Nulla poena sine culpa - der verfassungsrechtliche Imperativ hat zur Konsequenz, dass allein die Schuld des Täters Grundlage , Grenze und innere Rechtfertigung der staatlichen Strafe sein darf.
Die vorliegende Arbeit klärt zunächst, was genau mit dem Schuldprinzip gemeint ist, d.h. welche theoretischen Aspekte der Begriff der Schuld impliziert. Im Anschluss daran erfolgt die Darstellung der normativen Konsequenzen, die der Gesetzgeber aus der Schuldkonzeption des Strafrechts gezogen hat. Dabei wird auf die beiden die Schuldidee spezifizierenden Dimensionen im einfachen Recht sowie ihr Verhältnis zueinander eingegangen:
zum einen die Strafbegründungsschuld (von der lediglich die Schuldfähigkeit nach §§ 20, 21 StGB thematisch relevant und deshab eingehend zu betrachten ist), zum anderen die Strafzumessungsschuld nach § 46 StGB.
Sodann wird untersucht, wie Schuld im deutschen Strafrecht operationalisiert wird, d.h. wie Menschen mit Merkmalen, die konstitutiv für „Schuld“ sind, beobachtbare Sachverhalte zugeordnet werden. Hierbei wird das Zusammenwirken von psychowissenschaftlichem Sachverstand mit juristischer Subsumtion und richterlicher Wertung untersucht.
Schließlich wird analysiert, wie sich das Postulat der Vorwerfbarkeit kriminellen Handelns auf die Strafzumessung auswirkt und welchen Einfluss die psychowissenschaftlich-juristischen Feststellungen der Schuld auf selbige haben.
Inhaltsverzeichnis
- A) Einleitung
- B) Die theoretische Fundierung des Schuldstrafrechts
- I) Die Schuldidee
- 1) Warum wird Schuldfähigkeit vermutet?
- 2) Der Determinismus‐Indeterminismus‐Streit
- II) Die Strafbegründungsschuld
- III) Die Strafzumessungsschuld
- IV) Verhältnis von Strafbegründungs‐ und Strafzumessungsschuld
- I) Die Schuldidee
- C) Die forensische Feststellung der Schuldfähigkeit
- I) Die biologisch‐psychologische bzw. psychisch‐normative Methode
- II) Die erste Ebene: Eingangsmerkmale im Überblick
- 1) Die krankhafte seelische Störung
- 2) Die tiefgreifende Bewusstseinsstörung
- 3) Der Schwachsinn
- 4) Die schwere andere seelische Abartigkeit
- III) Die zweite Ebene: der psychologisch‐normative Filter
- 1) Die Einsichtsfähigkeit
- 2) Die Steuerungsfähigkeit
- 3) Das Exklusivitätsverhältnis der beiden Alternativen
- 4) Das Merkmal der Erheblichkeit
- a) Erheblichkeit – Tat‐ oder Rechtsfrage?
- b) Relation von Erheblichkeit und Deliktsschwere (?)
- IV) Trennung oder Vermischung der Ebenen?
- D) Die Strafzumessung
- I) Die Zweigliedrigkeit des Sanktionssystems
- 1) Die zugrundeliegenden Zwecke
- 2) Das Instrumentarium
- 3) Das Verhältnis der beiden Institute zueinander
- II) Strafe trotz Defektzustand i.S.v. § 20 StGB
- 1) Die actio libera in causa
- 2) Bestrafung wegen Vollrauschs gem. § 323 a StGB
- III) Die Strafzumessung bei verminderter Schuldfähigkeit
- 1) Vorgehen bei der Strafzumessung
- a) Ermittlung des gesetzlichen Strafrahmens
- b) Relevante Strafzwecke nach der Vereinigungstheorie
- c) Ermittlung der konkreten Strafzumessungstatsachen
- d) Festlegung der Bewertungsrichtung
- e) Gewichtung und Abwägung der Strafzumessungstatsachen
- f) Bestimmung der Strafart bzw. Sanktionskombination
- 2) Die fakultative Strafmilderung nach §§ 21, 49 StGB
- a) Die Ansicht der Rechtsprechung
- b) Die Ansicht der Literatur
- 3) Wertende Betrachtung
- 1) Vorgehen bei der Strafzumessung
- IV) Auswirkungen der Begutachtung auf die Strafzumessung
- 1) Die Vorabentscheidung über das „Ob“ der Begutachtung
- a) Folgen der Entscheidung
- b) Wann wird ein Sachverständiger beauftragt?
- 2) Instrumentalisierung des Sachverständigen?
- a) Der Vorwurf der Instrumentalisierung
- b) Die gesetzliche Regelung
- 1) Die Vorabentscheidung über das „Ob“ der Begutachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die theoretischen und praktischen Aspekte des Schuldprinzips im deutschen Strafrecht, mit dem Fokus auf die forensische Feststellung der Schuldfähigkeit und deren Auswirkungen auf die Strafzumessung.
- Die theoretische Fundierung des Schuldprinzips im Strafrecht
- Die operationalisierung des Schuldprinzips im forensischen Verfahren
- Das Zusammenspiel von psychologisch-wissenschaftlichem Sachverstand und juristischer Subsumtion
- Der Einfluss der Begutachtung auf die Strafzumessung
- Die kritische Auseinandersetzung mit der Instrumentalisierung des Sachverständigen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit der Einführung des Schuldprinzips als verfassungsrechtliche Grundfeste und beleuchtet seine theoretischen Fundamente. Anschließend werden die beiden Konzepte Strafbegründungs- und Strafzumessungsschuld sowie deren Verhältnis zueinander dargestellt. Der Fokus liegt auf der Strafbegründungsschuld, insbesondere auf den §§ 20 und 21 StGB, die die Schuldfähigkeit bzw. deren Einschränkung oder Aufhebung regeln.
Kapitel C befasst sich mit der forensischen Feststellung der Schuldfähigkeit. Dabei wird das Zusammenwirken von psychologischem Sachverstand und juristischer Subsumtion im Rahmen der §§ 20 und 21 StGB untersucht. Die zwei Ebenen der biologisch-psychologischen Methode werden erläutert: die Feststellung eines psychopathologischen Defekts und die Beurteilung dessen Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit. Die Frage der Erheblichkeit der Einschränkung und die problematische Trennung von psychologischem Befund und normativer Bewertung werden ebenfalls diskutiert.
Kapitel D analysiert die Strafzumessung im Zusammenhang mit Schuldfähigkeit. Der zweigliedrige Aufbau des Sanktionssystems (Strafe und Maßregeln der Besserung und Sicherung) wird erläutert, sowie die unterschiedlichen Zwecke und das Instrumentarium der beiden Reaktionsmöglichkeiten des Staates auf kriminelles Verhalten. Die Ausnahmefälle, in denen Strafe trotz Schuldunfähigkeit verhängt wird (actio libera in causa, Bestrafung wegen Vollrauschs) werden ebenfalls behandelt.
Im letzten Abschnitt werden die Auswirkungen der Begutachtung auf die Strafzumessung beleuchtet. Der Fokus liegt dabei auf der Vorabentscheidung über die Einholung eines Gutachtens und deren Folgen, sowie auf dem Vorwurf der Instrumentalisierung des Sachverständigen. Die gesetzliche Regelung in der StPO wird kritisch betrachtet.
Schlüsselwörter
Schuldprinzip, Strafbegründungsschuld, Strafzumessungsschuld, Schuldfähigkeit, verminderte Schuldfähigkeit, § 20 StGB, § 21 StGB, psychiatrisch-psychologische Begutachtung, forensische Psychiatrie, Instrumentalisierung, Strafzumessung, Maßregeln der Besserung und Sicherung, actio libera in causa, Vollrausch, Doppelverwertungsverbot, Strafmilderung, Gesamtwürdigung, Sachverständiger, StPO.
- I) Die Zweigliedrigkeit des Sanktionssystems
- Quote paper
- Julia Constanze Elser (Author), 2012, Schuldfähigkeitsbegutachtung und Strafzumessung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203973