„Zu Beginn des 21. Jahrhundert steht der Begriff Kreativität hoch im Kurs und das Schöpferische
wird als grundlegend positiver Wert angesehen.“ (Holm‐Hudalla, 2011, S. 7) Im wirtschaftlichen Zusammenhang ist dieser Wert von besonderem Interesse, da durch menschliche
Kreativität neue und bessere Produkte, Dienstleistungen und unternehmensinterne Prozesse geschaffen und somit hohe Gewinnmargen und machtvolle Marktpositionen erzielt
werden können. Prominente Beispiele für den Erfolg guter Ideen in neuen Märkten sind Facebook und Google, die binnen weniger Jahre mittels einer guten Idee und einer
geschickten Umsetzung dieser einen Unternehmenswert von 100 und 200 Milliarden US-Dollar erreichen konnten. (vgl. Greive, Seibel & Zschäpitz, 2012)
Aber auch Innovationen, die nicht in erster Linie die Gewinnerzielung fokussieren, werden immer stärker nachgefragt, um die zunehmenden gesellschaftlichen und umweltbezogenen Probleme auf der Welt zu lösen. Da z.B. der Hunger einer immer größeren Anzahl von Menschen
auf der Erde immer weniger durch die konventionellen Anbaugebiete befriedigt werden kann, haben Hohenheimer Forscher das Konzept des Skyfarming entwickelt, das den
umweltschonenden Reisanbau auf 50 Etagen ermöglicht. (vgl. Südwestrundfunk, 2012)
Mit der zunehmenden Notwendigkeit der Generierung von neuen Geschäftsideen steigt auch die Nachfrage an Konzepten und Methoden, die bei der Ideengenerierung unterstützen und Handlungsempfehlungen in diesem Zusammenhang geben. Heutige Konzepte, die für die Generierung von Geschäftsideen eingesetzt werden können, sind dabei stark heterogen und kaum in einem vereinheitlichenden Ansatz zusammenzubringen oder untereinander zu vergleichen. Außerdem besteht trotz der vielfältigen Ansätze weiterhin Unzufriedenheit,
was sich nicht zuletzt in der Entwicklung ständig neuer praxisbezogener Entwürfe und Kreativitätstechniken äußert. Wirklich erfolgreiche Geschäftsideen scheinen allerdings sowieso nicht im Rahmen der Anwendung von Kreativitätsmethoden zu entstehen, was eine Analyse der Geistesblitz‐Momente von 42 erfolgreichen ‚kreativen Zerstörern‘1 zeigt, welche ihre Ideen z.B. bei Reisen, dem gemütlichen Beisammensein oder dem Erkennen
der Probleme anderer hatten. (vgl. Financial Times Deutschland, 2008)
Es fällt auf, dass die bestehenden Ansätze größtenteils auf theoretischen Überlegungen aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts basieren, was nur eine begrenzte Perspektive zulässt. [...]
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen Geschäftsideen
2.1 Begriff Geschäftsidee
2.2 Geschichte und Bedeutung der Geschäftsidee
3 Konzepte zur Ideengenerierung
3.1 Begriff Kreativität
3.2 Determinanten kreativen Denkens
3.3 Psychologische Theorien
3.4 Soziologie, System- und Chaostheorie
3.5 Theorien der Innovationsforschung
3.6 Betriebswirtschaftliche Ansätze der Geschäftsideengenerierung
3.6.1 Innovationsmanagement
3.6.2 Entrepreneurship
3.6.3 Gegenüberstellung von Entrepreneurship und Innovationsmanagement
4 Neurowissenschaftliche Forschungen zur Ideengenerierung
4.1 Grundlegende neuronale Strukturen und Prozesse bei der Ideengenerierung
4.1.1 Strukturen des Gehirns
4.1.2 Hemisphärendominanz
4.1.3 Frontaler Kortex
4.1.4 Tempo-Parietaler Kortex
4.2 Preparation – Wahrnehmung und Gedächtnis
4.2.1 Wahrnehmung
4.2.2 Lernen und Gedächtnis
4.3 Inkubation – Motivation und Aufmerksamkeit
4.3.1 Motivation
4.3.2 Aufmerksamkeit
4.3.3 Schlaf
4.4 Illumination – Insight-Erlebnis
4.5 Personenbezogene Dispositionen und Einflüsse
4.6 Vernetzte Gehirne
4.7 Zwischenfazit
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Steile und Flache Assoziationshierarchien in Mednicks Theorie
Abbildung 2: Das Entstehen einer Bisoziation
Abbildung 3: Beispiel eines Torrance-Tests of Creative Thinking
Abbildung 4: Der systemische Blick auf Kreativität
Abbildung 5: Der Innovationsprozess nach Wahren
Abbildung 6: Ideentrichter
Abbildung 7: Frühe Phasen des Entrepreneurships
Abbildung 8: Relevante Strukturen des menschlichen Gehirns für die Generierung von Ideen
Abbildung 9: Hierarchische Struktur der Informationsverarbeitung im Gehirn
Abbildung 10: Das dopaminerge System
Abbildung 11: Alpha-Aktivität der Hirnbereiche bei der Ideengenerierung
Abbildung 12: Ablauf einer Entspannungsübung des Alpha-Plan
Abbildung 13: Aufgabenbezogene Stärke (TRP) der Alphasynchronisation beim
divergenten Denken
Abbildung 14: Erhöhte Aktivierung des anterioren superioren temporalen Gyrus der rechten Hemisphäre bei Problemlösungen mit Insight
Abbildung 15: Alpha und Gamma-Aktivität vor einem Insight-Erlebnis
Abbildung 16: Neuronale Alpha-Aktivität bei verschiedenen Aufgaben
Abbildung 17: Hirnaktivität bei der Bearbeitung von Kreativitätstests von höher oder weniger kreativen Personen
Abbildung 18: Methode und Ergebnisse des divergenten Denktrainings
Abbildung 19: Extern bewertete Originalität der Ideen in Bezug auf die Originallität der Stimulus-Idee
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Mögliche Frage im RAT
Tabelle 2: Übersicht Kreativitätstechniken
Tabelle 3: Gehirnwellen und Frequenzen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
„Zu Beginn des 21. Jahrhundert steht der Begriff Kreativität hoch im Kurs und das Schöpferische wird als grundlegend positiver Wert angesehen.“ (Holm-Hudalla, 2011, S. 7) Im wirtschaftlichen Zusammenhang ist dieser Wert von besonderem Interesse, da durch menschliche Kreativität neue und bessere Produkte, Dienstleistungen und unternehmensinterne Prozesse geschaffen und somit hohe Gewinnmargen und machtvolle Marktpositionen erzielt werden können. Prominente Beispiele für den Erfolg guter Ideen in neuen Märkten sind Facebook und Google, die binnen weniger Jahre mittels einer guten Idee und einer geschickten Umsetzung dieser einen Unternehmenswert von 100 und 200 Milliarden US-Dollar erreichen konnten. (vgl. Greive, Seibel & Zschäpitz, 2012)
Aber auch Innovationen, die nicht in erster Linie die Gewinnerzielung fokussieren, werden immer stärker nachgefragt, um die zunehmenden gesellschaftlichen und umweltbezogenen Probleme auf der Welt zu lösen. Da z.B. der Hunger einer immer größeren Anzahl von Menschen auf der Erde immer weniger durch die konventionellen Anbaugebiete befriedigt werden kann, haben Hohenheimer Forscher das Konzept des Skyfarming entwickelt, das den umweltschonenden Reisanbau auf 50 Etagen ermöglicht. (vgl. Südwestrundfunk, 2012)
Mit der zunehmenden Notwendigkeit der Generierung von neuen Geschäftsideen steigt auch die Nachfrage an Konzepten und Methoden, die bei der Ideengenerierung unterstützen und Handlungsempfehlungen in diesem Zusammenhang geben. Heutige Konzepte, die für die Generierung von Geschäftsideen eingesetzt werden können, sind dabei stark heterogen und kaum in einem vereinheitlichenden Ansatz zusammenzubringen oder untereinander zu vergleichen. Außerdem besteht trotz der vielfältigen Ansätze weiterhin Unzufriedenheit, was sich nicht zuletzt in der Entwicklung ständig neuer praxisbezogener Entwürfe und Kreativitätstechniken äußert. Wirklich erfolgreiche Geschäftsideen scheinen allerdings sowieso nicht im Rahmen der Anwendung von Kreativitätsmethoden zu entstehen, was eine Analyse der Geistesblitz-Momente von 42 erfolgreichen ‚kreativen Zerstörern‘[1] zeigt, welche ihre Ideen z.B. bei Reisen, dem gemütlichen Beisammensein oder dem Erkennen der Probleme anderer hatten. (vgl. Financial Times Deutschland, 2008)
Es fällt auf, dass die bestehenden Ansätze größtenteils auf theoretischen Überlegungen aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts basieren, was nur eine begrenzte Perspektive zulässt. Denn die in den letzten Jahrzehnten durchgeführten Forschungen im Bereich der Neurowissenschaften, welche bereits andere psychologische Theorien widerlegt oder stark verändert haben, haben noch keinen Einzug in die heutigen Konzepte gefunden.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, bestehende Ideengenerierungskonzepte aufzuzeigen, und ihre Grundannahmen und Kernaussagen in einem ersten Teil darzustellen. Im zweiten Teil der Arbeit werden relevante neurowissenschaftliche Untersuchungen zu den bestehenden Konzepten in Bezug gesetzt und zugrundeliegende Theorien, Grundannahmen und Empfehlungen überprüft. Das Ziel ist es, Aussagen für die Auswahl bzw. Modifikation der bestehenden Konzepte zu treffen.
Die deskriptive Forschungsfrage des ersten Teils lautet also: „Welche Konzepte zur Beschreibung der Ideengenerierung bestehen aktuell, und wie werden diese in die Betriebswirtschaft übernommen?“
Der zweite Teil, welcher auf die Explikation der Zusammenhänge und die Prognose der erfolgversprechendsten Handlungen abzielt, beschäftigt sich mit der Frage: „Welche Verhaltensweisen können mit Hilfe neurowissenschaftlicher Forschungen im Rahmen der Generierung von Geschäftsideen als förderlich ausgemacht werden, und welche Schlüsse lassen diese auf die Anwendung der bestehenden betriebswirtschaftlichen Konzepte zu?“
Das wissenschaftliche Vorgehen folgt dabei einem normativen Forschungsansatz, der nach einer ersten Deskription der betrachteten Phänomene über die explorative Untersuchung neurowissenschaftlicher Forschungen in der Ableitung von Handlungsempfehlungen mündet. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf einer möglichst breiten Darstellung unterschiedlichster neurowissenschaftlicher Forschungen in Bezug auf die Generierung von Geschäftsideen, um trotz des stark heterogenen Forschungszweigs induktiv auf die generellen Prozesse abstellen zu können.
Um das Vorgehen zu realisieren, ist die Arbeit im Hauptteil in drei Kapitel untergliedert. Dabei folgt einer begrifflichen und geschichtlichen Einordnung des Phänomens Geschäftsideengenerierung in Kapitel zwei, eine Auseinandersetzung mit den wissenschaftlich theoretischen und betriebswirtschaftlich praxisbezogenen Konzepten der Ideengenerierung im dritten Kapitel. Im Folgenden vierten Kapitel werden diese Konzepte nun den neurowissenschaftlichen Forschungen gegenübergestellt und Handlungsempfehlungen abgeleitet.
2 Grundlagen Geschäftsideen
Ziel des aktuellen Kapitels ist eine Definition des Erkenntnisobjektes Geschäftsidee auf Basis einer Begriffsklärung, des geschichtlichen Hintergrunds und der aktuellen Bedeutung. Dabei wird eine Abgrenzung von Ideensammlung und -generierung sowie die Einteilung in marktgerichtete Produktideen und unternehmensgerichtete Geschäfstmodellideen vorgenommen. Anschließend folgt eine geschichtliche Einordnung des Erkenntnisobjektes, zur Verdeutlichung seiner Tragweite, gefolgt von der Verdeutlichung der aktuellen betriebs- und volkswirtschaftlichen Bedeutung und einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.
2.1 Begriff Geschäftsidee
Eine Idee wird im Allgemeinen mit einem Einfall, einer Eingebung bzw. einem schöpferischen Gedanken assoziiert. (vgl. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, 2006, S. 149; Eisler, 1904, www.textlog.de/3988.html) Geschichtlich wurde der Begriff erstmals von Platon geprägt, bezeichnete in diesem Rahmen aber die Art und Transformation von dem Urbild der Ideenwelt zur Sinnenwelt. (vgl. Eisler, 1904, www.textlog.de/7570.html) Anders als Platon geht die moderne Wissenschaft nicht von der Existenz einer Ideenwelt aus, in der Einfälle bereit liegen und nur noch in die wahrnehmbare Welt transferiert werden müssen. Vielmehr wird die Idee mit einer besonderen Denkleistung im menschlichen Gehirn in Verbindung gebracht, welche zu einem neuen und brauchbaren gedanklichen Konzept führt. (vgl. Holm-Hudalla, 2011, S. 71) Je nach der Domäne, auf die sich eine Idee bezieht, kann die Art der Idee genauer klassifiziert werden. Ideen im Zusammenhang mit der Domäne Kunst beziehen sich auf mögliche Ausdrucksformen für Gedanken und Gefühle, in der Wissenschaft auf Forschungsansätze bzw. Erklärungsmöglichkeiten und in der Politik auf gesellschaftliche Einflussnahme. (vgl. Holm-Hudalla, 2011, S. 202ff.)
Ideen im Rahmen eines wirtschaftlichen Systems beziehen sich, folgernd aus den angestellten Überlegungen, immer auf die Bedürfnisbefriedigung angesichts knapper Güter, welche durch die Kommunikationsform Zahlungen mittels eines Zahlungsmittels verwirklicht wird. (vgl. Luhmann, 1994, S. 14ff./59ff.) Die inhärenten Fragestellungen, die zu einer Idee in der wirtschaftlichen Domäne führen, beziehen sich also auf die Art der Bedürfnisbefriedigung einer angebotenen Leistung und der Generierung von Geldflüssen durch diese. Ziel ist eine Leistung, die zu ausgeglichenen oder bestenfalls Überschuss erzielenden Transaktionen mit anderen Elementen des wirtschaftlichen Systems führt: Eine Idee mit der ein Geschäft gemacht wird. (vgl. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, 2006, S. 128; Farlex, 2009)
Da Geschäftsideen auf unterschiedlichen Wegen bzw. durch unterschiedliche Quellen hervorgebracht werden können, hat sich eine Kategorisierung nach dem Prozess des Hervorbringens der Idee etabliert. Dabei werden Ideen entweder im Rahmen einer systematischen Suche gesammelt (Ideenfindung) oder über die Kreation originärer neuer Ideen (Ideengenerierung) entwickelt. (vgl. Wentz, 2007, S. 129ff.; Müller-Prothmann & Dörr, 2009, S. 79ff.)
Bei der Ideenfindung kann weiterhin in externe und interne Quellen unterschieden werden. Werden externe Ideen genutzt, handelt es sich dabei um Lizenznahmen, Innovationskauf, Imitationen, Unternehmensaquisationen, Innovationskooperationen oder Befragungen von Experten bzw. Kunden. (vgl. Hauschildt & Salomo, 2007, S. 67ff.; Jung H., 2006, S. 480; Hartschen, Scherer & Brügger, 2009, S. 25) Die unternehmensinterne Ideenfindung findet beispielsweise mittels firmeninterner Ideenplattformen, Ideenwettbewerben, Befragungen oder Workshops mit Mitarbeitern innerhalb des Unternehmens und entlang der Wertschöpfungskette statt. (vgl. Gaida, 2011, S. 94ff.; Beyer & Seidel, 2006, S. 219; Granig, 2007, S. 34ff.)
Die Ideengenerierung wird entweder im Rahmen der Beauftragung von Experten oder Forschungsinstituten ausgelagert oder unternehmensintern vorgenommen. (vgl. Scharf & Schubert, 2001, S. 107) Eine weitere Unterteilung der Ideengenerierung wird aufgrund der „[…] überaus reichhaltigen Literatur […]“ (Hauschildt & Salomo, 2007, S. 401) in der klassischen Innovationsliteratur nicht vorgenommen. Vielmehr beschränken sich die Autoren auf wenige Ansätze - wie beispielsweise Kreativitätstechniken oder Wissensmanagement - was die Perspektive verengt und ein übergreifendes Verständnis unmöglich macht. (siehe Wentz, 2007, S. 138; Müller-Prothmann & Dörr, 2009, S. 79ff.; Hartschen, Scherer & Brügger, 2009, S. 25) In einigen Publikationen wird, um diesem Problem entgegenzuwirken, der Ansatzpunkt bzw. die Inspiration zu einer Geschäftsidee als weiteres Unterscheidungsmerkmal der Ideengenerierung genutzt. Anregungen für Geschäftsideen bieten nach Disselkamp die Technologie im Rahmen von z.B. Forschungs- und Entwicklungsbemühungen und der Markt, welcher z.B. durch Marktforschung analysiert wird. (vgl. Disselkamp, 2005, S. 40ff.; Baessler, Eversheim, Bauernhansl & Brandenburg, 2003, S. 24) Zusätzlich lässt sich noch eine sinnvolle dritte Komponente Umwelt mit den Bestandteilen Politik, Gesellschaft und Branchenumfeld, wie sie beispielsweise im Rahmen der Szenariotechnik genutzt werden, als mögliche Quelle für Geschäftsideen einführen. (vgl. Gausemeier, Plass & Wenzelmann, 2009, S. 64)
Eine Geschäftsidee kann je nach Perspektive immer in eine Produkt- und eine Unternehmenskomponente unterteilt werden. (vgl. Heesen, 2009, S. 27) Während die Produktidee Aufschluss über die Art der Bedürfnisbefriedigung beim Kunden und somit den Nutzen des Produktes gibt, bezieht sich die Geschäftsmodellidee auf das Unternehmen und auf innerbetriebliche Prozesse, die Art der Marktbearbeitung und das Ertragsmodell. (vgl. Wentz, 2007, S. 13f.; Genge, 2010; Lindemann, 2011, S. 268) Zusammen bilden Produkt bzw. Dienstleistung und Geschäftsmodell die Geschäftsidee.
In der Literatur wird der Begriff Geschäftsidee häufig ausschließlich für Ideen genutzt, die einer Existenzgründung vorrausgehen (siehe Küsell, 2006, S. 33; Plümer, 2006, S. 18; Bleiber, 2009, S. 33ff.), wie auch im Folgenden Beispiel ersichtlich. „Bei einer Geschäftsidee handelt es sich um einen initiierenden Gedanken, als Ausgangspunkt für die Verwirklichung oder Umsetzung einer Existenz- oder Unternehmensgründung.“ (Volkmann & Tokarski, 2006, S. 66)
Im Sinne der oben angestellten Überlegungen, soll die Geschäftsidee in der vorliegenden Arbeit allerdings nicht ausschließlich auf neue Marktteilnehmer, sondern auch für etablierte im Folgenden Sinne gelten: Eine Geschäftsidee bezeichnet eine auf einen Markt bezogene neuartige und angemessene gedankliche Schöpfung, auf deren Basis Transaktionen mit anderen Marktteilnehmern generiert werden können.
2.2 Geschichte und Bedeutung der Geschäftsidee
Die Geschichte der Geschäftsideen und Innovationen wird in der Regel auf Johannes Gutenberg zurückgeführt, der im 15. Jahrhundert nach wirtschaftlichen Anwendungsmöglichkeiten für die von ihm erfundene Druckmaschine suchte und dadurch später zu einem der bedeutendsten Menschen der Weltgeschichte wurde. (vgl. Osterwalder & Pigneur, 2011, S. 9; Berkun, 2010, S. 20)
Bei einer tieferen Recherche der Menschheitsgeschichte finden sich allerdings Hinweise auf eine weitaus länger zurückliegende Kultur der Generierung von Geschäftsideen. So enthält der Handel, den die Karthager im 6. Jhd. v. Chr. mit den Steinzeitvölkern Nordafrikas führten, alle Merkmale einer Geschäftsidee. (vgl. Huss, 2004, S. 348f.) „Die Seefahrer gingen irgendwo an Land und legten ihre Waren ans Ufer. Dann zogen sie sich auf ihre Schiffe zurück und zündeten Rauchsignale an. Sobald die Bewohner des Landes das sahen, kamen sie und legten Gold zu den Waren. Wenn die Katharer mit der Menge des Goldes zufrieden waren, nahmen sie es mit und fuhren davon; wenn nicht warteten sie so lange, bis die Geldleistung stimmte.“ (Piper, 2007, S. 22) Die ersten Tauschhandelsgeschäfte können noch bedeutend weiter, bis auf ca. 10.000 v. Chr. durch Erkenntnisse aus Grabungen in Afrika, zurückverfolgt werden. (vgl. Conway, 2009, S. 62ff.; Piper, 2007, S. 9ff.)
Dass dennoch Gutenberg als geschichtlicher Ausgangspunkt für Geschäftsideen betrachtet wird, ist zu großen Teilen auf die besondere Situation am Ende des Mittelalters in Europa zurückzuführen, die nachhaltig auf das heutige Verständnis von Innovationen einwirkte. Zu dieser Zeit entwickelten sich bestimmte gesellschaftliche Einflussfaktoren, die sich besonders förderlich auf die Entwicklung von Geschäftsideen auswirkten. Zu den bedeutendsten Faktoren gehören private Eigentumsrechte, wirtschaftliche Kapitalbildung und der Aufschwung des Bürgertums. (vgl. Blättel-Mink, 2006, S. 19f.) Erste kapitalistische Merkmale der europäischen Gesellschaft zeigten sich durch den aufkommenden Fernhandel im 13. Jhd. (vgl. Tönnies, 1998, S. 29f.) Erfindungen und Innovationen wie die bereits erwähnte Buchdruckmaschine oder das im 17. Jhd. entwickelte Fernrohr, halfen wiederum bei der Entwicklung der Wissenschaft und brachten im Rahmen der Aufklärung ein noch innovationsfreudigeres Umfeld hervor. (vgl. Braun, 2007, S. 37ff.)
Für die Wirtschaft ist die Weiterentwicklung und auch gewinnorientierte Anwendung der Dampfmaschine durch Watt & Boulton im 18. Jhd. als die größte Veränderung in den letzten Jahrhunderten anzusehen. Im Rahmen der nun möglichen Mechanisierung und Arbeitsteilung wurde eine industrielle Revolution ausgelöst, welche neben unzähligen erfolgreich als Erfindungen umgesetzten Produktideen auch deren wirtschaftliche Verwertung in neuen Geschäftsmodellen förderte. (vgl. Hübner, 2001, S. 31f.; Shane, 2008, S. 3ff.) Diese bedeutenden Entwicklungen lösten durch die neugeschaffenen Möglichkeitsräume für neue Geschäftsideen und deren Realisierung einen verstärkten Anstieg der Wirtschaftsleistung aus. (vgl. Paschke, 2004, S. 200ff.) Überproportionalen wirtschaftlichen Profit kann dabei nur derjenige verwirklichen, der sich die entstandenen Möglichkeitsräume auf einem Markt zu Nutze macht. Einen solchen Unternehmer-Typus skizziert Schumpeter in seinem 1911 erscheinenden Werk: „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ erstmals als Person, die mittels Neukombination von Produktionsfaktoren andere etablierte Marktteilnehmer niederringt. (vgl. Schumpeter, 1934, S. 110f./242)
100 Jahre nach Schumpeters ersten Überlegungen zum ‚Schöpferischer Zerstörer‘ werden wirtschaftliche Entwicklung, Zukunft und Innovationen in einem Atemzug genannt. (vgl. Weber S., 2000, S. 5f.) Einhergehend mit der inflationären Benutzung des Begriffs Innovation als Synonym für Wohlstand und Erfolg entstand ein regelrechtes Innovationsfieber mit immer kürzeren Produktlebenszeiten und einer Beschleunigung der Wirtschaft insgesamt. (vgl. Adam, Geißler & Held, 1998; Blättel-Mink, 2006, S. 17)
Eine 2004 weltweit durchgeführte repräsentative Studie der Boston Consulting Group verdeutlicht, wie sich das Innovationsfieber auf Unternehmen auswirkt. Innovation zählt demnach für drei Viertel der befragten Organisationen zu den wichtigsten drei Themen der Unternehmensstrategie, 40 Prozent sehen es auf Platz eins. (vgl. The Boston Consulting Group, 2006) Unternehmen stehen aufgrund der Zunahme an neuen Produkten und der Verkürzung der Produktlebenszyklen unter hohem Druck, neue Geschäftsideen zu entwickeln, um die Bedarfe der Konsumenten in Hinblick auf Aktualität, Spezialität und Qualität zu befriedigen. Verschärft wird die Situation durch ein hohes Misserfolgsrisiko, da z.B. bei Konsumgütern den Entwicklungsausgaben eine Misserfolgsquote von schätzungsweise 80 Prozent gegenüber steht. (vgl. Scharf & Schubert, 2001, S. 100f.; Maital, 2007, S. 43f.) Dem hohen Risiko steht die Chance auf die Verwirklichung hoher Gewinnmargen gegenüber, was innovative Unternehmen häufig zu den erfolgreichsten ihrer Branche macht. (vgl. Maital, 2007, S. 38)
Volkswirtschaftlich sind Gründungen, die auf neuen Geschäftsideen beruhen, essenziell. Sie erhöhen die Dynamik und die Erneuerungskraft einer Branche, indem sie etablierte Unternehmen in einen Wettbewerb und zur ständigen Verbesserung der Produkte und Dienstleistungen zwingen. Somit können Unternehmensgründungen und etablierte Unternehmen gleichsam neue Wachstumschancen generieren und so die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes sichern. (vgl. Hagen, Kohn & Ullrich, 2011, S. 16f.; Hübner, 2001, S. 31ff.; Albers & Gassmann, 2005, S. 43)
Dennoch beschränken sich etablierte Unternehmen „[…] lieber auf die Perfektionierung bestehender Produkte und Prozesse anstatt auf die Entwicklung neuer Lösungen für sich ändernde Kundenbedürfnisse und Wettbewerbseinflüsse.“ (Disselkamp, 2005, S. 11) Profitieren können davon Unternehmensgründer, die mit unüblichen Ideen bestehende und neue Märkte bearbeiten, wie es z.B. Google, eBay oder Facebook im beginnenden 21. Jhd. verdeutlicht haben. In Deutschland nutzen allerdings nur zwei Prozent aller Gründer die Chance, eine neue oder weiterentwickelte Leistung bzw. Geschäftsmodell zu etablieren, was zum einen an den höheren Risiken, zum anderen aber auch an der Orientierungslosigkeit in Hinblick auf die Generierung erfolgreicher Geschäftsideen liegt. (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.), 2011, S. 1; Küsell, 2006, S. 20ff.)
Zukünftig wird es nach Ansicht vieler Autoren durch aktuelle Megatrends wie Globalisierung und Automatisierung zu einer weiteren Verschärfung der Wettbewerbsbedingungen und Steigerung des Innovationszwangs kommen. (vgl. Pink, 2008, S. 49ff.; Stern & Jaberg, 2010, S. 3) Für ein Unternehmen bzw. einen Existenzgründer steigt also die Notwendigkeit der Generierung qualitativ hochwertiger Geschäftsideen, die einen besonderen Kundennutzen auf der einen und ein intelligentes Geschäftsmodell auf der anderen Seite beinhalten. (vgl. Zysno & Bosse, 2009, S. 121; Pink, 2008, S. 72ff.)
3 Konzepte zur Ideengenerierung
Mit der Generierung von Ideen werden viele Phänomene, wie Kreativität und Fantasie, in Zusammenhang gebracht, welche durch unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen mit zunehmender Bedeutung untersucht werden. Zurückzuführen ist dies auf die steigende Bedeutung neuer Ideen in der Gesellschaft und einen zunehmenden Freiraum zur individuellen Verwirklichung. „Sei es in Erziehung und Unterricht, Wissenschaft, Wirtschaft oder Kultur – Kreativität ist ein grundlegender Bestandteil unseres Lebens.“ (Fink, 2008a, S. 37) Bei der Untersuchung der Eigenschaften und Charakterzüge von Menschen, die in der Gesellschaft als außerordentlich geeignet zur Ideengenerierung gelten, zeigen sich weitere Besonderheiten. So wird ihnen oft eine spezielle Gabe oder ein Talent zugesprochen, welches sich neben der Kreativität auch durch eine hohe Intelligenz gepaart mit einer besonderen Motivation oder Vision, Neugier, Fantasie und Intuition auszeichnet. (vgl. Rapp, 2007, S. 1; Sachs, 2011, S. 4ff.; Simon, 1999, S. 80; F.A. Brockhaus, 2006, S. 684)
3.1 Begriff Kreativität
In der Wissenschaft wird die Ideengenerierung hauptsächlich im Rahmen der Kreativitätsforschung untersucht. Allerdings bestehen bis heute begriffliche Probleme, welche die Untersuchung des ohnehin sehr komplexen Phänomens Kreativität weiter erschweren. „Die Verständnisspanne reicht dabei von alltäglich bis äußerst selten auftretend, von nur qualitativ bis vollkommen quantitativ messbar, von interpersonellen zu von Gruppen generierten Phänomenen.“ (Dresler, 2008, S. 10) Gebraucht wird Kreativität daher eher als prototypischer Begriff, dem wenige Kernannahmen direkt und viele Nebenbedingungen als mehr oder weniger typisch zugeschrieben werden. (vgl. Simon, 1999, S. 59; Funke, 2008, S. 34) Aus den über 400 Definitionen von Kreativität in der Psychologie können folgende Kernannahmen über den Begriff entnommen werden: „Als kreativ werden üblicherweise Leistungen bezeichnet, die sowohl neu, originell oder unerwartet als auch angemessen, zweckdienlich oder wertvoll sind.“ (vgl. Dresler, 2008, S. 15)
Da der Begriff aus vielfältigen und stark facettenreichen Blickwinkeln betrachtet werden kann, scheint es sinnvoll, sich bei der Erforschung auf Detailphänomene zu fokussieren, die generell der Kreativität zugeschrieben werden, sich allerdings untereinander stark unterscheiden. (vgl. Dresler, 2008, S. 17) So scheinen das Malen eines Bildes und das Generieren einer Geschäftsidee vollkommen andere Qualitäten aufzuweisen, obwohl sie beide der Kreativität zugerechnet werden. Wird die ideengenerierende Kreativität betrachtet, wird wie bei vielen anderen Kreativitätsarten die Originalität, Gedankenflüssigkeit, Flexibilität und Ausführung in Bezug auf eine neue bedeutungsvolle Verbindung abgestellt. Bei der Betrachtung des Prozesses der Ideengenerierung wird vordergründig die Wahrnehmung von Paradoxien, Lücken oder Gelegenheiten und die Entwicklung von Alternativen in diesem Rahmen Bezug genommen. (vgl. Fox & Fox, 2000, S. 12ff.)
Neben mehreren psychologischen Teildisziplinen versuchen, nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Ideengenerierung für die Gesellschaft, immer mehr Forschungszweige eine Erklärung für das Phänomen Kreativität zu finden und mögliche Kausalzusammenhänge aufzudecken. (vgl. Holm-Hudalla, 2011, S. 54f.; Vogt, 2010, S. 17) Für die Generierung von Geschäftsideen im speziellen wird meist auf psychologische und wirtschaftswissenschaftliche Ansätze verwiesen, welche durch pragmatisch-kommerzielle Ansätze in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen und Wirtschaftsratgebern mit der direkten praktischen Umsetzung flankiert und teilweise ersetzt werden.
Die folgenden Kapitel geben einen Überblick über die existierenden Konzepte zur Erklärung und Nutzung der Kreativität zur Ideengenerierung und grenzen diese voneinander ab.
3.2 Determinanten kreativen Denkens
Bei der wissenschaftlichen Betrachtung der Ideengenerierung haben sich vier deterministisch wirkende Einflussbereiche der Kreativität herauskristallisiert, welche je nach Theorie mehr oder weniger stark in die Betrachtungen einbezogen werden. Klassischerweise werden das kreative Produkt, der kreative Prozess und die kreative Person betrachtet. (vgl. Funke, 2003, S. 291) Durch die zunehmenden Einflüsse des systemischen Denkens gewinnt eine vierte Perspektive Umwelt zusätzlich an Bedeutung. (vgl. Funke, 2008, S. 36)
Das kreative Produkt, also die realisierte Idee, ist durch einen besonderen Nutzen oder z.B. ästhetischen Wert gekennzeichnet. (vgl. Schuler & Görlich, 2007, S. 5f.) Ausgehend von dem psychologischen Konzept der Kreativität ist die „Palette menschlicher kreativer Leistungen […] überaus breit: Sie reicht von den kleinen Erfindungen des Alltags über oft verblüffende Sprachschöpfungen des Kindes bis zu den epochalen Gedanken von Wissenschaftlern und genialen Schöpfungen unserer Künstler.“ (Dresler, 2008, S. 7)
Je nach der Bedeutung des kreativen Produktes wird zwischen der eminenten oder Big-C-Kreativität, welche auf die Hervorbringung historisch bedeutender Werke zielt, und der mundanen oder Little-c-Kreativität, welche alltägliche Problemlösungen fokussiert, unterschieden. (vgl. Willfort, Tochtermann & Neubauer, 2007, S. 29; Westmeyer, 2009, S. 15) Besonders die Big-C-Kreativität ist für eine Person nahezu immer auf einen speziellen Bereich oder Gebiet beschränkt. Diese Domänenspezifität kreativer Menschen verdeutlicht die mögliche Bandbreite, aber auch die Diversität des Phänomens Kreativität. (vgl. Simon, 1999, S. 74; Westmeyer, 2009, S. 19)
Bereits 1896 stellte Helmholz bei sich und weiteren Wissenschaftlern einen immer wiederkehrenden Prozess der Bearbeitung von Problemen fest, um zu einer neuartigen Lösung zu kommen. Populär wurden diese Entwicklungen durch das Wiederaufgreifen und durch Weiterentwicklungen der Theorie durch Wallas 1926. Er beschreibt den kreativen Prozess erstmals aus einer psychologischen Perspektive und unterteilt folgende fünf Phasen (vgl. F.A. Brockhaus, 2006, S. 684):
Vorbereitung: Bei der intensiven Beschäftigung mit dem fachlichen Gebiet werden durch die Aneignung von Wissen Potentiale für die kreative Idee aufgebaut. Eine besonders förderliche Expertise zur Generierung erfolgreicher Ideen wird einer Person ab 10.000 Stunden Beschäftigung mit dem interessierenden Gebiet zugesprochen. (vgl. Gladwell, 2008, S. 35ff.; Willfort, Tochtermann & Neubauer, 2007, S. 34)
Dieses Vorgehen ist unabhängig von der Disziplin und kann daher auf ein Gesetz, eine wissenschaftliche Arbeit, ein Gemälde oder ein Konsumgut gleichermaßen eingesetzt werden. Der kreative Prozess ist allerdings eine idealtypische Darstellung zur Komplexitätsreduktion, die den Blick auf z.B. rekursive Verknüpfungen versperren kann. (vgl. Simon, 1999, S. 96)
Guilford stellte 1950 die Hypothese auf, dass alle Menschen in unterschiedlicher Ausprägung die Fähigkeit besitzen, kreativ zu sein. (vgl. Simon, 1999, S. 61) Mittels psychologischer Kreativitätsteste konnte diese Annahme über die kreative Person einige Jahre später bestätigt werden. Mittels weiterer Untersuchungen wurde auch gezeigt, dass bestimmte Persönlichkeitseigenschaften förderlich für die Kreativität sind, was sich auch mit den Annahmen der Genie-Theorie deckt. Unabhängigkeit, Nonkonformismus, unkonventionelles Verhalten, weitgespannte Interessen, Offenheit für neue Erfahrungen, Risikobereitschaft, kognitive und verhaltensmäßige Flexibilität zählen demnach zu weiteren Merkmalen kreativer Menschen. (vgl. Funke, 2008, S. 33; Willfort, Tochtermann & Neubauer, 2007, S. 30)
Aufgrund statistischer Analysen wird das Alter zwischen 20 und 40 Jahren als höchste kreative Phase angesehen. Die abnehmende kreative Denkleistung kann aber durch andere Faktoren, wie zunehmendes Wissen oder sprachliche Fähigkeiten zumindest teilweise kompensiert werden. (vgl. Funke, 2008, S. 33; Schuler & Görlich, 2007, S. 38ff.)
Bei einer Analyse von 10 Zwillingsstudien[2] durch Nicholas fand sich eine nichtsignifikante Korrelation von r=.21 der Zwillinge untereinander, was darauf hinweist, dass Kreativität nicht angeboren, sondern in der Erziehung und durch Bildung vermittelt wird. Einen Einfluss des Erbguts auf die spätere Kreativität konnte bisher ebenso nicht bewiesen werden. (vgl. Sternberg & Lubart, 1999) Dass Kreativität dennoch oft gebündelt in Familienverbunden, wie bei der Familie um Johann Sebastian Bach, auftritt wird auf das besonders kreativitätsfördernde Umfeld zurückgeführt. (vgl. Schuler & Görlich, 2007, S. 79f.)
Eine kreativitätsfördernde Umwelt zeichnet sich durch Diversität in Kulturen bzw. Denkhaltungen und ihre Ermutigung zu Neuem aus. (vgl. Johnson, 2010, S. 41) Personen, die im gleichen Gebiet tätig sind, dienen im näheren Umfeld als Inspirationsquelle und bereichern die kreative Entwicklung einer Person. Kreativität entsteht aber nicht immer nur dort, wo die besten Bedingungen vorliegen. Gerade die herausfordernden Situationen stärken oftmals die kreativen Fähigkeiten einer Person. (vgl. Funke, 2008, S. 34)
3.3 Psychologische Theorien
Die wissenschaftliche Disziplin, die sich in den letzten 100 Jahren am meisten mit dem Phänomen der Ideengenerierung, als Eigenschaft des menschlichen Verhaltens, beschäftigt hat und somit die in diesem Zusammenhang bedeutendste wissenschaftliche Disziplin, ist die Psychologie. (vgl. Kraft, 2004, S. 50; Zimbardo & Gerring, 1999, S. 574) Im 20. Jhd. entwickelten sich unterschiedliche theoretische Ansätze zur Erklärung des Phänomens, welche im Folgenden mit den resultierenden Methoden und Techniken dargestellt werden.
Die Assoziativen Theorien sehen die Verknüpfung bereits bestehender gedanklicher Konzepte als Ausgangspunkt von Ideen. Die resultierende Kombination ist dabei immer dann besonders originell oder kreativ, wenn zwischen entfernten Konzepten ohne offensichtlichen Zusammenhang eine Verbindung hergestellt werden kann. (vgl. Cohen, 2003, S. 46; Schuler & Görlich, 2007, S. 31f.) Die Grundlage der assoziativen Theorien schafft Spearmans 1931 veröffentlichtes ‚Model of Creativity‘ (vgl. Spearman, 1931). Aufgegriffen und weiterentwickelt wird das Konzept 1962 von Mednick als ‚Associative Theorie of Creativity‘ und erlangt damit zunehmend Popularität. (vgl. Mednick, 1962, S. 220ff.; Fasko, 1999, S. 135)
Spearman und Mednick gehen in ihren Theorien der Frage nach, wie die Bildung von neuen, nützlichen Kombinationen im menschlichen Geist abläuft. Eine bedeutende Grundannahme der Theorie geht davon aus, dass eine Person, die eine große Anzahl an Assoziationen hervorbringt, eine höhere Wahrscheinlichkeit hat, eine angemessene kreative Lösung für eine Problemstellung zu generieren. (vgl. Fasko, 1999, S. 135)
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Abbildung 1 : Steile und Flache Assoziationshierarchien in Mednicks Theorie (Martindale, 1997, S. 257)
Nach Mednicks Theorie sollen persönliche Unterschiede bei den Assoziationshierarchien, Auswirkungen auf die Kreativität haben. Während Personen mit einer steilen Assoziationshierarchie durch starke Reizreaktionsverbindungen zu Stereotypen neigen, können Menschen mit flachen Hierarchien auch nicht so typische Assoziationen bilden. Allerdings werden in den frühen assoziativen Ansätzen die Kombinationen als zufällige Prozesse betrachtet, was Eysenck mit seinen Überlegungen zu einem systematischen Such- und Lösungsprozess in den 1960er Jahren in Frage stellt und eher von einer gezielten Kombination in einem vorgegebenen Möglichkeitsraum ausgeht. (vgl. Eysenck, 1960; Fasko, 1999, S. 138)
In eine anwendungsorientierte Technik transformierte Koestler die Denkhaltungen der Assoziationstheorien 1964, als er im Rahmen der Bisoziationstheorie den Prozess erklärt, wie zwei unverbundene Denkdimensionen unbewusst zusammengebracht werden. (vgl. Nöllke, 2010, S. 68)
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Abbildung 2: Das Entstehen einer Bisoziation (Sonnenburg, 2007, S. 129)
Er legte somit den Grundstein für die Entwicklung vieler weiterer Techniken, die bei der Bewältigung von Problemen, die nach einer neuartigen Verknüpfung verlangen, förderlich eingesetzt werden können. In weiterentwickelter Form ist die Bisoziation und die zugrundeliegende Assoziationstheorie beispielsweise auch in den Konzepten Reizworttechnik, Synektik und der mentalen Provokation[3] zu finden. (vgl. Nöllke, 2010, S. 68)
Inspiriert durch die Assoziationstheorien und Guilfords Überlegungen zum divergenten Denken prägt De Bono 1967 den Begriff laterales Denken. (vgl. Nöllke, 2010, S. 14f.) Er beschreibt damit den Weg, um eingefahrene Denkhaltungen und Muster zu überwinden und zu neuartigen Lösungen zu kommen, indem gedankliche Sprünge, Fehler und Zufälle gefördert werden, kritisches Denken zurückgestellt und Rahmenbedingungen gezielt in Frage gestellt werden. (vgl. De Bono, 2009, S. 77ff.) Resultierende Kreativitätstechniken sind die Provokationstechnik, die Trittstein-, die Zufalls- und die Fluchtmethode. (vgl. De Bono, 2009, S. 90ff.) Auch in manchen diskursiven Kreativitätstechniken, wie dem Morphologischen Kasten, ist das assoziative Denken wieder zu erkennen.
Allerdings konnte allein durch die assoziative Theorie keine Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Methoden erfolgen, weshalb psychometrische Ansätze entwickelt wurden.
Die Psychometrische Theorie ist die Grundlage der am häufigsten zur Untersuchung von Kreativität eingesetzten Testverfahren. (vgl. Sonnenburg, 2007, S. 14) Einzelne Traits bzw. kognitive Fähigkeiten werden dabei zu einem Eigenschaftsbündel zusammengefasst, das einen Menschen als mehr oder weniger geeignet einstuft, eine kreative Problemlösung zu entwickeln. (vgl. Cohen, 2003, S. 47; Lomberg, 2010, S. 43) In den durchgeführten Tests werden vor allem die Fähigkeiten in Bezug auf schnelles Erkennen eines Problems, rasches Hervorbringen unterschiedlicher Ideen, die Flexibilität des Denkens, die Um- und Neuinterpretation gewohnter Sachverhalte, schnelles Erfassen der Realisierbarkeit von Plänen sowie seltene und unkonventionelle Gedankenführungen bewertet. (vgl. Roth, 2001, S. 182; Kozbelt, Beghetto & Runco, 2010, S. 29; Kraft, 2004, S. 52f.; Willfort, Tochtermann & Neubauer, 2007, S. 31) Diese Fähigkeiten decken sich fast vollständig mit den Fähigkeiten, die für die ideengenerierende Kreativität ausschlaggebend sind und scheinen daher äußerst gut geeignet, diese zu bewerten.
Eingesetzt werden sprachliche und sprachfreie Tests. Bei sprachfreien Verfahren, wie dem Torrance Test of Creative Thinking (TToCT), müssen zeichnerisch kreative Lösungen entwickelt werden (Abb. 3). Ein sprachliches Verfahren ist beispielsweise der Remote Assoziation Test, bei dem zu drei Wörtern ein verbindendes viertes erkannt werden muss (Tabelle 1) oder der Divergent Production Test, bei dem möglichst viele ungewöhnliche Verwendungsmöglichkeiten gesucht werden. (vgl. Funke, 2008, S. 286ff.; Dresler, 2008, S. 43ff.)
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Das Messen von Kreativität bleibt allerdings trotz vielfältiger Tests eine Herausforderung an die Wissenschaft. (vgl. Sonnenburg, 2007, S. 11ff.) Obwohl die Reliabilität bzw. Zuverlässigkeit als Gütekriterien der Tests recht hoch ist, wird die Objektivität und Validität immer wieder in Frage gestellt. (vgl. Vogt, 2010, S. 25) So hängt die Einschätzung der kreativen Güte der Lösungen stark vom subjektiven Urteil der bewertenden Personen ab. (vgl. Kraft, 2004, S. 52) Das Problem der Validität psychometrischer Verfahren liegt in der reinen Messung des Potentials für kreative Leistungen, welches noch nichts über die tatsächliche Entwicklung und Umsetzung kreativer Ideen aussagt. Denn aufgrund der methodischen Einschränkungen steht immer nur die Alltagskreativität oder Little-c-Kreativität im Mittelpunkt der Betrachtungen, welche allerdings nicht mit dem Hervorbringen von bedeutenden kreativen Werken, also der Big-C-Kreativität, auf eine Stufe gestellt werden kann und auch nicht eine unbedingt notwendige Vorstufe darstellt. (vgl. Westmeyer, 2009, S. 15) Aufgrund dieser Diskrepanz lassen Kreativitätstests nur wenige Rückschlüsse darauf zu, wie die Person ihre Kreativität im Beruf entwickelt. (vgl. Vogt, 2010, S. 25)
Die praktische Anwendung der psychometrischen Verfahren findet sich z.B. in Bewerbungstests oder Potentialbewertungen wieder. Im Rahmen des Personalmanagements ist auch die Förderung der Kreativität bereits eingestellter Mitarbeiter über Anreize relevant, welche durch die behaviouristischen Ansätze erklärt werden.
Die Behavioristische Theorie interpretiert Verhalten als Reaktion auf einen Wahrnehmungsreiz. Kernannahme ist, dass durch Belohnung oder Bestrafung die Verbindung zwischen bestimmten Stimulus-Response-Zusammenhängen verändert werden kann und so die Motivation und somit die Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Verhaltens in einer bestimmten Situation erhöht wird. (vgl. Cohen, 2003, S. 48f.; Zimbardo & Gerring, 1999, S. 12f.)
[...]
[1] Gemeint sind Unternehmer, die mittels einer Neukombination von Produktionsfaktoren, andere etablierte Marktteilnehmer niederringen. Eine detaillierte Einordnung des Konzeptes gibt Kapitel 2.2.
[2] Bei den Studien wurden Zwillinge, die in unterschiedlichen familiären Verhältnissen aufwuchsen, untersucht, um Rückschlüsse zum Einfluss des Erbguts auf die Ausbildung von Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu ziehen.
[3] Eine nähere Beschreibung der Kreativitätstechniken findet sich in Kapitel 3.6.1
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- Ingo Eichhorst (Author), 2012, Generierung von Geschäftsideen unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse der Neurowissenschaften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204168
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