt glaubhaft erscheinen oder werden vorgefertigte Stile und Kulturtechniken unreflektiert übernommen? Oder kann vielmehr anhand der Rap- Texte ersichtlich werden, wie Jugendliche gerade der zweiten Migrantengeneration in Deutschland leben und welche Hindernisse die deutsche Mehrheitsgesellschaft ihren Lebensentwürfen entgegenstellt?
Im ersten Kapitel werden kontroverse Ansätze zur Erklärung jugendlicher Gruppierungen nachgezeichnet, um genauer fassen zu können, wobei es sich dabei handelt. Zunächst folgt ein historischer Rückblick auf die Anfänge des Subkulturkonzepts, das seinen Ausgang in den Gang-Studien der interaktionistisch und sozialökologisch ausgerichteten „Chicago School“ der Zwanziger-, Dreißiger- und Vierzigerjahren fand, die sich auf die Untersuchung jugendlicher Delinquenz konzentrierte. Entscheidendenden Einfluss auf die Subkulturforschung in der Bundesrepublik hatte die Arbeit des Birminghamer „Centre for Contemporary Cultural Studies“ (CCCS), weshalb sich an dieser Stelle eine Skizzierung des klassenkulturell- und milieuspezifisch orientierten Ansatzes der CCCS anschließt, welches Stilbildungs- und -verwandlungsprozesse ins Zentrum des Forschungsinteresses rückte. Dem stehen neuere Ansätze gegenüber, welche die Annahme machen, dass das Subkulturtheorem aufgrund der zunehmenden Pluralisierung von Lebensformen und Ausdifferenzierung jugendkultureller Gruppierungen, sowie der Individualisierung von Beziehungsgeflechten zugunsten eines neuen Jugendkulturkonzepts zu ersetzen ist. Demnach haben sich jugendkulturelle Phänomene von ihren ursprünglichen territorialen, historischen und klassenspezifischen Kontexten weitgehend abgelöst (Baacke/ Ferchhoff, 1988, 1995). Vollbrecht (1995) plädiert für einen Lebensstilansatz, der vor dem Hintergrund der Pluralität frei zu selektierender Gestaltungsoptionen die individuelle Gestaltung der Lebensführung betont.
Im folgenden Kapitel soll erfasst werden, was HipHop bezeichnet, welche Kulturtechniken unter diesem Oberbegriff praktiziert werden und wie diese sich entwickelt haben. Die Ursprünge der kulturellen Techniken des HipHop werden in der Literatur bis zu den westafrikanischen Kulturtraditionen der Griots zurückverfolgt. Auch wenn HipHop entscheidend von verschiedenen kulturellen Strömungen und Formen beeinflusst wurde, entwickelte sich die Kulturform des HipHop allerdings erst in Form einer Jugendbewegung in der Bronx, New York der Siebzigerjahre. Mögliche kulturelle Wurzeln des HipHop sollen in der vorliegenden Arbeit Erwähnung finden, allerdings gilt das Interesse primär der Entwicklungsgeschichte, wie sie von Jugendlichen beeinflusst und vorangetrieben wurde.
Ein historischer Rückblick auf die amerikanischen Anfänge des HipHop ist notwendig, um unter Einbezug des zeitgeschichtlichen sozialen Hintergrundes zu ermitteln, wie die Motivation der Jugendlichen begründet ist, die kulturellen Techniken des HipHop zu erfinden und welche Funktionen diese erfüllen. Die Geschichtsschreibung scheint insofern schwierig, als die zu beschreibende sich von der Außenwelt unbemerkt im lokalen Bezugsraum des Ghettos entwickelte. Drei DJ- Veteranen des HipHop, Kool DJ Herc, Africa Bambaataa und Grandmaster Flash, erheben den Anspruch, allein die Geschichte des HipHop erzählen zu können, da „the only way you gonna hear the real historical views on it is by the people who were actually there- who actually took it from nothing and build into whatever it became to be.”[1] Die Entwicklung der wesentlichen DJ- Techniken und die ideologische Einbettung geht auf diese DJ- Legenden zurück, weshalb die Geschichtsschreibung wesentlich entlang der Darstellung ihrer Leistungen verläuft.
Ohne ein Verständnis von der amerikanischen HipHop- Kultur wäre die sich seit den Achtzigerjahren in Deutschland etablierende nicht begreifbar. An dieser Stelle soll skizziert werden, wie die ursprünglich lokale Jugendsubkultur ihre Anfänge in Deutschland finden konnte. Hier soll die Entwicklung von HipHop- Techniken sowohl in der ehemaligen DDR als auch in der alten BRD nachgezeichnet werden.
Die HipHop- Kultur scheint in den USA wie auch in Deutschland ihre Wurzeln in jugendlichen Gangbewegungen zu haben. Daher möchte ich in Kapitel 4 versuchen, Zusammenhänge von HipHop- Kultur und Gangs, unter spezieller Berücksichtigung der Differenzen zwischen Deutschland und den USA, nachzuzeichnen. Dieses Kapitel ist stark von einer sozialökologischen Betrachtungsweise geprägt.
Wie anhand der Arbeit des CCCS herausgestellt werden soll, lassen sich jugendliche Subkulturen anhand eines bestimmten kulturellen Stils als wesentliches Bezugssystem beschreiben. Über die Entschlüsselung der verwendeten Zeichen können Rückschlüsse auf Einstellungen und Werte einzelner Subkulturen gezogen werden. Die Bedeutung von Stil soll in Kapitel 5 anhand der Kleidung als einem wesentlichen Stilmittel jugendlicher Gruppierungen illustriert werden. Die Sprache stellt eine weitere Hauptkomponente subkultureller Stile dar. Anhand von Analysen einiger Rap Texte (Zips, 1996) und des hier vorgeführten spezifischen Sprechstils wird der Frage nach Widerständigkeit im HipHop nachgegangen, da die bewusste Opposition gegenüber der dominanten Kultur nach soziologischen Auffassungen ein Hauptcharakteristikum ist, über das sich Mitglieder einer Subkultur identifizieren.
Nicht nur Rapping sondern die gesamte HipHop- Kultur ist auf Konkurrenz und Wettbewerb ausgerichtet und scheint den Bedürfnissen der Männer entgegenzukommen. Insbesondere der Gangsta- Rap mit einem betont männlichen Habitus provoziert eine feministische Kritik der vermeintlich sexistischen Texte. Unweigerlich stellt sich die Frage, welche Position die Frau im HipHop einnimmt, deren Rolle in dem sich anschließenden Kapitel erläutert werden soll. Mit Hilfe der Autoren Glowania und Heil (1996) kann anhand der Beschreibung der sozialen Stellung der Frau und dem Verhältnis der Geschlechter in den „Black Communities“ die spezifisch weibliche kulturelle Verarbeitung der Erfahrungen gesellschaftlicher Exklusion nachgezeichnet und dabei herausgearbeitet werden, welche Rollen HipHop für Frauen bereitstellt. Die Stellung von Mädchen in Jugendkulturen hat bisher nur wenig Beachtung im Zusammenhang mit jugendkulturellen Strömungen in der entsprechenden Literatur erhalten. Die Problematik des Geschlechterverhältnisses bedarf umfangreicherer Untersuchungen und Beachtung als es in der vorliegenden Arbeit erfolgt. Allerdings soll trotzdem nicht auf einen Anriss dieses Themas verzichtet werden, um auch auf die Notwendigkeit und Selbstverständlichkeit seiner Beachtung aufmerksam zu machen.
Im Anschluss wird das Männerbild im HipHop genauer betrachtet, dem die Problematik von Sexismus und Homophobie- Vorwürfen anhaftet. Anhand der Studie „Turkish Power Boys“ von Tertilt (1996) soll die Inszenierung von „Männlichkeit“ einer jugendlichen Gang aufgezeigt werden, wie sie im HipHop ähnlich eine Rolle spielt. Dies illustrieren die innerhalb der Gruppe ausgeführten „männlichen“ Beleidigungsrituale, die Parallelen zum „Rapping“ erkennen lassen.
Im folgenden Kapitel 7 wird ein spezieller Fokus auf Gruppenbildungen ausländischer Jugendlicher gebildet, der sich aufgrund der bis dahin gemachten Ausführungen über die Entstehungsgeschichte des HipHop sowohl in den USA als auch in Deutschland als notwendig erweist. Vor dem Hintergrund einer kurzen Skizzierung der Lebenssituation Jugendlicher in Deutschland im nationalitätenspezifischen Vergleich kann die darauffolgende Darstellung von Motivationsgründen jugendlicher Aktivisten, sich dieser Kultur anzuschließen, hinsichtlich eines möglichen Zusammenhangs von sozialen Bedingungen und Präferenzen für die Straßenkultur gedeutet werden. Anhand einer Rückverfolgung der Verbreitung der spezifischen kulturellen HipHop- Techniken in Deutschland soll insbesondere das Dilemma zwischen dem Bewahren von Authentizität und der Kommerzialisierung einer Jugendkultur illustriert werden.
Den zweiten Teil dieser Arbeit umfasst die umfangreichere Beschäftigung mit zwei Studien. Die Untersuchung von Menrath (2001) konzentriert sich auf die Problematik der Identitätskonstruktion im HipHop. Menrath versteht Jugendliche als kulturelle Akteure, Identität im HipHop als Produkt einer Aufführungspraxis. Die zentrale Frage ist dabei, auf welche Weise Jugendliche sich der sozial- kulturellen Identitätskonstruktion bemächtigen und inwiefern sie diese affirmativ bzw. progressiv einsetzen. In diesem Kontext versucht Menrath herauszufinden, wie Widerstandspotentiale im HipHop von HipHoppern selbst beurteilt werden. Interessant ist die Aufschlüsselung spezifischer Konzepte wie „realness“, „style“ und „represent“, über die als Handlungsanweisungen mit entsprechenden komplementären Kontrollinstanzen im HipHop sozial- kulturelle Identität konstruiert wird. Dabei untersucht Menrath die Identitätskonstruktion auf drei Ebenen, welche mit den drei genannten Konzepten korrespondieren, d.h. sie betrachtet sowohl die individuelle Selbstinszenierung, die kollektive Identitätskonstruktion, als auch den identitätspolitischen Auftritt nach außen. Hilfreich sind die Ausführungen von Menrath insbesondere in Bezug auf die Frage, inwiefern ein drohender Authentizitätsverlust HipHop- intern eine Rolle spielt und welche Strategien jugendliche HipHop- Aktivisten entwickeln, um ihre kulturelle Identität zu bewahren.
Kaya untersucht die türkische HipHop- Jugend in ihrem Lebensraum Berlin- Kreuzberg, den er als diasporic urban space porträtiert. Die Darlegung der Feldstudie von Kaya entspricht dem Anspruch der vorliegenden Arbeit, den Fokus auf in Deutschland lebende „ausländische“ Jugendliche im HipHop- Kontext zu richten. Kaya versucht im Rahmen seiner Studie „Sicher in Kreuzberg. Constructing Diasporas. Turkish HipHop youth in Berlin“ (2001) Prozesse der kulturellen Artikulation und Konstruktion von Identität einer in der Diaspora lebenden deutsch- türkischen Gruppe männlicher Jugendlicher der Arbeiterklasse zu durchleuchten. Kayas Hypothese lautet, dass diese Jugendlichen mit HipHop eine Strategie entwickelt haben, über die es ihnen möglich ist, mit Diskriminierung und Exklusion, mit denen sie als Migranten der sogenannten zweiten oder dritten Generation in Deutschland konfrontiert werden, umgehen zu können. Der Autor distanziert sich von Forschungsarbeiten, die von einem Assimilationsgedanken geleitet sind und ausländischen Jugendlichen Identitätsprobleme aufgrund von Kulturkonflikten bescheinigen. Vielmehr betrachtet er die kreativen und konstruktiven Anteile, die die Jugendlichen als kulturelle Bricoleure auszeichnen.
Die Beschäftigung mit der deutschen HipHop- Kultur erwies sich zunächst hinsichtlich der spärlichen Literatur zu dieser Thematik als problematisch. Die Aufmerksamkeit, welche der deutschen HipHop- Jugend bislang im Rahmen der Wissenschaft zuteil wurde, ist gering. Die Geschichte, Ideologien und Techniken der HipHop- Kultur waren bisher vor allem von engagierten Anhängern erklärt und aufbereitet worden. Ebenso haben sich seitdem auch in Deutschland zahlreiche populäre Zeitschriften etabliert, die den Rapkünstlern ein Forum bieten.
Die umfangreichste und sorgfältigste Dokumentation der HipHop- Geschichte stellt David Toops „Rap Attack“ (1992) dar, erstmals 1984 erschienen. Toop erzählt die Historie von HipHop, indem er immer wieder Zusammenhänge zwischen den Straßentechniken des HipHop und afrikanischen Kulturen herstellt. Tricia Rose, Dozentin für afrikanische Studien an der Universität in New York, hat mit „Black Noise“ (1994) eine umfangreiche Analyse kultureller Praktiken vorgelegt. Ulf Poschardt (1995) und David Dufresne (1997) haben zahlreiche Einzelheiten hinzugefügt. Die Wurzeln des HipHop liegen in den USA, weshalb die meisten Arbeiten den Entwicklungen in den USA gewidmet sind. Der spärliche Bestand an wissenschaftlichen Publikationen, die sich mit der HipHop- Kultur in Deutschland beschäftigt, rekrutiert sich vor allem aus Abhandlungen von Jacob (1993 u.a.), Fuchs (1996) und Farin (2001 u.a.). Henkel und Wolff (1996) haben aus einem ethnographischen Blickwinkel die Rituale der Berliner HipHop- Szene beschrieben und analysiert.
Meine Arbeit berücksichtigt sowohl wissenschaftliche als auch populäre Beiträge, die sich mit diesem jugendkulturellen Phänomen beschäftigen. Die HipHop- Kultur ist von jugendlichen Autodidakten geschaffen und weiterentwickelt worden, weshalb in der vorliegenden Arbeit die HipHops selbst „zu Wort“ kommen sollen. Verlan und Loh haben unter dem Titel „20 Jahre HipHop in Deutschland“ (2000) eine Ansammlung persönlicher Erzählungen von HipHops über ihre Einstellungen und Erfahrungen publiziert. Krekow und Steiner (2000) repräsentieren ähnlich Interviews, Gespräche und Texte von Aktivisten aus der Szene, die das Selbstverständnis und ein hohes Maß an Selbstreflektion vermitteln. Beide Sammlungen haben sich als hilfreich für diese Arbeit erwiesen.
2 Jugend und Kultur- Erklärungsansätze
Heutige Jugendkulturen scheinen immer schwerer fassbar zu sein, da Vermischungen, Variationen und vielfältige Differenzierungen der letzten 25 Jahren nicht länger ein einheitliches Gesamtbild des jugendlichen Alltagsleben ergeben. So scheinen Angehörige älterer Generationen angesichts des „Jugendkultur- Labyrinths“ zu resignieren, obwohl hier gerade ein Schlüssel zum Dialog mit der Jugend liegt. Denn anhand der kulturellen Ausdrucks- und Stilmittel als Kernsegment der kulturellen jugendlichen Praxis kann man entschlüsseln, welche zentralen Einstellungen jugendliche Kulturen besitzen. Die Jugendforschung bemüht sich mittels szenischer Einzelporträts eine Orientierung für die jugendkulturelle Artenvielfalt zu bieten. Die Schwierigkeit sich mit jugendlichen Kulturformen auseinander zu setzen, bedingt zunächst die Notwendigkeit einer Definition dieses Objektbereichs, wobei hier zunächst der Subkulturbegriff genauer betrachtet wird.
2.1 Der Begriff der Subkultur
Das soziologische Verständnis von Kultur als die „Gesamtheit materieller und ideeller Hervorbringungen, internalisierter Werte und Sinndeutungen sowie institutionalisierter Lebensformen von Menschen“ (Klein, 1986; zitiert nach: Hellmann et al., 1995:2)2 löst ein in der Weimarer Zeit noch verbreitetes bildungsbürgerlich aufgeladenes Kulturverständnis im Sinne von „Hochkultur“ durch einen Zugang ab, der die Pluralität gesellschaftlicher Teil- und Subkulturen und die Heterogenität von Kultur beachtet. Vor diesem Hintergrund wird die Auseinandersetzung mit Alltagskultur, Volkskultur und populärer Kultur aufgewertet. Der Begriff der Subkultur wird häufig synonym mit den Bezeichnungen Alternativ- oder Gegenkultur benutzt, denen militante Konnotationen anhaften. Entsprechend wird die Bezeichnung Subkultur als Komplementärbegriff zur dominanten Kultur begriffen. Mit der Verwendung des Subkulturbegriffs erfolgt eine politische Aufladung des Kulturbegriffs, der auf einen Bezug zu sozialen Bewegungen verweist. So wird auf der Ebene der Kultur das Machtverhältnis von subversiven Kräften und Hegemonie in Frage gestellt (vgl. ebenda).
In der sozialwissenschaftlichen Debatte ist es bisher nicht gelungen, sich auf eine allgemeinverbindliche Definition des theoretischen Konstrukts der Subkultur zu einigen. (Baacke/ Ferchhoff, 1988:292f). Die Versuche einer Präzisierung und Operationalisierung des Konzepts stoßen aufgrund heterogener Verwendungsweisen schnell an ihre Grenzen (Sack, 1971:261). Der Begriff ist demnach kein geschlossener Begriff, „je nach dem wie man diese Konzeption ausdehnt oder verengt, ändert sich das Spektrum der erfassten Phänomene und Erscheinungen“ (Baacke/ Ferchhoff, 1988:294).
Die wegen des offenen Definitionsspielraumes breitgefächerte Subkulturdiskussion schreibt Jugendsubkulturen divergente gesellschaftliche Funktionen zu. Die sozialwissenschaftliche und pädagogische Auseinandersetzung eint jedoch der gemeinsame Erklärungsansatz, Jugendsubkulturen aus externen Strukturbezügen, d.h. aus dem gesamtgesellschaftlichen Gefüge heraus zu erklären. Jugend(sub-)kulturen werden als Widerstandsbewegungen oder Absetzbewegungen, als besondere Form abweichenden Verhaltens, als Katalysator oder Seismograph gesamtgesellschaftlicher Problemlagen, als „Speerspitzen des sozialen Wandels“ (Clarke, 1979:229), also als gesellschaftsverändernde Potenz begriffen (Baacke/ Ferchhoff, 1988:292).
Historisch betrachtet, wurde die Idee und der Begriff der „Subkultur“ von der angloamerikanischen Soziologie und Kulturanthropologie der Vierzigerjahre in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht und bezog sich „explizit auf ethnische Gruppierungen in den USA, auf italienische Immigranten z.B., sowie generell auf die schwarze Bevölkerung“ (Lindner, 1997:5; zitiert nach Farin, 2001:58)3. Infolge der Einwanderungswellen in den USA, Kanada oder auch in deutschen großstädtischen Ballungsgebieten entstanden neue Alltagskulturen4, die sich von der Mehrheitsgesellschaft über eine spezifische familiäre und sozialstrukturelle Infrastruktur unterscheiden. Ein historischer Rückblick auf die Subkulturforschung zeigt, dass diese ihren Ursprung in Studien der Milieus hat, die im Zuge der Arbeitereinwanderung entstanden sind. Somit nahm die Subkulturforschung ihren Anfang in den auf teilnehmende Beobachtung basierenden Milieu- und Gang- Studien delinquenten jugendlichen Verhaltens der interaktionistisch und sozialökologisch ausgerichteten „Chicago School of Sociology“ der Zwanziger- und Dreißigerjahre. Besondere Popularität erreichten zum einen die Gang- Studie von Trasher (1927)5 über Bandenbildungen in Chicago der Zwanzigerjahre und zum anderen Whyte´s „Street Corner Society“ (1955). Die „Chicago School“ machte darauf aufmerksam, dass sich jugendliche Gangs in ihrem Verhalten gegen die Dominanz der Hegemonial- Kultur richten, deren Lebensweise und das Leben in den Slums allerdings nicht mit „regelloser Anarchie“ verwechselt werden dürfe, sondern, „dass es seinen eigenen Gesetzen folgt, die mitunter eine rigorosere und unerbittlichere Disziplin von ihren Mitgliedern verlangen, als die Gesetze der dominanten Kultur“ (Sack, 1971:271). Der Anspruch universell gültiger Normen und Werte jenseits sozialer Unterschiede wurde relativiert, indem das Gangleben vom mittelschichtspezifischen Regelsystem losgelöst betrachtet wurde. Aus Verhaltensweisen, die von denen der Mittelschicht abwichen, wurde „Delinquenz“. Abweichendes Verhalten wurde damit als konform zu kulturellen Traditionen der Unterschichten konzipiert (vgl. Baacke/ Ferchhoff, 1988:294). Die Fokussierung der „Chicago School“ auf Jugenddelinquenz und abweichendes Verhalten Jugendlicher war für nachfolgende Arbeiten der Subkulturforschung richtungsweisend. Die kriminalsoziologische Anwendung des Subkulturkonzepts auf delinquente Jugendgangs wurde in der Jugendforschung erweitert und fand seine Übertragung auf Jugendgruppierungen verschiedenster Ausrichtungen.
Parsons brachte 19426 erstmals den Begriff einer von der „adult culture“ distinkten „youth culture“ mit spezifischen, zur Erwachsenenkultur oppositionell gerichteten „Mustern und Verhaltensweisen“ auf (vgl. Baacke/ Ferchhoff, 1988:296). Damit entwickelte Parsons eine dichotomisierte Betrachtungsweise von Erwachsenen- und Jugendkultur, welche das für die Jugendsoziologie zentrale Theorem des Generationskonflikts impliziert.
2.2 Jugendsoziologische Betrachtungen
Eisenstadt sieht im Anschluss an die strukturfunktionalistische Theorie von Parsons (1942) die Entwicklung von relativ offenen, der Kontrolle Erwachsener meist entzogener, altershomogener Jugendgruppen in den Funktionsausdifferenzierungen universalistischer Industriegesellschaften begründet. Eisenstadt zeigt in „From Generation to Generation“ (1956), dass der Einfluss sozialer Institutionen auf den Menschen in modernen Gesellschaften seine Bedeutung verändert hat. Altersheterogene Gruppen wie die Familie verlieren hinsichtlich der Initiation des Adoleszenten in die Erwachsenenwelt zunehmend an Autorität. Die Familie bleibt zwar eine grundlegende Sozialisierungsinstanz, stellt aber ein unvollständiges „Curriculum“ dar, weil zentrale Lebensbereiche aus der Familie strukturell ausgegliedert sind. Nach Parsons wird die Lebensphase der Jugend am „höchsten Spannungspunkt zwischen den beiden zentralen Wertsystemen Familie und Beruf angesiedelt“ (Baacke/ Ferchhoff, 1995:38). Die gestiegene Verweildauer im Bildungssystem in modernen Industriegesellschaften führt nach Parsons zu einer „strukturellen Unverantwortlichkeit“ oder einem Moratorium zwischen Jugend- und Erwachsenenstatus, in dem sich altershomogene Gruppen bilden, zu denen Eisenstadt (1966)7 u.a. spontane Gruppengründungen zählt. So wird, infolge des in komplexen, universalistisch organisierten Gesellschaften bestehenden Strukturdilemmas zwischen primären und sekundären Sozialisationsbereichen, die Entwicklung einer von der Erwachsenenwelt abgekoppelten Jugendkultur angenommen. Die „youth culture“ besitzt soziologisch gesehen ergänzende bzw. integrationsbezogene gesellschaftliche Teilfunktionen. Die jugendlichen Gruppen besitzen nach Parsons und Eisenstadt im Verbindungsbereich oder in der „interlinking- sphere“8 der Jugend die latente Aufgabe, zwischen den traditionellen und modernen Wertsystemen zu vermitteln. Zum einen erleichtern Gleichaltrigengruppen ihren Mitgliedern den Loslösungsprozess von der Herkunftsfamilie, auf der anderen Seite vermitteln sie künftige berufsweltliche Handlungsdimensionen. So bezeichnet Baacke Peer- Groups, die „neue Handlungsfelder erschließen und den Erwerb universalistischer Standards ermöglichen, ohne jedoch auf Tiefenbindungen zu basieren, wie das für die Familie typisch ist“ (Baacke/ Ferchhoff, 1988:15), aus einer strukturfunktionalistischen Perspektive, aufgrund deren Vorbereitungscharakter auf das Berufsleben und den gleichzeitig innerhalb der Peer- Group aufrechterhaltenden Intimbeziehungen, als „Pufferzonen“ (Baacke/ Ferchhoff, 1995:38f). Gleichaltrigengruppen können als gesellschaftlich funktional bezeichnet werden, da sie für einen gelingenden Sozialisationsprozess in modernen Gesellschaften notwendig sind. Allerdings, so kritisieren Baacke und Ferchhoff (ebenda, 39), ist Parsonss und Eisenstadts Begriff von Jugend(sub-)kulturen nicht differenziert genug, da dieser im Wesentlichen auf die männlichen weißen Jugendlichen der amerikanischen Mittelschicht nach dem zweiten Weltkrieg zugeschnitten ist.
Tenbruck (1962)9 brachte mit seinem Werk „Jugend und Gesellschaft“ die These einer jugendlichen Teilkultur von Bell (1961)11 (synonym zu „youth culture“, Gegenkultur, Peer- Groups) in die jugendsoziologische Debatte der Bundesrepublik ein. Bell (1967) definiert altershomogene Gruppen im Anschluss an Sutherland et al. (1952)10 wie folgt:
„Unter Teilkulturen verstehen wir ´relativ kohärente kulturelle Systeme, die innerhalb des Gesamtsystems unserer nationalen Kultur eine Welt für sich darstellen´. Solche Subkulturen entwickeln strukturelle und funktionale Eigenheiten, die ihre Mitglieder in einem gewissen Grade von der übrigen Gesellschaft unterscheiden“ (Bell, 1961:83; zitiert nach: Baacke, 1987:87).
Baacke versucht Bells relativ abstrakte Definition genauer zu fassen: Relativ kohärent im Sinne Bells sind Subkulturen, so erklärt Baacke, „weil sie schon raum- zeitlich nicht geschlossen sind, sondern immer wieder Einbrüche von gesamtgesellschaftlichen Institutionen mit ihren Anforderungen stattfinden“ (Baacke/ Ferchhoff, 1988:300) . Eine Subkultur ist nur als Teilbereich „altershomogen bestimmter Freizeitaktivitäten“ zu verstehen, die sich auf den Nachmittag oder Abend oder auf die Ferien beschränkt und nicht unabhängig von äußeren Einflüssen ist. Da außerhalb des Teilbereichs „altershomogen bestimmter Freizeitaktivitäten“ emotionale Bindungen zu Personen und Abhängigkeiten existieren, kann nur eingeschränkt von einer Autonomie oder Welt für sich in Bezug auf eine jugendliche Teilkultur die Rede sein. Jugendkulturen sind in der Regel freizeitbezogen und bleiben damit auf die kulturelle Ebene beschränkt, da die Jugendlichen ökonomisch aber auch hinsichtlich Schule und Ausbildung in die Gesamtgesellschaft integriert bleiben, weshalb sie von Bell als kulturelle Systeme bezeichnet werden. So sind „nur bestimmte, in der Regel als vorübergehend angesehene Verhaltensweisen in eigenen Erlebnis- und Erfahrungsbereichen“ subkulturell ausgeformt und nicht die Basis der Existenz von Jugendlichen (Baacke, 1987:88).12 Die „strukturellen und funktionalen Eigenheiten“ jugendlicher Subkulturen werden oft als Folge von Anpassungsschwierigkeiten der Jugendlichen aufgefasst. Die Subkultur wird als eine Art Selbsthilfereaktion der Jugend verstanden, die eine erweiterte Zeitspanne umfasst, in der eigene Werte und damit gesellschaftliche Identität für die Rolle des Erwachsenen erworben werden: „Man sollte begreifen, dass die jugendliche Subkultur einer Entwicklungsphase entspricht, durch die der Jugendliche durchgeht und der er wieder entwächst“ (Bell, 1967:83- 86; zitiert nach Baacke, 1987:88).
Das Generationsparadigma zur Interpretation jugendspezifischer Phänomene wurde ab den Siebzigerjahren zugunsten eines klassen- bzw. schichtspezifischen Paradigmas aufgegeben. Der Begriff der Subkultur erhielt im Zuge dessen die Bedeutung einer gesellschaftsinnovativen Bewegung. Jugendphänomene waren nicht länger generationsspezifische Teilkulturen, sondern wurden im Sinn einer gesellschaftserneuernden Subkultur gedeutet und gerieten damit in eine politische Perspektive. Anteil an dieser neuartigen Betrachtungsweise in der bundesdeutschen Debatte hatten die jugendsubkulturellen Einsichten der Birminghamer Schule, welche mit einem klassentheoretischen Begriff von Jugendkultur den Blick auf die Jugendlichen der Arbeiterklasse lenkte und mit Fokus auf alltagskulturelle Lebenspraktiken ein differenziertes Analyseinstrument zur Deutung jugendlicher Lebensmuster entwickelte.
2.3 Die Subkulturforschung des „Centre for Contemporary Cultural Studies“
Das 1964 an der Universität Birmingham gegründete „Centre for Contemporary Cultural Studies“ (CCCS) hat die Subkulturtheorie für die nächsten Jahrzehnte entschieden geformt. Die Birminghamer Schule konzentrierte sich in ihrer Arbeit auf die englische proletarische Jugend der Nachkriegszeit. Das CCCS analysierte die Beziehung zwischen Jugend und Klasse stärker in marxistischen Kategorien und griff dabei auf das Konzept von Ideologie und kultureller Hegemonie13 von Gramsci (1967)14 zurück, das in der Tradition des kulturalistischen Marxismus steht (Brake, 1981:77). Die Birminghamer Schule arbeitete demnach mit einem klassentheoretischen Begriff von Kultur, die definiert wird als „jene Ebene, auf der gesellschaftliche Gruppen selbständige Lebensformen entwickeln und ihren sozialen und materiellen Lebenserfahrungen Ausdrucksform verleihen“ (Clarke, 1979:40). Kultur enthält die „Landkarte der Bedeutung“, welche die Dinge des eigenen Umfeldes verstehbar machen und in Beziehungen, Interpretationen, Sitten und Wertungskategorien objektiviert ist, über die das Individuum Zugang zur Gesellschaft findet (Clarke, 1979:41). Raymond Williams (1976)15, einer der „geistigen Mentoren des CCCS“, brachte dieses neuartige Verständnis des Kulturbegriffs in die geisteswissenschaftliche Debatte ein, der zufolge Kultur „nicht auf ideell- imaginative, künstlerisch- ästhetische Phänomene eingeengt, sondern im Sinne der kultur- und sozialanthropologischen Auffassung als ´die gesamte Lebensweise einer Gruppe`“ verstanden wird (Williams, 1976:50; zitiert nach: Lindner, 1979:8).
Den ersten neuartigen theoretischen Fortschritt, der dem CCCS innerhalb der Subkulturforschung gelungen ist, sieht Lindner in der Auflösung der „falschen Dichotomie“ von Generation und Klasse mit der Einführung eines Jugendbegriffs, der die klassenkulturelle Verankerung von Jugendkulturen als „generationsspezifische Subsysteme klassenspezifischer Stammkulturen“ („parent cultures“)“ impliziert (ebenda, 10). Einen zweiten Fortschritt erkennt Lindner in der Einbettung jugendlicher Subkulturen in das gesamtgesellschaftliche Beziehungsgeflecht hierarchischer „Klassenkulturen“ (vgl. ebenda).
Das primäre Ziel des CCCS war es, jugendliche Subkultur in Beziehung zu drei kulturellen Strukturen, der „parent culture“, „mass culture“ und „dominant culture“, zu setzen. Subkulturen werden als „Subsysteme- kleinere, stärker lokalisierte und differenzierte Strukturen innerhalb eines der beiden größeren kulturellen Netzwerke“ (bürgerliche und proletarische) definiert (Clarke, 1979:45). Jugendkulturen sind demnach als Untereinheiten einer klassenkulturellen Stammkultur zu verstehen. Sie entstehen aus dieser und bleiben mit ihr verwoben. Dabei müssen Jugendsubkulturen ebenso eine eigenständige Struktur und Gestalt aufweisen, um als Subkultur ihrer Stammkultur erkennbar sein zu können. Gleichzeitig muss die jugendliche Subkultur Wesentliches mit der Stammkultur gemein haben, um als ein Teil von ihr identifizierbar sein zu können (vgl. Baacke/ Ferchhoff, 1988:309; Clarke, 1979:45f). Eine von der Stammkultur distinkte kohärente Identität und Gestalt gewinnen Subkulturen mit der Zentrierung um „gewisse Aktivitäten und Werte, um gewisse Formen des Gebrauchs von materiellen Artefakten, territorialen Räumen usw.“, sogenannte „Kristallisationspunkte“ (Clarke, 1979:46). Entscheidend ist dabei das Verhältnis von dominanter Kultur und spezifischer Klassenkultur. Diese wiederum differenziert sich in parent culture, d.h. der Stammkultur der Eltern und in die dazugehörige Jugendkultur als generationsspezifische Verarbeitung des kulturellen Erbes (vgl. Baacke/ Ferchhoff, 1988:309). Jugendsubkulturen artikulieren sich dabei im Rahmen des Beziehungsgeflechts doppelt, im Verhältnis zu ihrer Stammkultur und über diese- „wie durch ein Prisma gebrochen“- zur dominanten Kultur (vgl. Lindner, 1979:11). Sie sind also weder als Reaktionsbildung auf die dominante Kultur noch als eigenständiges Kulturgebilde interpretierbar (vgl. ebenda).
Sozialstrukturelle Veränderungen in der Nachkriegsentwicklung bedingten eine Zersplitterung und Polarisierung der Arbeiterkultur. Jugendlichen Subkulturen wurde die latente Funktion zugeschrieben, „die inhärenten Widersprüche der Stammkultur (parent culture) offen auszudrücken“ (Brake, 1981:79), und „magische Lösungsmöglichkeiten“ von Klassenwidersprüchen („magically solutions“) anzubieten (Hebdige, 1979:71). Clarke erklärt, dass sich darunter eine Scheinlösung verbirgt, denn die Versuche Lösungen für diese Widersprüche zu finden, sind nicht auf derselben Ebene angesiedelt, auf der „die Widersprüche selbst wirklich entstehen, so daß die entwickelte Lösung keine reale Alternative darstellt, die sich potentiell gegen die Hegemonie richten würde “ (Clarke, 1979:155).
Die Subkulturen bieten vor allem den männlichen Jugendlichen der Arbeiterklasse „eine Strategie um ihre kollektive Existenz zu bewältigen“ (Clarke, 1979:95). Der Versuch der „subkulturellen Lösung“, da auf der symbolischen Ebene angesiedelt, „war zum Scheitern verurteilt“. Über die imaginäre Lösung ihrer Klassenproblematik werden „die Lücken und Diskrepanzen zwischen echten Aushandlungen und symbolisch verschobenen Lösungen reproduziert“ (ebenda).16 Die subkulturelle Lösung ist partiell, bleibt auf den Bereich der Freizeit beschränkt. Entsprechend bleibt auch die Infragestellung der Hegemonie immanent. Clarke postuliert eine „Flucht in die Freizeit“, welche als ein wichtiger Bereich der „relativen Freiheit der Klasse“ betrachtet wird. Diese Beschränkung auf den einen Bereich der Freizeit bedeutet eher die Unterdrückung in Form einer „rein magischen Transzendierung“ der anderen Bereiche Arbeit und Familie, in welchen die Widersprüche entstehen (Clarke, 1979:154). Bedeutungssteigerungen der Freizeit, Aktivitäten und Konsum von Jugendlichen formen ein „Generationsbewusstsein“, das bei denjenigen Jugendlichen ausgeprägt ist, die eine „aufwärts und nach außen gerichtete Mobilität aus der Klasse heraus zeigen“, in deren Folge der Jugendliche die eigene Stammkultur zugunsten der dominanten Kultur gleichsam verrät (Clarke, 1979:100f). Hier wird ein Unterschied zwischen den Subkulturen der Arbeiterklasse und den Gegenkulturen der Mittelschicht herausgearbeitet. Die Gegenkulturen der Mittelschicht, wie z.B. die Hippie- Bewegung, kennzeichnet der Versuch, Alternativen zu den Institutionen der dominanten Kultur in neuen Formen der Arbeit, des Familienlebens und der Lebensform zu erproben. Dagegen gelingt es Subkulturen nicht, strukturelle Veränderungen herbeizuführen oder die Jugend mit Karriere- Perspektiven auszustatten (vgl. ebenda). Die Differenzierung der unterschiedlichen Jugendkulturen wird anhand von Stil- Deutungsmustern vorgenommen.
An dieser Stelle wird der Prozess der Stilschöpfung zentral, den Clarke mit Levi- Strauss´ (1969)17 Begriff der Bricolage (Bastelei) genauer bestimmt als „Neuanordnung und Rekontextualisierung von Objekten, um neue Bedeutungen zu kommunizieren, und zwar innerhalb eines Gesamtsystems von Bedeutungen, das bereits vorrangig sedimentierte, den gebrauchten Objekten anhaftende Bedeutungen enthält“ (Clarke, 1979:136). Hebdige (1979)18 analysiert subkulturelle Stile im Hinblick auf deren Potential Widerstand auszudrücken, d.h. deren kulturellen „Herausforderung an die Hegemonie“ (Hebdige, 1983:22). Die zentrale Diskursform, über welche der subkulturelle Bricoleur seine Botschaft kommuniziert, ist die Mode. Dabei werden aus einem bereits vorhandenen Rohmaterial Objekte selektiert und in einen neuen Gesamtzusammenhang gestellt, so dass eine neue Bedeutung vermittelt wird. Dabei ist entscheidend, dass die Objekte nicht nur existieren, sondern auch bereits „Bedeutungen enthalten, die in einem so kohärenten System organisiert sind, daß die Art, in der sie umgestellt und transformiert werden, auch als Transformation begriffen werden kann“ (Clarke, 1979:137). Eine Transformation oder Bedeutungsverschiebung kann stattfinden, weil Waren bereits mit Bedeutungen ausgestattet sind. Die Stilschöpfung erfolgt also über die Selektion von Objekten aus einer „Matrix des Bestehenden“ und der „Übersetzung des Gegebenen in einen neuen Kontext und seiner Adaption“ (ebenda, 138). Die Objekte sind käufliche Waren, die für den subkulturellen Bricoleur finanziell erreichbar sind.
Um die Attraktivität eines bestimmten Subkultur- Stils für eine spezifische Jugendgruppe verständlich zu machen, d.h. die Frage warum bestimmte Objekte von einer Gruppe selektiert werden und andere nicht, beantworten zu können, kreuzt das CCCS das Konzept der Homologie mit dem der Bricolage. Der Begriff „Homologie“ bezeichnet eine strukturelle Entsprechung von Werten und Interessen einer Gruppe und den von ihr bevorzugten symbolischen Objekten (vgl. Hebdige, 1983:105). Die selektierten Gegenstände werden nicht einfach in Sammlermanier irgendwie genutzt, sondern ein Stil bezieht seine spezifische symbolische Qualität aus dem Arrangement aller Elemente in einem Ensemble, welches das Selbstbild der Gruppe objektiviert (vgl. ebenda, 141). Stil existiert als ein symbolisches Gesamtsystem (vgl. ebenda, 140). Jugendliche arrangieren die Dinge an „ihrem“ Ort des subkulturellen Lebens, sie transformieren die vorgeschriebenen Gebrauchsmöglichkeiten der Dinge und machen sie zum Symbol ihrer Lebensäußerung. Der stilistische Kern der subkulturellen Bricolage wird im Ausdruck zu den Werten der dominanten Kultur verortet (vgl. ebenda, 138).
Die Kulturindustrie absorbiert die Stilelemente der Gegen- oder Subkulturen, die so zur Massenkultur werden. Den Prozess der Entwertung zum Konsumstil beschreiben die Forscher der Birminghamer Schule mit den Schritten Ausbruch, Verbreitung, Auslöschung und Reintegration, über welche die kulturellen Ausbruchsversuche neutralisiert werden (Clarke, 1981:147). Bereits Clarke weist auf die Rolle der Medien bei der Verbreitung subkultureller Stile hin. Die Nachrichtenmedien beuten den Stil einer Gruppe aus, um über diesen ihre eigene „symbolische Kommunikation“ zu schaffen. Solche Medienberichte können den „kulturellen Raum“ erweitern, indem sie „geographisch verstreuten Gruppen“ die Möglichkeit bieten, aus der bereits „doppelschichtigen symbolischen Darstellung“ des medienvermittelten, ursprünglich subkulturellen Stils, potentielle Verbindungen wie zwischen den eigenen Aktivitäten und dem Stil einer Gruppe herauszulesen. Über selektive Umstrukturierung und Wiederaneignung wird der so variierte Stil zum eigenen Lebensstil erklärt (Clarke, 1979:148f). Ein Stil wird aufgelöst, so Clarke, indem seine „symbolische(n) Elemente ihre anfänglich integrale Beziehung zu einem spezifischen Lebenskontext“ einer Gruppe verlieren (ebenda, 149). Dabei werden insbesondere diejenigen Elemente hervorgehoben, die eine Vermarktung auf breiter Basis erlauben, andere werden vernachlässigt (vgl. ebenda, 152). Die „kommerzielle Entschärfung“ eines subkulturellen Stils bedingt die Definition eines generationsspezifischen Jugendmarktes, der die Verbindung zu einer Klasse nicht mehr erkennen läßt. Diese Idee eines spezifisch jugendlichen Marktes korrespondiert mit den Annahme von einer „Kluft zwischen den Generationen“ und der wachsenden Kaufkraft der Jugend. Auf diese Weise entstehen klassenlose, offene, verallgemeinerte Variationen von ursprünglich subkulturellen Stilen, deren Objekte als „jugendlich“ definiert werden (vgl. ebenda 152f).
Kultur wird in der ethnologischen Ausrichtung des CCCS als etwas Über- und Umgreifendes verstanden, dass alle alltäglichen Formen der Selbstdarstellung umfasst. Insofern wird in den Jugendsubkulturen die Funktion alltagskultureller Kreativität als Selbst- und Sinnfindungspraxis Jugendlicher aufgedeckt, ebenso wie der Aspekt der Überlebenshilfe und der Ausdruck von Widerstand als zentral erkannt werden (vgl. Baacke/ Ferchhoff, 1988:312).
2.4 Die Subkulturdiskussion
Schwendter legte mit seiner „Theorie einer Subkultur“ (Erstauflage 1973) einen eigenständigen Beitrag zur Subkulturdiskussion vor. Er erstellte in Zusammenhang mit den gegenkulturellen Strömungen der Studentenbewegungen in der Bundesrepublik der Sechzigerjahre eine Subkultur- Typologie, die in Form eines Schichtungsmodells19 die Unterschiedlichkeit von Subkulturen aufzeigt und eine gewisse begriffliche Kategorisierung von Subkulturen trotz deren Komplexität anbietet. Subkulturen sind nach Schwendter nicht, wie im umgangssprachlichen Gebrauch üblich, als Unterabteilung kapitalistischer Gesellschaften zu verstehen, sondern als Teilkulturen, welche auf die Mehrheitskultur in Abweichung von dieser und deren dominierenden Werten und Normen Bezug nehmen. Schwendter definiert Subkultur als
„ein Teil einer konkreten Gesellschaft, der sich in seinen Institutionen, Bräuchen, Werkzeugen, Normen, Wertorientierungssystemen, Präferenzen, Bedürfnissen usw. in einem wesentlichen Ausmaß von den herrschenden Institutionen etc. der jeweiligen Gesamtgesellschaft unterscheidet“ (Schwendter, 1993:10).
In Abgrenzung zum CCCS nimmt Schwendter in seiner „Theorie der Subkultur“ Bezug auf „Erfahrungen eines disparaten Bündnisses metropolitaner Subkulturen, welchen längst eine Milchstraße von Klassenströmungen, nicht indes eine Stammkultur zugrunde liegt“ (Schwendter, 1993:421f). Schwendter behält allerdings im Wesentlichen die Differenzierung zwischen einer herrschenden und einer beherrschten Klasse nach dem Vorbild des Modells des CCCS bei. Dabei weicht er von einem Konzept der Homogenität des subkulturellen Zusammenhangs zurück, hält allerdings an der politischen Aufladung und hegemonietheoretischen Einbettung des Konzepts fest. Schwendter bestätigt 1993 sein Konzept trotz der Kritik, die hier gemachten Prämissen seien inzwischen veraltet, erneut. Schwendters Modell kann als ergänzender Beitrag zu Kulturtheorien betrachtet werden, die Subkulturen allein in den Kontext von sozialer Kontrolle und Abweichung stellen.
Die Forschungsergebnisse in Großbritannien sind nicht ohne weiteres auf die Verhältnisse in Deutschland übertragbar. In der Bundesrepublik der Neunzigerjahre sind klare klassenspezifische Differenzierungen, die eine „strukturelle Polarisierung“ von hegemonialer Kultur und Arbeiter- Subkultur wie in Großbritannien nachweisbar machen würden, nicht möglich. Ferchhoff und Baacke postulieren, dass Sub- und Jugendkulturen in universalistisch organisierten Gesellschaften nicht als das Ergebnis klassenspezifischer Sozialisationen beschreibbar sind (vgl. Baacke/ Ferchhoff, 1988:315ff; Baacke/ Ferchhoff, 1995:40ff). Dementsprechend kann eine eindeutige Korrespondenz von Klassen-, Schicht-, oder Milieukulturen und jugendsubkulturellen Stilbildungen nicht festgestellt werden. Hinzu kommt, dass die hier zu beobachtenden jugendkulturellen Stile nicht authentisch entstanden sind. Im deutschen Raum kann, so Baacke, nicht von authentischen oder „echten“ Jugendsubkulturen wie in Großbritannien und den USA gesprochen werden, welche aus ihrem milieuspezifischen und historischen Kontext kaum abzulösen waren. Baacke nennt hier exemplarisch die Hippies, Mods oder Halbstarken. Die Beobachtung, dass historische Jugendsubkulturen in Form von Imitationen und Revivals bis heute überlebt haben, deutet darauf hin, dass es sich hier um „`aufgelöste´, unechte Modestile“, handelt, „von deren Entstehungszusammenhang nur noch wenige Elemente und Accessoires (Kleidung, Tanz, Musik, Frisuren, Sprachformen, Körpergesten, Fingerzeichen etc.) übrigbleiben“ (Baacke/ Ferchhoff, 1988:313). Kommerzialisierung, Imitationen und Vermischungen machen eine klassenspezifische Zuordnung der als „exportiert, sekundär, inkorporiert“ beschreibbaren Stile nicht möglich (ebenda).
Baacke und Ferchhoff zweifeln den analytischen Aussagewert des Subkulturkonzepts für soziale Gebilde in differenzierten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften an, in denen kaum mehr von einer einheitlichen dominanten Kultur ausgegangen werden kann. Die Autoren plädieren deshalb dafür, von Jugendkulturen ohne emphatisches „sub“ zu sprechen. Insgesamt wirkt die Bezeichnung als „Subkultur“ stigmatisierend und suggeriert, es handelt sich hierbei um einen illegitimen Teil der Gesellschaft, deren Wert ein „unteres“ Segment der als vermeintlich geltenden „Hochkultur“ repräsentiert (vgl. Baacke/ Ferchhoff, 1988:315).
Baacke argumentiert weiter, dass der Subkulturbegriff nahelegt, es handelt sich hierbei um Teilsegmente der Gesellschaft, die exakt auszudifferenzieren sind. Da aber eine Fülle von Übergängen zur Gesamtkultur und außerdem der Anspruch an gleichgewichtigen Legitimierungen besteht, ist es sinnvoll den Begriff der „Subkultur“ zu ersetzen. Auf der Basis tendenzieller Entpolitisierung des Subkulturbegriffs, scheint die eindeutige Differenz einer authentischen oder primären jugendlichen Subkultur „von unten“ und den kulturindustriell und massenmedial vermittelten Modesubkulturen „von oben“ zu verschwimmen (vgl. ebenda; Baacke/ Ferchhoff, 1995:41). So wird davon ausgegangen, dass eine authentische Lebenspraxis einer jugendlichen Subkultur aufgrund der Erosion traditioneller Lebensmilieus und dem Einfluss der Kulturindustrie nicht mehr gegeben ist (vgl. ebenda, 42). Die Grenzen zwischen Mainstream und Subkultur sind somit fließend geworden und die Trennlinien zwischen Jugendkulturen und Gesamtkultur unscharf geworden. Die Gesamtkultur assimiliert Elemente der Jugendkultur, wie es Tenbruck bereits in den Sechzigerjahren mit dem Ausdruck des „Puerilismus der Gesamtkulturen“ beschrieben hat, infolge dessen die jugendliche Teilkultur in gewisser Hinsicht zur „dominanten Teilkultur“ wird (vgl. Baacke/ Ferchhoff, 1988:301).
Außerdem sind Subkulturen nicht exakt lokalisierbar, z.B. in einer politischen Grundhaltung oder Schicht, wie viele Subkulturtheorien annehmen. Die aktuellen jugendlichen subkulturellen Strömungen sind keine „eindeutigen Subaggregate“ einzelner Gesellschaften, sondern „kulturelle Stilvariationen und Gruppierungen, die sich international ausbreiten und unter dem gleichen Erscheinungsbild ganz unterschiedliche Formen von Selbstbehauptung, Selbständigkeit und Abhängigkeit ausagieren“ (ebenda, 315f).
Es trifft auch nicht allgemein auf alle Subkulturen zu, dass sie selbständig sind und versuchen ein alternatives Netzwerk aufzubauen. Die von Bell als Definitionskriterium von Subkulturen erhobene Eigenständigkeit kultureller Systeme hat noch heute ihre Gültigkeit. Sie äußert sich in einer prinzipiellen Teilhabe an Sexualität, Konsum, Freizeit, Mode etc. (vgl. Baacke/ Ferchhoff, 1988:316f). „Kulturell“ meint nicht ein „Überbau- Phänomen“, sondern einen spezifischen Habitus, an dem jugendkulturelle Phänomene am deutlichsten erfasst werden können. Jugendkulturen verändern nicht generell die Gesellschaft, aber Jugendliche können sich in ihnen verändern. Baacke postuliert, Jugendkulturen sind als transitorisch zu verstehen, d.h. obgleich sie für Jugendliche eine überlebenswichtige Sozialisationsinstanz darstellen, garantieren sie keine Kontinuität der Entwicklung (vgl. ebenda, 317).
2.5 Die Verabschiedung des Subkulturbegriffs: Jugendkulturen und Lebensstile
Angesichts sozialstruktureller Veränderungen und der Pluralisierung sozialer Lebenswelten steht der bis in die Siebzigerjahre dominierende Begriff der Subkultur seit Ende der Achtzigerjahre in Frage und wird tendenziell durch den Plural stilbezogener Jugendkulturen oder kulturbezogener Jugendszenen gleichberechtigt neben die ehemals gesamtgesellschaftlich verpflichtende Erwachsenenkultur gesetzt (Baacke/ Ferchhoff, 1995:34; Sander, 1995:39). Der Terminus- Wechsel soll die Brüchigkeit „klassenstrukturelle(r) und klassenkulturelle(r) Traditionen und Homogenisierungen“ signalisieren. Der Jugendkulturbegriff20 kennzeichnet dagegen die „Gesamtheit der in der Kulturindustrie und Warenästhetik synthetisch produzierten Bilder und Deutungen über einen (vermeintlich!) klassenlosen jungen Menschen und dessen Verhaltensorientierung“ (vgl. Baacke/ Ferchhoff, 1995:42).
Die Autoren nehmen eine Abkopplung der Jugendkulturen in heutigen modernen Gesellschaften von ihrem Herkunftsmilieu an, welches die Zugangschancen eines Jugendlichen zu früheren Jugendkulturen vorstrukturierte (Baacke, 1987:22). Stattdessen verfügen Jugendliche heute über ein Angebot unterschiedlicher Freizeitszenen, an denen teilzunehmen nicht allein eine Frage der Herkunft ist, d.h. Jugendkulturen entwickeln sich mit der Abkopplung vom jeweiligen Herkunftsmilieu zu Szenen mit spezifischen Lebensstilen, die durch die Erfahrung von Intensität und Action außerhalb institutionell verfestigter Zusammenhänge gekennzeichnet sind. Baacke spricht in diesem Zusammenhang von „Ablösung“, das meint, dass „die zunächst an historische Zeitläufe, Territorien und soziale Herkünfte gebundenen Jugend- Stile alle von ihrem Ursprung ´abheben´ und so zur Szene werden (...)“ (ebenda, 69).
Der Begriff der Szene21 impliziert eine sozialökologische Qualität, welche sich „auf die Möglichkeit zur Selbstdarstellung und auf den actiongeladenen Erlebnisgehalt bezieht“ (Vollbrecht, 1995:34). Vollbrecht postuliert, dass je nach Grad der Stilisierung und Bekenntnisintensität Jugendkulturen in Peripherie und Zentrum unterteilbar sind. Jeweils eine nur kleine Minderheit verortet sich explizit im Zentrum einer Jugendkultur. Die Szene selbst vollzieht die Differenzierung, wobei die Übergänge fließend sind. Gerade die „Grenzgänger“ betätigen sich als „Part- time- Stylisten“, d.h. beschränken jugendkulturelle Stilisierungen auf den Freizeitbereich, und differenzieren diese von Handlungsanforderungen und Werteprioritäten in anderen Teilsystemen der Gesellschaft, wie Beruf oder Schule (Vollbrecht, 1997:28).
Die Zugehörigkeit zu einer Szenen definiert sich über die ästhetische Gestaltung. Es existieren zahlreiche Mischungen und Übergänge unterschiedlicher jugendkultureller Stile, an denen die Jugendlichen wahlweise simultan partizipieren können, ohne sich einem gänzlich verpflichten zu müssen. Der Anschluss zu einer Szene erfolgt „situativ“. Nachvollziehbar wird dies, wenn man die bereits genannte Entwicklung beachtet, dass die meisten der heutigen Jugendkulturen, aufgrund der durch die Medien forcierten Globalisierungsprozesse, aus ihren sozialen Kontexten losgelöst werden und als Importware ein nach ästhetischen Kriterien beurteiltes wählbares Muster darstellen (vgl. Vollbrecht, 1995:33). Dabei handelt es sich nach Baacke nicht um eine „ideologische Annäherung“, sondern eher um eine „ästhetische Affinität“. Die ästhetisierende Komponente ist in heutigen Jugendkulturen der Bundesrepublik besonders hervorstechend. Hier ist eine „ästhetisierenden Überhöhung des Alltäglichen“ zu beobachten, während bis in die Achtzigerjahre die diskursive Appellfunktion dominierte (ebenda, 29). Die Szene entsteht überall dort, wo eine solche ästhetische Qualität erfahrbar wird (vgl. ebenda, 34). Hier wird die tragende Rolle der Medien für die Entstehung jugendkultureller Szenen betont. Medien ermöglichen Jugendlichen an einer Szene virtuell oder imaginär teilzuhaben, d.h. der sie nicht real angehören, indem sie nicht nur unsere Raum-, Zeitwahrnehmung gestalten, sondern auch gegen die „zerfallende Konnexität“ Wirklichkeitserlebnisse verschaffen. Ebenso beschreibt Vollbrecht wie die Medien im Viererschritt von Skandalon, Entschärfung, Verallgemeinerung und Aufhebung die „Halbwertszeit“ von jugendkulturellen Stilen verkürzen (Vollbrecht, 1995:30). Auf diese Weise forcieren die Medien in beträchtlichem Maße eine immer raschere Abfolge von „Blüten und Sumpfblüten“ jugendkultureller Entwicklungen (vgl. ebenda).
Somit plädiert auch Vollbrecht dafür, sich von dem klassenspezifisch gefärbten Subkulturbegriff zu lösen und jugendkulturelle Phänomene als Lebensstile zu konzeptualisieren, die auch die expressiven, ästhetisierenden und die subjektiv- konstruktiven Anteile eines Lebensentwurfes miterfassen (1995:23). Vollbrecht führt in seinem Aufsatz folgende Definition nach Müller (1992)22 an, der zufolge sind Lebensstile
„expressive(s) Lebensführungsmuster (...), die sicht- und messbarer Ausdruck der gewählten Lebensführung sind und `von materiellen und kulturellen Ressourcen und den Werthaltungen abhängen. Die Ressourcen umschreiben die Lebenschancen, die jeweiligen Options- und Wahlmöglichkeiten, die Werthaltungen definieren, die vorherrschenden Lebensziele, prägen die Mentalitäten und kommen in einem spezifischen Habitus zum Ausdruck´“ (Müller, 1992:62; zitiert nach: Vollbrecht, 1995:26).
Vor allem die Erhöhung des Bildungs- und Qualifikationsniveaus, sowie des Lebensstandards forcieren die individuelle Ausformung sozial- struktureller Ausgangslagen, die eine selektive Nutzung von Lebenschancen bedingen. Die pluralen Gestaltungsoptionen führen zu einer tendenziell subjektzentrierten Lebensführung. Ein Lebensstil kann daher nicht mehr länger als Folge von gegebenen Verhältnissen begriffen werden, sondern die subjektiven Relevanzsetzungen formen einen Stil aus. Hitzler (1994)23 plädiert dafür, von Lebensstilen zu reden, wenn der Handelnde sich selbst als Stilisierender erlebt, dann gilt,
„(...) dass der je zuhandene Lebensstil (temporär) vom Akteur aus einem pluralen Angebot vorhandener (lebens-) sinnstiftender Selbst- Stilisierungs- Alternativen (mehr oder minder) ´frei´ selegiert ist, und daß er erst als Selegierter wiederum zur (teilzeitlich wirksamen) ´Selektionsinstanz´ für die Filterung sozialer Sinnangebote (...) werden kann und in der Regel wohl auch wird“ (Hitzler, 1994:79; zitiert nach Vollbrecht, 1995:24).
Vollbrecht versucht anhand einer Auflistung von „Annahmen konventioneller Sozialstrukturanalyse“ die unzureichende Erklärungskraft von klassen- und schichtspezifischen Konzepten aufzudecken, und deren Mängel mittels des Lebensstilansatzes aufzuwiegen (vgl. Vollbrecht, 1995:25f).
Stil bedeutet nach dem skizzierten Lebensstilansatz von Vollbrecht, dass Stilisierungen in Bezug auf Jugendkulturen nicht nur Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe markieren, sondern auch zu einer spezifischen Lebenshaltung oder -form, der sich die jeweilige Gruppe verpflichtet hat. Ein Lebensstil ist somit „Ausdruck, Instrument und Ergebnis sozialer Orientierung“, das bedeutet der Stil einer Person verweist nicht allein darauf „wer ´wer´ oder ´was´ ist, sondern auch wer ´wer´ für wen in welcher Situation ist“ (Soeffner, 1986:318; zitiert nach: Vollbrecht, 1995:29)24. Stil zu besitzen heißt, „bewusst für andere ebenso wie für das eigene Selbstbild auch eine einheitliche Interpretation seiner Person anzubieten und zu inszenieren“ (ebenda). Dafür notwendig ist nicht eine explizite Begründung des gewählten Stils, sondern die signifikanten Selektionen zu kennen und im Handeln einzusetzen.
Die Beobachtung, dass jugendliche Szenen heute zunehmend medial vermittelt werden und sich über bestimmte Musikrichtungen definieren, soll nicht zu dem Schluss führen, dass Jugendliche Opfer völliger Fremdbestimmung der Kulturindustrie sind. Jugendsubkulturelle Stilanalysen wie die von Willis (1991)25 haben verdeutlicht, dass Jugendliche Eigentätigkeit und Eigenartikulation entwickeln, die es ihnen ermöglichen, die Ausdrucksmittel der Alltagskultur originell anzueignen bzw. mitzugestalten und so „Möglichkeiten von oppositionell unabhängigen und alternativen Symbolisierungen des Selbst“ zu produzieren (Willis, 1991:193; zitiert nach: Vollbrecht, 1995:35). Jugendkulturen sind somit nicht allein als Ausdruck kommerzieller Interessen, sondern auch als „autonome Konstrukteure alltagsweltlicher Lebensbezüge und Lebensordnungen“ zu betrachten (vgl. Baacke/ Ferchhoff, 1988:318). Jugendkulturen können zu kulturellen Erneuerungen beitragen und einen Moment von Widerstand beinhalten. Die Optionsvielfalt von Gestaltungsmöglichkeiten führt zu einer „jugendkulturellen Identität“, die sich in Bewegung befindet, „sich suchen und ausprobieren lässt“ (ebenda). Ferchhoff und Baacke (1988) postulieren, dass Jugendkulturen vor dem Hintergrund widersprüchlicher Lebenslagen als „Ausdruck der Suche nach einer pluralen Identität, als Versuche der Artikulation konkurrierender Lebens- und Zukunftsentwürfe“ zu verstehen sind (vgl. ebenda).
2.6 Fazit
Die Aufsplitterung der Jugendgeneration in verschiedene Untergruppen, Subtypen etc., die ansteigende Pluralisierung und Ausdifferenzierung von Stilen lässt grobe Einteilungen jugendkultureler Strömungen kaum noch zu. Problematisch ist diese Entwicklung insofern, als dass die Aussagekraft von Jugendkulturen schwindet und ihre Positionierung als Gruppe nach außen schwieriger wird. Die Forschungslage liefert ein verwirrendes Bild, da Deutungen verschiedener jugendkultureller Phänomene immer kurzlebiger und unüberschaubarer werden. Die wachsende Kontrolle von Jugendkulturen durch die Industrie erschwert die Unterscheidung authentischer von kommerziell produzierten Jugendstilen.
Die von Baacke und Ferchhoff geforderte Ablösung des Subkulturbegriffs durch den Plural der Jugendkulturen scheint insofern berechtigt, als nicht zu leugnen ist, dass das Konzept der Subkultur des CCCS, welches in Zeiten traditionsbestimmter Gesellschaften entwickelt wurde, nicht ohne Veränderung auf unsere heutigen modernen komplexen Gesellschaften übertragen werden kann. Individualisierungs-, Pluralisierungs-, und Globalisierungsprozesse in Politik, Kultur und Ökonomie haben entsprechende Auswirkungen auf die Jugend. Das Fehlen eines allgemein verbindlichen Norm- und Wertekatalogs erschwert es zudem, eine gesamtgesellschaftlich übergreifende Kultur auszumachen, ebenso wie Gemeinsamkeiten von eindeutig abweichenden jugendlichen Stilformen und (Sub-)Kulturen. Es sollte allerdings auch genauer betrachtet werden, inwiefern sozialstrukturelle Prozesse tatsächlich gesamtgesellschaftliche Tendenzen darstellen oder Individualisierungs- und Pluralisierungstendenzen „bildungs-, schicht- und geschlechtsspezifisch variieren“ (Farin, 2001:19).26 Ein klassentheoretischer Ansatz wie zur Erklärung und Darstellung der Arbeiter- Subkulturen nach dem Subkulturkonzept des CCCS kann desweiteren nicht uneingeschränkt auf die bundesdeutschen Verhältnisse übertragen werden, da die traditionellen Klassen- Begriffe aufgrund neuer Formen der Deprivation heute nicht mehr ausreichend sind. Allerdings ist die Beobachtung, dass sich Solidargemeinschaften aus Mitgliedern mit ähnlichem sozialen Erfahrungshintergrund dort bilden, wo soziale Widersprüche am deutlichsten hervortreten, auch noch heute zu machen.
Farin kritisiert Baackes und Ferchhoffs Argumentation „die ehemals subkulturellen Impulse sind kulturell verallgemeinert, normalisiert, nivelliert und entdramatisiert worden “ (Baacke/ Ferchhoff, 1995:41) . Die Autoren konzentrieren sich allein auf die „rein stilorientierten kurzlebigen Subkulturen,“ die über die Kulturindustrie produziert werden (vgl. Farin, 1995:47). Fraglich ist die Aufgabe des Begriffs der Subkultur in Bezug auf solche Kulturen, die bereits seit Jahrzehnten diese Etikettierung tragen und sich nicht wesentlich verändert haben, wie beispielsweise, die Punks, Skinheads oder Rock´n´Roller. Gerade die Skinhead- Szene belegt die Berechtigung des Subkultur- Begriffs. Der Mehrheitsgesellschaft ist es seit zwei Jahrzehnten nicht gelungen, diese zu kommerzialisieren, zu normalisieren oder zum Verschwinden zu bringen (vgl. Farin, 1995:48).
Der Lebensstilansatz von Vollbrecht enthält zwar keine negativen Konnotationen wie das der Subkultur und erlaubt auch weniger kulturell abweichende Kulturen zu erfassen. Allerdings haben Jugendliche normalerweise nur einen Lebensstil, können jedoch mehreren Jugendkulturen angehören (Farin, 2001:19).
Der populärste ist der Begriff der Szene, der überregionale lose Netzwerke von Gemeinschaften beschreibt, deren Anhänger ähnliche Interessen in Bezug auf ihre Freizeitgestaltung besitzen.
Letztlich bleibt festzuhalten, dass keine geschlossene Theorie der Jugendkulturen existiert. Die hier vorgestellte Theoriediskussion soll eine Grundlage zur Einordnung der HipHop- Kultur bilden. Inwieweit diese kontroversen Konzepte hilfreich sind, die HipHop- Kultur zu erklären, muss abschließend diskutiert werden. Deshalb bleibt die Verwendung von Bezeichnungen im Folgenden zunächst nicht auf einen der hier vorgestellten Begriffe beschränkt.
3 Was ist HipHop ?
Zunächst soll im Folgenden genauer bestimmt werden, was unter HipHop zu verstehen ist. Die etymologischen Wurzeln des Terminus „HipHop“ sind nicht einfach zu bestimmen. Nach Grandmixer D.ST ist „hop“ eine Tanzparty und „hip“ ist, „wer den Durchblick hat“. Zusammengesetzt heißt es demnach es „to be hip at the hop“ bzw. HipHop (vgl. Verlan/ Loh, 2000:14). Dufresne leitet die Bedeutung von „hip“, als eine Slang- Bezeichnung für Wettbewerb, und „hop“, gleichbedeutend für „tanzen“, her und übersetzt demzufolge „HipHop“ als „Wettbewerb auf der Tanzfläche“ (vgl. Dufresne, 1997:443). Andere meinen den Ursprung in der Abkürzung „hippety- hop“ gefunden zu haben, einer lautmalerischen Umschreibung für das „Hoppeln“ eines Hasen, die in Wortspielen von Kindern benutzt wird (vgl. Verlan/ Loh, 2000:14). Das Auf- und Abhüpfen bzw. „to hop“ oder „hüpfen“ auf den Parties, ist nach Grandwizard Theodore die Grundlage für die Bedeutungsherleitung von HipHop. „Hip“ kennzeichnet diese Tanzveranstaltungen als besonders „angesagt“ (vgl. ebenda). Einen anderen Erklärungsversuch liefert Fab 5 Freddy, indem er in seinem Wörterbuch erklärt, dass DJ Hollywood Mitte der Siebzigerjahre das Abspielen der Platten mit dem Ausruf „to the hip- hop the hippy hippy hippy hop and you don´t stopp“ kommentierte (vgl. Poschardt, 1997:139). Es existieren noch zahlreiche andere Legenden, die den Begriff „HipHop“ in seinem Wesen und Ursprung zu rekonstruieren versuchen. Der Ausdruck war zunächst Bestandteil des MC27 - Vokabulars, setzte sich dann bei den Jugendlichen der Kultur durch. Heute ist der Begriff „HipHop“ im allgemeinen Sprachgebrauch vorhanden und bezeichnet die aktuelle Form der Rap- Musik, die den „style and state of mind as established by the originators of hip- hop music and culture“ bewahrt (Fab 5 Freddy, in: ebenda). Primär ist HipHop der Oberbegriff für einen kulturellen Gesamtkomplex, der sich in die Bereiche Rap (MCing und DJing), Grafitti und Breakdance auffächert. Gerade im Zuge der kulturellen Vereinnahmung durch die Kulturindustrie, begannen junge HipHops in Deutschland sich und ihre Kultur selbst zu bestimmen und gegen mediale Repräsentationen abzugrenzen. Diverse Definitionsbestimmungen sind selbst in Form von Raps zu finden:
„hiphop ist kein Musikstil/ sondern Sprechgesang nur ein Teil der Kultur/ b- boying nur ein Teil der Kultur/ Graffiti nur ein Teil der Kultur“ (Cora E, Ein Teil der Kultur. Buback 12“, 1994; zitiert nach: Verlan, 2002:26).
Die Entstehungsgeschichte von HipHop beginnt in den amerikanischen Großstadt- Ghettos der Siebzigerjahre. Ohne Rückbezug auf diese, kann HipHop in Deutschland nicht erklärt werden. Häufig werden die Wurzeln der kulturellen Techniken noch viel weiter zurückverfolgt. So gibt Tricia Rose in ihrem Buch „Black Noise“ folgende Definition:
„Kulturform afrikanischen Ursprungs, die innerhalb der kulturellen Vorgaben afro- amerikanischer und karibischer Geschichte, Identität und Gemeinschaft die Erfahrungen der Marginalisierung, brutal beschnittener Lebenschancen und realer Unterdrückung auf einen Nenner zu bringen versucht“ (Rose, 1997:142).
Demnach spielt ein spezifischer kultureller und sozialer Hintergrund für die Entstehung und Entwicklung von HipHop eine wesentliche Rolle:
„...geprägt durch die Spannung zwischen der Gebrochenheit, die das Ergebnis der Unterdrückung in der postindustriellen Gesellschaft ist, und der Ausdrucksstärke schwarzer Kultur, die ein Gefühl der Zusammengehörigkeit schafft. Diese Spannung bildet den kritischen Rahmen, in dem die Entwicklungsgeschichte des Hip Hop betrachtet werden muss“ (ebenda).
Daher soll zunächst betrachtet werden, unter welchen sozioökonomischen Bedingungen Jugendliche HipHop erfanden. Daran anschließend erfolgt ein historischer Rückblick auf die verschiedenen Entwicklungsphasen der HipHop- Kultur allgemein und im speziellen der einzelnen Kulturpraktiken
3.1 Die sozioökonomischen Entstehungsbedingungen von HipHop
Die Komponenten der Rahmenbedingungen, die „den Nährboden der kulturellen Mischformen und die soziopolitische Grundstimmung der Texte und der Musik bildeten“, erkennt Rose in den Veränderungen im sozialen Wohnungsbau, dem Bevölkerungswachstum und in den Veränderungen ökonomischer Bedingungen der postindustriellen Gesellschaften, der Verengung des Wohnraums und in neuen Kommunikationsstrukturen (vgl. 1997:146).
Das Städteprofil New Yorks, als „Geburtsstätte“ von HipHop, wurde zwischen den Dreiziger- und Sechzigerjahren durch eine Reihe öffentlicher Bauprojekte folgenschwer verändert, wie im Folgenden unter Rückbezug auf Rose geschildert wird (Rose, 1994:27ff). Der in den Sechzigerjahren gebaute Cross – Bronx- Expressway war ausschlaggebend für die bis heute New York charakterisierende wirtschaftliche und soziale Ungleichheit. Das Programm zur „Erneuerung der Städte“ beinhaltete die von dem Städteplaner Moses intendierte Beseitigung der „Slums“. Der Verlauf der Autobahn, der auch um die proletarischen Gemeinden hätte herum geführt werden können, machte den Abriss hunderter Wohnhäuser und Geschäftsräume notwendig. So mussten in der Bronx während der Sechziger- und frühen Siebzigerjahre 60.000 Wohnungen abgerissen werden, in deren Folge die Umsiedlung von ca. 170.000 Menschen erzwungen wurde. Obwohl sich die Bewohner der zerstörten Wohnviertel zum größten Teil aus Juden der unteren Mittel- und Arbeiterklasse zusammensetzten, waren es mit 37 Prozent relativ viele Farbige, die aus ihrem gewohnten Umfeld gewaltsam herausgerissen wurden. Diejenigen, denen es finanziell möglich war, verließen das Viertel. Der Abzug von Ladenbesitzern und die „weiße Flucht“ beschleunigte die Ghettoisierung der South Bronx. Im Laufe der Siebzigerjahre wurden aus den verschiedensten Teilen New Yorks finanzschwache Segmente der farbigen Bevölkerung in die South Bronx zwangsumgesiedelt. Gleichzeitig erfolgte der Zustrom von Familien unterschiedlicher ethnischer Herkunft, vor allem Puertoricaner und Jamaikaner aus den ehemaligen Kolonien, die der billige Mietpreis lockte.
Diese Prozesse zerstörten stabile nachbarschaftliche Netzwerke und führten vor allem auch aufgrund den damit einhergehenden ethnischen Verschiebungen zu sozialen Spannungen. Die Bronx wurde nach den Plünderungen und Verwüstungen während des Stromausfalls im Juli 1977 von den Medien zum Sinnbild von Kriminalität, Armut und Verfall, für das „Scheitern des modernen urbanen Lebens“ stilisiert (Farin, 2001:133). Die wachsende Verelendung der Ghettos drängte seine zum größten Anteil afroamerikanischen Bewohner immer mehr in eine marginale Rolle, denen es seit der Zerschlagung der Black Panther nicht gelang, Existenzängste und Wut in Widerständigkeit zu kanalisieren. Viele Jugendliche führten in ihren Gangrivalitäten einen Stellvertreterkrieg gegen sich selbst aus, deren Opfer und Täter sie selbst waren (vgl. ebenda 134).
Unter diesen Lebensumständen erfanden die in der South Bronx isoliert lebenden Jugendlichen eine aggressive und kreative Gegenkultur, wie Rose es bezeichnet, in der sie ihr Recht auf Ausdruck behaupteten. Erfahrungen wie Desillusionierung, Verlust, Entfremdung und Sinnlosigkeit in Kombination mit einem komplexen interkulturellen Austausch ebneten den Weg für die HipHop- Kultur, die als „Quelle alternativer Identitätsbildung fungierte“ (Rose, 1997:149) . Diese neue, stark kompetitive Kulturform bot den Jugendlichen trotz ihres gesellschaftlichen Ausschlusses eine alternative Möglichkeit, Statuspositionen und Identität nach selbstkreierten Praktiken und Regeln zu erwerben. Graffiti und Rap sind nach Rose eine besonders aggressive Ausdrucksform der Widerstandskultur (vgl. Rose, 1997:154). Die Jugendlichen fordern über Praktiken des HipHop das Recht ein, symbolische Zeichen ihrer Identität, in einem Umfeld zu hinterlassen, „das ihnen die legitimen Zugangsmöglichkeiten zu wirtschaftlichen Gütern und zu gesellschaftlicher Partizipation versperrte“ (Rose, 1997:154).
Im HipHop geht es darum, Territorien zur Selbstbestimmung einzufordern. Dies wird insbesondere anhand der Kulturtechnik des Graffiti verdeutlicht, wie im Abschnitt 3.3.3 erklärt werden wird. HipHop fand innerhalb der Rahmenbedingungen des sozial marginalen Lebensraumes des Ghettos statt und blieb daher zur Anfangsphase eine lokal begrenzte und relativ autarke Subkultur (vgl. Bärnthaler, 1997:1). Die gesellschaftliche Randlage gewährleistete eine authentische Entwicklung frei von kommerzieller Vereinnahmung.
3.2 Die Entwicklungsgeschichte von HipHop
Das folgende Kapitel ist ein Abriss der in der Literatur üblichen Unterscheidung verschiedener Entwicklungsphasen des HipHop. Da meine Arbeit die deutsche HipHop- Kultur zum Thema hat, ist ein Rückblick auf die Anfänge des HipHop in der Alt-Bundesrepublik und der ehemaligen DDR bis heute notwendig. Dabei ist zunächst die Entstehung und Weiterentwicklung in seinem Ursprungsland, den USA, von wesentlicher Bedeutung. Die allgemein gängige Phaseneinteilung nach Old School, New School und Native Tongue28 folgen chronologisch aufeinander.
3.2.1 Die Anfangsphase des HipHop- Die Old School bis 1983
Wichtige Grundsteine des HipHop lieferten Jamaikaner, die in den Sechzigerjahren in die USA einwanderten. In jamaikanischen Discos ist es üblich, dass der DJ Schallplatten nicht einfach abspielt, sondern sie über sein eigenes Mikrophon witzig kommentiert, dazu Texte improvisiert, die das Publikum anheizen. Man nennt dies auch Toasten (s.o). In diesem Zusammenhang wird der Jamaikaner Kool Herc genannt (vgl. Toop, 1992:51). Er ist der Erfinder der Break- Beat Musik29, einem Vorläufer der Rapmusik. Kool Herc begann in den Sechzigerjahren mit seinem tragbaren Soundsystem auf den Straßen in der Bronx Block- Partys30 zu veranstalten. Herc löste populäre Breaks31 aus ihren ursprünglichen Kontexten heraus und integrierte sie in seinen eigenen Kompositionsablauf. Musik- Stücke werden nicht als einheitliche Werke betrachtet, sondern als eine Zusammensetzung verschiedener Bausteine, die einzeln herausgegriffen und als Material für eine neue Zusammensetzung benutzt werden können. Gleichzeitig toastete (s.u.) Herc über sein Mikrophon. Die Jugendlichen erfanden passend zur Breakbeat- Musik den Breakdance, d.h. bei einer besonders ausgeprägten Breakpassage setzten die Jugendlichen mit akrobatischen Bewegungsabläufen ein. Poschardt spricht in diesem Zusammenhang von einer Montagetechnik, da hier nicht der zerstörerische Impuls, der die Collage32 kennzeichnet, der entscheidende Impuls ist. Die DJ- Komposition definiert sich über das konstituierende Element. Dieses ist in der Neu- Interpretation und –Gestaltung des zuvor am Plattenteller Dekonstruierten zu erkennen (vgl. Poschardt, 1995:152). Das bedeutet, dass einzelne Passagen aus den Lieblingsplatten entnommen und in eine neue eigene Komposition integriert werden, so dass daraus etwas völlig Neues entsteht.33 „Der Breakbeat nahm die Kirsche von der Torte und schmiss den Rest weg“ (Toop, 1992:74). Die Erfindung der Breakbeat- Musik Mitte der Siebzigerjahre markiert nach Poschardt den eigentlichen Beginn des HipHop (vgl. ebenda, 152).
Zur Zeit der Entstehungsphase des HipHop waren die schulischen Mittel drastisch gekürzt, so dass die Zugangswege zu traditionellen Formen der Instrumentierung versperrt blieben. Aufgrund begrenzter finanzieller Mittel nutzten die Jugendlichen veraltete industrielle Technologien, um daraus neue Ausdrucksformen zu schaffen. (vgl. Rose, 1997:150). „HipHop- Künstler überführten längst überflüssig gewordene Qualifikationen verdrängter Berufszweige in das Rohmaterial für Kreativität und Widerstand“ (Rose, 1997:150). Viele von ihnen waren für Berufszweige ausgebildet worden, die längst nicht mehr existierten oder veraltet waren (vgl. ebenda). So gelang es Grandmaster Flash aufgrund seiner Ausbildung als Elektroniker die Technik zu perfektionieren. Grandmaster Flash begreift sich selbst als einen DJ- Missionar: „Ich lehre immer noch Kids, die selbst DJ werden wollen. Die schauen mir zu und fragen, Flash, wie machst du dies und wie machst du das“( vgl. Poschardt, 1995:157). Er machte sich den Stil von Kool Herc zu eigen und konnte die noch recht primitive Anlage seines Vorbilds verbessern (s.o.). Da er als erster begann über einen Kopfhörer zu arbeiten, gelang es Flash die Breakbeats beim Ineinandermischen von einer Platte mit einer anderen zu synchronisieren. Mit dem Scratch wurden Mischpult und Plattenspieler zum Instrument erweitert, mit denen neue Klänge produziert werden konnten. Flash begann sich sein Equipment nach seinen eigenen Vorstellungen selbst zusammenzubauen. „Vor allem die Mischer erlaubten es nicht, richtig zu cutten, die Breaks perfekt zu isolieren. Deshalb baute ich mir meinen eigenen Mischer und erfand nicht nur das Cutten bzw. Scratchen34, sondern auch den Crossfader“ (Grandmaster Flash. In: Leuffen, 2002:29f). 35 Auf technischem Gebiet entstanden in dieser Experimentierphase viele Neuheiten. Sehr bald wurden, statt der reinen DJ- Arbeit Drumcomputer, sogenannte Beatboxes und Sampler eingesetzt. Sampler machen es möglich, beliebige Klänge aufzunehmen und digital abzuspeichern. Mit Hilfe immer besserer Techniken war es bald möglich, ganze Musikstücke auf diese Weise aufzunehmen, d.h. rein elektronische Musik zu produzieren.36 Die Bezüge zwischen Vergangenheit und Gegenwart bzw. die Vorliebe für Brüche in der Zeit sind deutlich in der Technik des Samplings vorgeführt.37 Durch Sampling ist das Zitieren älterer Stücke oder das Wiederholen bzw. Zerstückeln eines Rhythmus bis zu seiner Unkenntlichkeit möglich geworden (vgl. Spatschek, et al. 1997:102.). Flash´s Erfindung der Beatbox wird von Poschardt als zweiter wichtiger Schritt in Richtung eigener Musikproduktion bezeichnet. Die Beatbox addierte zur Montage in Form einiger rhythmischer Muster, d.h. aus der Musikgeschichte entnommene Passagen, aktuelle Elemente (vgl. 1995:160). Auf diese Weise wurden bereits in der Experimentierphase des HipHop die beiden Grundformen des DJing, das Scratchen und das Mixen, erfunden.
Afrika Bambaataa (aka Bam) trieb die Tendenz voran, über HipHop ein politisches und sozialkritisches Bewusstsein zu entwickeln, indem die Musik als Agitationsbühne genutzt wird. Dazu trug u.a. bei, dass Bam die stark integrative Komponente in Bezug auf andere Musikstile forcierte. Das Rohmaterial waren Platten aus allen möglichen Sparten. Bambaataa nutzte die Samplingtechnik, um schwarze und weiße Musik38 zu mischen und auf diese Weise bei seinem Publikum einen Überraschungseffekt auszulösen (vgl. Toop, 1992:79). Damit versuchte er mit seiner musikalischen Arbeit gezielt so etwas wie eine Schwarz- Weiß- Integration zu schaffen (vgl. Spatschek, et al., 1997:106f) Sein Album „The Light” bezeichnet Jacob als „politische Erziehung pur“ (vgl. Jacob, 1993:34). Mit diesem Album hatte Bam sich zum Ziel gesetzt, einen falsch begründeten schwarzen Rassismus aufzubrechen. Seine Zusammenarbeit mit weißen Musikern und deren demonstrative Integration im Kampf gegen den „World Racial War“ ist als strategische Provokation der eigenen Anhänger zu verstehen. Afrika Bambaataa gründete die älteste bedeutende ideologische Institution des HipHop, die „Zulu- Nation“39 (vgl. Kapitel 4.) als „positiven Gegenpol zur (...) Ganggewalt“ (Krekow et al., 1999:338). An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass Bam sich darum bemühte, schwarzen Jugendlichen ein eigenes, schwarzes Geschichtsbewusstsein und eine beinahe „esoterisch anmutende“ Weltsicht (vgl. Poschardt, 1995:165) zu vermitteln, die auf den Prinzipien „Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit, Wissen, Weisheit und Verständnis“ basiert (Krekow et al., 1999:338). Parallel zum Aufkommen eines schwarzen Nationalismus entstanden bei Bam Vorstellungen über eine organisierte, intellektuelle und sozialen Schutz bietende schwarze Gemeinschaft. Die Zulu Nation wurde so zum Multiplikator des „Black Nationalism“, der insbesondere in den Achtzigerjahren die Ideologie des HipHop beeinflusste. In diesem Sinn war HipHop umgekehrt auch von Beginn an Agitations- Pop für den „Black Nationalism“.
Auf den von Bambaataa organisierten Battles40 wurden die Jugendliche dazu angetrieben ihr Talent weiter auszubauen. Nach den Kriterien Fähigkeit und Kreativität wurden die teilnehmenden Jugendlichen zu „Shaka Zulu- Kings“ und „- Queens“ gekürt. Damit eröffnete Bam den Jugendlichen die Chance, den Status einer lokal anerkannten Größe zu erlangen (Krekow et al., 1999:13). Das war der Ausgangspunkt für die ersten Crews.41
Die erste Rap- Platte wurde 1979 veröffentlicht. Allerdings war diese nicht von einem der drei genannten DJ- Legenden Herc, Flash oder Bam, sondern von der Sugarhill Gang. Diese Gruppe war von Sylvia Robinsons erfolgreichem Plattenlabel „Sugarhill Records“ zusammengestellt worden.42 Die Musik war keine DJ- Produktion, sondern wurde von einer Band eingespielt. Die Schallplatte „Rappers Delight“ war für Grandmaster Flash und andere ein Schock, da diese Band nie auf einer der zahlreichen Blockparties gesehen wurde und keinen Zugang zur ursprünglichen Szene hatte. Ab den Achtzigerjahren ist die Popindustrie auf das neue kulturelle Phänomen HipHop aufmerksam geworden und begann, die bis dahin allein auf Kassetten dokumentierten Techniken, unter der Genrebezeichnung „Rap“ zu kommerzialisieren.
3.2.2 Die Phase der Politisierung des HipHop- Die New School von 1983 bis 1985
Jacob bezeichnet Rap Anfang der Achtzigerjahre als „unpolitisches Pop- Entertainment“ (1993:42). HipHop war zu Beginn vor allem eine Partykultur. The Message von Grandmaster Flash gilt als Zäsur in der HipHop- Geschichte. Bis dahin war HipHop ein Kampf um autonome Zonen und Handlungsspielräume gewesen. Jetzt wurde das Forum der Popmusik genutzt, um über den Ghetto- Alltag zu rappen:
“(…) got no money to move out, guess I got no choise. Rats in the front room, croaches in the back, junkies in the alley with a baseball bat.(…)
Don´t push me ´cause I´m close to the edge. I´m trying not to loose my head (…).
It´s like a jungle, sometimes it makes me wonder how I keep from going under” (Grandmaster Flash „The Message”, 1982).
Andere Gruppen wie Run DMC setzten sich später ebenfalls kritisch mit den gesellschaftlichen Zuständen auseinander. Doch erst mit der Phase der New School Mitte der Achtzigerjahre, die sich von der Westküste auch bis in den Süden der USA, insbesondere Texas und Florida verbreitete, wurde Rap zur politischen Instanz, welche die Machtinhaber direkt ansprach und herausforderte. Viele Rapper der späten Achtzigerjahre bekennen sich als Anhänger einiger fundamentalistischer Organisationen und propagieren deren Ideen auch in ihren Texten.
3.2.2.1 Schwarzer Nationalismus und HipHop
Die Rapformation Public Enemy (PE) trieb die verstärkte Politisierung des Rap Ende der Achtziger voran. Toop bezeichnet PE als die Band, „die Rap 1987 eine Richtung und Orientierung zurückgab. Sie bot eine Vision an, die viel weiter ging als irgendwelche Ambitionen innerhalb der Musikindustrie“ (Toop, 1992:204). Die Band setzte im Unterschied zum Message- Rap mit eher sozialkritischen Botschaften auf inhaltlich militant- orientierte Lyrik. Bereits in der Selbstbezeichnung als Staatsfeind äußert sich eine offensive Konfrontation mit der dominanten Herrschaft, und gleichzeitig ein Verweis auf die Repressivität derselben, indem die Vorstellung „von jungen Schwarzen als Staatsfeinden, die sich im Fadenkreuz der Präzisionswaffen befinden“ evoziert wird (Toop, 1992:204). Ihrem Bandnamen entsprechend findet auch ihre Bühnenshow eine paramilitärische Gestaltung.43 Rap wird instrumentalisiert, um den reverse racism (Dufresne, 1997:84) zu agitieren. PE bekennen sich offen zur Nation of Islam (NOI)44, deren Ideen sie in den Texten weitertragen. Sie treten mit einer Ideologie auf, die sich als „Befreiungsutopie aus Nationalismus und Separatismus“ beschreiben lässt (Bärnthaler, 1998:7). Die Veröffentlichung ihrer Musik bedeutete für PE die Möglichkeit, ihr Ziel „ein Kommunikationsnetz im Land zu organisieren“45 zu verwirklichen. Public Enemy stellen ein Extrem dar, bekennen sich explizit zur Propaganda ohne den „üblichen Künstlergestus, Standpunkte nur metaphorisch anzudeuten und analogiehaft in schöne Poesie zu verpacken“ (Jacob, 1993:199) und gerieten nicht zuletzt aufgrund des Antisemitismus von Bandmitglied „Professor Griff“ ins Kreuzfeuer der Kritik.
Im Zuge der Ideologisierung von Rap kam es zur Orientierung vieler Bands an religiösen Vereinigungen, wie den Five- Percenters46. Gruppen wie Brand Nubians, PE und Rapper wie Afrika Bambaataa, Big Daddy Kane oder Ice Cube bekennen sich offen zu den doktrinären Lehren der Nation Of Islam. Separatismus und Fundamentalismus werden als adäquate Gegenmodelle zu integrationistischen Ansätzen empfunden. Diese Tendenz zur grundsätzlichen Ablehnung der herrschenden Diskurse zeigt sich auch in der Renaissance afrozentristischer Konzepte und ihrer Mythologisierung im Rap. Malcolm X avancierte Ende der Achtzigerjahre in Verbindung mit dem Aufkommen eines neuen spirituellen black cultural nationalism (s. u.) zur amerikanischen Pop- Ikone (vgl. Jacob, 1996:54f).
Der Grund dafür, dass die lang als Tabu geltenden Ideen der Black Panther Partei47 in den Neunzigerjahren wieder diskutiert wurden, war das Bekenntnis einiger bekannter Rapper, Kinder von Black- Panther- Aktivisten zu sein (Bspl.: Arrested Development, Tupac Shakur). Jacob argumentiert, dass die brutale Verfolgung dieser militanten Gruppierung bewirkte, „dass Sozialkritik in religiöse und kulturell- nationalistische Bahnen gelenkt wurde“ (ebenda, 67). Der Autor gibt in „Agit- Pop“ (1993) eine sehr detaillierte Beschreibung der politischen Entwicklung der afroamerikanischen Bevölkerung. Er honoriert auf der einen Seite, dass HipHop auf die Probleme der Black Community aufmerksam gemacht hat, insbesondere in der Phase der Popularisierung von HipHop ab den Achtzigerjahren, in der HipHop die politisch- ideologischen Ideen des Black Nationalism weitertrug. Jacob warnt allerdings auf der anderen Seite, fälschlicherweise den Ethnozentrismus in den Texten als authentische und natürliche Einstellung der Afroamerikaner zu interpretieren, statt als „anachronistische 60s- Revival“ einzuordnen, was auf zwei sich in Wechselwirkung beeinflussende Ereignisse zurückzuführen ist: die soziale Polarisierung der schwarzen Bevölkerung und die neue ethnische Zusammensetzung der amerikanischen Bevölkerung, aufgrund der in den letzten 20 Jahren verstärkten Zuwanderung. Diese Veränderungen werden thematisch in Rap- Texten verarbeitet. Der Ethnozentrismus ist heute allerdings „nur eine Stimme in einem Chor von minoritären Nationalismen“ (vgl. 1993:12). Jacob stellt in diesem Zusammenhang die Analogie HipHop- Charts als Politbarometer auf. „Aus der musikalischen Orientierung konntest du auf bestimmte musikalische Präferenzen wie z.B. Afrocentricity schließen und umgekehrt“ (Jacob, in Dufresne, 1997:434). Heute hat sich HipHop dagegen „postmodern aufgelöst in eine Flut von Zeichen“, die eine eindeutige Einordnung erschweren (vgl. ebenda).
3.2.2.2 Gangster- Rap
Eine härtere und provokativere Variante des HipHop bildete sich Mitte der Achtzigerjahre an der US- Westküste heraus, der Gangsta- Rap. Die Texte handeln von Erfahrungen mit Gewalt, Kriminalität und Drogen in den Ghettos. Dabei inszenieren sich die Gangsta- Rapper selbst mit dem Habitus eines Streetgangsters, wobei die gesellschaftlich erwünschte Moral der Texte kontrovers bleibt. Hier kommt die empfundene Ausweglosigkeit, die sich in einer spezifischen Art von Aggression und einer nihilistischen Haltung manifestiert, in authentischer und extremer Weise zum Ausdruck. Am Anfang dieser Entwicklung steht die Band „Niggaz With Attitude“ (NWA). Ihre LP „Straight outta Compton“48 wurde von den großen Plattenfirmen und den offiziellen Medien boykottiert und von der Zensur mit dem „Parental Advisory- Aufkleber“ versehen, der sich zum Verkaufsgarant entwickelte (vgl. Spatschek et al., 1997:109). Vertretern des Gangster- Rap wird vorgeworfen, über ihre Texte Klischees vom Leben im Ghetto aufzubauen , um damit hohe Absatzzahlen zu erreichen. Andere behaupten wiederum, dass Missverständnisse unausweichlich sind, wenn kein echtes Verständnis dieser Sprachpraxis existiert (vgl. Toop, 1992:207/ 213).49 Diese Diskussion wird in Kapitel 5.2 aufgenommen. Mit der New School und dem Gangsta- Rap kamen die richtungsweisenden Impulse des HipHop nicht mehr allein aus New York, sondern immer stärker von der „West Coast“. Die in Battle- Raps50 artikulierte Konkurrenz zwischen „East Coast“ und „West Coast“ wird von den Medien dankbar aufgegriffen und in den Vordergrund gestellt.51
Inzwischen hat sich Rap seit den 90er Jahren weltweit verbreitet. Zunächst griffen die Latinos und Chicanos das schwarze Vorbild auf, dem folgten die asiatisch und pazifisch- amerikanischen Gruppen. In der Native- Tongues - Phase, die als eine friedfertige Antwort der „East Coast“ auf den Gangsta- Rap interpretiert werden kann, wurde Rap marginalisierten Kulturen in Europa, Afrika, Asien und im Pazifikraum via MTV und CD vorgestellt (vgl. Kerkhoff, 1991:7). Insbesondere die Chicano- Kultur hat viele solcher spezifischen Strategien entwickelt, die offene und versteckte Transkriptionen von kulturellen Widerstand kombinieren (vgl. Rose, 1994:100ff). Die Bedeutung solcher Strategien versuchen die Ausführungen in Abschnitt 5.2 „Versteckte Widerständigkeit- Signifying Rapper“ zu erklären.
HipHop ist heute geprägt von einer Fragmentierung in verschiedene Stilrichtungen. Ya Salaam (1996) vertritt die Position, HipHop habe durch seine Kommerzialisierung den Ausverkauf erlebt. Viele seiner ursprünglichen Anhänger fordern den HipHop für sich zurück. Dies erklärt die zahlreichen „Keep-it- real“- Diskurse, auf deren Bedeutung in Kapitel 9.1 eingegangen wird.
3.3 Kulturtechniken im HipHop
Da HipHop nicht als Synonym für Rap- Musik zu verstehen ist, sondern in seiner ursprünglichen Form eine Einheit aus den drei Elementen Rap52, Graffiti und Breakdance darstellt, halte ich die Unterteilung in Abschnitte, welche jeweils eines der Elemente zum Thema haben, für sinnvoll. Alle drei Strömungen entwickelten sich parallel zueinander in dem gleichen Zeitraum und in dem selben sozialen Milieu. Sie teilen sich gemeinsame Grundsätze oder Ideologien und Codes. Auf den gemeinsamen Großveranstaltungen, den Jams, findet ein Austausch und gegenseitiges Messen in allen Disziplinen statt.
Im Folgenden werden die Kulturpraktiken der HipHop- Kultur Rap, Breakdance und Graffiti dargestellt. Dazu wird nach einer Erläuterung ihrer Techniken, die Entstehung in den USA und Deutschland skizziert.
3.3.1 Rap
Der Begriff Rap ist dem englischen Verb „to rap“ entlehnt, das mit klopfen, schlagen oder pochen übersetzt werden kann53. Als Rapper wurde jeder bezeichnet, der jemand anderes verbal im bildlichen Sinne erschlagen oder „niederrappen“ wollte, wie z.B. Politiker oder Radio- DJs (vgl. Poschardt, 1995:138). Mit der Erfindung der Breakbeat- Musik in Kombination mit den rappenden Anfeuerungen der MCs setzte sich der Begriff als Bezeichnung einer neuen Kulturtechnik durch. Inzwischen hat Rap längst den Weg in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden. Oftmals wird er synonym mit HipHop benutzt. Dies verdeutlicht nicht nur die vorherrschende Stellung des Rap, d.h. des rhythmischen Sprechaktes gegenüber den anderen Elementen des Musikstils, sondern auch allgemein innerhalb der HipHop- Kultur.
Das eigentliche Rappen als Angeberreim hat nach Toop (1992) u.a. seinen Ursprung im Beleidigungsspiel des Toasten54 und den Teenager- Spielen des Dozen55 und Signifying (vgl. Kapitel 5.2). Abrahams (1972)56 erklärt die Wichtigkeit der Sprachtechnik in der afroamerikanischen Gesellschaft der Männer:
„Sprachkämpfe machen einen großen Teil der Gespräche in dieser Gruppe aus. Sprichwörter, Verdrehungen, Witze, fast alle Arten von Diskurs werden benutzt, aber nicht im Sinne einer diskursiven Kommunikation, sondern als Waffen in Sprachkämpfen. Jede Versammlung von Männern entwickelt sich so zum „Sounding“, einem gegenseitigen Necken und Angeben“ (Abrahams, 1972; zitiert nach: Toop, 1992:43).
Die Tradition des sprachlichen Niederkämpfens ist mit dem heutigen „dissen“57 auf den MC- Battles der HipHopper vergleichbar. Die gegenseitigen Beleidigungen, die mit den Sprachspielen ausgetauscht werden, stellen danach eine Art Ritual in der afroamerikanischen Männerwelt dar. In der Regel sind die Teilnehmer zwischen 16 und 26 Jahre alt, je höher das Alter, um so ernsthafter werden die Wortgefechte ausgetragen. Die Angriffe sind häufig gegen die Familie, speziell die Mutter ausgerichtet. Toop bezieht sich an dieser Stelle auf die Arbeit des Linguisten William Labov (1977)58, der die verbalen Duelle in den Sechzigerjahren in Harlem verfolgt hat. Laut Labov sind diese in New York noch spezialisierter und formalisierter und werden in gereimten Couplets59 abgehalten (vgl. Toop, 1992:44).
Ruth Finnegan beschreibt in „Oral Literature in Africa“ (1970)60 wie der Einsatz von Musik und Dichtung in westafrikanischen Kulturen als soziale Waffe dienten. Beleidigende Lieder übernahmen die Funktion der Kommunikation zwischen Feinden, innerhalb der die öffentliche Meinung häufig als Druckmittel gegen Einzelne eingesetzt wurde (vgl. Toop, 1992:42). Die Griots im Savannengürtel Westafrikas hatten die soziale Funktion eines Kommunikationsmediums, vergleichbar mit der einer Zeitung (vgl. ebenda). Diese Art Musikerkaste verstand es, traditionelle Lieder ständig mit aktuellen Ereignissen zu bestücken und in individuell ausgeformter Weise rhythmisch und in Reimform vorzutragen, was häufig in derber Kritik, Spottreimen etc. ausartete. Da die Voraussetzung für die niederschmetternde Kritikmacht der Griots auf deren fundamentalen Kenntnis der lokalen Geschichte fußte, bezeichnet Toop die Griots auch als „lebendige Geschichtsbücher“. So erinnert der im HipHop übliche call- and- response61 - Diskurs zwischen Rapper und Publikum an die „schwarze“ Predigt, die normalerweise in einem Konversations- Ton beginnt , „von einer weißen Predigt nur durch die Antworten des Publikums zu unterscheiden, die an den alten afrikanischen Glauben erinnern, dass es unhöflich ist, schweigend zuzuhören, oder an die Ausrufe, wenn die Griots ihre Volkslegenden erzählen“ (Storm Roberts, 1972; zitiert nach: Toop, 1992:59)62.
Betrachtet man Rap als Teil desselben kulturellen Kontinuums, aus dem auch der Jazz und der Blues hervorgegangen sind oder auch die Spirituals und Gospels, lässt dies nach Kalamu ya Salaam eine bessere Einschätzung der Bedeutung von Rap zu (vgl. 1995:13). Die Sprache, die mit den dirty dozens entwickelt wurde, mit seinen ironischen Strategien, Verdrehungen und Zweideutigkeiten, wird unter anderem von der Black- Panther- Bewegung63 als eigene afroamerikanische Sprache interpretiert. Diese Sprachtechnik ist danach als Ausdruck der Provokation und der Verweigerung gegenüber der weißen Hegemonie zu verstehen (vgl. Dufresne, 1997:18).
Rose (1994) kritisiert die unmittelbare Rückführung des Rap auf die afroamerikanischen oralen und poetischen Protesttraditionen (vgl. Toop, 1992; Jones, 1994).64 „Rap then, is not simply a linear extension of other orally based African- American traditions with beat boxes and cool European electronics added on” (Rose, 1994 : 85) . Rap ist demnach nicht als lineare Erweiterung anderer auf Oralität basierender afroamerikanischer Traditionen zu verstehen, die mit Beatboxes und „cool European electronics“ angereichert ist. Rose betont die Wechselwirkung traditioneller oraler Praktiken und technologischer Innovationen. Sie argumentiert, Toop „draws a false dichotomy between rap´s African- American roots and the high- tech equipment to which it is equally wedded“ (ebenda). Gerade der Mix postmoderner Technologie und Oralität ist essentiell, um die Logik des Rap verstehen zu können. Allen (1988)65 beschreibt diese Art der Symbiose: „In hiphop you make the technology do stuff that it isn´t supposed to do, get music out of something that´s not supposed to give you music quite that way” (Allen, 1988:10; zitiert nach: ebenda, 86).
Problematisch bei der Annahme, Rap auf die westafrikanischen oralen Protesttraditionen zurückzuführen, ist nach Rose (vgl. 1997:145), dass diese die Vorstellung befördert, Rap hätte sich praktisch autonom und unabhängig vom HipHop in den Siebzigerjahren entwickelt. Dabei ist Rap als ein kulturelles Element des HipHop zu begreifen. Zweitens wird damit die Bedeutung von Rap als Musik in den Hintergrund gedrängt, welche aber eine wichtige Rolle für die Geschichte und Praxis von Rap und für HipHop im allgemeinen besitzt. Zum anderen ist unter diesem Gesichtspunkt der prägende Hintergrund, den die postindustrielle Großstadt für die Gestaltung und Ausrichtung von HipHop und Rap liefert, unsichtbar. So betont auch Dufresne (vgl. Dufresne, 1997:18), dass dem Rap sein selbständiger Charakter nicht durch das Zuordnen zu bestimmten Traditionen genommen werden darf, da die Einflüsse früherer Sprechstile zwar vorhanden, Rap jedoch vor allem ein neuer Stil ist. Neu ist vor allem, dass die bisher als gewalttätig ausgetragenen Wettkämpfe um territoriale Macht zwischen rivalisierenden Banden im New York der Siebzigerjahre von den gewaltlosen Formen Musik und Tanz abgelöst werden. Die neuen Battles bedeuteten nicht Schlägerei, aber Wettbewerb um künstlerisches Können als DJ, Rapper, Breakdancer oder Grafittisprüher. „Rap ist ein Streit mit Worten“, so Chuck D, Chef der HipHop- Band Public Enemy (vgl. Henkel/ Wolff, 1996:43).
Toop (1992) betont ähnlich wie Rose, dass der black oral culture- Ansatz nur begrenzten Erklärwert hat und durch andere Kontexte ergänzt werden muss, wie die konkreten wirtschaftlichen, und politischen Zusammenhänge. So ist es der Anspruch der Old- School Rapper gewesen, Party zu machen und Spaß zu haben. Sie verstanden sich zu dem Zeitpunkt nicht als Dichter- Sänger mit einem politischen oder sozialen Auftrag. Ein solches Bewusstsein mit einer einhergehenden Neu- Definition der Rolle als Rapper ist erst in den Achtzigerjahren entstanden, wie in Abschnitt 3.2.2 erläutert wurde.
Die in der afroamerikanische Kultur begründete „Schimpfkultur“ mit ihrem ausgeprägten Machismo, Prahlerei, Übertreibungen und Beleidigungen, fand ihre Weiterentwicklung in den rituell und wettkampfartig ausgeführten Rededuellen des Dozens, Soundings, Signifin´ oder Toasten. All diese linguistischen Spiele hatten entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Rap, sind jedoch vom Rappen zu entscheiden. Denn das Rappen ist Bestandteil der HipHop- Kultur, die erst Anfang der Siebzigerjahre ihren Anfang nahm, wie die nun folgenden Ausführungen zeigen sollen.
Mit dem Rap wurde eine Alternative zur Discoszene Manhattans aufgebaut. Die segregierten Blockparties boten jedem die Möglichkeit teilzunehmen. Die Eintrittspreise waren im Unterschied zu den hohen Clubpreisen extrem niedrig oder gar nicht vorhanden. Zudem konnte praktisch jeder Jugendliche im Publikum Rap lernen. „Durch Üben, Nachahmen, Reime finden wurden die Grenzen zwischen Master of Ceremonies (MC) und Publikum so weit gesenkt, dass 13jährige Mädchen und Jungen hinter das Mikrophon treten konnten“ (Rose, 1994:57). Rap bot nach Karrer Möglichkeiten, das Selbstwertgefühl zu steigern, d.h. „Möglichkeiten zum empowerment“ (Karrer, 1996:31). In der Rolle des MC hatte man für eine begrenzte Zeit die koordinierende, lenkende und planende Leitung einer Tanzveranstaltung inne, was ein Gefühl der Macht über die Tanzenden implizierte. Darin liegt nach Karrer das eigentliche Widerstandspotential dieser neuen kulturellen Praktiken. Die Musik- oder Gesangsausbildung wurde durch das Mikrophon und den Plattenspieler ersetzt. Dies stellte paradoxerweise gleichzeitig erhöhte Anforderungen an die Jugendlichen verschiedene Techniken zu beherrschen.
Neben dem Wechsel der Sprechakte fungiert das code switching der Abgrenzung gegenüber Außenstehenden, denen das Verstehen des rapping dadurch erschwert wird. Code- switching ist als abrupter Wechsel von Straßensprache zum Standard American zu definieren. In Anlehnung an Stanley (1992)66 klassifiziert Karrer Rap- Texte in boasting- (das Preisen der eigenen Vorzüge), toasting- (das Geschichtenerzählen) und teaching- (das Belehren oder Predigen) Raps (vgl. Karrer, 1996:31ff).
Beim boasting stellen sich die MC´s der Reihe nach vor und preisen ihre eigenen Vorzüge und Techniken an. Es wird durch kleine Geschichten aus dem eigenen Leben gestützt und direkt mit Tanzanweisungen an das Publikum verbunden.
Toasting- Raps erzählen kleine Geschichten in der ersten oder zweiten Person. Meist deuten die MC´s dabei direkt oder indirekt auf den Alltag ihrer Zuhörerinnen hin. Inzwischen ein klassisches Beispiel für diesen Typ ist The Message (1982) von Grandmaster Flash (s.o.).
Teaching- Raps richten sich direkt, meist mit einer Aufforderung an das Publikum (1995:32) und erheben den Anspruch über Drogen oder Gewalt aufzuklären. Häufig werden in den Texten die Sprechakte abrupt gewechselt, vom boasting, zum teaching oder toasting. Die verschiedenen Sprechakte im Rap durchlaufen Stadien mit unterschiedlichen Sprechstrategien. Beim Rap geht es „um deren gleitenden Gebrauch, ein kontinuierliches Wechseln zwischen den ernsten und unernsten, den aggressiven und den spielerischen Formen, das Durchspielen der Formen in der Performanz“ (Karrer, 1996:26).
Gemeinsam stellen alle drei Kategorien symbolischer Macht dar, wobei die Rolle des Tanzmeisters nun im Laufe schrittweise durch andere symbolische Rollenspiele der Macht erweitert werden. Der MC spielt mit diesen Machtmodellen, die er in den Ghettos vorfindet und mit denen seine ZuhörerInnen sich identifizieren können. Offensichtlich sind diese Rollen für männliche MCs angelegt, da sie mehr oder minder phallozentrisch sind (vgl. Karrer, 1996:32). Karrer nennt hier zum einen die Gangster- oder Pimp67 - Rolle, die auf der Kombination von Gewalt und Sex basiert, und über welche eine anarchische Außenseiterposition eingenommen wird, die auch gesellschaftskritisch eingesetzt werden kann. Die Teacher- oder Leader- Rolle zum anderen eröffnet die politische Dimension im Rap und komplettiert das Rollen- Repertoire im Wesentlichen: Rassismus- und Systemkritik oder Raps für Nation of Islam, Black Panthers oder Black Nationalism sind explizit oppositionell. Sexual- und Drogenerziehung werden über die Methoden des boasting, toasting oder teaching vermittelt. Beide Rollen- Versionen (Pimp-, Gangster und Teacher-, Leader Rolle) bergen Widerstand. Bezeichnend ist, dass der MC nun zwischen den verschiedenen Rollen hin und her wechselt (vgl. ebenda, 33). Die symbolischen Machtspiele werden zum einen zwischen den beiden Polen von Dominierenden (MC) und Dominierten (Publikum) ausgehandelt.68 Zum anderen betont Karrer, dass Macht nicht nur die Zustimmung der Beherrschten braucht, sondern auch gegen institutionelle Machtinhaber behauptet werden muss (vgl. ebenda). Ein Beispiel für den symbolischen Machtkampf, den der Gangster gegen die Polizei führt, ist der Song „Cop Killer" von Ice T (vgl. Abschnitt 5.2). Allerdings kennzeichnen Raps auch „nicht- oppositionelle“ Merkmale, die von Erfolg und Geld handeln.
Die Beschreibung der Anfänge speziell des Rap in Deutschland erfolgt im Rahmen dieser Arbeit ausführlich in Kapitel 8, da diese Technik wie bereits erläutert, besonders bedeutungsvoll für die Entwicklung von HipHop im allgemeinen ist.
3.3.2 Breakdance
Der Breakdance ist eine der drei Konstituenten der HipHop- Kultur. Ebenso wie Writing und Rapping ist das Breaking als Straßenkultur zu verstehen. Unter Vorgaben des DJs und unter rappenden Anfeuerungen des MCs wurde das Breaking zu einem Wettbewerbsritual auf der Straße ausgebaut. Beim Breaking wird der gewalttätige Kampf zum tänzerischen Battle transformiert (vgl. Karrer, 1996:6).
Die Bezeichnung „Breakdance“ ist Obersammelbegriff für eine Vielzahl von Tanzstilen, die in den Siebzigerjahren in New York entstanden sind: Up- Rock oder Brooklyn- Rock mit eher pantomimische Bewegungen, der seine Wurzeln im brasilianischen Kampftanz Capoeira hat, gekoppelt mit Elementen von Jazzdanceformen wie Steptanz oder Moonwalk der Dreißigerjahre; isolierte roboterartige Bewegungen sind charakteristisch für den Electric- Boogie. Zum Westcoast- Style aus Los Angeles zählen der Foot- Walk auf dem Boden und das Pop- Locking, eine Art Marionettentanz mit mehr tänzerischen Schritten zu Funk- und Soulmusik z.B. von James Brown (vgl. Henkel/ Wolff, 1996:72ff).
Hier zeigt sich, auf welche Weise die Fusion von Tradition und Innovation durch die Integration technischen Fortschritts in die künstlerische Performance vollzogen wird, wie Ya Salaam (1996) es für das Rapping und Rose (1994) für die HipHop- Kultur allgemein beschreibt. So wurden einzelne Elemente der Beboper, Soul- Train- Tänzer und Funkateers herauspräpariert und in eine neuartige Kombination mit neuen Tanzelementen integriert (vgl. Poschardt, 1995:153). Poschardt beschreibt diese neue Form der Körpersprache als „Revolte der Afroamerikaner, die sich in dieser Form der Ghettokultur die Herrschaft über ihren Körper und dessen Poetik zurückeroberten“ (ebenda). Breakdance ist ein reiner Showdance, bei dem die Anerkennung der Gruppe im Vordergrund steht und weniger die lustvolle Selbsterfahrung des eigenen Körpers, wie beim Rock´n` Roll. Die Tänzer veranstalteten Wettkämpfe, auf denen sie „Transformer“ und andere futuristische Roboter durch Körpersprache nachahmten (vgl. Henkel/ Wolff, 1996:70ff). Die Anhänger dieser neuen Kultur werden B- Boys und Fly- Girls genannt. Ursprünglich waren B- Boys jene Jungen, die breakten, d.h. zur Breakbeat- Musik tanzten. Später wurde diese Bezeichnung für alle männlichen Anhänger des HipHop verwendet.69
Mit dem internationalen Erfolg des Filmes Flashdance, dem eine Flut von Break- Filmen folgten, wurde HipHop einem Massenpublikum vorgestellt und entwickelte sich zu einer globalen Jugendkultur. Für die Tänzer bedeutete dies, dass sie auf ihren Fähigkeiten eine Hollywood- Karriere aufbauen konnten.
“Breakdancing wurde zu dem Gimmick, der noch fehlte, um HipHop endgültig in die Sphäre des Marktes zu ziehen; das gefiel den Kindern, egal welcher Hautfarbe, Klasse, Erziehung, wirtschaftlicher Status, ja bis zu einem gewissen Punkt sogar, egal welchen Geschlechts“ (Toop, 1992:183).
Die Bravo- Spezial aus dem Jahre 1984 zum Thema Breakdance löste die Breakdance- Modewelle in Deutschland aus (vgl. Krekow/ Steiner, 2000:237). Während die Tanzbattles in den frühen Achtzigerjahren in Berlin noch zwischen deutschen und ausländischen Crews kämpferisch als Schlacht geführt wurden, geht es heute darum den besten Style (vgl. Abschnitt 9.1) zu präsentieren (vgl. ebenda).
In der ehemaligen DDR wird der Film „Beat Street“ (1984) als abschreckendes Beispiel für kapitalistischen Wettbewerb etwa zur gleichen Zeit wie in West- Deutschland gezeigt. Bis dahin war Rap in der damaligen DDR nur über das West- Radio bekannt. Dieser Film war der ausschlaggebende Impuls für die Entstehung einer HipHop- Kultur in Deutschland (vgl. Elflein, 1998:256) und funktionierte für die Jugendlichen wie eine Art Bedienungsanleitung:
„Für mich konnte dieses Gerät mit dem Stroboskop (Anm.: Plattenspieler) alles. Doch durch Beatstreet wurde es erklärt. Man hat die Grundbedingungen kennengelernt. Es war alles abstrakt. Eine Platte zum Scratchen zu benutzen, die es nicht gab, einen Plattenspieler, den es nicht gab, einen Mixer, den es nicht gab“ (Krekow/ Steiner, 2000:89).
Breakdance wird in der DDR als „Kampfsport der Kultur der unterdrückten Massen in Amerika“ eingeführt und legitimiert. Die bis dahin übliche Verteufelung von Jugendkulturen aus dem kapitalistischen Ausland, wie noch beim Rock´ n´ Roll70, fand 1972 eine Lockerung. Beat, Pop und Rock wurden rehabilitiert, indem ihre Aufforderung zum Selbermachen und die aktive Haltung zur Musik betont wurden.71 Allerdings war die Bedingung zunächst noch, dass die deutsche Sprache verwendet wird. Im leistungssportorientierten System der DDR wurde der Breakdance offiziell zur Sportart umfunktionalisiert. In FDJ- geleiteten Jugendclubs wurden Arbeitsgemeinschaften zum Breakdance eingerichtet. So konnte sich in den Jahren bis 1989 eine eigenständige HipHop- Kultur in der DDR entwickeln. Das DDR- Kulturministerium veranstaltet ab 1987 sogar Wettbewerbe im Rahmen eines Kulturprogramms in Ost- Berlin (vgl. Fuchs, 1996:162). Bereits im Sommer 1984 treffen aktive FDJ- Pioniere in einem internationalen Jugendlager am Werbellin- See mit anderen Breakdancern zusammen. Einige Breaker verdienten sogar Geld mit ihren Auftritten. Doch die Rap- Musik gab in der DDR Grund zu Beschwerden, so dass zunächst auf Ost- Musik ausgewichen werden musste. Doch der offizielle Internationalismus legitimierte in Bezug auf die traditionelle schwarze Kultur die Aktivitäten im HipHop und es wurde auch erlaubt Englisch zu singen. Seit 1982 konnte man über die BRD- Sender NDR 2 und SFB 2 in der DDR Rap hören. Ab 1988 spielte der Jugendsender DT 64 Old School und New School.
3.3.3 Graffiti
Graffiti als Gestaltung öffentlicher Flächen gehört heute zum allgemeinen Erscheinungsbild des urbanen Raumes in der Postmoderne. Diese Form der Straßenkunst hat ihren Ursprung ebenfalls im New York der Siebzigerjahre. Das Erscheinungsbild des Graffiti geht nach einer Legende auf den griechischen Einwanderersohn Taki zurück, der als Botenjunge auf seinen täglichen Fahrten durch fünf New Yorker Verwaltungsbezirke mit Filzstiften sein Pseudonym auf Straßenbahnen hinterließ. Ein Artikel in der New York Times über die ungewöhnlichen Markierungen in Zügen war Anstoß für eine Vielzahl anderer Jugendlicher dem „Taggen“72 und „Bomben“73 zum Durchbruch zu verhelfen. Die ersten Writer entsprachen ihrer Herkunft nach im allgemeinen einem „repräsentativen Querschnitt“ der amerikanischen Gesellschaft, wie Domentat (1994) feststellt. Im besonderen waren es jedoch vor allem die jungen schwarzen und hispanischen Writer74, die das Sprühen als eine ihren Bedürfnissen entsprechenden Ausdrucksform erprobten (vgl. Domentat, 1994:8ff). Das Sprayen auf Züge bot die Möglichkeit der Kommunikation mit Jugendlichen aus anderen Stadtteilen oder Regionen. Die technischen Vorraussetzungen entwickelten sich mit der Zeit durch Anwendung immer professioneller werdender Utensilien weiter. Der Tag gilt als Urform des Grafitti- Piece75. „Größe, Farbe und das graphische Design der Buchstaben, auch Style genannt, ergänzten bald den Katalog formaler Kriterien, den ein guter Writer beherrschen musste, um sich von den andern abzuheben“ (ebenda). Da die Writer sich in verschieden Gebieten artikulierten, waren bald regionale Stilrichtungen voneinander zu unterscheiden. Die New Yorker Style76 - Pioniere wie Phase 2 kreierten die Bubble Letters, die sich durch eine weiche, schwingende, ballonartig aufgeblasene Ausgestaltung der Grapheme auszeichnet. Dreidimensionale Effekte erweiterten die Bandbreite an Buchstaben- Variationen. Neben dem 3- D- Letter- Style gehört der Wild- Style zu den ursprünglichen kalligraphischen Ausdrücken der Siebzigerjahre. Dieser Writing- Style ist für Außenstehende nur schwer zu entziffern, da die Buchstaben durch eine aufwendig verschlungene Ornamentik umgestaltet werden.
Die öffentliche Reaktion auf Graffiti lässt sich anhand der Beurteilung des damaligen New Yorker Bürgermeister Koch dokumentieren: “Graffiti is not an art, but an application to the surface“ (vgl. Henkel/ Wolff, 1996:48). Er verordnete fünf Tage Gefängnisstrafe für Wiederholungstäter, die sich beim Sprühen erwischen ließen. Im Jahr 1972 wurde ein Anti- Graffiti- Gesetz erlassen, in dessen Folge es zu Massenverhaftungen und verstärkten Kontrollmaßnahmen kam, welche jedoch nur zu einer Verlagerung der Aerosolart77 von Zügen auf Wände und andere Oberflächen im Stadtraum führten. Mit der Popularisierung von Breakdance und Rap wurde Graffiti zu Beginn der Achtzigerjahre in Galerien und Ausstellungen in Manhattan einer kunstinteressierten Öffentlichkeit vorgestellt (vgl. Domentat, 1994:13f).78
Der thematische Fokus der Graffitiwriter ist nach Hitzler (2001) ,,zum einen der künstlerisch- kreative Akt der Selbstverwirklichung und Selbstpräsentation“ (Hitzler 2001:103). Die Beherrschung der Technik bietet eine Basis, auf der die weitere Entwicklung eines persönlichen Styles möglich wird. Ein Style ist meist an eine Crew oder einen einzelnen Writer gebunden. Einen individuellen und innovativen Style zu kreieren, ist das höchste Ziel der Writer. Die Anerkennung innerhalb der Szene manifestiert sich in der Auszeichnung zum Style- King für einen besonders ausgereiften, qualitativ guten und neuartigen Style. Die dominante Idee dabei ist es, „Werbung für sich zu machen“. Deshalb muss ein Style charakteristische Züge seines Repräsentanten tragen.
Darüber hinaus, „kommt (...) hier die ´Rückeroberung´ des urbanen Raumes, der Aneignung anonymer öffentlicher Flächen zum Tragen“ (ebenda). Der urbane Raum erhält durch das persönliche Handeln und Bedeutungszuschreibungen einen neuen, eigenen Sinn. Graffiti ist ein künstlerisches Endprodukt, darüber hinaus hat es die Funktion eine öffentliche Fläche zeitweilig für die eigenen Zwecke zu entfremden. Dies geschieht sowohl entgegen der Ansprüche der Öffentlichkeit als auch derer anderer Sprayer. Graffiti kann als ein „symbolischer Kampf um Territorien“ beschrieben werden (ebenda, 104). Die Aneignung städtischer Räume ist mit der Illegalität der Aktivität des Writers verknüpft. Illegalität erweist sich hier als wesentliche Richtlinie für die Vorgehensweise der Sprayer. Der Wert eines Pieces bemisst sich nach der Exponiertheit der Fläche, und damit der Schwierigkeit, unbemerkt von der Öffentlichkeit dort ein gutes Piece anzubringen (vgl. Hitzler, 2001:104). Die jeweiligen Bilder sind nicht Träger von Botschaften. Vielmehr ist Graffiti selbst die Aussage. Die Jugendlichen suchen anonyme Plätze und Flächen, die nicht bereits von Erwachsenen für sie vorgegeben und vorstrukturiert sind, so dass Räume häufig entgegen ihrer ursprünglichen Bestimmung nach den eigenen Bedürfnissen durch Umnutzung angeeignet werden können.79
Beim Sprayen geht es um Anerkennung und Respekt innerhalb der Szene. Illegalität ist neben der Qualität eine grundlegende „Motivations- und Inspirationsquelle“ (vgl. ebenda, 105). Dabei führen die provozierten Konflikte mit der Polizei nicht zu einer politisierten Einstellung im konventionellen Sinn oder sind gar als Handlungsziel zu verstehen. Fame80, d.h. einen (illegalen) Status innerhalb der Gemeinschaft zu erlangen, ist ein weiteres Hauptmotiv der Sprayer- Aktivitäten.81 Fame erlangt der Graffitikünstler zunächst über das Verteilen möglichst vieler Tags im öffentlichen Raum. Auffällig ist die Bedeutung von Alias- Namen innerhalb dieser Kultur, denen eine identitätsstiftende Funktion zugesprochen werden kann. Der anonyme Sprayername verleiht dem Jugendlichen eine neue Identität, nur Eingeweihte können seine Sprüherkarriere im innerstädtischen Raum verfolgen. Er fungiert insofern innerhalb der Szene als eine Art Code.
Der Low- Budget Film „Wildstyle“ (1981) und Hollywoodfilme wie „Beat- Street“ (1984) dienten als Vorlage um eigene Stilrichtungen zu entwickeln. Nicht zuletzt aufgrund der über diese Filme angeschobenen Breakdance- Modewelle, entschlossen sich zunächst Breaker in Deutschland, den New Yorker Writern nachzueifern. Nach der Modewelle blieben nur vereinzelte Breaker übrig und mit der abnehmenden Informationsflut aus den USA waren nur noch wenige Sprayer da, die sich in kleinen Gruppen städteweise zusammenschlossen. In den Jahren 1986 bis 1987 wurden die verschiedenen Szenen der Großstädte aufeinander aufmerksam. Auf überregionalen Jams trafen sich Rapper, Sprayer und Breaker und tauschten sich untereinander aus, so dass sich langsam eine gesamtdeutsche Szene entwickelte. Im Jahr 1988 entwickelte die Graffiti- Szene eine Eigendynamik. Überregionale Crews, wie RTA, sorgten mit Zugaktionen für Aufsehen. Sie begannen in Hamburg und bewegten sich quer durch Deutschland. Diese Reisen motivierten viele, aktiver zu werden und die Szene wuchs immer mehr. Durch Mundpropaganda wurden Informationen weitergegeben und mit dem Austausch von Fotos und dem Bemalen von Zügen hatten die Writer einen Weg gefunden, um auch über ihre Stadt hinaus bekannt zu werden. So erfuhren die Pioniere der Writer- Szene ständig Neues und tauschten Erfahrungen aus. Schließlich wurden auch internationale Kontakte aufgebaut, um neue Einflüsse zu erfahren. Ende 1989 erschienen die ersten Graffiti- Magazine „Freestyle“, „Bomber“, oder „On the Run“ (Stahnke- Jungheim, 2000:23ff) . In diesem Jahr lief auch der US- Spielfilm „Colors- die Farben der Gewalt“ in den Berliner Kinos an. Es wurde immer einfacher Fotomaterialien und andere relevante Informationen über Graffiti zu finden. Zu diesem Zeitpunkt begann die Untergliederung der Berliner Szene in die Old School, als Bezeichnung für die Sprüher, die bereits vor 1989 angefangen hatten und die New School (vgl. Domentat, 1994:26).
In Deutschland ist die öffentliche Akzeptanz von Graffiti nicht groß. Der außenstehende Beobachter ordnet das Phänomen ohne ein weitergehendes Verständnis verärgert als Vandalismus oder „sinnlose Schmiererei“ ein (vgl. ebenda, 84ff; Stahnke- Junghans, 2000:39ff). Nach den Paragraphen 303 und 305 des Strafgesetzbuches ist das Besprühen von öffentlichen und privaten Flächen als einfache bzw. gemeinschädliche Sachbeschädigung zu definieren. Die Berliner Verkehrsbetriebe gaben im Jahr 1992 6,5 Millionen Mark zur Beseitigung von Vandalismus- Schäden aus (vgl. Domentat, 1994:84). Auf Anregung der CDU wurde in Berlin 1994 „Nofitti“ gegründet, ein Verein, der besonders von den Springer- Medien und der Berliner- Morgenpost unterstützt wird. Dieser Zusammenschluss versteht sich als eine Bürgerinitiative gegen Graffiti und tritt in der Öffentlichkeit mit entsprechenden Aktionen auf. Die Kampferklärung der CDU/ SPD- Koalition von 1996 bis 1999 gegen Graffiti hatte zwar zunächst einen kurzweiligen Erfolg. Die Jugendlichen, die trotzdem dabei blieben, bildeten ebenso Zusammenschlüsse, wie z.B. den CMD, ein Writerbund, in dem fast alle wichtigen Bomber des Westteils Berlins Mitglied sind (vgl. Stahnke- Jungheim, 2000:33).
Auch in der DDR gab es bereits vor der Wende die ersten Sprüher. Sie hatten allerdings wesentlich schwierigere Startbedingungen als die West- Sprüher oder die deutsche New School nach der Wende, denn ihnen fehlten die Vorbilder. Das initiale Erlebnis war wie bereits auch für den Breakdance der Film „Beat- Street“ (1984). Mit tschechischen Autolack- Spraydüsen entstanden die ersten Graffitis in der ehemaligen DDR (vgl. Stahnke- Jungheim, 2000:34f). Ein Ergebnis dessen war das sechzig Meter lange Graffiti „Crazy Art Fruiters“ auf der Rückseite der East Side Gallery in Berlin.
Die gesamtdeutsche Graffiti- Szene teilt sich wie die HipHop- Kultur allgemein, in lokale Szenen der jeweiligen deutschen Großstädte, innerhalb derer sich wiederum Crews bilden. Das eigene Bild wird teilweise nicht nur mit dem eigenen Pseudonym signiert, sondern repräsentiert die gesamte Crew, mit dessen Kürzel das Piece signiert wird. Interne Differenzierungskriterien laufen entlang der Illegalität (vgl. Hitzler, 2001:149). Neben den für die kulturellen HipHop- Techniken allgemein geltenden Bestimmungsmomenten wie Anerkennung, Wettbewerb, Selbstpräsentation und ästhetisch- künsterlische Aktivität sind die der Illegalität und der Aneignung öffentlicher Räume für Graffiti insbesondere hervorstehend.
3.4 Fazit
Die kurze Skizzierung der Ursprünge der HipHop- Elemente Graffiti, Rap und Breakdance in den USA und ihre anfängliche Entwicklung in Deutschland, weist auf bestimmte Merkmale hin, die ich hier noch einmal zusammenfassen und herausstreichen möchte:
Zum einen sind die Elemente Graffiti, Breakdance und Rap Straßenkulturen. Hier wird der öffentliche Raum zur Arena der Selbstbehauptung und -präsentation gemacht. Der urbane Raum gibt die Rahmenbedingung für die Entstehung dieser neuen kulturellen Praktiken vor. Diese entwickelten sich alle ursprünglich vor dem Hintergrund der gleichen benachteiligenden sozialen Bedingungen des amerikanischen Ghettos der Siebzigerjahre.
Die Motivation diese Aktivitäten auszuüben, scheint darin begründet zu sein, die eigenen Fähigkeiten im Konkurrenzkampf perfektionieren und sich dem anderen gegenüber behaupten zu wollen. Konkurrenz, Respekt und Anerkennung innerhalb der Szene sind hier die grundlegenden Antriebsmotoren- und -ziele. Auffallend sind die Faszination und die Nutzung neuer Technologien beim DJing in Form des Samplings oder Scratchens, als auch beim Breaking, das traditionelle Formen des Tanzens mit computerisierten Bewegungen kombiniert. Die Entwicklung der kulturellen Techniken des Sampling und auch des Breakdance lassen das Prinzip der Bricolage erkennen. Bereits bestehende und mit bestimmten kulturellen Bedeutungen ausgestattete Elemente werden dekontextualisiert und in einer selbst kreierten Kombination rekontextualisiert.
Deutschland importiert alle drei Kulturformen von HipHop über die Medien. Zunächst lässt sich hier eine bloße Nachahmung der grundlegenden Techniken beobachten, welche mit der weiteren Entwicklung immer mehr eine Eigendynamik entfaltet. Neben Kreativität und perfektionierten Techniken sind Individualität und Selbstpräsentation auffallende Kriterien für die weitere Entwicklung.
HipHop hat sich aus seinen lokalen Grenzen befreit und zu einer transnationalen Jugendkultur erweitert. Sowohl in der urbanen Stadtlandschaft von New York, dem Ursprungs- Ort aller drei Ausdrucksformen, als auch in Deutschland sind es Jugendliche in sozial benachteiligten Positionen, die diese Formen der Selbstinszenierung als erste ausüben und weiterentwickeln.
Inzwischen lässt sich immer schwieriger definieren, was HipHop umfasst. Für die Anfangshase ist allerdings die Einheit von Rap, Breakdance und Graffiti kennzeichnend.
4 Der Zusammenhang von HipHop- Kultur und Jugendgangs
Im folgenden Kapitel möchte ich einen möglichen Zusammenhang zwischen der HipHop- Kultur und der Gangbewegung herausarbeiten, der sich in der Literatur andeutet. So scheinen die Gruppenzusammenschlüsse im HipHop ursprünglich in der Gangbewegung zu wurzeln, wie im Folgenden verdeutlicht werden soll. Zunächst soll der Begriff der Gang genauer bestimmt und ihre Organisationsform, Gruppenzusammensetzung und Handlungsziele beschrieben werden. Die Arbeit der Chicago School, deren Milieu- und Gangstudien als Ausgangspunkt für die Subkulturforschung gelten, bietet ein sozialökologisches Modell zur Untersuchung jugendlicher Gangs an, welches im Folgenden kurz skizziert wird. Die sozialökologische Perspektive wird in diesem Kapitel unter Rückbezug auf die Arbeit von Thiele und Taylor, die Raumaneigungs- und -verdrängungsprozesse Jugendlicher untersuchen, bewahrt. Es gilt herauszustellen, vor welchem sozialen Hintergrund diese jugendlichen Gruppen in Deutschland entstehen und inwiefern sie einen Ausgangspunkt für jugendkulturelle Phänomene und HipHop bilden bzw. mit diesen vergleichbar sind.
4.1 Vorüberlegungen: Parallelen in der Entwicklungsgeschichte von Gangs und Crews
Afrika Bambaataa, der bereits im Abschnitt zur Entwicklungsgeschichte des HipHop eine gesonderte Erwähnung als einer der Pioniere des DJing erhielt, gehörte der größten New Yorker Gang „Black Spades“ an, die 20.000 Mitglieder umfasste. Bambaataa erschuf in den Siebzigerjahren mit der Gründung der losen Vereinigung der „Zulu Nation“ in New York für die sich bekämpfenden Streetgangs eine Alternative, welche die bewaffneten Zusammenstöße der Gangs in MC- und DJ- Clashes82 zu überführen versuchte (vgl. Abschnitt 3.2.1). Bambaataa beschreibt aus der Sicht eines ehemaligen Gangmitgliedes die positiven Aspekte, Teil einer solchen jugendlichen Organisation zu sein. Nach Bambaataa stellt die Gang eine Art Erziehungsinstitution dar, in der man Verhaltensweisen lernt, die für das Überleben auf der Straße notwendig sind (vgl. Toop, 1992:71). Die Gang ist durch ein starkes Einigkeitsgefühl innerhalb der Organisation geprägt. Bam charakterisiert die Gang als eine Art Familie, die ihren Mitgliedern Schutz bietet83.
“Wenn es keine Jobs für Jugendliche gab, nichts lief in den Community Centres, unternahmen die Gangs etwas. Wenn die Gangs, entschuldige den Ausdruck, die Kacke zum Dampfen brachten, kam die Regierung erst auf die Idee einen vorbeizuschicken, der mit dir redet, oder Geld auszugeben, um die Gangs zu beruhigen“ (Bambaataa in Toop, 1992:71).
Ähnlich erklärt Taner, HipHopper und Erzieher im Jugendzentrum „Naunyn Ritze“ in Berlin- Kreuzberg, sowie ehemaliges Gangmitglied84, dass die Gang den Jugendlichen einen alternativen Familiensinn bot: „Meine Gruppe war meine Familie. Wir waren alle zusammen mit den Jüngeren, wie eine Familie. Zum Beispiel ließen wir die jüngeren Kids nicht rauchen, und wir haben sie beschützt“ (Taner, in: Kaya, 2001:130).85
Auf den von Jugendlichen selbstorganisierten Blockparties der Bronx, auf denen mobile Aufleger ihr Equipment in das Community- Center, in die Parks oder die Straße transportierten, trafen rivalisierende Gangs aufeinander, „und aus einem offenen Krieg wandelte sich die hierarchische Gang- Ordnung in vergleichsweise friedliche Gruppen, die sich Crews nannten“ (Toop, 1992:20). Diese Crews entwickelten wie Toop (1992) es erklärt, den HipHop. Die künstlerischen HipHop- Crews hatten für die Jugendlichen die gleiche essentielle Funktion wie die Gangs. Rose definiert
„(…) these crews are new kinds of families forged with intercultural bonds, that, like the social formation of gangs, provide insulation and support in an complex and unyielding environment and may serve as the basis for new social movements” (Rose, 1994:34).
Karrer stellt den Zusammenhang zwischen den Überlebensstrategien jugendlicher Banden und der HipHop- Kultur über die Sprache im Ghetto her. Die Sprachverwendung innerhalb dieses Lebensraums hat eine eigene Grammatik und soziale Normen entwickelt, die Ein- und Ausgrenzungsfunktion besitzen (vgl. Karrer, 1996:24f), d.h. innen Solidarität markieren und nach außen Distinktion. Die Analyse der Sprachspiele resultiert in der Klassifizierung von Sprechakten, die alle Formen des Rapping und Signifying sind. Diese kulturellen Praktiken tauchen in der Rapmusik auf und werden in ihr weiterentwickelt. Entscheidend im Gebrauch sind die Übergänge, der kontinuierliche Wechsel zwischen den Formen, „das Durchspielen der Formen in der Performanz“ (ebenda, 26). Code- switching, d.h. der Wechsel von der „Straßensprache“ ins „Standard American“ und Sprechaktwechsel wirken innerhalb des Rapping zusammen. Diese Sprechstrategien verhindern eine Rezeption durch Außenstehende und stärken gleichzeitig das Gemeinschaftsgefühl ihrer Verwender untereinander. Karrer sieht darin die Hauptfunktion der Sprachspiele, die für ihn sogar über eine Ausgrenzungsfunktion hinausgehen. Denn Karrer formuliert, dass diese Sprechstrategien gegen die dominante Kultur gerichtet sind, mit der ihre Verwender alltäglich außerhalb des Ghettos konfrontiert werden (vgl. ebenda).86
Die Sprachspiele wurden durch alte Lieder und Geschichten überliefert, wobei vor allem der Blues die ländlichen Formen des Rapping und Codewechsels konserviert und tradiert hat (vgl. ebenda). Die spezifische Sprachverwendung kann als Vorläufer des Rap interpretiert werden: „Solche Gang- Reime, die lange vor den Discos und Schallplatten zirkulierten, enthalten fast alle Elemente des rapping“ (Karrer,1996:27).
Der Zuzug anderer ethnischer Minderheiten und das zunehmende ökonomische Gefälle innerhalb der Black Community machte ein komplexeres System der Codierung notwendig. Die Hautfarbe „schwarz“ verlor zunehmend ihre Eingrenzungs- und Abgrenzungskraft. Das vieldeutige Sprechen wurde durch weitere nicht- sprachliche Codes, wie der Kleidung und Körperhaltung ergänzt. Die territoriale Abgrenzung innerhalb des Ghettos verlief eng mit der Gangentwicklung und ihren Kleidercodes. Die Funktion der Sprechstrategien war abhängig davon, in welcher Konstellation diese vorgetragen wurden, d.h. innerhalb einer Gang oder in Auseinandersetzung mit einer befeindeten Gang. Die richtige Decodierung der Sprachspiele war nur in Kombination mit der Kleider- und Körpersprache möglich.
Zwei Punkte sollen an dieser Stelle festgehalten werden: Zum einen, wie hier zuletzt dargestellt, werden die Grundelemente der Kulturtechnik des Raps, bereits in der spezifischen Sprachverwendung der Gangs verwendet. Zum anderen kann zusammenfassend herausgestellt werden, dass Gangs und HipHop- Crews die gleichen elementaren Bedürfnisse nach Anerkennung und Schutz befriedigen. Offenbar haben sich beide Gruppenformationen in demselben sozialen Lebensraum als Reaktion auf erfahrene gesellschaftliche Ausgrenzung herausgebildet bzw. bildeten die Gruppenzusammenschlüsse der Gangs scheinbar die Ausgangsbasis für die Crews. Diesem Punkt muss genauer nachgegangen werden, nachdem hier offensichtlich Zusammenhänge der jugendlichen Gruppenorganisationen der HipHop- Kultur und Gangbewegung zu erkennen sind. Zu diesem Zweck sollen im Folgenden zunächst der Begriff der Gang und spezifische Charakteristika dieser Organisationsform genauer bestimmt werden.
4.2 Begriffsbestimmung und Spezifika: Jugendgangs
Der Begriff der „Gang“ kann nach Taylor (1993)87 mit Bande oder Clique übersetzt werden. Sie stellt einen Zusammenschluss von Kindern oder Jugendlichen dar. Zweck der Vergemeinschaftung sind gemeinsame Aktionen, die ein breites Spektrum abdecken (vgl. Thiele/ Taylor, 1998:91). Organisationsgrad und Gruppenziele werden von den jeweiligen Gangs definiert.
Die erste umfangreiche Gang- Typologie erstellte Trasher (1927)88 in Chicago zwischen den Jahren 1919 und 1926. Trasher (1927) bestimmt Gangs als ursprünglich nachbarschaftliche Spielgruppen, die sich vor dem Hintergrund spezifischer sozialstruktureller Bedingungen, im Kampf um begrenzte Räume und Territorien zu Konkurrenzgruppen umwandeln. Gangs zeichnen sich durch eine Organisation mit Führungspersonen und festen Mitgliedschaften aus, die im Laufe der Zeit Stabilität und eine eigene Tradition entwickeln (vgl. Trasher, 1927:30). Das Selbstverständnis der Gruppe beschreibt Trasher als ein über gemeinsame Aktionen konstituierender Zusammenschluss von „Outlaws“, im Kampf gegen die bestehende Ordnung. (vgl. Trasher, 1927:34). Trasher betont den kulturellen Eigencharakter und die Vergesellschaftungsbedingungen der Slumviertel, in denen Banden zu verorten sind. Entsprechend spricht Trasher Banden eine autonome Ordnung mit spezifischen Werten und Normen zu. Die ursächlichen sozioökonomischen Hintergründe, die nach Trasher zur Bandenbildung führen, werden im nachfolgenden Abschnitt dargestellt.
Zunächst möchte ich auf die Autoren Thiele und Taylor (1998) verweisen, die den Versuch gemacht haben, in einem kulturvergleichenden Zugang aktuelle jugendkulturelle Strömungen in Ostdeutschland mit der Gang- Entwicklung in den USA zu vergleichen. Das Forschungsinteresse liegt in der Analyse regionaltypischer räumlicher Aneignungs- und Verdrängungsprozesse jugendlicher Kulturen. Unter Verweis auf die Wechselwirkung jugendkultureller und sozialpolitischer Entwicklungen, eröffnen die Autoren einen präventionsorientierten Handlungsansatz, der Perspektiven zur Einbettung jugendlicher Sozialisation innerhalb sozialer Räume aufdeckt, um räumlichen Verdrängungsprozessen von Jugendlichen bereits in ihrer Entstehung entgegenwirken zu können. Die Autoren distanzieren sich von dem traditionellen Ansatz, die Andersartigkeit dieser Zusammenschlüsse zu fokussieren, sondern erheben den Anspruch, auch die andere Seite zu erfassen, die Gangbildung als eine Reaktion auf gesellschaftliche Fehlentwicklungen begreift.
Wie oben bereits angedeutet wurde, förderten Veränderungen der urbanen Strukturen in den USA das Aufkommen von Jugendbanden. Thiele und Taylor (1998) beschreiben Gangs als „in einem spezifischen Raum agierende, oft auf ein Territorium begrenzte homogene oder auch heterogene Gruppen“ (Taylor/ Thiele, 1998:92). Häufiger sind es jedoch homogene Strukturen, die als Folge ethnisch homogener Wohngegenden entstehen. Allerdings, so betonen die Autoren, sind Gangs kein reines Rassenproblem. Weiße Gangs rekrutieren ihre Mitglieder jedoch auch aus den sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen der ärmeren Schichten, so dass es sich hier allgemein um eine Gruppenzusammensetzung aus marginalisierten Mitgliedern aufgrund sozioökonomischer Faktoren handelt (vgl. ebenda)89.
Die Autoren betonen in ihrer Studie, dass für die Bandenbildungen das Bedürfnis nach Schutz elementar ist. Über Vertrauen und Verständnis entwickelt sich Loyalität, die der Gruppe wiederum Stabilität verleihen. Identitätsstiftend und stabilisierend wirken zudem der spezifische Kleidungsstil, Accessoires und auch die Namensgebung der Gang (vgl. ebenda, 95). In Bezug auf die Gruppenidentifikationen wird auch die zentrale Rolle einer gemeinsam bevorzugten Musikrichtung erwähnt, die wie Thiele und Taylor für den Gruppenzusammenschluss der Gang das Genre Rap bildet. Diese Präferenz erklären die Autoren damit, dass sie „Probleme dieser Schichten aufgreifen und ein Sprachrohr für sie sind“. Außerdem entspricht dieser Musikstil der „alltäglichen Härte der Gangs“ (vgl. ebenda).
Gangs zeichnen sich durch eine meist geschlossene und hierarchisch gegliederte Organisationsstruktur aus.90 Jede Gang hat ihre eigene Struktur, Arbeitsmethoden und einen Führer (vgl. Thiele/ Taylor, 1998:97).91 Bezeichnend für Gangs ist, dass sie ganze Wohngegenden besetzen und sich häufig durch Grenzmarkierungen wie z.B. Graffitis nach außen hin abgrenzen (vgl. ebenda). Thiele und Taylor verstehen Gangs als eine von den dominanten Werten und Normen der Gesellschaft abgehobene gesellschaftliche Kultur mit eigenen Regeln des Zusammenlebens (vgl. Thiele/ Taylor, 1998:93). Nach Thiele und Taylor ist insgesamt bei allen Gangs von einer dauerhaften Aneignung, bzw. Umdefinition von Raum auszugehen. Differenzierungen lassen sich hinsichtlich des Grades dieser eigenbestimmten Nutzung ursprungsfremder Territorien entsprechend der eigenen Lebens- und Wertvorstellungen machen. Die ursprüngliche Funktion von Wohnvierteln wird umdefiniert, indem aus diesen anfänglich Räume des Zeitvertreibs, des Konsums und der Kommunikation werden. Später dienen diese Räume dann der materiellen Existenzsicherung (vgl. ebenda, 124f).
Thiele und Taylor fügen den vier von Baacke genannten Möglichkeiten zur Eroberung von Räumen, welche die gesuchte Erlebnisqualität erlauben,92 die Möglichkeit der völligen Besetzung von territorialen Sektoren hinzu. Dazu gehört auch die Annektierung ganzer Wohngebiete, in denen durch Graffiti oder Zäune abgegrenzt, eine von allgemein geltenden Werten und Normen abgesonderte Miniaturgesellschaft gebildet wird (vgl. ebenda, 44). Machtkämpfe zwischen rivalisierenden Gangs bestimmen die Festlegung von Gebietskartellen. Dabei existieren bestimmte Absprachen über das Verhalten zueinander und Grenzmarkierungen, über die gewacht wird. Allerdings grenzt nicht jede Gang ihr Territorium ab. Ebenso kann die Verwendung von Symbolen eine exakte Strukturierung des Gebiets aufweisen, während andere Areale keine Markierungen aufweisen. Über die spezifischen Kennzeichen können Botschaften kommuniziert werden (vgl. ebenda, 114).
Die Gangs, welche Thiele und Taylor anhand von Studien eines fünfmonatigen Forschungsaufenthaltes in den USA beschreiben, unterscheiden sich grundlegend von Trashers untersuchten Gangs. Trasher (1927) behauptet, Gangs bilden sich aus einem angeborenen Instinkt heraus, sie sind spontan und ursprünglich. Thiele und Taylor betonen dagegen, heutige Gangs mit dem beobachteten hohen Grad an Organisation und Mobilität, bilden sich nicht zufällig, sondern „aus dem lebensnotwendigen Existenzkampf auf der Straße“ (Thiele/ Taylor, 1998:94).
Größere Besorgnis erregen in amerikanischen Wissenschaftlerkreisen mittlerweile die sogenannten Gangster . Gangster definieren Thiele und Taylor als „Einzelkämpfer, die sich speziell auf die Ausführung von geplanten Morden oder Überfällen verstehen. Sie werden von Gangs zur Durchführung diverser Aufträge bestellt und dafür eigens bezahlt“ (ebenda, 112). Gangster genießen eine hohe Anerkennung bei Jugendlichen und Gangmitgliedern. Einer der bekanntesten ist Snoop Doggy Dog, ein Vertreter des Gangsta- Rap und erfolgreicher Plattenfirmabesitzer. Die Popularisierung von Gangstern zu Vorbildfiguren, insbesondere auch in den jugendspezifischen Medien, hängt nach den Autoren auch damit zusammen, dass ethnischen Minderheiten der gesellschaftlich anerkannte Weg zu Ruhm, Erfolg und finanzieller Unabhängigkeit nicht offen steht. Sie werden in einem Lebensumfeld sozialisiert, in dem sie sich behaupten müssen, um überleben zu können. Die Befreiung aus ihrem familiären Milieu ist häufig das primäre Ziel der hier lebenden Jugendlichen (vgl. Thiele/ Taylor, 1998:113). Sommer (1986)93 formuliert: „Den Slums kannst du nur entkommen, wenn du ein populärer Musiker, ein Spitzensportler oder ein gerissener Gangster bist, so lautet die oberste Ghetto- Weisheit (...)“ (Sommer, 1986:34; zitiert nach: Spatschek et al., 1997:121). Der Gangster symbolisiert für sein Publikum den erfolgreichen Weg aus dem Ghetto. Bezeichnenderweise ist ein besonderes Genre des Rap der Gangsta- Rap. Hier werden anscheinend die Karrieren als Musiker und Gangster miteinander kombiniert. Snoop Doggy Dog ist nur ein Beispiel für jemanden, der diesen Weg vorgemacht hat.94
4.3 Ein Erklärungsansatz: Das sozialökologisches Modell der „Chicago School“
Aneignungs- und Verdrängungsprozesse von Jugendkulturen und Gangs sind nur verständlich, wenn Individuen in ihren konkreten Lebenszusammenhängen untersucht werden. Dies ist der Anspruch der sozialökologischen Betrachtung.
In den Dreißigerjahren beschäftigte sich die angelsächsische Forschung der Chicago School mit der spezifischen Sozialstruktur urbaner Lebensformen, insbesondere der Slums und Ghettos, „sowie mit den typischen Normen und Verhaltensformen ihrer Bewohner“ (Brake, 1981:38). Park, (1967, erstmals 1925)95 hat sich in seinem Werk „The City“ die Aufgabe gestellt, homogene Stadtgebiete auf ihr jeweiliges Sozialgefüge und deren materielle Beschaffenheit hin zu vergleichen. Unter homogenen Gebieten (natural areas) verstand Park deutlich abgegrenzte Wohnviertel mit kulturellen Eigenheiten. Stadtviertel, die von demographischen Umschichtungen gekennzeichnet waren, wurden als vorübergehende Mischgebiete (interstitial areas) bezeichnet. Jugendgangs sind nach Park Ausdruck sozialer Desorganisation, d.h. es „wird in bestimmten städtischen Wohngebieten die Balance zwischen Konkurrenz und Kooperation nicht mehr gehalten, so dass das `organische` Gleichgewicht durcheinander gerät“( ebenda). Dieses „Konzept der sozialen Pathologie“ basiert auf dem sozialökologischen Ansatz der Chicago School, welche die Symbiose der Pflanzenwelt auf das Sozialgefüge Stadt übertrug. Die Balance von Stadtvierteln wird demnach vermutlich durch unkontrollierten Zuwachs fremder Kulturen in einem begrenzten Terrain (habitat) gestört, weshalb Wertemaßstäbe dieser Wohngebiete desorganisiert erscheinen (vgl. ebenda).
Trasher übernahm das sozialökologische Modell der Chicago School für seine Untersuchung von Gangs und jugendlicher Delinquenz. Nach Trasher reflektieren Gangs das Übergangsstadium, in welchem sich die jeweiligen Stadtviertel aufgrund der genannten Veränderungen befinden (vgl. Brake, 1981:39ff). Gemäß Trasher und anderen Vertretern der Chicago School of Urban Sociology ist der „process of ganging“ primär auf die zweite Einwanderergeneration beschränkt. Über die Generationenfolgen, so wird angenommen, findet eine stufenweise Assimilation an die Aufnahmegesellschaft statt, und eine allmähliche Abtragung des Konflikts zwischen den elterlichen Werten und den der amerikanischen Gesellschaft. Die Bandenbildung ist als ein Reflex auf die mangelnde Integration und den schlechten Wohn-, Arbeits- und Lebensbedingungen in den „zone of transitions“ zu interpretieren, als Ort der ersten Niederlassung der Immigranten. Somit sind Banden als soziale Übergangsphänomene zu verstehen, welche mit zunehmender Integration verschwinden. Spätere Arbeiten96 lösten sich vom Akkulturationsparadigma97, aufgrund von zwei Beobachtungen (vgl. Tertilt, 1996:83f): zum einen bewahrheiteten sich die Vorhersagen über eine Integration der Immigranten als gleichwertige Mitglieder des „melting- pot“- USA nicht, da Ethnie „als ein wichtiger Faktor im sozialen und politischen Bewusstsein der USA bestehen blieb“ (Tertilt, 1996:83) und somit die Theorie einer phasenweise verlaufenden Akkulturation verworfen werden musste. Zum anderen entwickelten die Gangs eine autonome Tradition, die bis heute reicht und nicht allein mit dem Theorem des Kulturkonflikts zu erklären ist. Die Gang wird weniger als ein Übergangs- als vielmehr ein Beharrungsphänomen betrachtet, deren Erklärung spätere Arbeiten gewidmet sind (vgl. ebenda).
Der historische Ursprung der Subkulturforschung kann in den Milieu-Studien der Zwanziger-, Dreißiger- und Vierzigerjahren gesehen werden. Hier werden bereits jene Auffälligkeiten fokussiert, die auch in der Arbeit der Subkulturforschung zentral sind, wie die Untersuchung von Jugenddelinquenz und die Analyse von Armut in städtischen Gebieten der modernen Industriegesellschaften (Sack, 1971:271). Auch das CCCS berücksichtigte in seinen Studien die spezifischen Lebensräume Jugendlicher, und konzentrierte sich dabei auf die Arbeiter- Wohnquartiere und ihre Lebensbedingungen. Jugendliche entwickeln demnach in diesen „subkulturellen Milieus unter einer hegemonialen bürgerlichen Kultur“ Überlebensstrategien bzw. Widerstandsrituale, die ihre soziale Deprivation erträglich machen (vgl. Baacke, 1988:88).
4.4 Entstehungshintergründe von Gangbildungen in Deutschland
Thiele und Taylor versuchen durch Rückbezug auf die amerikanische Geschichte zu zeigen, dass auch in Deutschland Gangs entstehen können. Die Autoren beschreiben die expansive urbane Entwicklung der USA, bedingt durch den Immigrantenstrom im Zuge der Industrialisierung zu Beginn des Jahrhunderts. Das Angebot an Arbeit für Ungelernte forcierte den Zuzug ethnischer Gruppen, die sich in bestimmten Wohngebieten zusammenfanden. Auf diese Weise bildeten sich ethnisch definierte Nachbarschaftsquartiere aus. Die Ablehnung von Seiten der neuen Umgebung verstärkte die kulturelle Kluft, so dass die Immigranten letztendlich an der eigenen Sprache und heimatlichen Kultur festhielten. Das Ergebnis waren ethnische Segregation und die Solidarisierung der Immigranten untereinander. Die Erosion traditioneller Autoritätsinstitutionen wie der Kirche in den Sechzigerjahren und die wachsende Arbeitslosigkeit und Inflation in den Siebzigerjahren änderte das Selbstbewusstsein der Immigranten. Die Jugend erkannte die sozialen Widersprüche, die sich in dem Aufkommen höher organisierter Gangs und einer gesteigerten Delinquenzrate widerspiegelten (vgl. Thiele/ Taylor, 1998:96).
Thiele und Taylor stellen fest, dass die Ursachen für die Entstehung von Gangs im Osten Deutschlands im Grunde die gleichen wie in den USA sind, nur das sich die Gewichtungen verschieben. Begünstigende Bedingungen für eine beginnende Gang- Entwicklung sind im Osten Deutschlands weniger Rassendiskriminierungen und Probleme ethnischer Minderheiten wie in den USA, als vielmehr das ansteigende Wohlstandsgefälle und die damit verbundenen sozialräumlichen Polarisierungen (vgl. 1998:127).
Die räumlichen Merkmale, die sich unter diesen Entwicklungen abzeichnen, nennen die Autoren Gentrifikation, Polarisierung und Ghettoisierungsprozesse. Dies spiegelt sich auch in der regionalen Ungleichverteilung der öffentlichen Infrastruktur und Besiedlung wider (Herlyn, 1980:44, in Thiele/ Taylor, 1998:127)98. Über verschiedene Differenzierungen, in sozialen Brennpunkten insbesondere über soziokulturelle, erfolgen Selektionen, die darüber entscheiden, welches Stadtgebiet gut oder schlecht ist. Durch sogenannte Stigmatisierungs- und Etikettierungsprozesse bilden sich Quartiere, „in der eine bestimmte Identität entwickelt wird“ (Thiele/ Taylor, 1998:128).
„Immer weist die Gangbildung auf eine Trennlinie hin- zwischen Kolonien von Einwanderern verschiedener Nationalitäten oder verschiedener ethnischer Gruppen, zwischen Stadt und Suburb, zwischen der guten Gegend und der besseren“ (Thiele/ Taylor, 1998:116).99
Insbesondere ostdeutsche Neubausiedlungen sind von anderen Gegenden der Stadt segregiert. Die Jugendlichen, die hier leben, halten sich meist nur in ihrem Wohngebiet auf, da sie nicht ausreichend über Finanzen und Mobilität verfügen. Andererseits isolieren sie sich selbst von anderen städtischen Gebieten, weil sie ihrer eigenen Lebenswelt nicht entsprechen. „Sie (die in diesen Gebieten lebenden Jugendlichen, Anm. K.K.) bilden als Akteure ihres sozialen Umfeldes eine strukturelle und räumliche Quartiersidentität aus“ (ebenda). Die hier lebenden Menschen bilden eigene Schutz- und Hilfssysteme auf und grenzen sich nach außen hin ab. Auch wenn die Bevölkerungsdichte in ostdeutschen Neubausiedlungen nicht so hoch ist wie die amerikanischer Ghettos, sind die Entwicklungstendenzen die gleichen: Segregationsprozesse haben eine homogene Bevölkerungsstruktur zur Folge, die über Stigmatisierungsprozesse zur Quartiersbildung führen. Es „entstehen neue soziale Beziehungen, andere Bezugspersonen treten auf, soziale Teilnahmechancen verringern sich“ (Thiele/ Taylor, 1998:131). Das bedeutet, dass soziale Disparitäten die Entwicklung dauerhafter und fester „Schicksalsverbindungen“ wie den Gangs begünstigen (vgl. ebenda, 128).
Großstädte mit hoher Bevölkerungskonzentration scheinen sich vorrangig zu Kumulationspunkten sozialer Probleme zu entwickeln. Voraussetzungen zur Entstehung von Gangbewegungen werden insbesondere durch städtische Planung und Bauweise begünstigt. Thiele und Taylor charakterisieren von Gangs territorial besetzte Wohngebiete anhand folgender Kriterien als sozial problematisch:
- hohe sozioökonomische Belastungen (z.B. hohe Distanz zum Zentrum, schlechte Anbindung zu Warenmärkten, hoher Verkehr, Immissionen, niedriges Arbeitsplatzangebot, einseitige Nutzungsformen),
- hohe Rechtsunsicherheit der Wohnbedingungen, alte Wohnbausubstanz mit schlechter Ausstattung und geringem Eigenbesitzanteil,
- schlechte bauliche Merkmale mit einem subtilen Netz von Hinterhöfen, abgewirtschaftete Bausubstanz, ungepflegte Anlagen, Stellen von Schutt und Unrat,
- niedriges Versorgungsniveau von kollektiv nutzbaren Gütern, wie Theater, Bibliothek etc.,
- sehr hohe Bevölkerungskonzentration,
- hoher Bevölkerungsaustausch und homogene Bevölkerungsstruktur (hohe Migrationsraten, starke Bevölkerungszu- und -abnahme).
(aus: Thiele/ Taylor, 1998:115)
Bestimmte Gebiete sind somit dazu prädestiniert, aus strukturellen Gründen von Gangs als Territorium besetzt zu werden. Die quartiersbezogene Bandenbildung stellt eine produktive Reaktion auf sozialökologische Mißstände dar. Gang- Entwicklungen werden allerdings auch durch spezifische gesellschaftliche und politische Faktoren forciert, die Thiele und Taylor hier nicht weiter erläutern. Letztendlich lässt sich festhalten, dass Gangbildung weniger anhand ethnischer als vielmehr anhand sozialräumlicher Kriterien erklärt werden kann, wie auch im nachfolgenden Abschnitt bestätigt wird.
4.5 Ethnische Gangs in Deutschland
Während Jugendgruppierungen seit den Fünfzigerjahren Grenzziehungen entlang von Musikstilen errichteten, definieren sich Jugendgangs seit den Achtzigerjahren in Westdeutschland zunehmend ethnisch. Seit den Neunzigerjahren sind solche Jugendbanden in fast allen deutschen Großstädten zu finden (vgl. Seidel- Pielen/ Farin, 1991:26). Viele übernehmen „einer Mode folgend“, äußere Erscheinungsmerkmale von medial vermittelten Vorbildern der US- Gangs, was häufig an der gleichen Namensgebung ersichtlich wird.100 Allerdings lassen sich auch Ähnlichkeiten in der Struktur zwischen US- und deutschen Jugendbanden feststellen, welche nicht allein medial vermittelt sein können (vgl. Tertilt, 1996:81). Nach Tertilt (1996) existieren in Hinblick auf Diskriminierungs- und Marginalitätserfahrungen ethnischer Minderheiten strukturelle Ähnlichkeiten zwischen der amerikanischen und der deutschen Situation, allerdings auch wesentliche Unterschiede. Zum einen entwickelte sich in Deutschland die Wohnsituation der Einwanderer nur sehr selten zur Ghettobildung. Das Territorialverhalten der „Turkish Power Boys“ unterscheidet sich insofern, dass sie öffentlichen Raum symbolisch über Graffiti in Abgrenzung zu anderen Gangs eingenommen haben oder bestimmte Sammelpunkte im Zentrum des öffentlichen Raums besetzt haben, um im Stadtteil Präsenz zu demonstrieren. Allerdings existieren keine ethnisch verlaufenden räumlichen Grenzen innerhalb ihres Stadtteils (vgl. 85f).
Zum anderen ist den Kindern von Einwanderern der USA eine stärkere Identifizierung und damit Verwurzelung mit dem Aufnahmeland möglich als den Nachkommen von Migranten in Deutschland. Die definitive Niederlassungsabsicht der Eltern und die Aufnahmebereitschaft des Landes erlauben den Kindern deutlichere Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Wie Stonequist (1964)101 es in „The Marginal Man“ bezüglich der Kinder von Immigranten in den USA formuliert hat, identifizieren sich die Nachkommen primär mit ihrem Geburtsland auch wenn innerhalb der Familie kulturelle Muster des Herkunftslandes und Sprache beibehalten werden. Die jugendlichen Migranten in Deutschland dagegen befinden sich aufgrund der ausländerrechtlichen Restriktionen in einer widersprüchlichen Situation, die klare und dauerhafte Lebensentwürfe im Aufnahmeland schwer zulässt. In Bezugnahme auf Schiffauer (1991) weist Tertilt auf die Handlungsproblematik der Arbeitsmigration und den damit verbundenen Entscheidungszwängen hin, denen das Familienleben in der Bundesrepublik unterworfen war. Der dauernde Aufschub der Rückkehr erzeugte demnach eine Kettenreaktion, bei der jede Entscheidung zu Folgeproblemen führte. So sind türkische Jugendliche meist Mehrfachwechsler oder Seiteneinsteiger, die zunächst in Deutschland eingeschult wurden, und dann mehrfach zwischen den Schulsystemen in Deutschland und der Türkei wechselten (vgl. Tertilt, 1996:163). Die Familiensituation türkischer Familien in Deutschland ist vor dem Hintergrund des Migrationsdilemmas zu betrachten. Die Eltern konnten ihren Kinder aufgrund widersprüchlicher Orientierungen keine klaren Zukunftsperspektiven vermitteln.
Ein weiterer Punkt ist, dass Jugendliche in Deutschland im Gegensatz zum Einwandererland der USA nicht auf eine lange Tradition von ethnisch definierten Gangs in ihrem Wohnviertel zurückgreifen konnten (vgl. Tertilt, 1996:86). Solche Gruppenverbände stellen ein völlig neues Phänomen dar, welches nach Tertilt vermutlich in Deutschland mit der Arbeitsmigration in den Sechziger- und Siebzigerjahren seine Anfänge nahm.
Seidel- Pielen und Farin (1991) illustrieren in ihrem Buch „Krieg in den Städten“ anhand von Gesprächen mit Mitgliedern multikultureller Streetgangs aus Einwanderungsbezirken in Berlin die Prozesse, welche zur Bandenbildung führen. Die Autoren lokalisieren die Streetgangs in den klassischen Arbeitervierteln der Städte. Die meisten dieser Gruppierungen werden von männlichen jugendlichen Einwanderern dominiert. Anders als ihre Vorläufer Mitte der Siebzigerjahre, welche die Möglichkeit boten ein Stück alte Identität zu bewahren, sind die Streetgangs nun eine Reaktion auf die zunehmenden Ressentiments gegenüber den Immigranten. Der Verteidigungswunsch gegen ausländerfeindliche Übergriffe als Motiv der Ganggründung ist jedoch meistens sehr diffus. „Das politische Bewusstsein ist bei den meisten sehr oberflächlich und die Koalitionen sind von kurzer Dauer. Machismo und Allmachtsgefühle gewinnen immer wieder die Oberhand“ (Seidel- Pielen/ Farin, 1991:18ff).
Hitzler et al. definiert die jugendlichen türkischen Gruppierungen, die er als „Türkische Streetgangs“ bezeichnet, als „ethnisch orientierte Cliquenformationen“ (vgl. 2001:139ff). Auch Hitzler postuliert, der Zusammenhalt dieser Gruppe resultiert aus dem Rückbezug auf eine gemeinsame Kultur, „die durch die ethnische Herkunft einerseits und durch den Minderheitenstatus in der Bundesrepublik andererseits geprägt ist“ (ebenda).
Nach Popp (1994) sind die ausländerrechtlichen Restriktionen eine der Besonderheiten, die die Sozialisation der deutsch- türkischen Jugendlichen102 kennzeichnen. Der von deutschen Jugendlichen abweichende Rechts- und Aufenthaltsstatus erschwert es den in Deutschland lebenden türkischen Jugendlichen, eine realistische Lebensplanung zu entwerfen. Hinzu kommt die kulturelle Diskriminierung, welche die Segregation von Immigranten und die Selbstethnisierungstendenzen der zweiten und dritten Migrantengeneration fördern (vgl. Tertilt, 1996:87f). Die Bereitschaft der Jugendlichen, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, hängt stark von ihrem Wohlbefinden in Deutschland ab, welches wiederum von ihrer Wahrnehmung der Ausländerfeindlichkeit ihnen gegenüber abhängig ist (vgl. Popp, 1994:49).
Trotz der Komplexität von Gründen, stellen Seidel- Pielen und Farin nach Gesprächen mit Gangmitgliedern fest, dass das grundlegende Motiv einer jeden Gang die „Kriegserklärung an die bundesrepublikanische Mehrheitsgesellschaft und die eigene Elterngeneration“ ist (Seidel- Pielen/ Farin, 1991:27f). Insbesondere die Maueröffnung hat den „Streetfighters“ neue Anlässe für ihre Kämpfe gegeben. Dies bestätigen Aussagen, die Popp (1994) in ihren qualitativen Interviews erhob:
„Die ehemalige DDR- Grenze ist offen, danach ist das schlimmer geworden (...).Sorgen mach ich (mir über die Zukunft), ja. Sorgen, weil viele gegen Ausländer (sind), wenn man, sagen wir mal, (in der Innenstadt) ist, da gibt es ja auch viele Ausländerfeinde. Wenn man da hingeht, hat man ja Angst, ob da jetzt eine Gruppe von Deutschen kommt und dich zusammenschlägt und so“ (Murat, in Popp, 1994:162).
Die bevorzugte Behandlung von Aus- und Übersiedlern und Ostdeutschen im Zuge der Wiedervereinigung führte diesen Jugendlichen ihre Zweit- und Drittklassigkeit im Einwanderungsland vor. Auch Ängste vor Verdrängung auf dem Arbeitsmarkt kommen langsam auf. Anders als ihre Eltern, die sich mit Hilfe des Rückkehrgedankens um eine konkrete Auseinandersetzung „herumdrückten“, müssen die Jugendlichen klare Stellung bezüglich ihrer Zukunftsvorstellungen einnehmen. Sie wollen die Ausgrenzungen und Benachteiligungen nicht länger hinnehmen. Entsprechend revoltieren sie auch gegen die „Schicksalsergebenheit“ ihrer „gastarbeitenden Väter“ (vgl. Seidel- Pielen/ Farin, 1991:10).
Ein Beispiel für eine solche ethnisch homogene Gruppenformation ist die in dieser Arbeit noch häufiger erwähnte Gang „Turkish Power Boys“. Tertilt (1996) erklärt die Entstehungsgeschichte der Gang anhand der spezifischen Bedingungen ihres sozialen Umfeldes, die auf Erfahrungen wie Statusdeprivation und Marginalität zurückgehen (vgl. Tertilt, 1996:88). Der Autor zählt an dieser Stelle sozioökonomische Armutsbedingungen, welche durch die Arbeitsmigration103 bedingt sind, rechtliche Benachteiligungen und die kulturelle Diskriminierung als typische Merkmale der Randständigkeit dieser Jugendlichen auf. Das Motiv der Macht, welches sich zentral für die Ganggründung- und -aktivitäten erwies, lässt sich nach Tertilt (vgl. ebenda) aus der „Ohnmachtserfahrung“, welche die Jugendlichen im sozialen Raum erleben, erklären. Das Machtstreben, welches sich in kriminellen Aktivitäten äußert, verleiht ein Gefühl von Stärke. Dieser Terminus findet sich auch in der Namensgebung „Turkish Power Boys“ wieder, über den die Jugendlichen Solidarität und Gruppenidentität schaffen. Die Gang bietet den Jugendlichen eine Alternative, Anerkennung und Ruhm zu erlangen, wenn die traditionellen Wege aufgrund gesellschaftlicher Diskriminierung versperrt bleiben. Das in Tertilts Studie genannte Motiv „Sich einen Namen zu machen“ bedeutet daher auch, aus der Anonymität des „Migrationsverlierers“ herauszutreten, „sich nichts gefallen zu lassen“, „aus der gesellschaftlichen Unterordnung der Eltern auszubrechen“ (vgl. ebenda). Tertilt vermutet, dass das Aufkommen der Bande aufgrund der „kollektiven Leugnung der Einwanderung“ auch als Ausruf zu begreifen ist, um innerhalb der Gesellschaft auf sich aufmerksam zu machen (vgl. ebenda).
Hitzler et al. bestätigt, dass türkische Streetgangs in Deutschland sich insbesondere durch ihr Bestreben auszeichnen, Dominanz im eigenen Stadtteil aufzubauen bzw. zu verteidigen (vgl. 2001:140). Dieser Fokus auf Dominanz basiert nach Hitzler, wie auch Tertilt dies in Rückbezug auf Schiffauer postuliert, auf dem im islamischen Kulturkreis produzierten männlichen Konzept der Ehre (vgl. Tertilt, 1996:197ff). An dieser Stelle möchte ich auf den Abschnitt 6.5.3.2 in dieser Arbeit verweisen, in dem in Bezug auf die in männlichen türkischen Gruppen praktizierten Beleidigungsrituale das Ehrkonzept genauer dargestellt wird.
4.6 Exkurs: Mädchen und Gangs
Wie bereits in der vorliegenden Arbeit festgehalten wurde, nehmen Mädchen in Jugendkulturen und auch im HipHop scheinbar eine marginale Rolle ein. Folglich stellt sich die Frage, welche Position junge Frauen in Gangs einnehmen. Dieser Betrachtungsweise wird hier nur kurz nachgegangen, da eine differenzierte Durchleuchtung dieses Themas im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen kann.
Mädchen sind in geschlechtsheterogenen Gangs keine gleichwertigen Gangmitglieder, im Umfeld der Gang aber gern gesehen, da die Inszenierung von „Männlichkeit“ in Gangs eine wesentliche Rolle spielt. Seidel- Pielen und Farin (vgl. 1991:122ff) beschreiben, dass Mädchen immer häufiger aus ihrer marginalen Rolle heraustreten und sich in Mädchengangs organisieren. Mädchen, die sich wie die „Ghetto Sisters“104 mit rivalisierenden Mädchengangs bekämpfen und es damit den Jungen gleichtun, werden von türkischen Jungengangs tief verachtet:
„Ein türkisches Mädchen muss zu Hause bei seiner Mutter bleiben“ (Black Panther, in Böhm, 1991:129f).
“Wenn unsere Freundinnen eine Gang aufmachen, würden wir das nicht akzeptieren. Wenn sie mal Ärger haben, sind wir doch da. Das mit ihrer Clique sollen sie mal sein lassen“ (Fighters, in ebenda)105.
Hier kommt der bereits erwähnte türkische Ehrbegriff (vgl. Kapitel 6.5.3) zum Ausdruck, der mit der Aufgabe des Mannes verknüpft ist, die Ehre seiner Familie, insbesondere die der Frauen zu gewähren (vgl. Tertilt, 1996:215). Hitzler et al. bestätigen die passive Rolle, die Mädchen nach dem Geschlechter- Dualismus im Deutungssystem der türkischen Streetgangs zugeschrieben wird (vgl. 2001:147). Geschlechtsheterogene Gangs sind selten.
Ayse, Anführerin der „Ghetto Sisters“, erklärt, wenn sie sich auf der Straße mit anderen prügelt, geht es ihr um Respekt und um diesen muss man kämpfen. Als das türkische Mädchen erzählt, sie habe vor einigen Tagen in Ostberlin einen Skinhead „aufgemischt“, „dann klingt da ein verschämter Stolz mit, als ahne sie, dass ihr keiner so etwas zutraut“, beschreibt Böhm (1991:38). Ebenso triumphierend läuft Ayse mit ihrer Gang im „Outfit der Rapper aus den Ghettos“ der USA durch die Straßen, wenn sie die entsetzten Blicke der türkischen Väter in den Cafes trifft (vgl. ebenda). Das zugrundeliegende Motiv, um sich in einer Gang zu organisieren ist, sich weder als Ausländerin noch als Mädchen etwas gefallen zu lassen, so Ayse. Ihr Kampf ist zum einen gegen Rassismus gerichtet, zum anderen kann er wie es scheint, auch als Rebellion gegen die männlichen Familienmitglieder, bzw. gegen die aus dem muslimischen Kulturkreis übernommenen Definition der Geschlechtsrollen interpretiert werden.
4.7 Ein Vergleich: Gang und Jugendkultur
Thiele und Taylor (1998) haben eine Liste von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Jugendkulturen und Gangs erstellt. Gangs und Jugendkulturen können jeweils als eigenständige Widerstands- oder Absetzbewegungen beschrieben werden, die sich bewusst von der traditionellen Gesellschaft abgrenzen, indem sie strukturelle und funktionale Eigenheiten entwickeln. Das Verhalten beider Gruppierungen wird von der Gesellschaft als abnorm wahrgenommen. Beide werden als oppositionelle Bewegungen bezeichnet. Über einen gemeinsamen Stil als Ausdruck einer relativ autonomen Lebensauffassung werden Grenzlinien zu anderen Gruppen und der Erwachsenenwelt gezogen. In den Gruppenzusammenschlüssen finden Jugendliche, „Halt und Verständnis fernab von elterlicher und institutioneller Kontrolle“ (Thiele/ Taylor, 1998:142). Beide Gruppenformationen dienen Jugendlichen dazu, Schutz und individuellen Halt zu finden. Die Autoren interpretieren Gangs und Jugendkulturen als „Selbsthilfereaktion“ angesichts der Individualisierung und Entfremdung gesellschaftlicher Verhältnisse und Entwicklungen. Abschließend resümieren die Autoren, dass mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen Jugendkulturen und Gangs existieren vor allem, weil beide verschiedene Ursachen und Wurzeln haben. Daher möchte ich hier einige der Unterschiede, die die Autoren nennen, aufführen.
Gangs unterscheiden sich von jugendlichen Szenen vor allem dadurch, dass sie weniger offene und überregionale Strukturen aufweisen, vielmehr sind sie lokal begrenzte Formationen, deren Zusammenhalt auf den gemeinsamen Erfahrungen basieren, die sie aufgrund ihres Status als „Ausländer“ in der Bundesrepublik machen. Gangs stellen daher auf bestimmte Merkmale bezogene homogene Gruppen dar (soziales Milieu, differenziertes Bildungsniveau, ethnische Herkunft), während Jugendkulturen stärker eine heterogene Gruppenzusammensetzung aufweisen (vgl. Thiele/ Taylor, 1998:150). Gangs entwickeln innerhalb eines abgegrenzten Territoriums eigens definierte Verhaltensregeln und bilden so eine in sich geschlossene Gesellschaft. Außerdem besitzen sie klare funktionale Strukturen, die der existentiellen Sicherheit dienen. Es bestehen klare Rollenzuweisungen, die Beziehungsstrukturen sind sehr verbindlich und die Interaktionen sind eng. Die Mitgliedschaft richtet sich nach bestimmten Eintrittsbedingungen. Anders gestalten sich die Beziehungs- und Gruppenstrukturen in Jugendkulturen offen und unverbindlich.
Desweiteren sind Gangs im Unterschied zu Jugendkulturen relativ stabile Gebilde. Innerhalb der Gang sind verschiedene Entwicklungsstufen differenzierbar, auf der der einzelne sich weiterbewegen kann. Der Prozess der Tribalisierung, die Zergliederung in differenzierte Unterformen, kann nur für jugendkulturelle Strömungen festgestellt werden (vgl. ebenda, 144ff).
Das auffälligste Unterscheidungsmerkmal zwischen Jugendkulturen und Gangs ist das Devianzverhalten von Jugendgangs, auch wenn nicht jede Gang mit einer kriminellen Organisation gleichgesetzt werden kann. Kriminelle Handlungen bilden für Gangs die Basis ihrer Existenz. Gangs schaffen neue Werte und Regeln für das von ihnen besetzte Territorium, so dass „Gangs eine interne Gesellschaft in der Gesellschaft bilden“ (Thiele/ Taylor, 1998:145). „Jugendkulturen aber verändern nicht die Gesellschaft oder kreieren eine neue, jedoch wandeln Jugendliche sich in ihr“ (vgl. Baacke, ebenda). Daher weisen Jugendkulturen auch keine straffe Organisation wie Gangs auf, die darauf angelegt sind, zu funktionieren. Jugendkulturen besitzen keine Rollenzuweisungen oder Eingangsriten und stecken ihr Territorium im allgemeinen nicht ab.
Den Ursprung der Entstehung von Gangs sehen Thiele und Taylor, wie bereits oben ausführlicher beschrieben, in Armut und Arbeitslosigkeit, während jugendkulturelle Strömungen dagegen gerade in Zeiten ökonomischen Wachstums aufkommen. Gangs formieren sich aus der Notwendigkeit der Existenzsicherung, während Jugendkulturen nach den Autoren vermarktbare Freizeitszenen darstellen, die sich über ein bestimmtes Lebensgefühl definieren (vgl. Thiele/ Taylor, 1998:145).
Die Mitgliedschaft in einer Jugendkultur ist als ein freiwillig gewählter Status zu begreifen, der zeitlich auf die Jugendphase begrenzt bleibt. Auch Baacke u.a. beschreibt, dass es inzwischen üblich ist, mehrere Jugendkulturen auszuprobieren. Insgesamt konstatieren Thiele und Taylor, dass Jugendszenen als reine Freizeitszenen zu beschreiben sind, in denen hedonistische und actionorientierte Verhaltensmuster dominieren. Mitgliedschaften in Jugendkulturen sind vorübergehend. Sie werden zugunsten erwachsener Rollen aufgegeben (vgl. Thiele/ Taylor, 1998:151). Bei Gangs ist dagegen von einer generativen Folge auszugehen. Die Gang besitzt keinen Übergangscharakter, sondern ist auf Dauer angelegt. Den Versuch eine Gangmitgliedschaft abzulegen, beschreiben die Autoren als problematisch.
Thiele und Taylor warnen, dass Jugendkulturen Keime für die Entstehung von Gangs in sich bergen, wenn gesellschaftliche Institutionen sich nicht dafür einsetzen, Jugendlichen eine zukunftsreiche Perspektive zu ermöglichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Bezug auf HipHop sind einige Differenzen hinsichtlich der hier von Thiele und Taylor (1998) konstatierten Merkmale von Gangs und Jugendkulturen zu erkennen, die es erschweren HipHop gemäß der hier genannten Kriterien einer der Bewegungen eindeutig zuzuordnen. HipHop hat sich ursprünglich aus der Notwendigkeit heraus entwickelt, Jugendlichen eine Perspektive zu geben, den benachteiligenden sozialen Verhältnissen zu entkommen, indem gruppenintern alternative Möglichkeiten geschaffen wurden, Anerkennung und Status zu erlangen. Die gesellschaftlichen Widersprüche und Benachteiligungen waren Grundlage für die Entstehung von HipHop. Außerdem bot HipHop mit dem beginnenden kommerziellen Erfolg vielen Jugendlichen die einzige Chance, sich gesellschaftlich zu etablieren. HipHop ist stark erfolgsorientiert, d.h. kommerzieller Erfolg spielt, anders als in anderen Jugendkulturen, intern eine wesentliche Rolle. Hier deutet sich der Aspekt der Existenzsicherung an, den die Autoren für Gangbildungen als charakteristisch beschreiben. Eine solche Orientierung im HipHop birgt allerdings gleichzeitig die Gefahr einer kulturellen Vereinnahmung und eines Kulturverlusts, wie noch später thematisiert werden soll. Zum anderen warnen Thiele und Taylor (1998) vor der potentiellen Gefahr, dass bei entsprechend begünstigenden gesellschaftlichen Entwicklungen Jugendkulturen zu Gangformationen übergehen können. HipHop dagegen wird in der Literatur gegenteilig als Ausweg aus den rivalisierenden Gangkämpfen konzeptualisiert.
An diesem Punkt stellt sich die Frage, ob HipHop tatsächlich auf eine Freizeitszene reduziert werden kann, die auf dem Nährboden ökonomischen Konsums gedeiht, oder ob es nicht vielmehr eine echte Überlebensstrategie für seine Mitglieder darstellt. Zudem war HipHop zunächst ein lokal begrenztes Phänomen, dessen Anhänger sich ein gemeinsames Lebensumfeld teilten. Die Frage ist, ob HipHop auch heute in Deutschland eine soziale Basis besitzt. Diese Fragen sollen im zweiten Teil der Arbeit mittels der Studien von Kaya (2001) und Menrath (2001) geklärt werden.
4.8 Die Gruppenstruktur im HipHop
Es wurde bereits auf die Überführung von Gangrivalitäten auf die künstlerische Ebene der Battles hingewiesen, d.h. einige Gangs entwickelten sich zu jugendkulturellen Gruppierungen der HipHop- Crews (vgl. Toop, 1992). Entsprechend lassen sich weitere Übereinstimmungen von Gangs und Gruppengemeinschaften im HipHop finden, wie die lokale Verbundenheit mit einem bestimmten Milieu, zur Anfangsphase des HipHop in der Bronx, das ausgeprägte Territorialverhalten, insbesondere über das Graffiti ausgedrückt (vgl. Abschnitt 3.3.3), und die Organisation eines hierarchischen Systems von Gruppenverbänden. Der letzte Punkt soll hier ausgeführt werden.
Die Crew ist die bedeutendste Bezugsgruppe innerhalb des HipHop. Sie zählt nur drei bis fünf Mitglieder und ist der aktivste lokale Gruppenzusammenschluss. Innerhalb der Crew besteht der größte Zusammenhalt, wobei die Gruppenidentifikation über den gemeinsamen Namen und das gemeinsame künstlerische Schaffen verläuft. Sie arbeitet kollektiv und entwickelt einen gemeinsamen Stil. Dieser von allen Mitgliedern erarbeitete Stil wird zum „Kennzeichen“ der Gruppe. Auch Rose (1994) betont die besondere Bedeutung der Crews oder Posses106:
„The crew, a local source of identity, group affiliation, and support system appears repeatedly in all of my interviews and virtually all rap lyrics and cassette dedications, music video performances, and media interviews with artists. Identity in hip hop is deeply rooted in the specific, the local experience, and one´s attachment to and in a local group or alternative family” (Rose, 1994:34).
Die Posses sind als alternative Familien zu verstehen, die durch interkulturelle Bindungen miteinander verwachsen sind. Diese alternativen Solidargemeinschaften entstanden als Reaktion auf eine Umgebung, in der andere soziale und kulturelle Fürsorgeeinrichtungen zerstört wurden (vgl. Rose, 1994:34). Ähnlich wie die Gangs sind die Posses oder Crews Organisationen, die ihren Mitgliedern Schutz und gegenseitige Hilfeleistung bietet, sowie die Basis für neue soziale Bewegungen schaffen können (vgl. ebenda).
Für viele Jugendliche hat die Zugehörigkeit zur HipHop- Gemeinschaft einen höheren Stellenwert als die Familie. Eine im HipHop bzw. in der afroamerikanischen Bevölkerung übliche Bezeichnung für jeden, der die gleiche Hautfarbe oder die gleiche Gesinnung hat, ist „brother“. Mitglieder einer Crew rufen sich gegenseitig „Bruder“, entsprechend ist auch die weibliche Form „sister“ oder in Deutschland „Schwester“ im HipHop verbreitet (vgl. Krekow et al., 1999:69). „Nation“ und „Tribe“ bezeichnen große überregionale Gruppen mit ideologischem Überbau. Ihr Vorbild ist Afrika Bambaataas „Zulu- Nation“ in New York, die sich inzwischen auf andere Teile Amerikas und der ganzen Welt ausgedehnt hat. Auch in Deutschland ist die HipHop- Kultur in der Szene der Gangs verwurzelt oder mit dieser verbündet. So erklärt der Manager der Band Cartel Sinan:
„Ich erinnere mich noch gut an die Anfänge der Berliner Streetgangs Mitte der achtziger Jahre. Das waren die ersten, die Rap hörten, und sie sprühten als erste Graffiti an die Wände“ (Spiegel, 1995:13).
Dazu gehört auch die „36er Boys“- Gang, die sich im Jugendzentrum Naunynritze gründete. Einer ihrer Gründer und ehemaliges Mitglied Taner gehört zu den HipHop- Veteranen und späteren Erziehern des Jugendzentrums Naunyn Ritze, in dem er Breakdance- Kurse leitet.
Hierbei darf nicht übersehen werden, dass es sich im Fall von HipHop um eine stark kompetitive und konfrontative Kulturform handelt. Battles zwischen verschiedenen Crews arten nicht selten in gewalttätigen Kämpfen aus. HipHop ist ein endloser Kampf, bei dem es um Status, Prestige und Anerkennung innerhalb der Gruppe geht. Rose interpretiert Konkurrenz und Konfrontation zum einen als Widerstand zum anderen als Vorbereitung auf eine feindliche Welt, die Minderheiten verleugnet und ausgrenzt (vgl. Rose, 1994:36). Entsprechend erkennt Menrath hierarchische Tendenzen in der HipHop- Kultur (vgl. Menrath, 2001:91).
Im Folgenden möchte ich auf Batschari (1997) verweisen, die sich mit der Repräsentation von HipHop und speziell von Rap in den Medien, d.h. in den Videoclips des Musikkanals MTV beschäftigte. In den Musikclips wird ein bestimmtes Bild der HipHop- Kultur vermittelt, dass sich insbesondere in ihrer Authentizität ausdrücken soll. Der Rückbezug auf die eigene Herkunft und die Community ist daher elementarer Bestandteil von Musikclips
“It was commonplace for MCs to acknowledge family and friends and community big shots with chants like Mike Cash is in the house! Jimmy D is in the house! The Bronx is in the house!…they were more than obligatory greetings, they were a part of community ritual in black culture” (Jones, 1994:17).
Auch Batschari verweist in ihrer Arbeit auf Rose, wonach Rap- Videos ihre eigenen Stil- und Genre- Konventionen entwickelt haben. Rose bezeichnet den Rekurs auf Herkunft, Gemeinschaft und Identität im HipHop vergleichsweise zu anderen Musikgenres als einzigartig . „These conventions visualize hip hop style and usually affirm rap´s primary thematic concerns: identity and location” (Rose, 1994:10).
Die verschiedenen Rap- Gruppen beziehen sich dabei auf die regionale Besonderheit der ethnischen, räumlichen, und psychologischen Facetten der schwarzen Marginalität ihrer Stadt. Rose betont, dass die Rapper für sich und ihre Community sprechen. Diese Stimmen stehen aber nicht isoliert voneinander, sondern im Dialog zueinander.
„ Rappers emphasis on posses and neighborhoods has brought the ghetto back into the public consciousness. It satisfies poor young people´s profound need to have their territories acknowledged, recognized, and celebrated ” (Rose, 1994:11).
Innerhalb der Rapszene ist auch häufig zu beobachten, dass Rapkünstlern, deren Stil und Meinung ähnlich sind, zusammenarbeiten oder andere befreundete Rapper in den Refrain involvieren. Diese Zusammenarbeit vermittelt Zusammenhalt und Gemeinschaft (Batschari 1997:61). Für das Publikum, vor allem für schwarze Jugendliche bietet Rapmusik ein Forum für Identitätsstiftung, Verständnis und Vertrautheit, wie Berry (1990)107 erklärt: “It gives them someone, just like themselves, to believe in” (Berry, 1990:106; zitiert nach: ebenda).
Die Verbindung zur Community ist im HipHop essentiell und kann als Hinweis darauf dienen, HipHop als eine Kulturform zu interpretieren (vgl. Abschnitt 9.1.3). Batschari betont, dass in den Videos immer wieder die Community oder the hood 108 bekannte Plätze, Straßenschilder und Läden oder ähnliches dargestellt werden, um so heimische Gemeinden einzugrenzen (Batschari, 1997:61). Identität ist tief in der spezifischen lokalen Erfahrung verwurzelt, sowie der Mitgliedschaft und dem Status in einer lokalen Gruppe oder alternativen Familie (vgl. Rose, 1994:34). Der Community loyal zu sein, bedeutet sich nicht vom Mainstream vereinnahmen zu lassen und zum kommerziellen Produkt der weißen Gesellschaft zu werden. Dies würde einem Verrat an der eigenen Herkunft gleichkommen. Um ihre Credibility 109 zu bewahren, bleiben viele Rap- Stars ihrer Community verbunden (vgl. Batschari, 1997:61f). Auch deutsche Bands wie das „Rödelheim Hartreim Projekt“ dokumentieren anhand ihres Namens, dass ihre neighborhood, der Frankfurter Stadtteil Rödelheim, Bestandteil ihrer Selbstdefinition ist. Als ein weiterer Beleg für diese lokale Verbundenheit können die Posse- Tracks gewertet werden, die eine Weiterentwicklung der Battle- Raps (s.o.) darstellen. In diesen Tracks repräsentieren sich befreundetet Rapper, um sich gegenüber anderen Posses abzugrenzen. Auch in den Texten wird die starke Identifikation mit der heimatlichen Region deutlich, über die sich die Posses zu definieren scheinen.110
4.9 Fazit
Das vorherige Kapitel hat versucht aufzuzeigen, inwiefern Jugendgangs, deren Aktivitäten, Handlungsziele, Strukturen und Organisationsstrukturen mit der HipHop- Kultur in Zusammenhang stehen. Diese Betrachtungsweise konnte sozioökonomische Bedingungen herausstellen, die spezifische Gruppenformen und Raumaneignungs- und Raumverdrängungsprozesse Jugendlicher begünstigen. Mit Hilfe der Arbeit von Thiele und Taylor (1998) konnten Parallelen zwischen den amerikanischen Entwicklungen und denen in Deutschland entdeckt werden. Die Annahme, dass die Entstehung von Gangs ein ethnisch zu definierendes Problem darstellt, ist zurückzuweisen, da beobachtet werden konnte, dass sowohl in den USA als auch in Deutschland soziale Ungleichheiten die Voraussetzung von Gangentwicklungen darstellen: Segregations- und Etikettierungsprozesse führen zu sogenannten Quartiersbildungen, die soziale Isolierung macht infolge alternative Hilfs- und Schutzsysteme notwendig. Die Beobachtung, dass die Gruppenidentifikation der Gangs zunehmend entlang ethnischer Grenzen verläuft, lässt sich vor diesem Hintergrund damit erklären, dass Jugendliche mit einem gemeinsam geteilten Ausländerstatus von sozialen Restriktionen betroffen sind und sich aufgrund dessen miteinander solidarisieren. (Die rechtliche Stellung und die damit verbundenen sozialstrukturellen Benachteiligungen der zweiten und dritten Migrantengeneration in Deutschland werden in Kapitel 7 genauer erläutert.) Die Ausgrenzung von Seiten der Mehrheitsgesellschaft wird von Seiten der Jugendlichen mit der Gründung von ethnisch definierten Gangs beantwortet. Die Parallelen zwischen HipHop- und Gangentwicklung lassen darauf schließen, dass HipHop neben der Gangentwicklung einen alternativen Weg darstellt, um mit den gesellschaftlichen Benachteiligungen umgehen zu können.
Wie zu Beginn dieses Kapitels erwähnt wurde, übernehmen Kleidungs-, und Sprechstil in jugendlichen Gruppen eine Signalfunktion. Sie markieren, wie die Gruppengrenzen nach außen hin verlaufen und stiften Gruppenidentität. Im folgenden Kapitel sind diese Eingrenzungs- und Ausgrenzungsstrategien der HipHop- Kultur anhand von Kleidungs- und Sprechstil genauer aufzuschlüsseln.
5 Der subkulturelle Stil im HipHop am Beispiel von Kleidung und Sprache
Wie in Kapitel 2.2 bereits dargelegt, objektiviert ein subkultureller Stil nach Clarke (1979) das Selbstbewusstsein der Gruppe. Über einen gemeinsamen Stil werden Grenzlinien der Gruppe nach außen definiert. Hebdige (1979) und Clarke (1979) untersuchen Stil vornehmlich als Kommunikationsmittel einer Subkultur mit der dominanten Kultur, wobei sich beide Autoren auf den semiotischen Ansatz von Levi- Strauss (1968) beziehen. Durch die subversive Ausnutzung der Konsumkultur werden Objekte aus ihrem vorgegebenen Sinn- und Gebrauchskontext gelöst und in einen neuen gestellt (vgl. Clarke, 1979:105). Die bereits von der herrschenden Kultur mit sozialen Bedeutungen ausgestatteten Gegenstände werden manipuliert, indem sie mit anderen Gegenständen zu einem eigenen Code kombiniert werden. Möglichkeiten, die vorgegebenen Bedeutungen anzueignen und abzuwandeln, sind z.B. Addition, Übertreibung oder Isolation von zugeschriebenen sozialen Bedeutungen (vgl. ebenda, 107). Die bloße Aneignung von Waren, macht nach Clarke keinen Stil aus, sondern erst die aktive Organisation von Gegenständen „mit Aktivitäten und Ansichten, welche eine organisierte Gruppen- Identität in Form einer kohärenten und eigenständigen Daseinsweise in der Welt produzieren“ (vgl. ebenda, 104f). Während Hebdige (1983) Stil als Herausforderung an die Hegemonie mit klaren Bezügen zur Klassengesellschaft versteht, postuliert Vollbrecht (1995) dagegen, heutige jugendkulturelle Stile werden vor allem medial vermittelt und von Jugendlichen statt nach sozialen Kriterien, nach ästhetischen als frei „wählbare Muster“ assimiliert (vgl. Vollbrecht, 1995:33). Nach Rose wird Stil innerhalb des HipHop „als eine Form der Identitätsbildung benutzt, die mit Klassenunterschieden und Hierarchien spielt“ (Rose, 1994:36).
5.1 HipHop- Kleidung
Rose bezeichnet HipHop- Kleidung als ein besonders reiches Beispiel für Aneignung bzw. Kritik durch Stil. Rose interpretiert den überdimensionalen Goldschmuck und die Designer- Imitate als „höhnische Parodie als auch Affirmation des Goldes als Fetisch der westlichen Warenwelt“ (Rose, 1994:38f). Das ritualisierte Kleidungs- und Konsumverhalten im HipHop ist ein Beleg für die Bedeutung des Konsums als kulturelle Ausdrucksform, so Rose (vgl. ebenda).
Verlan (2000) interpretiert die klobigen Goldketten, wie sie z.B. die Rap- Band Run DMC popularisiert haben, als ein aggressiv zur Schau getragenes Symbol, es gegen alle Widerstände geschafft zu haben. Ihre Träger wollen als positives Vorbild agieren, indem sie Jugendlichen, die aus den gleichen Verhältnissen ohne Perspektive aufgewachsen sind, einen Weg aufzeigen, sich aus dem eigenen benachteiligenden Milieu zu lösen. Die Verwendung der Goldkette ist ein Beispiel dafür, dass Objekte aus ihrem ursprünglichen Milieu entnommen, in dem Fall aus dem Drogen- und Zuhältermilieu, und positiv umgedeutet werden, indem sie in einen neuen Zusammenhang gestellt werden (Verlan/ Loh, 2000:114f). Verlan betont, positive Umdeutungen sind spezifische Merkmale des HipHop (vgl. Abschnitt 5.2). Der Prozess der Stilbildung im HipHop soll im Folgenden genauer erläutert werden.
5.1.1 Der Stilbildungsprozess am Beispiel der HipHop- Kleidung
Anhand des HipHop- Kleidungsstils kann die Technik der Bricolage verdeutlicht werden, d.h. die De- und Rekontextualisierung von Objekten, Tönen und Kombinationen, mit dem Ziel, neue Bedeutungen herzustellen und damit das vorhandene Gesamtsystem von Bedeutungen neu zu ordnen oder auch absichtlich zu verwirren (vgl. Abschnitt 2.2). Im Prozess der Selektion von Objekten, spielen im HipHop das Gefängnisumfeld und der Zuhälterkontext eine erhebliche Rolle. Hier sollen nun einige konkrete Beispiele für Stilbildungsprozesse im HipHop genannt werden, indem das Entnehmen von Waren aus ihren ursprünglichen Kontexten und deren Neuanordnung in einem Neuen rekapituliert wird.
Henkel und Wolff (1996) geben eine sehr detaillierte Übersicht des kodierten Kleidungs- und Konsumverhalten der HipHops. Demnach beschreibt der Oberbegriff Streetwear den Kleidungsstil des HipHop, d.h. Kleidung, die für ein Leben auf der Straße konzipiert ist. Hinsichtlich des Markennamens wird auf Authentizität Wert gelegt, z.B. der Jeans von „Prison Blue“ haftet das Image von Echtheit an, da sie in einer Fabrik auf dem Gefängnisgelände des Eastern- Oregon- Correctional- Institution- Gefängnis in Oregan, USA von Gefängnisinsassen hergestellt wird. Die Produktionsweise und der Verzicht auf Schick und Werbung beschwören beim Konsumenten Assoziationen mit Männlichkeitsattributen wie Härte und Kraft sowie Freiheit und Körperbewusstsein herauf. Damit verhilft die Kleidung seinem Träger zu einem Image des „Outlaw“ oder “Worker“ (vgl. Henkel/ Wolff, 1996:120ff). Verlan betont:
„Streetwear ist keine Mode, Streetwear ist Funktionskleidung, die Art Klamotten, mit der man im Ghetto am besten zurechtkommt, auf der Flucht vor der Polizei oder verfeindeten Gangs. Und für Sprüher oder B- Boys war diese Kleidung ideal“ (Verlan/ Loh, 2000:115).
Die Maxime heißt Strapazierfähigkeit, um für die Aktivitäten auf der Straße ausgerüstet zu sein. Das übergreifende Stilmittel im HipHop ist die Überdimensionalität der Kleidung. Die Baggy- Pants und T- Shirts sind in übergroßer Passform und aus sehr grobem Material geschnitten (vgl. Henkel/ Wolff, 1996:92f). Henkel (1996) und Verlan (2000) geben folgende Legende als Erklärung für den „oversized L.A.- Look“: In amerikanischen Gefängnissen in L.A. waren Gürtel, Hosenträger und Schnürsenkel den Gefängnisinsassen, die meist ethnischen Minderheiten angehörten, verboten worden, da sie leicht zu Waffen hätten umfunktionalisiert werden können. Dies hatte die Folge, dass bei einigen die Hosen tief hingen. Hinzu kam, dass den einsitzenden Gangmitgliedern im Jugendgefängnis verboten wurde, beim Hofgang Gangsigns zu machen, d.h. kodifizierte Handzeichen der Gangs, die leicht zwischen gegnerischen Gangs innerhalb der Strafanstalt einen Bandenkrieg hätten auslösen können. Deshalb vergruben die straffälligen Jugendlichen ihre Hände tief in den dementsprechend ausgebeulten Taschen (Henkel/ Wolff, 1996:121). Das Tragen überweiter Jeans, die auf den Hüften sitzen und zwischen den Knien hängen, mit übergroßen aufgesetzten Taschen, sind außerhalb der Jugendstrafanstalt als positive Umdeutungen zu bewerten, die Solidarität mit den in Gefängnissen diskriminierten Jugendlichen demonstrieren soll:
„Seht her, auch hier wir draußen stehen mit einem Bein schon im Gefängnis, ein nicht bezahlter Strafzettel, einmal zur falschen Zeit am falschen Ort, schon ist es passiert. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen, nicht schikanieren, nicht von euch, bloß weil unsere Haut dunkler ist als die eure“ (Verlan/ Loh, 2000:114).
Ein weiteres Stilmittel sind überdimensionale Bild und Schriftapplikationen. Die Markennamen wie 2B! (Bad Boy), No- Fear- Gear (Keine Angst- Ausrüstung), Fresg Jive (flottes Geschwätz) oder Massive (stark) referieren mit Doppeldeutigkeiten auf den Lebensstil seiner Träger: „Der Körper wird zur Werbefläche für die Message der Szene benutzt“ (Henkel/ Wolff, 1996:93).
Inzwischen beklagen viele HipHops die Vermarktung der Kleidung als Modeobjekte zu horrenden Preisen. Der Sinn, den die Kleidung ursprünglich erfüllt hat, geht mit der Vereinnahmung verloren:
„Wer nun glaubt, irgendeiner von den Jungs würde mit offenen Schnürsenkeln durchs Ghetto schlurfen wie manch verblendeter Jugendliche durch hiesige Fußgängerzonen...Ja, die Schnürsenkel sind offen, aber in die Schuhe der amerikanischen Vorbildern sind Gummibänder eingenäht, die sitzen also fest am Fuß. Die erste HipHop- Generation wusste so etwas noch. Aber irgendwann scheint dieses Wissen verloren gegangen zu sein“ (Torch, in: Verlan/ Loh, 2000:116).
Hier wird der Prozess der Inkorporation subkultureller Jugendstile in den Konsummarkt beschrieben, über den primäre Subkulturen aufgelöst und zu Modevariationen oder sekundären Subkulturen neutralisiert werden (vgl. Zimmer, 1984:37).
5.1.2 Zur internen Bedeutung von Stil
Ein eigener Stil hat HipHop- intern eine besondere Bedeutung. Über Individualität und Innovation wird ein persönlicher Style ausformuliert, über den man sich innerhalb der eigenen Gemeinschaft Anerkennung verschafft. In den Battles wird der eigene Style im DJing, Breakdance, Rap und auch im Graffiti vorgeführt und weiterentwickelt (vgl. Abschnitt 9.1.4).
Die Verbindung zwischen Stil und Identität im HipHop erklärt Rapper Fab Five Freddy so:
„Man macht einen neuen Stil. Darum geht es, wenn man auf der Straße lebt. Es geht um Ehre und Stellung auf der Straße. Deshalb ist er so wichtig, deshalb bringt er auch Spaß- dieser Zwang, der Beste sein zu müssen. Oder es zu versuchen, der Beste zu sein. Man muss einen Stil finden mit dem keiner klar kommt“ ( Fab Five Freddy, in: Rose 1994:38).
Der eigene Status innerhalb der Gemeinschaft hängt von dieser Verbindung ab.
Rose betont die Bedeutung der im HipHop üblichen Selbstthematisierungen. Die Autorin interpretiert diese als eine Form der Selbsterneuerung und Selbstsetzung, welche auch in anderen afrostämmigen Kulturformen vorkommen. Sie verlaufen über das Annehmen eigener Alias- Namen, die ihre Bedeutung aus Status und Haltung ihrer Träger innerhalb der HipHop- Gemeinschaft rekurrieren, der Selbststilisierung dienen oder auf persönliche Charakteristiken, Fähigkeiten oder „Anspruch auf fame“ verweisen (Rose, 1997:151). Einige DJs verbergen in ihren Spitznamen Hinweise auf ihre technischen Fertigkeiten und ihren persönlichen Stil (Spinderella, Grandmaster Flash, DJ Cut Creator). Pseudonyme von Rappern vermitteln Coolness, Überlegenheit auf der Straße und Macht (LL Cool J- Ladies Love Cool James, EPDM- Eric and Parrish Making Dollars). Einige Namen kommunizieren auch gesellschaftskritische Botschaften wie KRS-1 (Knowledge rules Supreme over nearly everybody) oder NWA (Niggaz With Attitude) (vgl. Rose, 1994:36). Lautmalerei oder orthographische Manipulation des Schriftenglisch („Rappaz- R. N. Dainja“- Rappers are in danger), Akronyme und sprechende Pseudonyme signalisieren vor dem Hintergrund beschränkter Aufstiegsmöglichkeiten „Prestige von unten“. Innerhalb der Szene vermitteln sie eine gemeinsame Gesinnung, verbergen Identität und dienen somit einer Art getarnten Kommunikation, die nur von Eingeweihten dechiffriert werden kann (vgl. Bärnthaler, 1998:3).
Der im HipHop herrschende Konkurrenzgeist, sich von anderen durch seinen Style abheben und damit Individualität und Kreativität beweisen zu wollen (siehe Abschnitt 9.1.4), wird auch auf den Kleidungsstil übertragen.
„(...) Eine Zeit war es richtig angesagt aus so Kupferplatten aus dem Bauhaus Kettenanhänger oder so fette Ringe zu machen“ (Verlan/ Loh, 2000:116).
Old- Schooler wie Torch betonen, dass die standardisierte Markenkleidung von heute, nichts mit der Kreativität der Anfangsphase gemein hat:
„Modisch gesehen ging damals einiges und es war auch viel lustiger als heute, du hattest zwar auch einen Marken-Run, aber der konzentrierte sich auf Marken, die es tatsächlich hier nicht gab.(...) Oder wir haben die Golfschuhe von unserem Onkel rausgekramt, so unmögliche schwarzweiß karierte Teile. Da waren wir eine Zeit lange richtig kreativ. Man hat zum Beispiel ein T- Shirt genommen und einfach mit einer Sprühdose draufgetaggt. Oder auf so hellere Jeans haben wir mit Stiften die Seite mit Schriftzügen und Charakteren bemalt oder auf die Jeansjacken wurden hinten ein geiles Backpiece draufgemacht- das macht heute kein Schwein mehr“ (Torch, in Verlan/Loh, 2000:111).
Für Einzigartigkeit und Kreativität erhielt man die Anerkennung der anderen:
„Du hast dich gestylt nach dem Motto ´Ich bin der Geilste`, bist auf die Party und die Leute haben mit dir kein Wort gewechselt. Es hieß dann nur: Haste gesehen, der und der sitzt auch da, cool“(Torch, in Verlan/ Loh, 2000:113).
Ein weiteres charakteristisches Kleidungsstück ist die Kopfbedeckung, welche im HipHop sehr verbreitet ist und hier verschiedene Funktionen und Bedeutungen hat. Wollmützen haben die Funktion beim Headspin111 zu schützen. Hierfür gibt es spezielle Modelle, die auf Stirn und Oberseite verstärkt sind und nicht so schnell durchgetanzt werden. Die enganliegenden Baumwollschlauchmützen sind aber auch besonders für Sprayer wichtig. Sie tragen sie tief ins Gesicht gezogen, um bei illegalen Sprayaktionen nicht erkannt werden zu können (vgl. Verlan/ Loh, 2000:113f). Eine weitere Kopfbedeckungen der Szene ist das Baseballcap. Dieses wurde insbesondere von sozial benachteiligten, amerikanischen Jugendlichen getragen, die sich diese Mode von Baseballspielern abgeschaut haben. Die umgekehrte Tragweise, d.h Schild nach hinten, weist darauf hin, dass das Cap seine ursprüngliche Funktion als Sonnenschutz hier nicht mehr einlöst, sondern zum Markenzeichen einer Szene umgedeutet wird (vgl. Henkel/ Wolff, 1996:123f). Dem Gangstermilieu entnommen sind die Ballon- und Schiebermützen aus teuren Materialien mit aufwendigen Applikationen (vgl. ebenda).
Filme wie „Wild Style“ oder „Beat Street“ führten in Deutschland die Trainingsanzüge und Turnschuhe als Kleidung der Breaker ein, welche heute zu Kultgegenständen der Old School avanciert sind. Auch Schuhe werden aus einem fremden Bereich entnommen, z.B. dem Hochleistungssport, der orthopädischen Medizin oder der Arbeitswelt. Turnschuhe setzten sich in den Siebzigerjahren bei den HipHops durch. In den Achtzigerjahren setzte sich der Trend zum Stil durch (Run DMC). Die drei Streifen von adidas werden zum chiffrierten Erkennungszeichen der Kultur. Die Schuhe signalisieren Authentizität und Exklusivität in Bezug auf die Zugehörigkeit ihres Trägers zum Old School- Stamm. Die drei Streifen sind Ausdruck für die Rückbesinnung zur Entstehungszeit des HipHop und besitzen innerhalb der Szene eine Signalfunktion (vgl. Henkel/ Wolff, 1996:94f). Eine hohe Markentreue ist gerade bei den Breaker- Crews zu den Old School- Insignien zu beobachten (Henkel/ Wolff, 1996:122f). Die Kultbildung wurde durch Imageträger wie Public Enemy forciert. Die Identifikation mit der Botschaft solcher Gruppen wird über die Kleidung signalisiert.Über das Tragen von Markennamen wie adidas oder Puma werden also auch Differenzierungen innerhalb der Szene etabliert.
5.2 Versteckte Widerständigkeit- Signifying Rapper
Ein wesentliches Stilbildungsmittel, das kennzeichnend für jugendliche Subkulturen ist, ist die Sprache. Oftmals verändert sich das komplette Ausdruckssystem und fungiert als Code. Die wesentliche Bedeutung von Sprache innerhalb der HipHop- Kultur wird in den Raps demonstriert. Raptexte US- amerikanischer Rapper provozieren bislang immer wieder Kontroversen. Die Interpretationsweise der narrativen Struktur von Rap spaltet die Kritiker grob in zwei Fraktionen, von denen die eine annimmt, dass eine universalistische Rezeption afroamerikanischer Texte zwangsläufig zu Missverständnissen führt, da die entsprechenden Kontextualisierungen nicht vorgenommen werden, um diese richtig dekodieren zu können. Dieser Ansatz fordert die Einbettung des Rap in die afroamerikanische Kulturtradition, welche als orale Kultur betrachtet wird (Poschardt, 1995, Gates, Jr., 1988/ 1993, Sidran, 1993). Eine zentrale Rolle spielt hier das Konzept des Signifyin(g). Die andere Seite kritisiert insbesondere den Gangsta- Rap als sexistisch, vulgär, gewaltverherrlichend und homophob (Jacob, 1993).
Inwiefern sich über den Stil am Beispiel der Sprache die Beziehung zur Herrschaftskultur artikuliert, wie es Hebdige und Clarke annehmen, soll im Folgenden geklärt werden.
5.2.1 Das Signifyin(g)- Konzept
Die kulturelle Unterdrückung und marginale gesellschaftliche Stellung der Afroamerikaner in der Geschichte begründete die Notwendigkeit, Widerständigkeit und Dissidenz durch kommunikative Abgrenzung und „Technik des indirekten Arguments“ (vgl. Gates, 1993:180) gegen die repressive Machtstrukturen auszudrücken. Eine eigene Semantik und grammatikalische Besonderheiten ermöglichen, kommunikative Freiräume zu schaffen.112 Schwarze Sprachbeherrschung wird nicht selten als Kampf gegen die Sprache der Herrschenden interpretiert (vgl. Poschardt, 1995:175), d.h. eine aus Misstrauen und Fremdheit gegenüber der Sprache des weißen Herren gewachsene nachahmende Redeweise, die sich allerdings gegen das aufgezwungene Sprachsystem des Sklavenhalters richtet. Wie bereits in Abschnitt 3.3.1 erwähnt, beschreibt Ruth Finnegan in ihrem Buch „Oral Literature in Africa“, wie Musik und Dichtung in afrikanischen Kulturen als Waffen in sozialen Situationen funktionierten.
Ein wichtiger Teil der schwarzen Erziehung und Sozialisation besteht darin zu lernen, wie man signifiziert bzw. „be- deutet“, so Henry Louis Gates, Jr.. (Gates, 1993:177).113 Signifyin(g) ist „ein Sprechen in Implikationen“ (Gates, 1993:180). Die Sprachfiguren des Signifyin(g) sind erst in Verbindung mit den spezifischen außersprachlichen Kontexten, wie historischen, kulturellen, sozioökonomischen oder politischen, entsprechend decodierbar. Die sprachliche Kompetenz basiert auf lebensweltlich determinierten „habitualisierten, kulturellen Erfahrungen“, die Angehörige einer Lebenswelt miteinander teilen (Zips, 1996:57).
Der schwarze Literaturtheoretiker Henry Louis Gates, Jr. entwickelte mit der Konzeptualisierung des Signifying´114, als grundlegenden sprachlichen Code der schwarzen Literatur, eine theoretische Basis zur literaturkritischen Analyse schwarzer Erzählstrukturen und stellte damit einen Zusammenhang zwischen der westafrikanischen Kultur und der Alltagssprache junger schwarzer Menschen in den USA her. Die aus der afroamerikanischen Kultur stammende Theorie der Signifikation ist eine Interpretation von Bedeutungsprozessen.115 Zu den schwarzen rhetorischen Figuren des Signifyin´ zählt Gates auch die Sprachspiele der Straßenkultur u.a. sounding, rapping und playing the dozens (ebenda, 178).
Der Signifikant, d.h. der „archetypische Bedeutungsträger“ (ebenda) ist der Signifying Monkey. Eine aus der Zeit der Sklaverei tradierte Ansammlung von Legenden des Signifyin´ Monkey, erlaubt die Ableitung der rhetorischen Strategie des Signifyin´. Die folklorische Trickster Figur des Signifyin´ Monkey aus der afroamerikanischen Mythologie stellt selbst bereits die ironische Umkehrung des rassistischen Stereotyps des schwarzen Menschen als Affen dar. Gates gibt folgende Definition vom Signifyin´ Monkey:
„Der Signifiyin´ Monkey lebt in den Zwischenbereichen der Diskurse, verdreht die Worte und spielt mit ihnen, er bildet Wortfiguren und zeigt die Ambiguitäten der Sprache auf, indem er ihr ihre Eigenheiten nimmt“ (Gates, 1992:178).
Der „nachäffende Affe“ ignoriert mit spielerischen Sprachverdrehungen und Wiederholungen die dominante Bedeutung der Wörter und benutzt die Signifikanten der Wörter als Spielmaterial. Im Grunde stellt er den Tropus des Chiasmus dar, da er in einem Diskurs gleichzeitig wiederholt und umkehrt. Kern des Signifyin´ sind die rhetorischen Praktiken der repetition und revision. Gates betrachtet Signifyin´ als die Trope versklavter Menschen (vgl. ebenda). Über tropologische und rhetorische Strategien des Signifyin´ konnten, für den Herrn nicht dekodierbar, dessen stereotypen Vorstellungen über den Charakter des schwarzen Sklaven in Frage gestellt werden (Zips, 1993:51). Die Trickster- Figur des Signifyin´ Monkey stellt nach Gates in weltlichen Diskursen von Afroamerikanern das funktionale Äquivalent zum Götterboten Esu- Elegbara der Yoruba- Mythologie dar, welche die versklavten schwarzen Menschen in die Diaspora hinüberretteten (Gates, 1988:3ff).116 In den Signifyin´ Monkey- Geschichten ist der Affe ein Schalk (Trickster), der obwohl viel kleiner und schwächer, den Löwen mit seiner sprachlichen Schlagfertigkeit überlistet. Ebenso wie der Affe den Löwen als vermeintlichen König des Dschungels durch Sprachwitz an den noch mächtigeren Elefanten ausliefert und damit zum Unterlegenen macht, um somit am Ende als der eigentliche Sieger hervorzugehen, findet sich im Rap die entsprechende Figur des „Bad Nigga“ als Trickster wieder. So wird bereits mit der Bezeichnung dieser Figur als „Nigga“, eine Umkehrung des rassistischen Begriffs „Nigger“ vorgenommen. Dieser wird im Rap zur Anrede untereinander benutzt oder als Schimpfwort für weiße Menschen (Ice T, in: Zips, 1996:52).
Auf diese Weise werden über das Signifiyin´ Konzept rassistische Annahmen in Frage gestellt. Anhand von Beispielen soll veranschaulicht werden, wie eine solche linguistisch getarnte Widerständigkeit im Rap funktioniert.
5.2.2 Subversive Botschaften im Rap
Werner Zips analysiert auf Grundlage des Signifyin´ Konzepts Texte des Rappers Ice T, da dieser in seinen meisten Tracks mit der Figur des „Bad Nigga“ das Prinzip des Tricksters adaptiert (1996:45ff). Der „Bad Nigga“ ist eine profane Tricksterfigur, nach Sidran zur Zeit der Sklaverei für die Versklavten ein Repräsentant des hero in evil, der durch offene oder implizite Drohungen die tiefliegende Furcht der Weißen vor ihren schwarzen Sklaven weckte (Sidran, 1993:36).
Die repressive Rhetorik der dominanten Gesellschaft wird durchbrochen, indem der Begriff „Nigger“ aus seinem ursprünglichen biologistischen und sozial- darwinistischen Kontext gelöst wird. Die rassistische Bezeichnung „Nigger“ hat im Rap- Kontext nichts mit der Hautfarbe zu tun, so Ice T: The field niggers was in the field fuckin´ shit up. They wouldn´t conform. They were the real niggers (nicht die “house Niggers who was inside (…) kissing ass”; Anm. K.K.)” (Ice T, in: Zips, 1996:51).
Der Rapper Ice T begründet die positive Umdeutung dieses Begriffs, indem er sich auf eine Rede von Malcolm X bezieht:117
„We have very different definitions of words. For example, I don´t have a problem with the word ´nigger´. (…) „ I wear that term like a badge of honor. (…) I am not what you want me to be. I´m the worst side of it (…)“ (ebenda, 51/ 52).
Eine Reinterpretation der Bezeichnung „Nigga“ macht Ice T auch in seinem Song „Straight Up Nigga“, indem er das Signifyin´- Prinzip der Wiederholung und Umkehrung (revision und repetition) einsetzt. Er vollzieht auf metaphorischer Ebene eine Umkehr der Rollen zwischen Herr und Sklave. Der „low down Nigga“ geht am Ende als Sieger aus der Geschichte, als unabhängiger „straight up Nigga“, der sich dem Herren gegenüber als der eigentliche Überlegene bewiesen hat. Der „Nigger“ rächt sich für das an ihm früher begangene Unrecht, indem er den ihm vorenthaltenen Lohn für die Zeit der Sklaverei beim weißen Herrn „zurückstiehlt“: “Yet they complain, when a nigger snatch their gold chains. What is a nigga supposed to do? Wait around for a handout” (Ice T, “Straight Up Nigga”, 1991; zitiert nach: Zips, 1996:52f). Aus dem Bestohlenen wird der wahre Dieb, der sich eines ganzen Kontinents zu Unrecht bemächtigt hat. Der weiße Herr wird so als der wirklich verbrecherische „Nigger“ und die existierenden Machtstrukturen als unmoralisch enttarnt: „America was stole from the Indians, show and prove, what was that?“ (vgl. ebenda). Hier sind deutlich die Strukturen der Signifyin´ Geschichten erkennbar. Der Trickster verfährt ähnlich wie der Affe, dem das stereotype Image des Dummen anhaftet, und letztendlich als der Überlegene hervorgeht, indem er den mächtigen Löwen durch seinen Sprachwitz als eigentlich Dummen entlarvt. Darüber hinaus transferiert die Trickster- Figur des „Bad Nigga“ das vom weißen Mann produzierte „Nigga“- Stereotyp auf ihn selbst (vgl. ebenda).
Auch Zips Lesart des Songs „Cop Killer“ referiert auf die Legende des Signifyin´ Monkey (Zip, 996:53ff). Die Figur des „Cop Killer“ im gleichnamigen Song bringt mit seinen Trickster- Strategien zwei mächtige Parteien (Löwe und Elefant) des politischen Establishments gegeneinander auf. Der reale Hintergrund des Rodney- King Aufstandes118 in Los Angeles 1992, dem der Song mit der Refrainzeile „Cop Killer, fuck the police brutality“ gewidmet ist, verstärkt das intendierte Potential des „Bad Nigga“, das dominante Herrschaftssystem zu verunsichern. Die Polizei wird in seiner Rolle des Löwen gegen den Elefanten, in dem Falle dem verantwortlichen Record- Label Time Warner, aufgehetzt.119 Die aufgehetzte Polizei bestätigte der Öffentlichkeit letztendlich durch ihre Hetzkampagnen gegen den Konzern das Bild, welches Ice T sichtbar machen wollte. Vor dem Hintergrund einer Dokumentation über die Polizei- Brutalität gegenüber Afroamerikanern, erklärt der Rapper in Trickster- Manier auf einer Pressekonferenz seinen Track zurückzuziehen, mit den schließenden Worten: „At the moment, the cops are in a criminal mood...Hopefully these gangsters will stopp threatening people´s live“ (Zips, 1996:55). Hier zeigt sich die Intelligenz des Signifyin´, indem hier das öffentliche Ordnungsbild einer Revision unterzogen wird. In den Rap- Texten ist die Polizei, als Symbol für die Willkür der herrschenden Strukturen und „institutionalisierter Diskriminierung“ (Bärnthaler, 1998:7), ein immer wiederkehrendes Motiv120, da hier am deutlichsten die Grenzen zwischen dem offiziellen Diskurs und der „unofficial truth“ (Rose, 1994:99) sichtbar werden.
Rose beschreibt diese linguistischen Strategien im Rap in Anlehnung an James Scott121 als „hidden transcript“, das sich gegen die herrschenden Machtstrukturen richtet und soziale Ungleichheiten kritisch kommentiert:
„(...) a large and significant element in rap´s discursive territory is engaged in symbolic and ideological warfare with institutions and groups that symbolically, ideologically, and materially oppress African Americans. In this way, rap music is a contemporary stage for the theatre of the powerless. On this stage rappers act out inversions of status hierarchies, tell alternative stories of contact with police and the education process, and draw portraits of contact with dominant groups in which the hidden transcript inverts/ subverts the public, dominant transcript” (Rose, 1994:100f).122
Ähnlich werden in Raptexten wie „Burn Hollywood Burn“ oder „Fight the Power“ von Public Enemy weiße kulturelle Mythen dekonstruiert:
“(…) Elvis was a hero to most?/ But he never meant shit to me you see/ Straight up racist that sucker was/ simple and plain/ Motherfucker him and John Wayne/ Cause I´m black and I´m proud/ I´m ready and hyped plus I´m amped/ Most of my Heros don´t appear on no stamps“ (PE, “Fight the Power”. Fear of a black Planet. Def Jam/ Columbia. 1990; zitert nach: http://www.puplicenemy.com/lyrics/lyrics/fight-the-power.php).
Die schwarze Geschichte wurde oral überliefert (Griots), d.h. als oral history, wobei oral meist für gesungen stand. Traditionelle Werte der afroamerikanischen Kultur sind weitgehend unbekannt, auch wenn viele aktuelle Trends im HipHop der New School auf der schwarzen Geschichte beruhen. Die Auswirkungen der eurozentrischen Geschichtsschreibung Afrikas auf die gegenwärtige Situation der Schwarzen wird weitgehend übersehen, kritisiert bell hooks (1994). Eurozentrierte Geschichtsschreibung oder Ausbildung meint, dass die Leistungen der black people ignoriert werden (Batschari, 1997:35). Rap Musik als Teil der HipHop- Kultur ist die jüngste Ausdrucksform, die auf die vorenthaltene Geschichtsschreibung hinweist und versucht, über deren Informationen zu unterrichten.123
Fab Five Freddy spricht von Rap als CNN der Schwarzen und bezieht sich damit auf die Tradition der Griots im Savannengürtel Westafrikas, die als Sänger die Funktion eines Nachrichtenmagazins mit der eines Musikers verbunden hat (vgl. Toop, 1992; Poschardt, 1995:155). „Rap als Nachrichtenkanal bedeutet, dass die Bewohner der Armenviertel selbst bestimmen, was und wie über sie berichtet wird“ (Verlan/ Loh, 2000:49). Bis in die frühen Achtzigerjahre wurde das Ghetto für Außenstehende nur anhand von Verbrechensstatistiken der Polizei zur Durchsetzung schärferer Gesetze oder negativer Nachrichten in den Medien wahrgenommen, die das verwahrloste Image des Ghettos und seiner Bewohner verfestigten. Die Jugendlichen erfanden kulturelle Techniken, über die sie sich an öffentlichen Plätzen der Stadtlandschaft artikulierten: „Wenn sich die Stadt weigerte, zu den jungen Puertoricanern zu kommen, dann mussten sie zu ihr kommen“ (Toop, 1992:20).
Sexismus- Vorwürfe werden z.B. von Rapper Ice T mit der Begründung zurückgewiesen : “It´s a black thang. It´s machismo. It doesn´t mean anything” (Ice T, 1994:94; zitiert nach: Poschardt, 1995:174). “Nicht- Ghetto- Bewohner“ besitzen keinen Einblick in die „Ghetto- Mentalität“ und „-Attitüde“ und nehmen die Sprachspiele wörtlich. „But within my commmunity rap is verbal combat. We get around a lot of fights and aggression simply by talking” (Ice T, 1994:94/ 103; zitiert nach: Karrer, 1996:50). Poschardt schließt sich Volosinov (1975)124 an, der postuliert, die Wirklichkeit von Sprache konstituiert sich erst im Dialog, da sie sich am sozialen Milieu des Gesprächspartners und der unmittelbaren sozialen Situation orientiert (Volosinov, 1975:145f; Poschardt, 1995:193). Das Verständnis des Gesagten wird in der Kommunikation bestimmt. Entsprechend können vermeintlich sexistische Äußerungen nach Aussage von Ice T nur von rappenden Frauen aus demselben sozialen Milieu richtig verstanden und erwidert werden :
“Shit talkin doesn´t piss off ghetto women, ´cause anything I can issue to a ghetto girl she´s got an answer for. They´ll answer all the shit we talk with a ´fuck you, Ice´. And that´s it. They don´t say `You´re a sexist´. They respond with their own rap” (Ice T, 1994:95; zitiert nach: Poschardt, 1995:175)
Jacob führt als Gegenpol zum eher selbstironischen Gangster- Rapper Ice T, den ehemaligen Chef- Rapper von N.W.A Ice Cube, an. Ice Cube hat sich die Pflicht zur Selbsterhaltung heterosexueller schwarzer Männer als Maxime gesetzt, die er im militanten Tonfall in seinen Lyrics propagiert. In Songs wie „A bitch is a bitch“ richtet er sich gegen schwarze Frauen, denen er vorwirft, aufgrund ihrer vermeintlichen Geldgier, ihre Männer zu kriminellen Handlungen zu zwingen und somit für die Ghettogewalt verantwortlich zu sein.
5.2.3 Kritik
Jacob nimmt hier eine Gegenposition zu Gates ein, indem er zwar nicht die These bestreitet, dass es die Sprachtechnik des uneindeutigen Sprechens gab und diese in volkskulturellen Nischen überlebt und möglicherweise auch Modifikationen gefunden hat, die in den alltagssprachlichen Gebrauch miteingeflossen sind. Allerdings wirft er Gates vor, er habe daraus eine Ideologie entworfen, indem er eine 200- jährige Kontinuität postuliert, „und sie essentialisierend zum Charakteristikum einer angeblich existierenden „afroamerikanischen Sprache“ macht (...)“ (Jacob, in: Dufresne, 1997:425). Das Signifyin´ bleibt demnach gegen alle sozialen Veränderungen immun und eine von der Sklavenzeit bis zum Rap unveränderte tradierte Kulturtechnik der Schwarzen. Die Begeisterung für diese These beruht nach Jacob darauf, dass sie eine Entlastungsfunktion für die weiße Rezeption hat, „weil sie die Erfahrung des Nicht- Verstehens (...)„verständlich“ macht“ (ebenda, 426). Die Ergründung der eigentlichen Ursachen wird durch das Verharren in der Position eines distanzierten Zuschauers nicht notwendig. Zudem vermutet Jacob, dass die Thesen von Gates dem Exotisierungsbedürfnis von außerhalb entgegenkommt (vgl. ebenda, 424). Dadurch, dass der Diskurs nicht mit den Rappern stattfindet, sondern als abgeschlossenes akademisiertes Expertengespräch über die Rapper, wird Rassifizierungsprozessen Vorschub geleistet, so Jacob (vgl. Jacob, in: Dufresne, 1997:427/ 430f). Mit denselben Argumenten begründet Jacob seine Kritik gegenüber dem häufig gebrauchten Slogan „Rap ist das schwarze CNN“ (nach Jacob die in Deutschland am häufigsten gebrauchte Bemerkung über HipHop), der mit dem Signifying Monkey Ansatz korrespondiert (vgl. ebenda, 433) und rassistische Vorstellungen transportiert. Vielmehr handelt es sich um ein subproletarisches CNN, da Rap für Teile der schwarzen Unterklasse spricht (ebenda, 434), d.h. vielmehr müsste die marginale Stellung statt die Hautfarbe zum Ausgangspunkt für einen Diskurs über Rap gemacht werden.
5.3 Fazit
Die beiden vorangegangen Abschnitte haben Aufschluss über Stilbildungsprozesse und damit subversiv ausgedrückte Widerständigkeit gegenüber dominanten Herrschaftsverhältnissen gegeben, wobei primär anhand des Kleidungsstils ersteres und der spezifischen Sprachverwendung letzteres dokumentiert wurde.
Der Kleidungsstil der HipHops führt das Prinzip der Bricolage vor. Stil wird geschaffen, indem Waren aus ihren ursprünglichen Bedeutungssystemen entnommen und zu einem subkulturellen Stilensemble arrangiert werden. Die Fetischisierung von Konsum, ein Beispiel dafür sind die Designer- Imitate, stellt im HipHop eine Möglichkeit der „Neu- Bezeichnung“ dar. Anhand der Stilbildungsprozesse im Zusammenhang mit der Kleidung konnte illustriert werden, wie durch Transformation oder Bedeutungsverschiebungen von negativ besetzten Objekten bestimmte Milieus, wie z.B. das Zuhältermilieu, aufgewertet werden. Die Kleidung dient nicht nur der Gruppenpositionierung nach außen, sondern interne Differenzierungen im HipHop verlaufen entlang der Stil- Pluralität. Ein HipHopper der Anfangsphase kann auf bestimmte Stilelemente zurückgreifen, die seinen Habitus als Old Schooler kennzeichnet. Drittens dient Individualität und Innovation des eigenen Stils dazu, Status und Anerkennung innerhalb der HipHop- Kultur zu gewinnen, d.h. Stil dient auch individuellen Tendenzen. Die Kleidungsstücke sind nicht nur nach funktionalen Aspekten ausgesucht, sondern charakterisieren die Lebensweise ihrer Träger. Es werden Objekte selektiert, die den „Kristallisationspunkten“, d.h. den zentralen Werten „homolog“ sind (vgl. Abschnitt 2.2). So reflektieren die drei adidas - Streifen die Old School- Gesinnung ihrer Träger. Die besonderen Vorstellungen von Männlichkeit im HipHop manifestieren sich in den besonders groben und robusten Materialien. Ein anderer „Kristallisationspunkt“ der Gruppe sind Aktivitäten, nach denen z.B. die Kopfbedeckung ausgesucht werden. D.h. die symbolischen Aspekte der selektierten Objekte sind mit Beziehungen, Strukturen, Praktiken und dem Selbstbewusstsein der Gruppe verwoben, wie es Clarke betont hat (vgl. Clarke, 1979:135). Allerdings lassen sich auch in Bezug auf den Kleidungsstil des HipHop Prozesse beobachten, die Clarke als kommerzielle Ausbeutung subkultureller Stile bezeichnet, und die die Ausbreitung und schließlich Auflösung eines Stils bedingen. Die ursprünglich integrale Beziehung von symbolischen Objekten zu einem spezifischen Lebenskontext geht verloren (vgl. ebenda, 149). Der Stil und das daran gekoppelte Image werden unreflektiert übernommen, womit der subversive Anteil neutralisiert wird.
Die Zensurmaßnahmen, die Rap- Texte evozieren, könnten als ein Beweis für die subkulturelle Kodifizierung interpretiert werden, die Nicht- Involvierte ausgrenzt. Anhand von Rap- Texten des Rappers Ice T sollte exemplarisch illustriert werden, wie auch die „HipHop- Sprache“ mit Transformationen der herrschenden Ausdrucksweisen operiert. Die spezifische subkulturelle Sprachverwendung konsolidiert die internen Strukturen und erschwert Außenstehenden die Rezeption. Die Sprache wird somit auch als eine Strategie benutzt, um nach innen Solidarität und nach außen Distinktion zu markieren. Statuszuweisungen innerhalb der Gruppe werden über sprechende Pseudonyme und Akronyme signalisiert. Es bleibt allerdings schwer zu entscheiden, ob bestimmte Ausdrücke und Formulierungen nicht auch als explizite kritisiert werden müssen oder ob im Rap ein „hidden transcript“ (s.o.) zu erkennen ist, der ein Widerstandsmoment birgt, wie Rose es annimmt. Eine Interpretationsweise, die die im Rap dominierenden Gewaltbeschreibungen und sexistischen Formulierungen einfach zum Spiegelbild der Lebensumstände der Akteure erklärt, macht gleichzeitig die Annahme, dass die Betroffenen nicht zur Reflektion und kritischen Distanzierung fähig sind. Zudem scheint eine solche Erklärungsweise in vielen Fällen nicht schlüssig zu sein, wenn man beachtet, dass Gangsta- Rap inzwischen ein absatzträchtiges Produkt ist und seine Vertreter dieses Milieu und die damit assoziierten Überlebenskämpfe längst hinter sich gelassen haben. Der Verdacht hinter dem offensiven verbalen Einsatz von Sexismus und Gewalt steckt berechnendes Kalkül und Pose, um die Verkaufszahlen zu steigern, liegt nahe (vgl. Abschnitt 6.5).
Die jugendsubkulturelle Bedeutung eines Sprechstils wird im Kontext von Gruppenbildungen „ausländischer“ Jugendlicher in Deutschland in Abschnitt 7.2.3 noch einmal aufgegriffen.
6 Exkurs: Geschlecht und HipHop
HipHop ist in der Männerwelt der Ghettos entstanden; ihr Motor waren Machoallüren, männliche Überlebensstrategien und Konkurrenzprinzipien. Bambaataa betont dagegen die Rolle der Frau im HipHop: “Ich würde sagen, dass die Frauen wichtiger waren. Sie hatten diesen Gang- Scheiß einfach satt“ (Wölffel, 1995:92). Die Reaktion der Frauen auf die Machoallüren ihrer Männer war nach Afrika Bambaataa von größerer Bedeutung als angenommen dafür, dass sich HipHop als Ventil für Aggressivität und Konkurrenz entwickelte.
Ein häufig erhobener Vorwurf gegen HipHop ist seine betont machistische Grundposition, die sich vor allem im expliziten Sprachgebrauch sexistischer Inhalte in den Rap- Texten äußert (s.o.). Bevor das Geschlechterverhältnis im HipHop aufgezeigt wird, möchte ich kurz auf die allgemeine Position von Mädchen in Jugendkulturen eingehen.
6.1 Frauen und Jugendkultur
Bereits Mc Robbie hat zusammen mit Garber in ihrem Aufsatz „Mädchen in den Subkulturen“, erstmals erschienen in Hall (1978) „Resistance through rituals“, die Abwesenheit von Mädchen in der entsprechenden Literatur beklagt, die sich allenfalls auf stereotype Darstellungen von Mädchen in Bezug auf ihre sexuelle Attraktivität oder als „Anhängsel“ von Jungen beschränkt:
„Im allgemeinen wurden Frauen von Männern begleitet. Auffällig war weiterhin, dass sie längst nicht so stark an der Konversation teilnahmen wie die Männer. Es gab eine kleine Gruppe von Frauen, die solo da waren, aber das Verhalten der Männer gab ihnen keine Gelegenheit, ihre Würde und Identität zu wahren“ (Willis, 1978:28).
Auch Clarke bemerkt, dass die subkulturelle Strategie hauptsächlich den Jungen ein Lösungsinstrument kollektiv erfahrener Probleme bietet (vgl. Clarke, 1979:95). Mc Robbie und Garber nehmen an, dass Mädchen im Rahmen der Subkultur nicht strukturell, sondern diskursiv ausgeschlossen sind. „Das objektive und populäre Image einer Subkultur“, wie es, nach der Argumentation der Autorinnen, in den Theorien der sozialen Devianz und medialen Berichterstattung definiert wird, „dürfte so beschaffen sein, dass der Schwerpunkt bei der männlichen Mitgliedschaft, den männlichen „Kristallisationspunkten“ und den männlichen Werten liegt“ (Mc Robbie/ Garber, 1979:222). Mc Robbie und Garber konzentrieren sich in ihren Untersuchungen auf die Sozialisationsunterschiede zwischen Mädchen und Jungen. Mädchen sind demnach stärker in der häuslichen Lebenswelt eingebunden, während die Jungen an den Straßenecken „herumhängen“ (vgl. Mc Robbie/ Garber, 1979:223). Auch Taylor und Thiele (1998) argumentieren ähnlich, und erklären anhand des geschlechtsspezifischen Raumverhaltens die scheinbare männliche Dominanz in Jugendsubkulturen. Das männliche Raumverhalten ist stärker extrovertiert ausgerichtet. Jungen finden ihre Nischen vorwiegend in öffentlichen Räumen, deren Aneignung den Jungen, das als männlich geltende Attribut der Härte und Selbstbehauptung verleiht. Mädchen gestalten dagegen ihr Freizeit- und Geselligkeitsverhalten in privaten, geschlossenen Räumen (vgl. Thiele/ Taylor, 1998:54f), was dafür spricht, dass Mädchen eher in der Öffentlichkeit unsichtbar als nicht vorhanden sind. Zudem unterliegen Mädchen stärker der elterlichen Kontrolle, wobei das Wertesystem der Eltern noch stark an den traditionellen Geschlechtsrollen orientiert ist. Die Autorinnen Mc Robbie und Garber führen das Teeny- Bopper Phänomen der Siebzigerjahre als eine „Kultur der eigenen vier Wände“ an. Diese Kultur orientierte sich vor allem an Popidolen, auf die Mädchen ihre romantischen Vorstellungen von Partnerschaft und Ehe projizieren. In Brake wird die Teeny- Bopper- Kultur als eine mädchenspezifische Subkultur interpretiert, die gleichermaßen eine Rückzugsmöglichkeit und ein Vorbereitungsstadium für die Ehe bietet (vgl. Brake, 1981:147). Die Freizeitaktivitäten der Mädchen (vgl. ebenda, 146) sind in den Dienst der „zwanghaften Partnersuche“ gestellt, die für die Mädchen der Arbeiterkultur eine anerkannte Alternative darstellt, dem schlechten Arbeitsmarkt zu entkommen.
Mädchen in männlich dominierten Subkulturen verharren meist in einer passiven Rolle. In den Subkulturen der Mods, Teds oder Motorradtypen tauchen Mädchen zwar auf, nehmen aber eine untergeordnete Stellung ein (vgl. ebenda, 148). Die Rolle der wenigen Mädchen in Jugendkulturen beschreiben die Autoren Thiele und Taylor als unterwürfig gegenüber der männlichen Dominanz. Sie projizieren der traditionellen Geschlechtsrollenerwartung entsprechend, ihre unterdrückten Machtgefühle auf die männlichen Mitglieder. Über deren demonstrativen Macho125 - Habitus, der in Kämpfen ausagiert wird, erleben die Mädchen eine Teilhabe an der „männlichen“ Macht. Die Mädchen lassen sich zugunsten der Aufwertung der männlichen Handlungen funktionalisieren und entwerten sich damit selbst (vgl. Thiele/ Taylor, 1998:54f).
Mädchen besitzen keine Möglichkeiten in männlich dominierten Subkulturen, „aktiv ihnen gemäße Formen weiblicher Identität zu entwickeln“ (Brake, 1981:144). Mädchen nehmen hier die aus der männlichen Perspektive für sie vorgesehenen Rollen ein, wollen gefallen und werden auf ihre sexuelle Attraktivität reduziert (vgl. ebenda, 148).
Nach Brake ist der in Subkulturen vorherrschende Sexismus ein Spiegelbild des Sexismus, der in allen Sektoren der Gesellschaft existiert, wie z.B. die geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung demonstriert (vgl. Brake, 1981:158).
Eine differenzierte Betrachtung des Geschlechterverhältnisses in Jugendkulturen ist nicht Gegenstand meiner Arbeit. Allerdings möchte ich auf Hinweise nicht gänzlich verzichten, die einer genaueren Betrachtung bedürfen. Sicherlich ist die weibliche Rolle in Jugendkulturen nicht nur eine passive. Es existieren z.B. auch Mädchengangs (vgl. Abschnitt 4.7). Allerdings scheint das eher die Ausnahme zu sein. Im Folgenden soll die weibliche Rolle im HipHop- Kontext betrachtet werden.
6.2 Zur Problemstellung: Die Geschlechterbeziehung in den Black Communities
HipHop ist, wie bereits referiert wurde (vgl. Kapitel 3), eine männerdominierte Jugendkultur. Die Stellung der Frau im HipHop lässt sich aus ihrer Position in den Black Communities verständlich ableiten (vgl. Batschari, 1997:56f; Jacob, 1993:126ff; Wölffel, 1995:79ff). Trotz einer patriarchalischen Sozialisation, sind die schwarzen Frauen ihren Männern nach den gesellschaftsüblichen Kriterien allgemein sozial überlegen. Die Frauen bekommen inzwischen häufiger einen Job als die Männer, da sie für niedrigere Löhne arbeiten, bessere Schulzeugnisse und höhere Qualifikationen besitzen. Jacob bezeichnet die Frau als häufig einzig stabilisierenden Faktor innerhalb der Black Communities (vgl. Jacob, 1993:126). Im Jahr 1988 hatten 67 Prozent der Männer und 74 Prozent der Frauen einen Job (vgl. ebenda). Die Mütter ernähren meist als einzige die gesamte Familie, während die Männer in Gangrivalitäten verwickelt und abwesend sind. Bereits der Moynihan- Report (1965)126 entwarf das Bild einer anormalen schwarzen Familiensituation als gänzlich verschieden von der weißen. Als anormal wurde dabei das Matriarchat konstruiert. Dem schwarzen Mann bleibt die Partizipation an der weißen amerikanischen Machtstruktur verwehrt, während die arbeitende schwarze Frau indirekt Zutritt zur weißen Gesellschaft hat. Damit empfinden schwarze Männer nicht mehr allein „den Weißen“, sondern die schwarze Frau als Bedrohung (vgl. Wölffel, 1995:82).
In den Black Community- Zeitschriften wird von einem sexuellen Notstand männlicher Afroamerikaner gesprochen, da die schwarzen Frauen aufgrund deren Unfähigkeit zunehmend mit Männern anderer Communities Beziehungen eingingen. Da das Heiratsverhalten nach ethnischen Kriterien reguliert wird, entsteht somit nach Jacob ein Problem für schwarze Männer, die wiederum mit aggressiver Diskriminierung schwarzer Frauen reagieren, welche mit „nicht- schwarzen“ Männern eine Verbindung eingehen (vgl. ebenda). Majors (1994)127 geht sogar so weit, die Annahme zu machen, die Konsequenzen der Geschichte haben dazu geführt, dass der schwarze Mann seiner sozialen und wirtschaftlichen Stellung zufolge, zur endangered species gehört (vgl. Majors, 1994:301; zitiert nach: Batschari, 1997:35). Nach Majors kann das manhood training das Überleben des schwarzen Mannes sichern. Dieses Training basiert auf einer alten afrikanischen Tradition „designed to facilicate the development of prosocial values among black boys“ (Majors, 1994:312; zitiert nach: Batschari, 1997:35). Das Wiederaufleben dieses Rituals kann demnach das Bewusstsein für die eigene Geschichte fördern, die anders als der eurozentrischen Geschichtsschreibung gemäß, bereits vor der Sklaverei beginnt. Der Bezug zur afrozentrischen Geschichtsschreibung im Rap wird unten noch einmal aufgegriffen.
6.3 Rap als Dialog: Frauenrap- Männerrap
Im HipHop lag im Jahr 1993 der Anteil von Plattenveröffentlichungen weiblicher Rapperinnen bei nur fünf Prozent (vgl. Jacob, 1993:129). Andererseits stellt Grandmaster Flash fest, dass es in den Anfangstagen mehr weibliche als männliche Crews gab. „Bei allen frühen Rap- Platten rappen die Frauen ebenso gut wie die Männer, in manchen Fällen besser“ (Toop, 1992:112). Die Tatsache, dass viele der ersten Rapperinnen aufgaben, stellt für männliche Rapper keine Überraschung dar. Denn, so stellt Toop fest, das Rapping wurzelt in der männlich dominierten Kultur des Dozens und der Toasts (vgl. Abschnitt 3.3.1): „Eine der Konstanten des Raps ist der Machismo“ (Toop, 1992:109). Das hier elementare Wettbewerbsprinzip ist, z.B. nach Meinung von Flash, das eigentliche Hindernis dafür, dass Frauen es nicht schaffen, erfolgreich zu werden. Die männlichen Rapper waren die ersten, deren Musik veröffentlicht wurde. Das verdeutlicht, in welchem Maß das Musikgeschäft sich an Männern orientiert bzw. in deren Händen liegt. So wird eine weibliche Rapperin meist nur mit einem Mann im Hintergrund bzw. als Produzent anerkannt und bekannt.128 Die Männer sind die Protagonisten im Musikgeschäft, die Frauen liefern den Background als Groupie oder Background- Tänzerin, um das notwendige Image zu befördern.129 Auch wenn Frauen erschwerten Bedingungen gegenüberstehen, haben sie sich im HipHop als Künstler etabliert, bilden aber auch heute immer noch eine Minderheit. Das in den Medien weit verbreitete Stereotyp ist das der „Black Beauty“ „mit ihrer vermeintlich überdimensionalen erotischen Ausstrahlung und ständiger sexueller Bereitschaft“ (Batschari, 1997:46). In Rap- Musik- Videos werden schwarze Frauen, wie Rose feststellt, meist als “creatures of male sexual possession” dargestellt (Rose, 1994:168). Hooks bemerkt, die schwarze Frau wird auf ihren Körper „als Sinnbild für schwarze Sexualität im allgemeinen“ reduziert (hooks, 1994:82; zitiert nach: Batschari, 1997:46). Die weiblichen teilen mit den männlichen Rappern das gleiche Lebensumfeld, die Mehrzahl der schwarz- amerikanischen Rapperinnen stammen aus dem „schwarzen Ghetto“. Sie beschreiben aus der weiblichen Sichtweise eine Lebenssituation, die für sie genauso wie für die Männer unterdrückend ist (vgl. Glowania/ Heil, 1995:101).
Glowania und Heil (1995) versuchen die Position des Frauenrap verständlich zu machen, indem sie den female rap in Beziehung zu dem von Männern produzierten Rap stellen. Die Autorinnen wählen diese Methode, da sie Rap in die Tradition der „Black American oral culture“ stellen. Rap wäre demnach als eine Form des Dialogs zwischen verschiedenen Gesellschaftspositionen zu betrachten. Der von Männern produzierte Rap ist nach den Autorinnen von der „Ohnmacht der Unterdrückung und dem Versuch des Widerstands“ gekennzeichnet (Glowania/ Heil, 1995:100). In diesem Zusammenhang werden alltägliche Überlebenskämpfe in Form von Bandenkriegen und Gewalt als Widerstand gegen die repressive Ordnung verherrlicht. Das „wahllose ´Aufreißen´ von Frauen “ und ebenso gewalttätige Handlungen werden in männlichen Raps als selbstverständlicher Teil des Lebens im schwarz- amerikanischen Ghetto bzw. als Beweis männlicher Potenz dargestellt, und auf diesem Weg gegenüber Kritik immunisiert (vgl. Glowania/ Heil, 1995:100).
Der Frauenrap konzentriert sich bei der Themenauswahl häufig auf das Beziehungsleben, da die Geschlechterbeziehung im Leben der Frauen in den Black Communities eine zentrale Rolle einnimmt, denn auf der Beziehungsebene werden schwarze Frauen von ihrem sozialen Umfeld unterdrückt und in Rollen gedrängt. Indem sie aus diesen Rollen heraustreten und ein anderes positives weibliches Identifikationsmodell entwerfen, schaffen sie ein Gegengewicht zu dem lautstarken Beitrag der Männer. Der Rückgriff der Rapperinnen auf eigene Erfahrungen, macht ihren Anspruch auf Authentizität geltend. Somit kritisieren weibliche Rapper nicht einfach die männlichen sexistischen Raps, sondern schaffen durch die Darlegung der eigenen Erlebnisweise einen „weiblichen“ Gegenpol (vgl. ebenda, 102).
[...]
[1] Grandmaster Flash; zitiert nach: Nelson, G.: Hip- Hop´s Founding Fathers speak the truth. In: The Source 11/ 1993, S. 44.
2 vgl. Klein, H.- J.: Artikel „Kultur“. In: Schäfers, B. (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie. Opladen 1986.
3 vgl. Milton, G.: The Concept of the Sub- Culture and Application. o.A. 1947; vgl. Lindner, R.: Subkultur. Stichworte zur Wirkungsgeschichte eines Konzepts. In: Berliner Blätter 15 (1997), S. 5.
4 Unter Alltagskultur sind nach Augustin und Berger alle wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebensbereiche, die das alltägliche Bild eines Einwanderermilieus prägen, zu fassen (Augustin, V./ Berger,
H.: Einwanderung und Alltagskultur. Die Forster Straße in Berlin Kreuzberg. Berlin 1984, S. 54).
5 vgl. Trasher, F..M.: The Gang. Chicago 1927; Whyte, R.: Street Corner Society. Chicago 1955.
6 Parsons, T.: Age and Sex in the Social Structure of the United States. In: Parsons, T.: Essays in Sociology Theory. o.A. 1942.
7 Eisenstadt unterscheidet drei altershomogene Gruppen: neben den informellen Jugendgruppen, das Schulbildungssystem und formelle Jugendorganisationen, die meistens von Erwachsenen unterstützt werden (vgl. Baacke/ Ferchhoff, 1995:39). Vgl. Eisenstadt, J. N.: Von Generation zu Generation. Altersgruppen und Sozialstruktur. München 1966.
8 Nach Eisenstadt befindet sich der Jugendliche aufgrund seiner mangelhaften Rollendefintion- weder Kind, noch Erwachsener- in einer „interlinking sphere“ mit eingeschränkten Rechten und Mitwirkungsmöglichkeiten (vgl. Baacke, 1987:89).
9 vgl. Tenbruck, H. H.: Jugend und Gesellschaft. Freiburg 1962.
10 vgl. Sutherland, R. L./ Woodward, J. L./ Milton, M.A.: Introductory Sociology. Chicago 1952.
11 vgl. Bell, R. R.: Die Teilkultur der Jugendlichen. In: Friedeburg, L. V. (Hrsg.): Jugend in der modernen Gesellschaft. Köln/ Berlin 1967, S. 83- 86.
12 Taylor/ Thiele ergänzen hier, dass es auch einige wenige Jugendkulturen wie beispielsweise die Punks gibt, die fast keine ökonomische Basis ihrer Existenz besitzen, da sie jede Art von Arbeit ablehnen. Sie beharren auf Autonomie und haben sich von den Bezugspunkten Familie und Schule abgelöst, so dass zwischen außerschulischen, außerfamiliären und freizeitbezogenen Kulturen differenziert werden kann (1998:52; vgl. Farin, 1995:47ff).
13 Das Konzept der kulturellen Hegemonie geht davon aus, dass Herrschaft in modernen Gesellschaften mittels sozialer und kultureller Institutionen aufrechterhalten wird. Solange ein Konsens über das hegemoniale Weltbild unter den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen besteht, sind die Herrschaftsverhältnisse stabil (Hebdige, 1979:15f).
14 vgl. Gramsci, A.: Philosophie der Praxis. Frankfurt/ M. 1967.
15 Williams, R.: Innovationen. Über den Prozeßcharakter von Literatur und Kultur. Frankfurt/M. 1979.
16 Clarke führt an dieser Stelle exemplarisch die Subkulturen der Teddy- Boys oder der Mods an (1979:95).
17 vgl. Levi- Strauss, C.: Das wilde Denken, Frankfurt/ M. 1968.
18 vgl. Hebdige, D.: Subculture. The Meaning of Style. London 1979.
19 Schwendter modelliert in seiner Theorie der Subkultur progressive und regressive Subkulturen, die sich an die kompakte Majorität der Gesellschaft anlagern.
20 Der Begriff der Jugendkultur spielte bereits um die Jahrhundertwende und in den Vorarbeiten der deutschen Pädagogik der 20er Jahre Blühers, Wynekens, Sprangers, Bühlers und Bernfelds eine bedeutsame Rolle. Als erste autonome Jugendkultur kann der „Wandervogel“ in der wilhelminischen Ära um die Jahrhundertwende gelten. Das Jugendkultur- Konzept stellt somit nach Baacke „eine begriffliche Verselbständigung des von der Jugend- und Wandervogelbewegung vorgelebten psychosozialen Konzepts von Jugendlichkeit und Jugendkultur dar.“ Die Grenzlinien zwischen historischer und gegenwartsbezogener Begrifflichkeit ziehen Baacke/ Ferchhoff (1988:306).
21 Szene– abgeleitet vom Begriff skene des antiken, griechischen Theaters, vor der die Schauspieler auftraten.
22 Müller, H.P.: Sozialstruktur und Lebensstile. Zur Neuorientierung der Sozialstrukturforschung. In: Hadril, S. (Hrsg.): Zwischen Bewusstsein und Sein. Die Vermittlung „objektiver“ Lebensbedingungen und subjektiver“ Lebensweisen. Opladen 1992, S. 57- 66.
23 vgl. Hitzler, R.: Sinnbasteln. Zur subjektiven Aneignung von Lebensstilen. In: Mörth I. / Fröhlich, G. (Hrsg.): Das symbolische Kapital der Lebensstile. Zur Kultursoziologie der Moderne nach Pierre Bourdieu. Frankfurt/ M. 1994, S. 79.
24 vgl. Soeffner, H.G.: Stil und Stilisierungen. Punk oder die Überhöhung des Alltags. In: Gumbrecht, H.U./ Pfeifer, K.L. (Hrsg.): Stil. Geschichte und Funktionen und Statistik, Frankfurt/M. 1986, S. 317- 341.
25 vgl. Willis, P.: Jugend- Stile. Zur Ästhetik der gemeinsamen Kultur. Hamburg 1991.
26 vgl. Meier, U.: Die Herkunft bestimmt noch immer die Lebenschancen. In: Frankfurter Rundschau, Mai 1995.
27 MC- Bezeichnung für jemanden, der zur musikalischen Begleitung eines DJs Sprechgesang- Reime vorträgt (Henkel/ Wolff, 1996:182).
28 Hier existieren verschiedene Bezeichnungen. Dufresne (1997:150) spricht auch von Next School, Toop (1992:215), Karrer/ Kerkhoff (1995:7) und Rose (1994:4) sprechen von Native Tongue.
29 Ein Bruchstück, das populär ist, kann isoliert werden, indem zwei Exemplare einer Platte auf zwei Plattenspielern verwendet werden und die betreffende Stelle auf dem einen gespielt wird, während auf dem anderen die Platte zurückgedreht wird, so dass man da weitermachen kann, wenn der Break auf der ersten vorbei ist. Der Break wird so unendlich verlängert (vgl. Toop, 1992:73). Diese Technik ist Grundlage der Break Beat- Musik.
30 Block- Parties- Die Jugendlichen aus der Bronx wurden von den Clubs und Discotheken ausgeschlossen, da ihnen das nötige Geld oder die Kleidung fehlte, um dort akzeptiert zu werden oder weil sich hauptsächlich “Weiße“ dort trafen. Infolge kamen die Jugendlichen eines Häuserblocks zusammen und veranstalten ihre eigenen Parties auf öffentlichen Plätzen wie Parks oder auf der Straße, Hinterhöfen etc..
31 Break bezeichnet eine Pause in Musikstücken über mehrere Takte, mit eventuellen Rhythmusaussetzungen (vgl. Krekow et al., 1999:68).
32 Häufig wird in der Literatur von einer Collage- statt einer Montagetechnik gesprochen, so auch bei Menrath (2001).
33 Bambaataa galt aufgrund seines umfassenden Plattenarchivs, mit dem er das Spektrum der HipHop- Musik erweiterte, als „Master of records“ (Toop, 1991:79; Poschardt, 1995:166).
34 Scratch- Hin- und Herschieben der Platte unter der Nadel. Nach einer Legende von Grandwizard Theodore, Record- Boy von Grandmaster- Flash, durch Zufall erfunden (Verlan/ Loh, 2000:55). Flash allerdings beansprucht diese Erfindung für sich.
35 Grandmaster Flash hat 2002 die Anthologie „The Official Adventures of Grandmaster Flash“ (Strut Records/ Zomba) herausgebracht, die den Sound der Blockparties nocheinmal vorstellt.
36 HipHop Stücke dieser Zeit erhielten dadurch den Beinamen Elektro.
37 Rose vergleicht dies mit einer musikalischen Zeitmaschine (1994:96).
38 Mir ist bewusst, dass die Unterscheidung zwischen „schwarz“ und „weiß“ die Stabilisierung rassistischer Stereotypen befördert, jedoch nehmen die Identifikationen als „Schwarzer“/ „Weißer“ in der HipHop- Kultur eine bedeutende Rolle ein. Es soll hier darauf hingewiesen werden, dass die Begriffe als soziale Konstrukte zu verstehen sind.
39 Der Name geht auf den britischen Film „Zulu“ mit Michael Caine zurück. Er zeigt, wie die Zulus in Südafrika ihr Land vor der britischen Kolonialmacht verteidigten. Als die Briten sich bereits für die Sieger hielten, sieht man auf einem Berg Tausende von Zulus, so dass die Briten denken mussten, sie würden sterben. Aber die Zulus sangen, priesen sie als Krieger und ließen sie leben (vgl. Toop, 1992:70).
40 Battles- (engl.) Wettkämpfe. In den Battles wird das im HipHop elementare Wettbewerbsprinzip ausagiert.
41 Crew- (engl. Gruppe); lokaler Zusammenschluss von Writern, Breakern oder/ und Rappern; bezeichnet den engen Freundeskreis; umfasst fünf bis 20 HipHop- Aktivisten (vgl. Kapitel 4.8). Die Crews waren zu dieser Zeit noch vorwiegend weiblich, die männliche Konkurrenz brachte diese aber bald wieder zum Verschwinden (vgl. Krekow et al., 1999:13f).
42 Toop gibt die Geschichte der ersten Rap- Schallplatte als kalkuliertes Geschäft sehr detailliert wieder (vgl Toop, 1992:93ff).
43 „Die Idee mit den Waffen auf der Bühne stammt noch z. T. von den Black Panthers, die bei der Black Community noch heute in Erinnerung sind. Sie wurden von den Herrschenden als Terroristen und von vielen (keineswegs allen) Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern als Helden angesehen. Die Waffen auf der Bühne sind Symbole. Sie sollen daran erinnern, dass die heutige Situation der verarmten Afroamerikaner eine Vorgeschichte hat. Die Europäer besaßen Waffen und verschleppten unsere Vorfahren aus Afrika nach Amerika“ (Chuck D. In: Time out. GB 1990; zitiert nach: Dufresne, 1997:85f).
44 NOI- Bereits 1930 gegründet, streng zentralistisch aufgebaute Massenorganisation, besitzt besonders in der schwarzen Unterschicht an Popularität; radikalste Gruppe in Bezug auf schwarzen Separatismus. Die Sekte nahm Verbindung zum “Ku Klux Klan“ und zu anderen Nazigruppierungen auf; damit wurde der schwarze Separatismus mit der Forderung nach Rassentrennung gleichgestellt. Ihr Führer Louis Farrakhan wird Antisemitismus und Sympathiebekundungen für Adolf Hitler nachgesagt; bekanntester Sprecher war Malcolm X (Spatschek, et al., 1997:113); zu den religiösen Grundsätzen der NOI vgl. Jacob, 1993: 38.
45 Chuck D präzisierte: “Eigentlich war unser Ziel bis zum Jahr 1992, 5000 afroamerikanische Führer auszubilden, fähige Leute, die in der Lage sein würden, Verantwortung zu tragen und anderen etwas beizubringen. Ich hätte nie gedacht, dass das so schnell passieren würde...“ (Chuck D. 1989; zitiert nach: Dufresne, 1997:85).
46 Die islamische Sekte Five- Percenters ist eine radikale Absplitterung der Nation Of Islam, deren Ideologie auf der Grundannahme basiert, dass 85 Prozent der Menschen in Unwissenheit leben, 10 Prozent diese ausbeuten und 5 Prozent im Besitz des Wissens über diesen Sachverhalt sind. Diese sammeln sich in der Five- Percenter- Nation, um die Masse aufzuklären (Karrer, 1995:145); Big Daddy Kane, Rapper und Mitglied der Sekte: “Wenn Du Fünfprozenter bist,
dann weißt du, dass du Gott bist. Gott ist das Zentrum des Universums, der asiatische Mensch, das höhere Wesen“ (Big Daddy Kane in HipHop Connection, 198?, GB; zitert nach: Dufresne, 1991:33).
47 Black Panther- Partei: 1966 gegründet, basiert auf marxistisch- leninistischen Ideen. Politische Radikalisierung der afroamerikanischen Bevölkerung, die als Gefahr der inneren Sicherheit der USA gewertet wurde. Das FBI erhielt den Auftrag der Zerschlagung, laut entwendeter Dokumente 1976. Ihre Führerin Assata Shakur flüchtete nach Kuba.
48 Compton und South Central sind die ärmsten Viertel in Los Angeles, vergleichbar mit der South Bronx in New York. Hier existiert eine relativ hohe Anzahl von Gangs. Das Image vom Bürgerkriegsgebiet wurde noch verstärkt, als hier die größten Unruhen seit 1968 ausbrachen.
49 vgl. Gates (1993/ 1988).
50 Battle- Raps- auch Boasting oder Bragging; „Texte, mit denen der jeweilige Rapper beweisen möchte, dass er der Allergrößte ist und beim Publikum am besten ankommt“ (Verlan, 2002:25). Beispiele für Battle- Raps hat Verlan in „Rap- Texte“ abgedruckt (vgl. 2002:26ff).
51 Aktuelles Beispiel ist der wiederaufkommende Verdacht, der Rapper The Notorious B.I.G. (East Coast), habe den Mord an dem Rapper 2 Pac Shakur (West Coast) in Auftrag gegeben, der später selbst ermordet wurde.
52 Hier wird teilweise eine weitere Einteilung des Rap in die Aktivitäten des DJing und MCing bevorzugt.
53 Die etymologischen Wurzeln des Wortes gehen zurück aufs 17. Jahrhundert, wo es bereits im afroamerikanischen Sprachgebrauch zu finden ist. Bevor es ab 1870 als eine spezifische Form des Sprechens oder Unterhaltens benutzt wurde, war seine Wortbedeutung diffus. Poschardt (1995:138) stellt in Bezugnahme auf Major (1994) fest, dass 1916 Informanten der Polizei als Rapper bezeichnet wurden, und sich erst ab den Vierziger- und Fünfzigerjahren die heutige Bedeutung von Rap als rhythmisches Sprechen mit oder ohne musikalische Begleitung etablierte (Major, C.: Juba to Jive. A Dictionary of African- American Slang. New York 1994, S. 376).
54 Toasten- Sprechgesang, ursprünglich von Reggae- DJs eingeführt.
55 “A ritual of Afro- American boys, the dozens was a good- natured competition in which a boy made disparaging remarks about his opponent´s mother.(…) The dozens requires plenty of wit, imagination, exaggeration and an artful handling of everyday speech” (Karrer/ Kerkhoff, 1996:203).
56 vgl. Abraham, R. D.: Deep down in the Jungle. New York 1972; als Volkskunde- Student sammelte Abraham in den späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren Aufnahmen von Toasts, Witzen und Sprachkämpfen in einer hauptsächlich „„schwarzen“ Gegend von Philadelphia, Cammeringly.
57 Dissen- engl. „disrespect“, bedeutet so viel wie „jemanden herunterzumachen“. Poschardt meint dazu, „dissing meint einen echten Kampf um Stolz und Ehre“ (Poschardt, 1995:140).
58 vgl. Labov, W.: Rules for Ritual insults. In: Kochman, T. (Hrsg.): Rappin´and stylin´out. Chicago 1977.
59 Couplets- (frz.) witziges Bühnenlied mit einem sich in allen Strophen wiederholenden Kehrreim.
60 vgl. Finnegan, R.: Oral Literature in Africa. Oxford 1970.
61 “African- American oral tradition developed with the slaves adoption of the relegion of their masters. The services of the slaves were lively, uplifting events complete with music, chanting, and spiritual possessions (…). The high point was the preachers sermon, or “call” and the congregation´s “response”. As traditional black preachers ask their congregations for an “Amen”, so hiphop MC´s appeal to dancers to “Give me a ho”, and the teens on the dance floor respond “HOOO!!!” (Karrer/ Kerkhoff, 1996:202).
62 vgl. Storm Roberts, J.: Black Music of two Worlds, New York 1972.
63 zur Black- Panther Bewegung vgl. Abschnitt 3.2.2.1.
64 Die Entstehungsgeschichte des Rap ist besonders ausführlich in Toops „Rap Attack“ (1992) erzählt; daneben hat Rose mit Black Noise (1994) sich um eine kritische Entschlüsselung der komplexen Bedeutungsstrukturen dieser Kulturform bemüht; Dufresne „Rap Revolution“ (1992) gibt daneben einen umfassenden Überblick der verschiedenen Bands.
65 vgl. Allen, H.: Invisible Band. Village Voice, 1988.
66 Stanley, L. A.: Rap. The Lyrics. Harmondsworth 1992.
67 Pimp- (engl.) Zuhälter.
68 Beispiele: Pimp (Dominant), Frauen (Dominiert), dick (Symbol); Mc (Dominant), Party (Dominiert), mic´ (Symbol); Leader (Dominant), nation (Dominiert), unity (Symbol) (vgl. ebenda).
69 Auf einer Zusammenkunft der drei DJ- Legenden, moderiert von Nelson George, in den Redaktionsräumen von „The Source“, einigten sich diese auf eine konsistente Geschichtsschreibung des HipHop, die vorher von Eitelkeiten, unterschiedlichen Versionen und Mythen durchsetzt war (George, N.: Hip- Hop´s Founding Fathers speak the truth. In: The Source, 11 (1993), S.44- 50). Im Interview beansprucht Herc für sich die Bezeichnung “B- Boys” erfunden zu haben: “B- Boys, these are the boys that break. So we call´ em B- Boys” (George, 1993:46; zitiert nach: Poschardt, 1995:147).
70 Gesetzblatt der DDR, Anordnung vom 2.1.1958: Bei Tanzveranstaltungen müssen 60 Prozent der Kompositionen aus sozialistischen Staaten stammen (vgl. Fuchs, 1996:155).
71 Referat von Werner Rackwitz auf der Tanzmusik- Konferenz am 24. 2.4. 1972; vgl. Fuchs, 1996:156.
72 Tag- (engl.) etikettieren, auszeichnen, markieren. Im Graffiti- Jargon bedeutet Taggen, seinen Namen als stilisierte Signatur zu hinterlassen. Das Taggen wird auch als Kampfmittel in der Auseinandersetzung zwischen Sprayern verwendet: fremde Tags im eigenen Revier werden übertaggt, oder ausgeixt und das eigene Tag danebengesetzt („crossen“) (vgl. Porschardt, 1997:164).
73 Bombing- illegales Sprühen und Taggen auf Wände und Züge.
74 Writer- „Aerosolkünstler mit der Spraydose, Filzstift oder Airbrush“ (Henkel/ Wolff, 1996: 184).
75 Piece- „gesprühtes Bild in einem typische Graffiti- Stil“ (Domentat et al., 1994:11); Stück, manchmal Kunststück eines Sprühers, wurde ursprünglich in New York nur für besonders gute Bilder („master pieces“) in Form eines Schriftzuges benutzt, meist identisch mit dem Pseudonym des Writers (vgl. Henkel/ Wolff, 1996:182).
76 Style- Stil eines Graffitiwriter, mit dem er den Buchstaben Form und Bewegung verleiht. Auch Bezeichnung für die persönliche Handschrift eins Writers, der eigene komplizierte Schriftzüge mit besonderen Effekten entwickelt (vgl. Henkel/ Wolff, 1996:183); hierzu zählt auch die Auswahl der Orte, an denen ein Sprüher seine Pieces (Graffiti- Endprodukt; siehe unten) im Stadtbild anbringt.
77 Aerosolart- Spraykunst mit Lackpraydose.
78 Doch die eigentlichen Erfolge blieben aus, auch wenn bekannte Sammler wie die Amerikaner Dolores und Hubert Neumann in einige Writer investierten und auch internationale Ausstellungen und Ankäufe europäischer Museen folgten.
79 Das räumliche Aneignungskonzept geht auf Studien von Muchow zurück. Vgl. Muchow, M./ Muchow, H.H.: Der Lebensraum des Großstadtkindes. Bensheim 1978.
80 Fame- Bekanntheit, Ruhm und Anerkennung unter Grafittisprüher (vgl Krekow et al. 1999).
81 Kaya (2001:167) versteht Graffiti im Gegensatz zu Hitzler (2001) als versteckten Kampf einer „minority youth“ gegen die offiziellen Autoritäten.
82 Clashes- (engl.) Widerstreit; jugendsprachlich für Wettkämpfe.
83 So bestätigen die Aussagen Bambaataas die Ausführungen von Thiele/ Taylors (1998), die die Gang als Schutzraum interpretieren, in denen ihre Mitglieder einen Familiensinn finden (s.u.).
84 Taner nahm an der Untersuchung von Kaya über HipHop- Kultur türkischer Immigranten- Jugendlicher in Berlin- Kreuzberg teil, auf die in Abschnitt 9.2 eingegangen wird.
85 vgl. Domentat, T.: Taner Celebi: Die Gang war meine Familie. Erfahrungsbericht eines 36er. In: Henkel O./ Domentat, T./ Westhoff, R. (Hrsg.): Spray City- Graffiti in Berlin. Berlin 1994, S. 91/ 93.
86 Zum „Code- switching“ siehe auch die Ausführungen bei Kaya, 2001:147ff.
87 Taylor, C. S.: Girls, Gangs, Women and Drugs. Lansing 1993, S. 14.
88 Klassiker der amerikanischen Gangforschung. Trasher hat in Chicago zwischen 1919 und 1926 insgesamt 1313 Gangs untersucht und als erster eine umfassende Bandentypologie erstellt; Trasher, F.: The Gang. Chicago 1927.
89 Etwa 80 % der Afroamerikaner in den USA leben in großstädtischen Ballungsräumen, etwa 60 % von ihnen leben in innerstädtischen Ghettos (Zahlen aus Jacob, 1993:19 und Jäggi, 1992:102; vgl. Spatschek et al., 1997:119).
90 Der Aufbau einer Gang, bestehend aus vier hierarchisch gegliederten Ebenen, wird in Thiele/ Taylor, (1998:100ff) dargestellt.
91 Die Autoren unterscheiden drei gängige Organisationsformen, die mit den Strukturen der bestehenden gesellschaftlichen Institutionen Familie, Betrieb und Militär korrespondieren.
92 Eingliederung in verschiedene Zonenangebote, die Aneignung von jugendbestimmten Räumen, die Teilaneignung von Räumen und ihre Umdefinition (Baacke, 1987:116ff).
93 vgl. Sommer, C. M./ Winter, T. : Menschen, Stile, Kreationen. Frankfurt a.. M. 1986.
94 Farin gibt eine kurze „Gangstarism- History“, die eine Sammlung von Medienberichten über Festnahmen, Klagen, Bewährungsstrafen, Mord- Delikten und Gefängnisstrafen amerikanischer Rapper darstellt (Farin, 2001:150f). Dies veranschaulicht das große öffentliche Interesse am „Gangstertum“.
95 vgl. Park, R.E./ Mackenzie, R.D. (eds.): The City. Chicago 1967. Wichtige Beiträge der Human Ecology der ChicagoSchool of sociology haben Park, Burgess oder Kenzie in den 20er Jahren geleistet.
9 6 vgl. Jankowki, M. S.: Islands in the street. Gangs and American Society. Berkeley 1991. Sanchez führt das Beharrungsphänomen auf einen spezifischen Sozialcharakter zurück, der sich in ethnischen Enklaven aufgrund von Armutsbedingungen und sozialen Mißständen herausbildet. Diesen definiert er genauer als „herausfordernden Individualismus“ (vgl. Tertilt, 1996:84).
97 Robert Park und Ernest Burgess (Introduction to the science of sociology. Chicago 1921) beschrieben den Akkulturationsprozess als „race- relation cycle“ mit seinen vier Entwicklungsstufen „Kontakt“, „Wettbewerb“, „Anpassung“ und „Angleichung“ (Tertilt, 1996:82).
98 Herlyn, U.: Großstadtstrukturen und ungleiche Lebensbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland. Verteilung und Nutzung sozialer Infrastruktur. Frankfurt/ M. 1980.
99 Trasher bezeichnet die aneinander grenzenden und sich überschneidenden Territorien als „Gangland“.
100 Seidel- Pielen und Farin nennen den Film „Warrior“, der für eine solche Entwicklung in Deutschland „Vorbildcharakter“ erlangte.„Warrior“ handelt von acht Kindern aus einem amerikanischen Slumviertel, die sich mit rivalisierenden Gangs gewaltsam auseinander setzen (1991:26).
101 Stonequist, E. V.: The Marginal Man: A Study in Personality and Culture Conflict. In: Burgess, E. W./ Bogue, D. J. (Hrsg.): Contributions to Urban Sociology. Chicago 1964, S. 335.
102 Popp (1994) untersucht Lebensentwürfe Jugendlicher in Deutschland aus einer nationalitätenvergleichenden Perspektive. Dabei bezieht sie sich auf türkische Jugendliche, da diese Gruppe an allgemeinbildenden Schulen, an denen die Untersuchung durchgeführt wurde, die größte ist (vgl. Kapitel 7).
103 Migration (lat. migratio- Einwanderung)- die Migrations- Geschichte ausländischer Arbeitnehmer begann in der Bundesrepublik Deutschland vor 40 Jahren. Ab 1955 wurden Anwerbervereinbarungen zur Aufnahme von Gastarbeitern getroffen. Seit 1971 ist die aus der Zuwanderung aus der Türkei hervorgegangenen Bevölkerung mit 2,1 Millionen Menschen im Jahr 2000 die größte (vgl. Bundesausländerbeauftragte, Bericht, 2000:233). Acht Zehntel der Ausländer leben in westdeutschen Großstädte, dort verteilen sie sich ungleichmäßig auf benachteiligte Stadtteile mit Erneuerungsbedarf (vgl. Storz/ Reißlandt, 2002:30).
104 Andrea Böhm berichtet in „Flucht nach Berlin“ über das türkische Mädchen Ayse, Mitglied der weiblichen Gang „Ghetto Sisters“. In: Farin/ Seidel- Pielen, 1991:37ff oder Brigitte 19, 1990: 125- 132, „Ghetto Sisters“.
105 Diese Aussagen beruhen auf Untersuchungen, die sich vorwiegend mit türkischen Gangs auseinander setzen und nicht generalisierend auf alle Gangs übertragen werden können.
106 Posse ist eine Form der Selbstorganisation, die in der Tradition der Gangs steht, in denen sich alternative und lokal begrenzte Identitäten herausbilden. Der Begriff der Posse verweist auf den Ursprung des US- amerikanischen Gang- Phänomens in der Welt des Wilden Westens, denn er findet vor allem im Western- Genre Verwendung (vgl. SPoKK, 1997:143).
107 vgl. Berry, V. T.: Rap Music, Self Concept and Low Income Black Adolescents. In: Popular Music and Society 14 (1990), S. 106.
108 Hood- Abkürzung für „neighborhood“ (engl. Nachbarschaft).
109 Credibility- (engl.) Bezeichnung für Glaubwürdigkeit; im HipHop übliche Bezeichnung; „Die `Glaubwürdigkeit` der Band, die je nach Popgenre an unterschiedliche Mythen geknüpft ist; z.B. „von der Straße kommen“, keinen „Sell Out“ zu betreiben, ein „Rebell“ zu sein“ (Dufresne, 1992:442).
110 Fettes Brot „Nordisch by nature“ (1995); Massive Töne “Mutterstadt” (1996) (vgl. Verlan , 2000:50ff).
111 Pirouette auf dem Kopf- stellt eine bestimmte Bewegungsabfolge im Breakdance dar.
112 „Oral culture“ und „literate culture“ versteht Sidran allerdings nicht als voneinander getrennte, oppositionelle Kulturen (1993:18 f). Der unterschiedliche Stellenwert, den orale Formen der Kommunikation und Wahrnehmung in beiden Kulturen zukommt, führt von Seiten der westlichen Kultur zu einer Beurteilung dieser Form der Wahrnehmungsorientierung als defizitär (Sidran, 1993:19).
113 vgl. Gates, Jr., H. L.: Figures in Black. Words, Signs and the “Racial” Self. Oxford 1989.
114 Mit der Einklammerung des letzten Buchstabens „g“ will Gates auf die schwarze Dekonstruktion der dominanten Sprache der Weißen hinweisen; zugleich intendiert er damit, die Bedeutung der gesprochenen Sprache der Black Community, in der das „g“ stimmlos ist, hervorzuheben.
115 Der Begriff der Signifikation als Bedeutungsprozess ist seit de Saussure ein wichtiger Aspekt zeitgenössischer Theorien. Gates stellt heraus, dass dieser Begriff sich mit dem 200 Jahre alten Begriff aus der schwarzen vernacular Tradition, d.h. der mündlichen Tradition des schwarzen Sprechens bzw. seiner spezifischen Rhetorik, überschneidet; Anmerkung: vernacular bezeichnet ein Äquivalent zum Dialekt, das sich über die Sprache hinaus auf alle symbolischen Formen erstreckt (vgl. Diederichsen, 1993, Glossar).
116 Varianten von Esu existieren in Form der Trickster- Figuren Exu in Brasilien, Echu- Elegua auf Kuba, Papa- Legba aus dem Loa- Pantheon der Vaudou auf Haiti und Papa La Bas in den USA. Sie alle sind göttliche Vermittlerfiguren, die den Menschen den Willen der Götter vermitteln und den Göttern die Wünsche der Menschen. In der westlichen Mythologie ist Hermes als Ausleger der göttlichen Worte sein nächster Verwandter (hier ist der Begriff Hermeneutik begründet) (Gates, 1992:178f).
117 Malcolm X polarisiert in seiner Rede die Charaktere von „Field Negro“ und „House Negro“. Er erinnert damit an eine in der Sklavenzeit entstandene spezifische Mentalität und ruft zur individuellen oder kollektiven Rückeroberung des schwarzen Selbstbewusstseins auf (vgl. Jacob, 1996: 48f).
118 Im Mai 1992 kam es in South Central, Los Angeles nach dem gerichtlichen Freispruch von Polizisten, die den Afroamerikaner Rodney King brutal zusammengeschlagen hatten, zu brutalen Ausschreitungen. Es wurden 55 Menschen getötet, 2383 Menschen verletzt und 13505 Personen festgenommen (vgl. Dufresne, 1992:444).
119 Ein weiteres Beispiel ist Scholly D´s Track „Signifyin´Rapper“, in dem die Legende vom Affen, Löwen und Elefanten aufgegriffen wird (Bärnthaler, 1998:4).
120 Beispiele sind „Who protects us from you“ von KRS- One, “Fuck the police” von NWA, “Illegal Search” von LL Cool J, “Cop Killer” von Ice T oder Geto- Boys “Crocked Offcer”; vgl. Rose, 1994:102ff.
121 Scott, J. C.: Domination and the arts of resistance: Hidden Transcripts. New Haven 1990.
122 “(…) the dominant `public´ transcript (…) supports the established social order (…) ” (Scott, 1990; zitiert nach: Rose, 1994:100).
123 Der Rapkünstler LL Cool J äußert sich verärgert, dass schon der Geschichtsunterricht das Selbstbewusstsein schwarzer Amerikaner untergräbt, indem er bei der Sklaverei beginnt und nicht etwa bei der Geschichte Ägyptens. Schwarze Afrikaner als Begründer einer der antiken Weltkulturen, das sollte vermittelt werden“ (vgl. Batschari, 1996:37).
124 vgl. Volosinov, V. N. : Marxismus und Sprachphilosophie. Frankfurt/ M. 1975.
125 Der Begriff „Macho“ wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit als Bezeichnung von Jungen/ Männern benutzt, die an traditionellen Rollenvorstellungen unreflektiert festhalten und auf ihre männliche Vormachtstellung bestehen (vgl. Sielert, 1989:16).
126 vgl. Wallace, M.: Black Macho and the Myth of the Superwoman. New York 1978.
127 Majors, R.G: Conclusion and Recommendations. In: Majors, R. (Hrsg.): The American Black Male. Chicago 1994.
128 Beispiele dafür sind Shante´ und Grand Daddy U, YoYo, die ihr Debut auf Ice Cubes „Amerikkka´s Most wanted“ hatte und Sister Souljah, die sich musikalisch und ideologisch über Public Enemy definerte (vgl. Glowania/ Heil, 1996:99).
129 Inzwischen gibt es erfolgreiche Rapperinnen und Produzentinnen wie „Missy Elliot“, die sich selbst als bitch (engl. Schlampe, s.u.) bezeichnet.
- Arbeit zitieren
- Kirsten Kottmann (Autor:in), 2002, HipHop als Jugend(sub)kultur in Deutschland?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20515
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