1. Einleitung
In der Bundesrepublik Deutschland hat sich im Zuge einer ethnischen Pluralisierung mittlerweile das Bild der multikulturellen Gesellschaft durchgesetzt. Das Denken an den Multikulturalismus ist heute selbstverständlich und allgegenwärtig geworden: vielerorts wird von ‚unterschiedlichen‘, ‚anderen‘ oder ‚fremden Kulturen‘ gesprochen. Die Vorstellung von kultureller Vielfältigkeit und Differenz stellt insbesondere in Politik, Medien und Wissenschaft ein hoch brisantes Thema dar. Der Begriff der Multikulturalität hat Hochkonjunktur, er hat sich zu einer medialen Schlagzeile entwickelt und ist vermehrt zu einem Kampfbegriff avanciert. David Cameron, der britische Premierminister, kritisierte vor einiger Zeit den „staatlichen Multikulturalismus“ und forderte stattdessen eine "gemeinsame nationale Identität“, der französische Staatschef Nicolas Sarkozy erklärte den Multikulturalismus in Europa für fehlgeschlagen und auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel diagnostizierte den Ansatz „Multikulti für ‚absolut gescheitert‘“. Die Vorstellungen einer multiethnischen Bevölkerung haben sich weit verbreitet und werden von politischer Seite zunehmend als Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erachtet.
Was aber hat es mit dem Multikulturalismus überhaupt auf sich? Was für eine Definition für Kultur beinhaltet dieser Ansatz? Wie ist der Begriff aufgeladen und was für potentielle Gefahren bringt er mit sich?
Um diesen Fragen näher zu kommen wird es Ziel und Hauptteil dieser Arbeit sein auf einen Teil der Literatur- und Forschungslage bezüglich des Multikulturalismus einzugehen und einige Positionen zu skizzieren. Hierfür werde ich mich überwiegend an Gisela Welz und die „Inszenierungen kultureller Vielfalt“ von 1996 anlehnen.
Beginnen werde ich damit, kurz das dem Multikulturalismus zeitgeschichtlich vorangegangene Konzept des Schmelztiegel- Ansatzes aufzuzeigen, nachdem zufolge sich Migranten an die dominante Kultur der deutschen Aufnahmegesellschaft
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2.Vom Schmelztiegel- Ansatz zum Multikulturalismus
3.Vom statischen zum konstruktivistischen Kulturbegriff.
4.Zur Gefahr des Kulturalismus
5.Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der Bundesrepublik Deutschland hat sich im Zuge einer ethnischen Pluralisierung mittlerweile das Bild der multikulturellen Gesellschaft durchgesetzt. Das Denken an den Multikulturalismus ist heute selbstverständlich und allgegenwärtig geworden: vielerorts wird von ,unterschiedlichen‘, ,anderen‘ oder „fremden Kulturen4 gesprochen. Die Vorstellung von kultureller Vielfältigkeit und Differenz stellt insbesondere in Politik, Medien und Wissenschaft ein hoch brisantes Thema dar. Der Begriff der Multikulturalität hat Hochkonjunktur, er hat sich zu einer medialen Schlagzeile entwickelt und ist vermehrt zu einem Kampfbegriff avanciert. David Cameron, der britische Premierminister, kritisierte vor einiger Zeit den „staatlichen Multikulturalismus“ und forderte stattdessen eine "gemeinsame nationale Identität“1, der französische Staatschef Nicolas Sarkozy erklärte den Multikulturalismus in Europa für fehlgeschlagen2 und auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel diagnostizierte den Ansatz „Multikulti für ,absolut gescheitert4“.3 Die Vorstellungen einer multiethnischen Bevölkerung haben sich weit verbreitet und werden von politischer Seite zunehmend als Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erachtet. Was aber hat es mit dem Multikulturalismus überhaupt auf sich? Was für eine Definition für Kultur beinhaltet dieser Ansatz? Wie ist der Begriff aufgeladen und was für potentielle Gefahren bringt er mit sich?
Um diesen Fragen näher zu kommen wird es Ziel und Hauptteil dieser Arbeit sein auf einen Teil der Literatur- und Forschungslage bezüglich des Multikulturalismus einzugehen und einige Positionen zu skizzieren. Hierfür werde ich mich überwiegend an Gisela Welz und die „Inszenierungen kultureller Vielfalt“ von 1996 anlehnen. Beginnen werde ich damit, kurz das dem Multikulturalismus zeitgeschichtlich vorangegangene Konzept des Schmelztiegel- Ansatzes aufzuzeigen, nachdem zufolge sich Migranten an die dominante Kultur der deutschen Aufnahmegesellschaft zu assimilieren hatten. Danach werde ich die Reaktion auf diesen Ansatz mit dem neueren Modell des Multikulturalismus aufgreifen, der den Einwanderern einen legitimen Status als „Mitbürger“ zuspricht und „kulturelle Unterschiede4 anerkennt, sowie staatlich unterstützt. Nachdem ich auf die Frage eingehe, welche Vorstellung von Kultur dem Konzept des Multikulturalismus weitgehend zugrunde liegen, werde ich außerdem in Kürze die Gefahr des Kulturalismus aufzeigen, die mit diesem Ansatz nach Meinungen einiger Autoren einhergeht.
2. Vom Schmelztiegel-Ansatz zum Multikulturalismus
Lange Zeit dominierte in Deutschland das Bild von einer nationalen und homogenen Kultur. In diesem Zusammenhang wurden Immigrationen sehr oft als Negativ-Faktor für die vermeintlich einheitliche Gesellschaft gelabelt. Migranten galten schon seit dem 19. und 20. Jh überwiegend als Problem für die gesellschaftliche Einheit.4 Auch die spätere Entwicklung fremdsprachiger Migrantengruppen wurde bspw. aus Angst vor Ghettobildung5 als bedrohlich und gefährlich für die deutsche Gesellschaft eingestuft. In diesem Zuge galt es als Ziel die ,fremden Kulturen4 möglichst schnell und nachhaltig in die dominante, ,nationale Kultur4 zu integrieren, sie zu assimilieren. Dieser wissenschaftliche „Schmelztiegel“- Ansatz - zu Englisch melting pot - meint die An- und Einpassung von Einwanderern in die Kultur der Aufnahmegesellschaft. Die vermeintlich verschiedenen Kulturen und Werte sollen sich zur gemeinsamen nationalen Kultur mischen und angleichen. Diese „Assimilationsideologie“6 erfordert von Einwanderern jedoch zumeist erheblichen sozialen Anpassungsdruck wenn sie ihre Traditionen oder Gewohnheiten im Einwanderungsland weiterhin praktizieren und sich diese deutlich von der Aufnahmegesellschaft unterscheiden. Da in den 1970ern festgestellt wurde, „dass viele Migranten auch in der zweiten und dritten Generation ihr ,kulturelles Erbe4 nicht aufgeben und ihre Lebensentwürfe praktisch zwischen zwei Kulturen und Gesellschaften gestalten“7, kam es mit dem multicultural turn in den 1980ern zu einem Paradigmenwechsel.
Dieser Perspektivenwechsel meinte den neuen Ansatz des Multikulturalismus. Der damit zusammenhängende Diskurs zeichnet sich als sehr heterogen ab.8 Es ist ein Sammelbegriff für theoretische Ansätze, die Handlungsimplikationen für die Kulturpolitik eines Landes besitzen Der wohl bekannteste Ansatz des Multikulturalismus stammt von dem kanadischen Philosophen Carles Taylor. Dieser zielt auf die staatliche Anerkennung und den Schutz ,ethnischer Kulturen ab.9 Das multikulturalistische Konzept verlangt von den Einwanderern nicht mehr den bis dahin gepflegten Gedanken der (totalen) Assimilation an die dominante nationale Kultur. Neu an dem Konzept ist, dass den Migranten nun ein legitimer sozialer Status als „Mitbürger“ ,fremder Kulturen4 zugesprochen wird.10 Statt der Idee einer homogenen Gesellschaft, an die sie sich zu assimilieren haben, findet nun ein Wechsel der Perspektive statt, in Richtung einer „kulturell pluralistischen Gesellschaft“. Die ethnischen Kulturen sollen einzeln nebeneinander existieren. Dem Modell entsprechend wurden u.a. in den USA und Deutschland „multikulturelle Ideen auf staatlicher Ebene rechtlich und bürokratisch fixiert und Förderungsprogramme für das Nebeneinanderleben „ethnischer Kulturen“ der Migranten entwickelt“11. Der Multikulturalismus
[...]
1 Nach Merkel sagt auch Cameron, dass der Multikulturalismus gescheitert sei. In: EurActiv. (07.02.2011). Online unter: http://www.euractiv.com/de/kultur/nach-merkel-sagt-auch-cameron-dass- der-multikulturalismus-gescheitert-sei-news-501951 (aufgerufen am 20.03.2012).
2 „Sarkozy: Multikulti ist gescheitert.“ In: Die Presse. (11.02.2011). Online unter:
http://diepresse.com/home/politik/eu/633474/Sarkozy_Multikulti-ist-gescheitert (aufgerufen am 20.03.2012).
3 „Merkel: Ansatz für Multikulti „absolut gescheiterť“. In: Die Zeit Online. (16.10.2010). Online unter: http://www.zeit.de/news-102010/16/HAUPTSTORY-INTEGRATION-SAMSTAG26843538xml (aufgerufen am 20.03. 2012).
4 Darieva, Tsypylma: Migrationsforschung in der Ethnologie. In: Brigitte Schmidt-Lauber (Hrsg.) Ethnizität und Migration. Berlin 2007, S.71- 87, hier S. 70.
5 Ebd.
6 Ebd., S.78.
7 Ebd., S.73.
8 Welz,Gisela: Inszenierungen kultureller Vielfalt. Berlin 1996, S.107.
9 Rathje, Stefanie: Der Kulturbegriff - Ein anwendungsorientierter Vorschlag zur Generalüberholung. In: Moosmüller, A. (Hg.): Konzepte kultureller Differenz - Münchener Beiträge zur interkulturellen Kommunikation. München 2009 (Waxmann), S. 83-106, hier S.85.
10 Darieva, Migrationsforschung in der Ethnologie, S. 78.
11 Ebd., S.79.
- Arbeit zitieren
- Varinia Lindau (Autor:in), 2012, Skizzen zur Literatur- und Forschungslage bezüglich des Multikulturalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202845
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