Die Errichtung des Nachkriegsrundfunks in Gestalt einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit dem Gebot der Staatsferne geschah nicht ohne Grund. Zu frisch waren die Erfahrungen mit dem Rundfunk als Sprachrohr der Exekutive zur Gleichschaltung der Massen in der Zeit des Nationalsozialismus. Statt einem monistischen und zentralistischen Staatsfunk sollte der nun, nach britischem Vorbild geschaffene, öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht nur für Pluralismus stehen, föderal strukturiert und gemeinwohlorientiert sein, sondern auch gänzlich frei von staatlicher Einflussnahme (vgl. Schrag, 2007: 170). Heute, über 70 Jahre nach ihrer Gründung, sind die Öffentlich-Rechtlichen fester Bestandteil der deutschen Medienlandschaft und noch dazu die mitarbeiterstärksten ihrer Art weltweit (vgl. Assheuer, 2004: 2). Die Diskrepanz zwischen den Leitideen der Gründerväter und der Wirklichkeit hat jedoch seit dem Aufbau der Landesrundfunkanstalten vor über sieben Jahrzehnten zahlreiche Kritiker aus Wissenschaft und Gesellschaft auf den Plan gerufen. Neben der Qualität des Programms und der Art der Finanzierung ist nicht zuletzt die Staatsferne und Unabhängigkeit des gebührenfinanzierten Rundfunks immer wieder in Frage gestellt worden. Insbesondere der große Einfluss von Parteien und Regierungsvertretern auf die interne Aufsicht der Rundfunkanstalten hat immer wieder zu öffentlichen Kontroversen geführt. Für viele Kritiker ist Staatsferne im öffentlich-rechtlichen System nicht mehr als eine Wunschvorstellung. Aber ist dem wirklich so? Dieser Frage soll in der folgenden Hausarbeit nachgegangen werden. In einem ersten Teil möchte ich auf verfassungsrechtliche Prinzipien und gesetzliche Regelungen zur Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Bundes- und Länderebene eingehen. In diesem Kontext sind die Urteile des Bundesverfassungsgerichts von entscheidender Bedeutung. Ferner werden kurz Stellung und Aufgaben der Aufsichtsgremien Rundfunk- bzw. Fernsehrat (ZDF), Verwaltungsrat und Intendant erläutert. In einem zweiten Teil werden der staatliche Einfluss in den Kontrollgremien und dessen Auswirkungen auf die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Gegenstand der Diskussion sein. Dieser Sachverhalt soll schließlich exemplarisch an einem ausgewählten empirischen Beispiel, nämlich der Einflussnahme im Fall des ehemaligen ZDF Chefredakteurs Nikolaus Brender durch den ZDF Verwaltungsrat im Jahr 2009, veranschaulicht werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Idee vom staatsfernen Rundfunk
- Verfassungsrechtliche Prinzipien
- Der Rundfunkstaatsvertrag
- Die „Rundfunkurteile" des Bundesverfassungsgerichts
- Die interne Aufsicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk — Aufbau & Kompetenzen
- Das Gebot der Staatsferne in der Praxis
- Von wem kann staatlicher Einfluss ausgehen?
- Parteien und ihre Freundeskreise in den Rundfunkgremien
- Die Causa Brender — Präzedenzfall für staatliche Einflussnahme
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit dem Gebot der Staatsferne im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und untersucht, ob dieses Gebot in der Praxis tatsächlich eingehalten wird. Die Arbeit analysiert die verfassungsrechtlichen Prinzipien und gesetzlichen Regelungen, die die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Bundes- und Länderebene prägen, sowie die Rolle der Aufsichtsgremien.
- Verfassungsrechtliche Grundlagen der Staatsferne
- Einfluss von Parteien und Regierungsvertretern auf die Rundfunkgremien
- Die Rolle der Aufsichtsgremien bei der Wahrung der Staatsferne
- Die „Causa Brender" als Beispiel für parteipolitische Einflussnahme
- Die Bedeutung eines unabhängigen Rundfunks für die Demokratie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Staatsferne im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein und stellt die Relevanz des Themas dar. Es werden die historischen Hintergründe der Errichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach dem Zweiten Weltkrieg beleuchtet und die Notwendigkeit einer unabhängigen Medienlandschaft betont.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Idee vom staatsfernen Rundfunk und analysiert die verfassungsrechtlichen Prinzipien, die diese Idee stützen. Die Rundfunkfreiheit, das Demokratieprinzip und das Föderalismusprinzip werden im Detail erläutert. Außerdem wird der Rundfunkstaatsvertrag und die Rolle des Bundesverfassungsgerichts in der Entwicklung des Rundfunkrechts beleuchtet.
Das dritte Kapitel untersucht die Praxis der Staatsferne im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und stellt die Frage, inwiefern der Staat Einfluss auf die Kontrollorgane der Sendeanstalten nehmen kann. Es werden verschiedene Ansätze zur Definition von „staatlichem Einfluss" diskutiert und die Rolle der Parteien in den Rundfunkgremien beleuchtet. Die „Causa Brender" wird als Beispiel für parteipolitische Einflussnahme auf die Personalentscheidungen im ZDF analysiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Staatsferne, die Rundfunkfreiheit, das Demokratieprinzip, das Föderalismusprinzip, die Aufsichtsgremien, die Parteien, die „Causa Brender" und die Bedeutung eines unabhängigen Rundfunks für die Demokratie.
- Citation du texte
- Christian Orth (Auteur), 2012, Das Gebot der Staatsferne im öffentlich-rechtlichen Rundfunk – Nicht mehr als eine Wunschvorstellung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204092
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