"Der Geist, den die Kantische Schrift zum ewigen Frieden atmet, muß jedem Freunde der Gerechtigkeit wohltun, und noch die späteste Nachwelt wird auch in diesem Denkmale die erhabene Gesinnung des ehrwürdigen Weisen bewundern."
Dies schrieb Friedrich Schlegel zu seiner Zeit, vorausahnend, dass auch heute noch die von Immanuel Kant verfasste und Ende 1795 erschienene Schrift Zum ewigen Frieden thematisch aktuell sein und vielerorts zitiert werden wird. Wie auch mit dem vorausgegangenen Referat soll mit dieser Ausarbeitung ein grober Überblick über diese Kantische Friedensschrift gegeben werden. Nachdem im zweiten Abschnitt der historische Kontext zur Zeit der Erstveröffentlichung erläutert wird, sowie Anmerkungen zum Titel und Aufbau des Werkes gemacht werden, folgt eine nahe am Text arbeitende Erläuterung zu den einzelnen Kapitel der Friedensschrift. Schwerpunkte der Bearbeitung die Präliminar- und Definitivartikel sein, so dass die Darstellung des Anhangs – der nach Meinung vieler Autoren auch als eigenständige Abhandlung gelesen werden kann – weitaus geringer ausfallen wird.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Zum historischen Kontext, Titel und Aufbau des Werkes
2.1 Historischer Kontext
2.2 Titel und Thema
2.3 Stil und Aufbau
3. Die Vorbedingungen des Friedens - Zur Deutung der Präliminarartikel.
3.1 Der vorbehaltlose Frieden - Erster Präliminarartikel
3.2 Staatliche Souveränität - Zweiter Präliminarartikel
3.3 Abrüsten statt Wettrüsten - Dritter Präliminarartikel
3.4 Staatsverschuldung - Vierter Präliminarartikel
3.5 Interventionsverbot - Fünfter Präliminarartikel
3.6 Zur Stellung des Rechts im Krieg - Sechster Präliminarartikel
4. Prinzipien der Weltrepublik – Zur Deutung der Definitivartikel
4.1 Zum Staatsrecht - Erster Definitivartikel
4.2 Zum Völkerrecht - Zweiter Definitivartikel
4.3 Zum Weltbürgerrecht - Dritter Definitivartikel
5. Natur und Politik/ Philosophie und Politik
5.1 Natur und Politik (Zusatz 1: Von der Garantie des ewigen Friedens)
5.2 Philosophie und Politik (Zusatz 2: Geheimer Artikel zum ewigen Frieden)
6. Der Zusammenhang von Moral, Recht und Politik (Anhang)
7. Fazit
Literaturverzeichnis, Internetquellen
1. Einleitung
"Der Geist, den die Kantische Schrift zum ewigen Frieden atmet, muß jedem Freunde der Gerechtigkeit wohltun, und noch die späteste Nachwelt wird auch in diesem Denkmale die erhabene Gesinnung des ehrwürdigen Weisen bewundern."[1]
Dies schrieb Friedrich Schlegel zu seiner Zeit, vorausahnend, dass auch heute noch die von Immanuel Kant verfasste und Ende 1795 erschienene Schrift Zum ewigen Frieden thematisch aktuell sein und vielerorts zitiert werden wird. Wie auch mit dem vorausgegangenen Referat soll mit dieser Ausarbeitung ein grober Überblick über diese Kantische Friedensschrift gegeben werden. Nachdem im zweiten Abschnitt der historische Kontext zur Zeit der Erstveröffentlichung erläutert wird, sowie Anmerkungen zum Titel und Aufbau des Werkes gemacht werden, folgt eine nahe am Text arbeitende Erläuterung zu den einzelnen Kapitel der Friedensschrift. Schwerpunkte der Bearbeitung die Präliminar- und Definitivartikel sein, so dass die Darstellung des Anhangs – der nach Meinung vieler Autoren auch als eigenständige Abhandlung gelesen werden kann – weitaus geringer ausfallen wird.
2. Zum historischen Kontext, Titel und Aufbau des Werkes
Es folgt eine knappe historische Verortung sowie die Erläuterung zu Titel und Aufbau.
2.1 Historischer Kontext
Immanuel Kant, geboren am 22. April 1724 in Königsberg und gestorben am 12. Februar 1804 ebenda, ließ seine Friedensschrift 19 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung der USA und sechs Jahre nach der Französischen Revolution veröffentlichen. Er lebte somit in einer Zeit der Umbrüche, in der Epoche der Aufklärung. Unter diesem Eindruck behandelt Kant im Zuge seiner Vernunftkritik u.a. die Frage, wie das Wissen des Menschen praktisch werden kann.[2] Kant versucht dabei nicht nur zu klären, ob der Mensch sich auch in seiner öffentlichen Wirksamkeit nach seinen Einsichten richten soll, sondern ob er dies, „nach allem, was er über sich, seine Natur und Geschichte in Erfahrung gebracht hat, tatsächlich kann.“[3] Auf diese Schrift bezogen, lautet Kants Frage konkret: Wie ist ein dauerhafter Frieden zwischen Staaten möglich?[4] Mit dieser Frage knüpft Kant direkt an die Verhältnisse seiner Zeit an. Denn am 05. April 1795 einigte sich Preußen im Friedensvertrag zu Basel mit dem revolutionären Frankreich, wobei klar war, dass sich beide Seiten nur Entlastung für andere Kriegsfronten verschafften und keinen dauerhaften Frieden beabsichtigten.[5]
2.2 Titel, Thema und Aufbau
Das Titelwort der hier noch zu erläuternden Schrift Zum ewigen Frieden lässt zu Zeiten Kants auf ein philosophisch noch recht marginales Thema schließen, da der Friede vor Kant kein philosophischer Grundbegriff war, wenngleich der dauerhafte Friede eine existentielle Aufgabe von hohem moralischen Rang darstellte.[6] Höffe konstatiert, dass erstmalig durch Kant der Friede programmatisch zu einem philosophischen, nicht mehr theologischen Grundbegriff wird, der seinen Schwerpunkt in politischer Rechts- und Staatsphilosophie hat. So darf auch das ewig im Titel nicht theologisch oder übergeschichtlich gedeutet werden.[7] Vielmehr bezieht sich das Wort auf eine bestimmte Qualität des Diesseits. Es geht um Frieden ohne jeden Vorbehalt, ernsthaft und ohne Einschränkung, den Frieden schlechthin.[8] Von diesem Verständnis ausgehend entwickelt Kant eine globale Friedensordnung auf Grundlage einer ebensolchen Rechtsordnung. Dabei - so der Untertitel - nimmt er Distanz zu den Macht habenden Politikern seiner Zeit und spricht als Philosoph.
Obwohl die Friedensschrift wahrscheinlich aus politischen Anlass, dem Basler Frieden, entstand, kann sie nicht als politische Gelegenheitsschrift verstanden werden. Vielmehr weist sie Züge einer vollständigen Rechts- und Staatsphilosophie auf und enthält Prinzipien ihrer Umsetzung in reale Politik.[9] Kant verzichtet auf religiöse Motive und politischer Schwärmerei, stattdessen erkennt er ein Grundelement des Politischen, den Konflikt, an. Darauf aufbauend erklärt Kant, dass dort Friede herrschen soll, wo nach rechtsmoralischen Grundsätzen mit Konflikt umgegangen wird. Damit wird der ewige und somit auch immer global gedachte Frieden zu einer unmittelbaren, rechtsmoralischen, der Vernunft folgenden Pflicht erhoben. So verurteilt Kant den Krieg im Namen des Menschenrechts und plädiert für eine völkerrechtliche Ordnung. Sein Argumentationsschwerpunkt liegt somit auf der institutionellen Sicherung des Friedens, geschaffen durch ein System der wechselseitigen Rechtsgarantien. Kernthese ist, dass der Rechtsfriede im äußeren Verhältnis der Staaten nur dauerhaft sein kann, wenn auch in deren Inneren die Bedingungen rechtsstaatlicher Art sind. Gerhardt spricht in diesem Zusammenhang auch von Kants Rechtslehre vom Weltfrieden.[10]
Doch wie stellt sich Kant den ewigen Frieden vor? Um dies zu beantworten, um zu klären welche Voraussetzungen erfüllt, welche Maßnahmen von wem ergriffen werden müssen, entwirft Kant seine Friedensschrift nach dem Muster damaliger Friedensverträge.[11] Er erstellt ein Vertragswerk, bestehend aus sechs Präliminar- und drei Definitvartikeln. Letztere stellen den Schwerpunk dar, indem sie „die vernunftrechtliche positive Forderungen darstellen, deren Erfüllung nicht sofort zu erwarten ist.“[12] Es folgen zwei Zusätze sowie ein zweiteiliger Anhang.
3. Die Vorbedingungen des Friedens - Zur Deutung der Präliminarartikel
Die Weltlage lieferte und liefert auch heute stets aktuelle Anlässe, um sich mit Krieg und Frieden zu befassen. Zur Zeit der Aufklärung standen sich die europäischen Staaten hochgerüstet gegenüber und hatten, in Fortsetzung ihrer bisherigen Politik, Vorwände genug, weiterhin gegeneinander Krieg zu führen.[13] Nun wäre es ein Leichtes, Zustände zu beschreiben unter denen zukünftig kein Krieg mehr stattfinden bräuchte, doch eine solche utopische Darstellung schlägt Kant nicht ein. Denn er sieht ein, dass in der eigenen Gegenwart Maßnahmen für den ewigen Frieden eingesetzt werden müssen. Wie diese Maßnahmen auszusehen haben, die für jeden Machthaber ohne Ausnahme zu gelten haben, führt Kant in den im Folgenden zu beschreibenden Präliminarartikeln vor.
Kant selbst unterscheidet die Artikel dahingehend, dass Artikel eins, fünf und sechs keinen Aufschub dulden und auf sofortiger Abschaffung drängen, während Artikel zwei, drei und vier der politischen Auslegung unter Kenntnis der Umstände und eines Urteils über die gegebenen Möglichkeiten bedürfen. In Rücksicht auf diese Einsicht, wird die Aufschiebung der Vollführung erlaubt, ohne, dass der eigentliche Zweck aus den Augen zu verlieren sei.[14]
Für Höffe deutet sich hier eine Theorie an, die eine Politik übereilter Maßnahmen kritisiert.[15] Denn trotz „generelle[r] Ächtung des Krieges macht Kant sich die Mühe, das Geächtete, solange es noch wirklich ist, zu reformieren.“[16]
Die geforderte Veränderung des Krieges des Friedens willen, eine friedensfunktionale Kriegsreform, findet zudem kaum Vorgänger.
3.1 Der vorbehaltlose Frieden - Erster Präliminarartikel
Um nicht nur Waffenstillstand zu erreichen, sondern einen wahren Frieden, der das Ende aller Feindseligkeiten (Hostilitäten) bedeutet, bedarf es folgender Voraussetzung: „Es soll kein Friedensschluss für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden.“[17] D.h. Vor- und Elementarbedingung des Friedens ist, ihn wirklich, d.h. ernsthaft und beharrlich zu wollen.
In der weiteren Ausführung appelliert Kant auch an das Selbstverständnis der politischen Akteure und greift somit den Inhalt des Anhangs vorweg. Denn es müsse unter der Würde der Regierenden und der Minister liegen, sich solcher Tricks zu bedienen.[18] D.h., der Anspruch auf Wahrhaftigkeit verstärkt sich in einem öffentlichen Amt durch rechtliche Verbindlichkeiten und einem hohen moralischen Anspruch durch die Repräsentativität der Aufgaben. Somit korrespondiert die Würde des Amtes mit der Ehre des Staates, da die regierenden als politische Subjekte zugleich öffentliche Verantwortung haben, die institutionell gebunden ist. Folglich bedeutet dies, dass Lügen und/oder geheime Vorbehalte nicht ein Recht sein dürfen, da sie die öffentlich-rechtliche Sphäre vernichten würden.[19]
3.2 Staatliche Souveränität - Zweiter Präliminarartikel
Ebenso fordert Kant, dass die Staaten Souveränität erhalten und nicht verdinglicht werden können. Daher stellt der zweite Präliminarartikel folgende Bedingung: „Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder groß, das gilt hier gleichviel) von einem andern Staate durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können.“[20] Denn Kant definiert den Staat als „eine Gesellschaft von Menschen, über die niemand anders, als er selbst, zu gebieten und zu disponieren hat.“[21] Da Staaten ein Verhältnis zu sich selbst haben, sind sie für sich bestehende und somit souveräne Einheiten. Denn der Wille der Bevölkerung stellt sich durch die eigene Regierung dar und Regieren ist ein aktives Selbstverhältnis, eine ausdrückliche Verfügung einer Körperschaft über sich selbst. Somit haben auch die Bewohner selbst zu entscheiden, unter welchen Bedingungen sie leben wollen. Dafür aber muss ihr Staat unabhängig vom Willen anderer Staaten und eigenständig sein. Heutzutage gehört die gegenseitige Achtung der Souveränität der Staaten zu den anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts. So basiert die UN-Charta nach Artikel 2(1) auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit ihrer Mitglieder.[22]
3.3 Abrüsten statt Wettrüsten - Dritter Präliminarartikel
Eine weitere Vorbedingung für das Erreichen des ewigen Friedens ist die Abschaffung stehender Heere. Auch hier zeigt sich die mittelfristige Perspektive Kants. So fordert Kant: „Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören.“[23] Als stehende Heere werden hierbei Berufsarmeen, also alle auf Dauer eingestellten Armeen verstanden bzw. Söldnerheere. Denn diese bedrohen durch ihre bloße Existenz und ihrer damit einhergehenden Bereitschaftshaltung andere Staaten permanent mit Krieg. Dies reizt wiederum zum Auf- bzw. Wettrüsten an. Da zudem ein solches Wettrüsten hohe Kosten verursacht, kann ein kurzer Krieg als weniger drückend empfunden werden als der Friede.[24] Eine weitere Gefahr sieht Kant darin, dass Berufsarmeen dem Staat ein Bewusstsein von Stärke verleihen, was zu einem Krieg verführen kann. Hinzu kommt, dass das Söldernerwesen einen direkten Verstoß gegen das Zweck-an-sich-selbst-Sein des Menschen bedeutet, da diese instrumentalisiert werden.[25]
[...]
[1] Schlegel, Friedrich: zit. nach: Malter, Rudolf 2005. S. 84.
[2] Vgl. Gerhardt, Volker 1995. S. 1-7. Hier auch Näheres bzgl. der Verortung der Schrift in Kants Gesamtwerk.
[3] Gerhardt, Volker 1995. S. 6.
[4] Vgl. Klemme, Heiner F. 2004. S. 100.
[5] Vgl. Patzig, Günther 1996. S. 14f.
[6] Vgl. Höffe, Ottfried 2001. S. 164.
[7] Vgl. Gerhardt, Volker 1995. S. 42f.
[8] Vgl. Kant, Immanuel 2005. S. 3f.
[9] Vgl. Höffe, Ottfried 2001. S. 163.
[10] Vgl. Gerhardt, Volker 1995. S. 12f.
[11] Vgl. Gerhardt, Volker 1995. S. 8.
[12] Klemme, Heiner F. 2004. S. 101.
[13] Vgl. Gerhardt, Volker 1995. S. 41f.
[14] Vgl. Kant, Immanuel 2005. S. 8.
[15] Vgl. Höffe, Ottfried 2001. S. 166.
[16] Höffe, Ottfried 2001. S. 166.
[17] Kant, Immanuel 2005. S. 3.
[18] Vgl. Kant, Immanuel 2005. S. 4.
[19] Vgl. Gerhardt, Volker 1995. S. 45.
[20] Kant, Immanuel 2005. S. 4.
[21] Kant, Immanuel 2005. S. 4.
[22] Vgl. Internetquelle 1.
[23] Kant, Immanuel 2005. S. 5.
[24] Kant, Immanuel 2005. S. 5.
[25] Vgl. Beestermöller, Gerhard 1995. S. 89.
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- Nika Ragua (Author), 2008, Überblick zur Friedensschrift "Zum Ewigen Frieden" von Immanuel Kant, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204272
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