Clinical Reasoning findet zusehends Verbreitung in vielen Therapieberufen. Im Bereich der Logopädie, Physiotherapie sowie Ergotherapie finden hierzu Fortbildungen statt, es wird in Ausbildung und Studium integriert sowie in Fachbüchern und -zeitschriften veröffentlicht. Für den Bereich der Diätassistenz bzw. Ernährungsberatung und -therapie gibt es derzeit überwiegend Veröffentlichungen über den Berufsverband der Diätassistenten (VDD).
In dieser Arbeit wird beschreiben, wo Clinical Reasoning in der Ernährungsberatung und -therapie zur Anwendung kommen kann. Das Buch zeigt eine Beispielmöglichkeit zur Einbindung dieses Konzeptes in die derzeitige Ausbildung von Diätassistenten. Der Lehr-Lern-Prozess wird anhand des problemorientierten Lernen beschrieben. Eine Übertragung auf eine kompetenzorientierte oder modularisierte Ausbildung wird dadurch möglich.
Es wird dargelegt welche Fächer eine Rolle spielen bzw. in welchen Bereichen bereits Clinical Reasoning-Inhalte vermittelt werden. Diese sollen dann in den Lernprozess um das Clinical Reasoning eingebunden, vertieft und genutzt werden. Das Konzept könnte, in Teilen modifiziert, in andere Ausbildungen übernommen werden.
Eine Evaluierung des Konzeptes steht noch aus.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Methodik
3. Ausbildung von Diätassistenten
3.1 Differenzierung theoretischer und praktischer Unterricht, praktische Ausbildung
3.1.1 Theoretischer und praktischer Unterricht
3.1.2 Praktische Ausbildung
4. Tätigkeitsfelder von Diätassistenten
5. Begriffsbestimmung Diättherapie, Ernährungstherapie und Ernährungsberatung
5.1 Diättherapie
5.2 Ernährungstherapie
5.3 Ernährungsberatung
5.4 Schlussfolgerung und derzeitige Problematik
6. Diättherapeutische Vorgehensweisen
6.1 Empfehlungen des VDD
6.2 Nutrition Care Process
6.3 Diätologischer Prozess
6.4 Vergleich der verschiedenen diättherapeutischen Vorgehensweisen
6.5 Qualitätssichernde Standards für diättherapeutische Anforderungen, Maßnahmen, Dokumentationen
7. Clinical Reasoning
7.1 Definition Clinical Reasoning
7.2 Wissensbereiche im Clinical Reasoning
7.3 Entscheidungsfindung im Clinical Reasoning
7.3.1 Musterkennung
7.3.2 Clinical Reasoning Prozess
7.4 Formen des Clinical Reasoning
7.5 Entwicklungsstadien im Clinical Reasoning
7.6 Individuelles Krankheitsskript
8. Anthropologische, soziale und fachliche Voraussetzungen der Schüler
8.1 Schulische Vorbildung
8.2 Alter
8.3 Geschlechterverteilung
8.4 Klassengröße
8.5 Möglicher Kenntnisstand
9. Rahmenbedingungen der Diätschulen
9.1 Räume und deren Ausstattung
9.2 Heterogenität der Lehrkräfte
9.2.1 Pädagogische und fachliche Qualifikationen
9.2.1.1 Empirische Studie zur Qualifikation von Lehrkräften
9.2.2 Anzahl hauptamtlich angestellter Lehrkräfte
9.2.3 Anzahl nebenberuflich tätiger Lehrkräfte
10. Methodik zur Einbindung des Clinical Reasoning in den theore-
tischen Unterricht
10.1 Problemorientiertes Lernen (POL)
10.1.1 Definition und Ziele
10.1.2 Die Siebensprung Methode
10.1.3 Zeitlicher Aufwand
11. Clinical Reasoning und POL im Fach Ernährungs- und Diätberatung
11.1 Clinical Reasoning in den Lehrplänen
11.2 Clinical Reasoning im theoretischen Unterricht
11.3 Individuelles Krankheitsskript
11.4 Einführung des Clinical Reasoning
11.5 Einführung in den Clinical Reasoning Prozess
11.5.1 Der Clinical Reasoning Prozess anhand eines Fallbeispiels
11.5.1.1 Entwicklung des Individuellen Krankheitsskriptes und „pre-assessment-image“
11.5.1.2 Prozess der „cue aquisition“
11.5.1.3 „cue interpretation“, Hypothesenevaluation und therapeu-tische Diagnose
11.5.1.4 Festlegen der Therapieziele
11.5.1.5 Festlegen der diättherapeutischen Vorgehensweise
11.5.1.6 Erstellen eines Rahmenplans
11.5.1.7 Abgleich mit der Vorgehensweise des beratenden Diät-assistenten
11.5.1.8 Analyse der Folgeberatung
11.6 Formen des Clinical Reasoning
11.6.1 Übung zu den Formen des Clinical Reasoning
11.7 Reflexion der Einbindung von Clinical Reasoning in den theo-retischen Unterricht
11.8 Clinical Reasoning in der praktischen Ausbildung Diät- und Ernäh-rungsberatung
11.8.1 Einbindung des Clinical Reasoning in die praktische Ausbildung
12. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anlagenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Tätigkeitsfelder von Diätassistenten
Abbildung 2 Tätigkeitsfelder angestellter Diätassistenten/-innen
Abbildung 3 Flowchart Beratungs- und Betreuungsgespräche
Abbildung 4 The Nutrition Care Process Model (NCP)
Abbildung 5 Der Diätologische Prozess
Abbildung 6 Inhaltlicher Vergleich von möglichen Vorgehensweisen und qualitätssichernden Maßnahmen in der Diättherapie
Abbildung 7 Funktionen des Langzeitgedächtnisses
Abbildung 8 Vorgang der Musterkennung, hypothetisch-deduktives Reasoning
Abbildung 9 Formen des Clinical Reasoning
Abbildung 10 Didaktisches Reasoning in der Diättherapie
Abbildung 11 Höchster Schulabschluss bei examinierter Diätassistenten/ -innen und Schüler/innen
Abbildung 12 Notwendige Vorkenntnisse zur Entwicklung von Clinical Reasoning Fähigkeiten
Abbildung 13 Anteil zusätzlicher Qualifizierungen der EBR-Dozenten
Abbildung 14 Anteil zusätzlicher Qualifikationen der EBR-Praxisanleiter
Abbildung 15 Lehrkräfte an beruflichen Schulen nach Beschäftigungsum-fang und Geschlecht 2009/
Abbildung 16 Bearbeitungsschema Siebensprung
Abbildung 17 Zusammenfassung der benötigten Unterrichtsstunden zur Ein-bindung von Clinical Reasoning in die Ausbildung von Diät-assistenten
1. Einleitung
Clinical Reasoning findet zunehmend Verbreitung in Diätassistentenkreisen. Im Rahmen der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft der leitenden Lehrkräfte, im November 2010, hat Heike Siegmann einen ersten Vortrag zu diesem Thema gehalten. Im Rahmen des 53. Bundeskongresses des VDD im Mai 2011 sowie der aktueller Mitgliederzeitschrift Diät- und Information 5/2011 wurde das Thema erneut aufgegriffen und einer breiteren Diätassistenten[1] -Öffentlichkeit vorgestellt.
In den Forderungen an Politik und Akteure im Gesundheitssystem zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung und Weiterentwicklung des Berufs der Diätassistentin/des Diätassistenten in Deutschland [2] (VDD 2011) wird folgendes erläutert: „ …Um eine noch stärkere Fokussierung auf praxisnahe Tätigkeiten zu erfahren, muss in die DiätAss-AprV verpflichtend der Nutrition Care Process (NCP) bzw. der Diätologische Prozess als zentrales methodisches Instrument der Diät- und Ernährungstherapie sowie Ernährungsberatung aufgenommen werden. Dies gilt gleichermaßen für das Konzept des Clinical Reasoning und dessen Implikation in den beruflichen Alltag vom Diätassistenten als Beruf der Therapie und Beratung….“
Derzeit ist Clinical Reasoning kein Bestandteil der Ausbildung von Diätassistenten und wird im Rahmen von berufsspezifischen Fort- und Weiterbildungen nicht angeboten. In den angrenzenden Therapieberufen der Logopädie, Ergo- und Physiotherapie bestehen seit längerer Zeit Bestrebungen, dieses Thema sowohl in die Ausbildungen als auch in Fort- und Weiterbildungen zu etablieren (Nauerth 1998, Feiler 2003, Hand-graf/Klemme, Nauerth, 2003, Klemme/Walkenhorst 2003, Lagemann 2003, Klemme/Siegmann 2006, Beushausen/Walther 2010). Clinical Reasoning wird sowohl als separate Fortbildung, in Kombination mit einer fachspezifischen Fortbildung sowie in Bachelor- und Masterstudiengängen für die oben genannten Berufe angeboten. Je nach Träger werden auch Ärzte und andere Therapieberufe genannt (siehe Literaturverzeichnis Seite XV-XVI). Aufgeführt sind ergänzend Fortbildungen, die in der Schweiz stattfinden, wo Clinical Reasoning ebenfalls thematisiert wird.
Um nationalen und internationalen Standards zu genügen, ist es daher dringend notwendig, Clinical Reasoning in die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Diätassistenten zu integrieren. Dies ist zum derzeitigen Stand lediglich über den Bachelorstudiengang für Medizinalfachberufe (Diploma Hochschule Nordhessen) möglich.
Ziel dieser Bachelorarbeit ist es aufzuzeigen, wie Clinical Reasoning im Rahmen der aktuellen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung in den Unterricht eingebunden werden kann. Hauptaugenmerk wird dabei auf die Diättherapie gelegt, wie sie in den Punkten 5.1 und 6.1 beschrieben ist.
2. Methodik
Im Rahmen einer Literatur- und Internetrecherche wird die aktuelle Situation der Ausbildung und im Berufsalltag von Diätassistenten dargelegt. Ergänzend wird aufgeführt in wie weit Clinical Reasoning bereits Eingang in die berufliche Praxis gefunden hat. Anschließend werden einige Bereiche des Clinical Reasoning näher betrachtet und ein pädagogisches Konzept erstellt, welches darstellt, wie Clinical Reasoning in die Ausbildung integriert werden könnte. Beispielhaft soll aufgeführt werden, mit welchen pädagogischen, methodisch-didaktischen Mitteln dies möglich ist.
Die Einbindung sollte möglichst ohne zusätzliches Personal und somit kostenneutral sein. Die vorgegebenen Unterrichtsstunden der DiätAss-AprV sollen eingehalten und, bei Bedarf, lediglich verlagert werden.
Als Problem ist anzusehen, dass es bisher kaum Diätassistenten gibt, die sich mit Clinical Reasoning befasst haben. Wie in der Einleitung beschrieben, werden Fort- und Weiterbildungen für diesen Bereich bisher kaum angeboten. Daher wird es voraussichtlich schwierig sein, Clinical Reasoning in allen Schulen umzusetzen und in die praktische Ausbildung der Diät- und Ernährungsberatung, die außerhalb der ausbildenden Diätschulen[3] stattfindet (siehe Punkt 3.1.2), einzubinden.
3. Ausbildung von Diätassistenten
Die Ausbildung[4] von Diätassistenten findet an staatlich anerkannten Berufsfachschulen statt, dauert drei Jahre und endet, nach dem Bestehen der Abschlussprüfung, mit der staatlichen Anerkennung. Die Schulen sind sowohl Kliniken angeschlossen als auch über private Träger organisiert.
Innerhalb der Ausbildung sind laut DiätAss-AprV 4450 Stunden zu unterrichten. Diese teilen sich in 3050 Stunden theoretischen und praktischen Unterricht sowie 1400 Stunden praktische Ausbildung auf. Die Verteilung der Stunden auf die einzelnen Fächer ist in Anlage 1, als Auszug aus der DiätAss-AprV ersichtlich. Im Rahmen der Gesamtstundenzahl wird in Unterpunkten ergänzt, welche Inhalte vermittelt werden sollen.
Höfler/Willig (1996) haben einen Lehrplan für Theorie und Praxis für Diätschulen in Deutschland herausgegeben und die Unterpunkte aus der DiätAss-AprV mit möglichen Inhalten ergänzt. Es handelt sich um kein verbindliches Curriculum, sondern um eine Stoffsammlung. In Anlage 2 ist exemplarisch am Fach Ernährungs- und Diätberatung aufgeführt, wie dieser Lehrplan aufgeschlüsselt ist . Ein großer Teil der Diätschulen orientiert sich hieran.
Im Freistaat Bayern existieren als einzigem Bundesland verbindliche Lehrpläne für die Berufsfachschule Diätassistent/Diätassistentin (1996). In einer Stundentafel (Anlage 3) ist dargestellt, wie die jeweiligen Fächer auf die einzelnen Schuljahre aufgeteilt werden sollen. Desweiteren sind für jedes Fach Lernziele, Lerninhalte und Hinweise zum Unterricht inkl. der angesetzten Unterrichtsstunden aufgeführt. In Anlage 4 ist dies für einen Vergleich ebenfalls für das Fach Ernährungs- und Diätberatung dargestellt.
Aktualisierungen haben bei beiden Lehrplänen bisher nicht stattgefunden. Die AG Gesetz überarbeitet derzeit die Unterrichtsinhalte mit den zusätzlichen Zielen der Novellierung der DiätAss-AprV, der möglichen Umbenennung der Berufsbezeichnung und einer Akademisierung des Berufes. Im Forderungskatalog (VDD 2011) wird dies ausführlich dargestellt und begründet.
3.1 Differenzierung theoretischer und praktischer Unterricht, prak-tische Ausbildung
3.1.1 Theoretischer und praktischer Unterricht
In der DiätAss-AprV werden die abzuleistenden Unterrichtsstunden der Ausbildung in theoretischen und praktischen Unterricht sowie in die praktische Ausbildung unterteilt.
Im theoretischen Unterricht werden die Grundlagen vermittelt, im praktischen Unterricht sollen diese Grundlagen über konkrete Handlungen ausgeführt und damit vertieft werden. Zum praktischen Unterricht gehören nach Lehrpläne für die Berufsfachschule Diätassistent/Diätassistentin (1996). z. B. Übungen zur
- Datenverarbeitung, Dokumentation und Statistik,
- Diätetik, wie die Zubereitung von für bestimmte Kostformen geeigneten Speisen,
- Koch- und Küchentechnik, wie die grundsätzliche Zubereitung von Speisen und
- Diät- und Ernährungsberatung, wie die Planung und Durchführung von Einzelberatungen und Gruppenschulungen.
3.1.2 Praktische Ausbildung
In diesem Teil der Ausbildung lernen die Schüler die Umsetzung des in den Diätschulen vermittelten Unterrichtsstoffes im Diätassistenten-Alltag kennen. Diese Kenntnisse sollen über das Beobachten der Praxisanleiter sowie das eigene Tun ungesetzt und vertieft werden. Die praktische Ausbildung teilt sich nach der DiätAss-AprV in drei Bereiche auf:
- Diätetik einschließlich Organisation des Küchenbetriebes,
- Koch- und Küchentechnik einschließlich Hygiene sowie
- Diät- und Ernährungsberatung.
Die Schüler sind dabei in der Regel außerhalb des Schulbetriebes eingesetzt, z. B. in verschiedenen Krankenhausküchen, auf einer Krankenstation sowie in verschiedenen Einrichtungen, in denen diättherapeutische Maßnahmen erfolgen. Dazu gehören Krankenhäuser, Kurkliniken oder freiberuflich tätige Diätassistenten.
4. Tätigkeitsfelder von Diätassistenten
Die Arbeit von Diätassistenten findet in verschiedenen Bereichen statt. In Abbildung 1 sind beispielhaft häufig durchgeführte Tätigkeiten aufgeführt. Es bestehen Arbeitsfelder sowohl im klinischen Bereich als auch in der Freiberuflichkeit. Neben der therapeutischen Tätigkeit gibt es Aufgaben im Verpflegungsmanagement, Ernährungsteams sowie in der Betrieblichen Gesundheitsförderung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Tätigkeitsfelder von Diätassistenten; Pohl 2011a:7
Babitsch et al. (2010) stellten in der ersten Erhebung dieser Art fest, dass, bei den im Rahmen der Untersuchung befragten angestellten Diätassistenten (n = 617), die Diättherapie/Ernährungsberatung den größten Anteil der Arbeit ausmacht (Abbildung 2) und somit das Hauptbetätigungsfeld ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Tätigkeitsfelder angestellter Diätassistenten/-innen (n = 617, Mehrfachnennungen mög-
lich); Babitsch et al. 2010:16
5. Begriffsbestimmung Diättherapie, Ernährungstherapie und Ernäh- rungsberatung
5.1 Diättherapie
Eine allgemein anerkannte Definition für diesen Begriff existiert derzeit nicht. In § 3 des DiätAssG wird als Zieldefinition für die Ausbildung „… die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, die zur eigenverantwortlichen Durchführung diättherapeutischer und ernährungsmedizinischer Maßnahmen auf ärztliche Anordnung oder im Rahmen ärztlicher Verordnung wie dem Erstellen von Diätplänen, dem Planen, Berechnen und Herstellen wissenschaftlich anerkannter Diätformen befähigen, sowie dazu, bei der Prävention und Therapie von Erkrankungen mitzuwirken und ernährungstherapeutische Beratungen und Schulungen durchzuführen.“ beschrieben.
Diätassistenten orientieren sich an dieser Beschreibung, wenn es um therapeutische Vorgehensweisen geht.
5.2 Ernährungstherapie
In der Rahmenvereinbarung zur Qualitätssicherung in der Ernährungsberatung und Er-nährungsbildung in Deutschland (2009) und in den Definitionen des Institut für Ernährungstherapie und Ernährungsberatung e. V. (QUETHEB 1997, in Benecke et al. 2006) wird zwischen Ernährungsberatung und Ernährungstherapie unterschieden. Beide Beschreibungen und Definitionen sind inhaltlich ähnlich formuliert. Die im Folgenden aufgeführten Definitionen und Inhalte sind der o. g. Rahmenvereinbarung entnommen und wurden modifiziert.
Eine “… qualifizierte Ernährungstherapie richtet sich an Kranke in enger Kooperation mit dem behandelnden Arzt….Die Ernährungstherapie beinhaltet eine längerfristige Betreuung und umfasst auch die Erstellung individueller Ernährungspläne…“.
Als Ziele werden aufgeführt:
- Vermitteln von Grundsätzen einer gesundheitsfördernden, vollwertigen Ernährung, um den Gesundheitszustand zu verbessern und Rückfällen und Folgeerkrankungen vorzubeugen
- Nachhaltiges Verbessern der individuellen Ernährungsweise und des Essverhaltes orientiert an der medizinischem Notwendigkeit und den individuellen Bedürfnissen und Wünschen des Klienten
- Erhalten bzw. Verbessern der Lebensqualität
„ Für die Ernährungstherapie ist grundsätzlich eine ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung[5] erforderlich; ggf. erfolgt sie in Absprache mit Therapeuten anderer Fachdisziplinen.“
5.3 Ernährungsberatung
Eine qualifizierte Ernährungsberatung richtet sich, nach der in Punkt 5.2 genannten Rahmenvereinbarung, an Gesunde ohne dass eine ärztliche Weisung[6] vorliegt. Als Beratungsziele werden hier genannt:
- Vermitteln von Grundsätzen einer gesundheitsfördernden, vollwertigen Ernährung um Mangel- und Fehlernährung zu vermeiden und das Risiko von ernährungsbedingten Krankheiten zu reduzieren
- Verbessern der individuellen Ernährungsweise und des Ernährungsverhaltens sowie ggf. die Lösung von Ernährungsproblemen
- Verbessern der Entscheidungsfähigkeit und Handlungskompetenz
In der Rahmenvereinbarung wird ergänzend beschrieben: „ Die Ernährungsberatung kann auch dazu dienen, Fehlernährung zu erkennen und den Klienten ggf. einer Ernährungstherapie zuzuführen.“
5.4. Schlussfolgerung und derzeitige Problematik
Die zweite Beschreibung deckt sich in weiten Teilen mit den Ausbildungszielen für Diätassistenten. Aus heutiger Sicht lässt sich nicht zweifelsfrei zurückverfolgen, warum der Begriff Ernährungstherapie gewählt wurde. Die Begriffswahl könnte daran liegen, dass die GKVen neben Diätassistenten auch Ernährungswissenschaftler, Diplom Oeco-trophologen, Diplom-Ingenieure Ernährungs- und Hygienetechnik bzw. Ernährungs- und Versorgungsmanagement sowie Ärzte mit entsprechenden Zusatzqualifikationen für die Durchführung von Ernährungstherapie zulassen. Der Begriff diättherapeutische Maßnahmen ist im DiätAssG beschrieben (siehe Punkt 5.1) und dies lässt den Schluss zu, dass dieser Tätigkeitsbereich nur mit einer Ausbildung als Diätassistent ausgeführt werden kann. Bei diesen Überlegungen ist zu berücksichtigen, dass es im DiätAssG keine vorbehaltenen Tätigkeiten gibt, wie dies z. B. in § 4 des Hebammengesetzes formuliert ist.
Das BSG hat bereits im Jahr 2000 festgestellt, dass Diättherapie ein Heilmittel ist. In regelmäßigen Veröffentlichungen und Forderungskatalogen wurde in den letzten zwei Jahren verstärkt auf die Dringlichkeit der Aufnahme der Diättherapie in den Heilmittelkatalog hingewiesen (Igl 2010, Richard 2010, Lindemann/Steinkamp 2011, VDD Forderungskatalog 2011). Im Rahmen der Veröffentlichung Diätassistenten im Ernährungsteam unentbehrlich (www.VDD.de; 15.08.2011 ) erklärt Heise (Ernährungsmediziner und Oberarzt) “ … dass die Berufsbezeichnung ´Diätassistentin´ deren Kompetenz bei weitem nicht wiederspiegele. Es gehe um den therapeutischen Ansatz, der auch in der Berufsbezeichnung zum Ausdruck kommen sollte.“
Die diättherapeutische Behandlung ist z. Zt. eine freiwillige Leistung der GKV und ein Versicherter hat somit keinen Anspruch auf Kostenübernahme. Die meisten GKVen übernehmen auf Antrag des Versicherungsnehmers einen Teil der Kosten für in der Regel maximal fünf Beratungseinheiten.
Buchholz et al. (2010) stellten fest, dass die Begriffe Ernährungsberatung und Diättherapie[7] uneinheitlich verwendet werden. Mit einer Einordnung der Diättherapie als Heilmittel gäbe es mehr Behandlungssicherheit für Klienten. Für Fachkräfte im medizinischen und im Bereich der Diättherapie wäre eindeutig zuzuordnen, wann es sich um eine medizinisch notwendige Maßnahme handelt und wann nicht. Diätassistenten könnten dann im Rahmen einer ambulanten Tätigkeit, wie die angrenzenden therapeutischen Berufe der Logopädie, Physio- und Ergotherapie, direkt mit den Krankenkassen abrechnen und wären offiziell im Gesundheitssystem als Therapieberuf eingebunden.
6. Diättherapeutische Vorgehensweisen
Derzeit sind verschiedene diättherapeutische Vorgehensweisen in der Diskussion und einige werden vom VDD verstärkt propagiert. Dazu gehören der Diätologische Prozess und der Nutrition Care Process (NCP) (AG Gesetz 2010; Ohlrich/Buchholz 2011a; Forderungskatalog VDD 2011).
In den folgenden Abschnitten werden diese erläutert und einem Vergleich unterzogen.
6.1 Empfehlung des VDD
Der VDD empfiehlt in seinen Qualitätsstandards (1998) für die individuelle Diättherapie folgende Vorgehensweise, die, aus Gründen der Aktualität, in Teilen modifiziert wurde (Pohl 2011a):
- Einführungsgespräch
- Motivation, Anliegen klären und Bedürfnisanalyse
- Erfassen der Ausgangslage des Klienten[8] (Anamnese)
- Vereinbaren von Beratungszielen
- Durchführen der individuellen Diättherapie
- Erarbeiten von individuellen Maßnahmen zum Erreichen der Teilziele
- Informationsvermittlung, Hilfestellung zum Umsetzen in den Alltag
- Vereinbarungen zu weiteren Beratungseinheiten und –inhalten
- Zusammenstellen von Informationsunterlagen
- Dokumentation der Beratungseinheit
In Anlage 5 wurde die oben aufgeführte Vorgehensweise einer differenzierten Betrachtung unterzogen.
Für eine nicht ausschließlich therapeutische Vorgehensweise werden ähnliche Inhalte und Reihenfolgen empfohlen. In Abbildung 3 sind beispielhaft die von Benecke et al. (QUETHEB 2006) für Beratungs- und Betreuungsgespräche vorgeschlagenen Maßnahmen dargestellt. In den Qualitätsstandards bei qualifizierter Ernährungsberatung und Ernährungstherapie, die in der im Punkt 5.2 erwähnten Rahmenvereinbarung integriert sind, sind ähnliche Inhalte festgelegt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Flowchart Beratungs- und Betreuungsgespräche; QUETEB 2006[9] :37
Die Qualitätsstandards des VDD werden derzeit überarbeitet und der NCP soll implementiert werden. Nach Aussage der Geschäftsführerin des VDD Beyer-Reiners ist mit einer Veröffentlichung in näherer Zukunft nicht zu rechnen (Telefonat vom 26.08.2011).
6.2 Nutrition Care Process
Nach Buchholz/Ohlrich (2011b) ist der NCP „…eine Methode der systematischen Problemlösung, die von „dietetic professionals“ angewendet wird, um kritisch zu denken und um Entscheidungen treffen zu können, die es ermöglichen ernährungsbezogene Probleme qualitätskontrolliert und sicher zu lösen.“ Er wurde von der American Die-tetic Association (ADA) entwickelt und 2003 eingeführt.
Nach den Erläuterungen von Buchholz/Ohlrich (2011a, b) steht im Zentrum die Beziehung zwischen Klienten und dem „dietetic professional“. Es werden Stärken und Schwächen des „dietetic professionals“ und Rahmenbedingungen (Abbildung 4, mittlerer) einbezogen. Dazu gehören z. B. das diätetische Fachwissen, Fähigkeiten und Kompetenzen. Im äußeren Ring sind die Umgebungsfaktoren dargestellt, wie Einflüsse aus dem Gesundheitssystem und Anzahl der bezahlten Therapieeinheiten. Es folgen vier Schritte, die hier in modifizierter und gekürzter Form dargestellt sind:
Nutritional Assessment & Re-Assessment als andauernder, dynamischer und systematischer Prozess
- Erheben und Sammeln von Daten
- Analysieren und Interpretieren der Daten auf evidenzbasierten Grundlagen
- Dokumentieren
Nutrition Diagnosis, unabhängig von der medizinischen Diagnose
- Identifizieren des Problems
- Bestimmen der Ursache/Risikofaktoren
- Dokumentation
Nutrition Intervention
- Auswählen, Planen und Implementieren der diättherapeutischen Maßnahmen
- Dokumentation
Nutrition Monitoring and Evaluation
- Überprüfen und Messen definierter Parameter des Individuums
- Überwachen des Fortschritts
- [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Dokumentation
Abbildung 4: The Nutrition Care Process Model (NCP) Modell; Buchholz/Ohlrich 2011a:11
Eine für den deutschsprachigen Raum einheitliche Übersetzung der Begrifflichkeiten des NCP steht noch aus.
EFAD, als europäische Vereinigung der Dietitians, empfiehlt die Implementierung des NCP in Europa. Ziel des NCP war „.. eine hohe Qualität in der Diättherapie und Ernährungsberatung zu erreichen…“. ADA beschreibt dieses Ziel als „.. das Richtige, zur richtigen Zeit, mit dem richtigen Weg, für die richtige Person zu tun, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.“ (Buchholz/Ohlrich 2011a).
6.3 Diätologischer Prozess
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Name Diätologischer Prozess ist abgeleitet von der Berufsbezeichnung Diätologe in Österreich. Die Ausbildung von Diätologen ist akademisiert und endet mit einem Bachelorabschluss. Die Aufgabengebiete von Diätologen entsprechen denen von Diätassistenten in Deutschland. Der Diätologische Prozess ist als Vorgehensweise gesetzlich in Österreich vorgeschrieben und in Anlage 4 der FH-MTD-Ausbildungsverordnung – FH-MTD-AV (2006) verankert „Der Absolvent oder die Absolventin kann 1. nach ärztlicher Verordnung den diätologischen Prozess gemäß § 2 Abs. 4 MTD Gesetz als Teil des medizinischen Gesamtprozesses durchführen…“ (Anlage 6). Abbildung 5 zeigt den schematisch dargestellten Verlauf des Diätologischen Prozesses und lässt erkennen, dass sowohl der Verlauf als auch qualitätssichernde Maßnahmen einer diättherapeutischen Maßnahme integriert sind.
Abbildung 5: Der Diätologische Prozess; Purtscher in Buchholz/Ohlrich 2011b: 7
Für einen späteren Vergleich der dargestellten Vorgehensweisen ist in Anlage 7 ausführlich dargestellt, welche Maßnahmen und Schritte in den Diätologischen Prozess einbezogen werden.
Buchholz/Ohlrich (2011b) empfehlen in ihrer Präsentation im Rahmen des 53. Bundeskongresses des VDD die Etablierung eines einheitlichen Prozesses in Diätetik und Ernährungsberatung. Sie sind der Ansicht, dass dies als ersten Schritt die Entwicklung einer einheitlichen Sprache voraussetzt. In ihrer Präsentation haben sie verschiedene Begriffe aufgelistet, die eine diättherapeutische Vorgehensweise benennen (Anlage 8). Wie auch einigen Fußnoten zu entnehmen ist, werden viele Begriffe synonym benutzt, was in Fachkreisen und bei Laien regelmäßig zu Verwirrungen führt. Beispielhaft dafür sind: ärztliche Weisung – Notwendigkeitsbescheinigung – ärztliche Verordnung, Diättherapie - Ernährungstherapie.
6.4 Vergleich der verschiedenen diättherapeutischen Vorgehensweisen
In Abbildung 6 wurden die drei vom VDD propagierten möglichen Vorgehensweisen zur Durchführung von diättherapeutischen Maßnahmen direkt gegenübergestellt und die jeweils gleichen Inhalte als Fettdruck hervorgehoben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Inhaltlicher Vergleich von möglichen Vorgehensweisen und qualitätssichernder Maßnah-men in der Diättherapie
Bei diesem Vergleich fällt auf, dass die fachlichen Inhalte sehr ähnlich sind. Die modifizierte Version des VDD Qualitätsstandards (1998) beschreibt lediglich den Ablauf einer diättherapeutischen Maßnahme, als eine dem wissenschaftlichen Arbeiten ähnliche Vorgehensweise. Qualitätssichernde Maßnahmen werden nur indirekt berücksichtigt, obwohl viele qualitätssichernde Inhalte in der Ausbildung vermittelt werden, wie den Anlagen 2 und 4 zu entnehmen ist. Nach Buchholz/Ohlrich (2011b) ist lediglich der NCP evaluiert und entspricht somit wissenschaftlichen Kriterien. Derzeit ist der NCP nur einem Bruchteil von Diätassistenten, den Mitgliedern des VDD, über die Abstracts des diesjährigen Bundeskongresses des VDD auf der Internetseite (www.vdd.de) und die Mitgliederzeitschrift Diät- und Information (Buchholz/Ohlrich, 2011a) zugänglich.
In allen vorgestellten Modellen finden sich Anteile des Clinical Reasoning wieder und somit könnte Clinical Reasoning als Prozess zur Entscheidungsfindung in alle Modelle implementiert werden. Clinical Reasoning ist eine zusätzliche Möglichkeit zur Qualitätssicherung individueller Diättherapie.
Im weiteren Verlauf wurde die in den derzeitigen Qualitätsstandards empfohlene, von Pohl (2011a) modifizierte, Vorgehensweise des VDD berücksichtigt. Diese findet sich in ähnlicher Form in den derzeitigen Rahmenplänen für die Ausbildung von Diätassistenten wieder.
6.5 Qualitätssichernde Standards für diättherapeutische Anforderung-en, Maßnahmen, Dokumentationen
Es existieren derzeit keine einheitlichen qualitätssichernden Standards in Deutschland zur Anforderung und Dokumentation von individuellen diättherapeutischen Maßnahmen. Der VDD (2011) hat diverse Vordrucke im Mitgliederbereich als Praxishilfen veröffentlicht, die vorrangig für freiberuflich tätige Kollegen entwickelt wurden. Es existieren daneben noch vielfältige Dokumente, die von Diätassistenten selbst erstellt wurden und/oder EDV gestützt als Anforderung für eine diättherapeutische Maßnahme im klinischen Bereich verwendet werden (Anlagen 9 bis 12). Diätassistenten können zusätzlich, über die entsprechenden Zugriffsrechte, Einblick in relevante Daten der elektronischen Patientenakte nehmen.
Beispielhaft befinden sich in den Anlagen 13 bis 19 mögliche Vorlagen für unterschiedliche Bereiche in der Diättherapie.
Dazu gehören:
- Ärztliche Notwendigkeitsbescheinigungen
- Muster einer Patientenakte
- Ein Evaluationsbogen
- Arztbriefe
- Anforderungen von diättherapeutischen Maßnahmen im klinischen Bereich
Eine Verschlüsselung über Kennziffern der DRG oder des ICD erfolgt in der Regel nicht. Dies ist darin begründet, dass z. B. in den DRG nur wenige diättherapeutischen Maßnahmen aufgeführt sind, dazu gehören z. B. die Mangelernährung oder alle Formen des Diabetes mellitus.
7. Clinical Reasoning
7.1 Definition Clinical Reasoning
Der Begriff Clinical Reasoning wird in der einschlägigen Literatur in der Regel nicht wortwörtlich übersetzt, sondern eher umschrieben. Nach Jones (1997, in Klemme/Siegmann 2006) wird Clinical Reasoning wie folgt verstanden: „Unter Clinical Reasoning sind die Denkvorgänge und die Entscheidungsfindungen des Therapeuten während der Untersuchung und Behandlung eines Klienten zu verstehen.“ Burtchen (2006a) zitiert diese Definition ähnlich und ergänzt, dass es sich beim Clinical Reaso-ning nicht ausschließlich um einen kognitiven Prozess handelt, sondern zusätzlich ist die Interaktion mit dem Betroffenen zu gestalten.
In der Erklärung von Wikipdia® (03.06.2011) werden die am therapeutischen Prozess von Erkrankten beteiligte Berufsgruppen ergänzend aufgeführt:„… klinisches Argumentieren, Schlussfolgerung, Beweisführung. Gemeint sind damit Denk-, Handlungs- und Entscheidungsprozesse, welche klinisch tätige Personen (Ärzte, Pflegepersonal, Therapeuten u. a.) entweder alleine oder in der Auseinandersetzung mit Berufskollegen und/oder dem betroffenen Klienten treffen…“
Clinical Reasoning ist damit ein Werkzeug, um therapeutischem Handeln eine Struktur zu geben und inter- und multidisziplinär mit der gleichen wissenschaftlichen Systematik vorzugehen. Ziel ist es, gemeinsam mit dem Klienten die bestmögliche Vorgehensweise und Begleitung im Rahmen seiner Möglichkeiten heraus zu finden. Der Klient steht somit im Mittelpunkt und wird ganzheitlich betrachtet.
In einem Mind Map (Anlage 20) wurde dargestellt, welche Kompetenzbereiche in das Clinical Reasoning eingebunden sind. Es sind umfassende Kenntnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen notwendig, dazu gehören beispielhaft die Psychologie, Soziologie und Kommunikation.
In der deutschsprachigen Literatur finden sich, wie in der Einleitung dargestellt, überwiegend Veröffentlichungen zum Clinical Reasoning, für die angrenzenden therapeutischen Berufe. Diätassistenten stehen hier noch am Anfang, erste Veröffentlichungen gab es im Jahr 2011 (Buchholz/Ohlrich 2011b, Pohl 2011b).
Auf der Ebene des VDD werden seit langem Bestrebungen zur Veränderung des Berufsstatus betrieben. Eine Akademisierung der Ausbildung und/oder die Einordnung der Diättherapie in die Heilmittelrichtlinie sind zwei beispielhafte Möglichkeiten um den Beruf des Diätassistenten in einem stärkeren wissenschaftlichen Kontext zu stellen. Dabei wirkt eine festgelegte und anerkannte wissenschaftlich therapeutische Vorgehensweise wie im Clinical Reasoning unterstützend für die Durchsetzung der vom VDD angestrebten Ziele.
Die bundesweite Einführung von dualen Studiengängen und die Modellklausel zur Erprobung von akademischen Ausbildungsgängen von Logopäden, Ergo- und Physiotherapeuten hat bewirkt, dass diese Berufe einen wissenschaftlichen Vorsprung gewinnen konnten. Diätassistenten können daran nur eingeschränkt, über für examinierte Diätassistenten offene Studiengänge, teilnehmen (www.vdd.de). Diese sind in der Regel eher berufsübergreifend als auf die speziellen Bedürfnisse von Diätassistenten ausgerichtet. Es wird somit zunehmend dringender die Professionalisierung von Diätassistenten im Rahmen monoprofessioneller Studiengänge zu forcieren.
Andere Berufsgruppen, wie Oecotrophologen, möchten den Bereich der Ernährungstherapie und –beratung ebenfalls für sich offen halten (VDOe 2011).
7.2 Wissensbereiche im Clinical Reasoning
Clinical Reasoning setzt sich, wie in Anlage 20 dargestellt, aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammen (Anlage 20). Für die Ausbildung sind zusätzlich unterschiedlicher Wissensbereiche und deren Vernetzung im Gehirn wichtig. Beushausen/Walther (2010) zählen vier Wissensbereiche für den therapeutischen Kontext von Logopäden auf, die miteinander verknüpft sind und zwischen denen eine Interaktion stattfindet.
Diese Auflistung wurde in Teilen für Diätassistenten modifiziert und sieht wie folgt aus:
Fachwissen/kognitive Ebene
- Physiologie, Pathophysiologie
- Diagnostik
- Psychologie
- Metawissen
- Soziologie
- Kommunikation
Handwerkliches Wissen, “Wissen wie“
- Praktisches Umsetzen der Lehrbuchinhalte
- Erfahrungen aus der praktischen Arbeit
- Implizites und explizites Wissen
Persönliches Wissen, aus der persönlichen Biografie
- Über sich und seine Person
- Eigene Stärken und Schwächen
- Bewusstsein für individuelle Denkstile
Stilles Wissen, impliziertes Wissen
- Kenntnisse und Fähigkeiten, die nicht explizit formuliert sind
- Durch Analyse des therapeutischen Denk- und Entscheidungsprozesses wird es verbalisierbar
Klemme/Siegmann (2006) haben für Physiotherapeuten eine ähnliche Wissensstruktur beschriebenen wie Beushausen/Walter. Die Bezeichnungen weichen in den Ausführungen von Klemme/Siegmann etwas von einander ab und werden zusammengefasst dargestellt.
- Biomedizinisches und klinisches Wissen
- Erkenntnisse und Vermutungen der Grundlagenforschung
- Abgespeicherte klinische Muster und Regeln, die Therapeuten in ihrer täglichen Praxis anwenden
- Deklaratives und prozedurales Wissen
- Deklariertes Wissen bedeutet Faktenwissen, das gespeichert ist und abgerufen werden kann
- Prozedurales Wissen bezeichnet das „Wissen wie“
- Explizites und implizites Wissen
- Explizites Wissen ist eindeutig kodiert und dadurch eindeutig kommuni-zierbar
- Impliziertes Wissen ist nicht oder nicht vollständig verbalisierbares und darstellbares Wissen; Handlungen, die gewissermaßen automatisch oder unbewusst ablaufen
- Persönliches Wissen
- Persönliche Werte und Überzeugungen
- Erfahrungswissen
- Alle Wissensarten werden für die Entscheidungsfindung herangezogen
Zusätzlich ist es wichtig zu wissen, wie die einzelnen Wissensarten entstehen bzw. im Gehirn abgespeichert werden. Im expliziten Gedächtnis sind Informationen gespeichert, die bewusst gelernt wurden und über das Nachdenken wieder abgerufen werden können (Abbildung 7). Dies findet sich in den beschriebenen Begriffen, wie explizites und implizites Wissen wieder. Das prozedurale Gedächtnis funktioniert, ohne dass wir uns bewusst an das Gelernte erinnern, ohne darüber Nachzudenken, es sind Automatismen entstanden. Dies können motorische Abfolgen oder die Anwendung wissenschaftlicher Verfahren, wie der Clinical Reasoning Prozess, sein. Beiden gemeinsam ist, dass ein Weg zu diesen automatischen Handlungen das Wiederholen bzw. Üben ist (Gerrig/Zimbardo 2008, Sprenger 2011).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Funktionen des Langzeitgedächtnisses; Sprenger 2011:161
Das neu erworbene Wissen soll nicht neben älterem Wissen abgespeichert werden, Ziel ist eine Vernetzung zwischen neuem und altem Wissen. Über Clinical Reasoning wird die Bildung dieser Strukturen, auch neuronale Netzwerke, geschaffen.
Im Rahmen der Ausbildung von Diätassistenten lässt sich die Verknüpfung der verschiedenen Wissensarten sowie der Prozess der „Automatisierung“ von Vorgehensweisen über das Individuelle Krankheitsskript und Übungen zum Clinical Reasoning Prozess anstoßen (siehe Punkt 11.2ff). Zu erwarten wäre dann eine schnellere Professionalisierung im Bereich des diättherapeutischen Handelns und ein schnelleres Erreichen des Kompetenz Stadiums (siehe Punkt 7.5 und Anlage 21).
7.3 Entscheidungsfindung im Clinical Reasoning
Als Strategien im Entscheidungsfindungsprozess des Clinical Reasoning nennt Siegmann (2010) die Musterkennung (pattern regognition) und eine hypothetisch-deduktive Vorgehensweise.
In einem Fließschema (Abbildung 8) haben Beushausen und Walther (2010) übersichtlich dargestellt, wie die Vorgänge der Musterkennung und des hypothetisch-deduktiven Reasoning ablaufen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Vorgang der Musterkennung, hypothetisch-deduktives Reasoning; Beushausen, Walther 2010: 32
7.3.1 Musterkennung
Erfahrene Therapeuten haben immer wieder mit den gleichen Diagnosen zu tun. Aus diesen vielfältigen Erfahrungen mit Klienten haben sich bestimmte Denkmuster und therapeutische Vorgehensweisen entwickelt, die angewandt werden. Über diese Muster, ohne Prüfung jeder einzelnen Hypothese, werden therapeutische Handlungen durchgeführt.
Nach Klemme/Siegmann (2006) eignet sich eine derartige Vorgehensweise für erfahrene Therapeuten nicht als einzige Möglichkeit der Problemerkennung. Bei einfachen oder eindeutigen Fällen ist diese schnelle Vorgehensweise möglich, bei komplizierten oder nicht den üblichen Mustern entsprechenden Fällen findet, auch bei erfahrenen Therapeuten, eher der Clinical Reasoning Prozess statt.
7.3.2 Clinical Reasoning Prozess
Der Clinical Reasoning Prozess umfasst nach der einschlägigen Literatur sechs Schritte:
1. Herausbildung eines „ pre-assessment-image “
- Eindrücke, Annahmen aus Terminvereinbarung, Patientenakte, Notwendigkeitsbescheinigung
2. Prozess der „ cue acquisition “
- Sammeln und Auswahl von Daten
3. Hypothesenproduktion
- Hypothetische Erklärungen für angegebene Erkrankung, Labordaten usw.
4. „ cue interpretation“
- Weitere Datensammlung zur Unterstützung oder Widerlegung der Hypothesen
5. Hypothesenevaluation
- Hypothesen auswerten
6. Festlegung der therapeutischen Diagnose
- Grundlage für die therapeutische Vorgehensweisen
Der Clinical Reasoning Prozess kann im Verlauf einer diättherapeutischen Vorgehensweise von vorne beginnen oder es kann z. B. aufgrund mangelnder Complience des Klienten, eines länger als geplanten Umstellungsprozesses sowie sich veränderten Labordaten zu einer neuen Hypothesenproduktion kommen. In Anlage 22 ist in einem Fließschema (Pohl 2011b) dieser mögliche Dynamik für die Diättherapie dargestellt.
7.4 Formen des Clinical Reasoning
In Abbildung 9 sind die am häufigsten dargestellten Formen des Clinical Reasoning aufgeführt, sie beinhaltet zusätzlich die Fähigkeiten, die ein Therapeut für eine professionelle Vorgehensweise haben sollte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Formen des Clinical Reasoning; modifiziert nach Feiler et al. 2003:4 in Pohl 2011a:6
Beushausen und Walther (2010) ergänzen für die Logopädie das Didaktische Rea-soning: „….die Reflexion von Lehr- und Lernsituationen mit Klienten, Kollegen, Seminarteilnehmern etc. Es erfolgt z. B. dann, wenn Therapeuten Klienten anleiten, um Veränderungen auf der behavioralen, kognitiven und emotionalen Ebene zu bewirken und über die Methode die Vermittlung, das einzusetzende Material, Feedback-Regeln usw. entscheiden müssen…“. Higgs und Jones (2000, in Siegmann/Klemme 2006) haben in ihrer Übersicht der Clinical Reasoning Formen den Begriff „ teaching as Reasoning“ für diese Vorgehensweise gewählt. Für Diätassistenten erscheint diese Ergänzung sinnvoll, da in den Beratungseinheiten eine didaktische Vorgehensweise angestrebt wird.
In Anlage 23 wird dargestellt, an welcher Stelle die einzelnen Formen des Clinical Reasoning in der individuellen Diättherapie stattfinden. Das Didaktische Reasoning wurde, modifiziert für Diätassistenten, eingefügt (Abbildung 10).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 10: Didaktisches Reasoning in der Diättherapie
7.5 Entwicklungsstadien im Clinical Reasoning
Schell (1993) in Klemme/Walkenhorst (2003) beschreibt verschiedene Entwicklungsstadien im Clinical Reasoning und deren zeitlichen Verläufe.
Novize/Anfänger
- Als Schüler während der Ausbildung
Fortgeschrittener Anfänger
Am Ende der Ausbildung, im ersten Berufsjahr
Kompetenz-Stadium
- Nach ca. drei Jahren Berufserfahrung
Fortgeschrittenen Stadium
- Nach ca. fünf Jahren Berufserfahrung
Experten-Stadium
- Ab ca. zehn Jahren Berufserfahrung
Aus diesen Ausführungen in Verbindung mit Anlage 21 kann geschlossen werden, das Diätassistenten frühestens nach drei Jahren Berufserfahrung über Kenntnisse verfügen, um die Vorgehensweise der Musterkennung anwenden zu können. Daher eignet sich diese nur begrenzt für die Umsetzung in der Ausbildung.
7.6 Individuelles Krankheitsskript
Mit Hilfe des Individuellen Krankheitsskriptes kann das Erlernen des Clinical Reaso-ning und der Prozess bis zum Experten, somit das Erkennen von Mustern, beschleunigt werden.
In Burtchen (2006a) ist erläutert, dass angehende Mediziner zum Experten werden, wenn diese deklariertes und prozedurales Wissen und entsprechende Fertigkeiten in einem Prozess erwerben. Werden Informationen direkt und automatisch abgerufen, findet schneller eine Musterkennung statt (Abbildung 8), die dann zu den notwendigen Behandlungsschritten führt. Komponenten des Individuellen Krankheitsskriptes in Burt-chen (2006) sind:
- Bedingungen, unter denen sich die Krankheit entwickelt. Dies sind persönliche, soziale, medizinische, genetische und umweltbedingte Faktoren, die sowohl negativ als auch positiv auf die Krankheitsentwicklung einwirken können.
- Ablaufende pathophysiologische Prozesse
- Auswirkungen von Zeichen und Symptomen einer Krankheit
Aus dem bewussten Bearbeiten des Individuellen Krankheitsskripts lässt sich eine grobe Behandlungsplanung ableiten.
8. Anthropologische, soziale und fachliche Voraussetzungen der Schüler
8.1 Schulische Vorbildung
Im DiätAssG sind folgende Zulassungsvoraussetzungen festgelegt:
- „Realschulabschluss[10] oder
- eine gleichwertige Ausbildung oder
- eine andere zehnjährige Schulbildung, die den Hauptschulabschluss erweitert oder
- [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] eine nach dem Hauptschulabschluss oder einem gleichwertigen Abschluss abgeschlossene Berufsausbildung von mindestens zweijähriger Dauer“
Abbildung 11: Höchster Schulabschluss bei examinierten Diätassistenten/-innen (n = 800) und
Schüler/- innen (n = 240), (N = 1040); Babitsch et al 2010:11
Babitsch et al (2010) haben in ihrer Studie festgestellt, dass von den bei den befragten bereits examinierten Diätassistenten (n = 800) der Anteil der mit mittlerer Reife bei 56% lag, bei den befragten Schülern (n = 240) lag der Anteil bei 36% (Abbildung 11).
Der qualifizierte Hauptschulabschluss[11] ist bei den Schülern nicht mehr aufgeführt und dies lässt den Schluss zu, dass er weiterhin eine untergeordnete Rolle spielt.
Der derzeitige Status in den Ausbildungsklassen deckt sich mit den Ergebnissen.
8.2 Alter
Abhängig vom Schulabschluss liegt das Eintrittsalter in die Ausbildung zum Diätassistenten zwischen 16 und 20 Jahren. In Diätschulen, die Maßnahmen der beruflichen REHA durchführen oder mit Bildungsgutschein geförderte Teilnehmer der Bundesagentur für Arbeit haben, kann sich der Altersdurchschnitt noch oben verschieben. Einzelne Schüler können dann zwischen 25 und 45 Jahren oder älter sein.
8.3 Geschlechterverteilung
Die Ausbildung zum Diätassistenten ist ein typischer Frauenberuf. Nach Babitsch et al. (2010:8) sind im VDD 97,5% weibliche Mitglieder organisiert und die Studienteilnehmer waren zu 98,1% Frauen. Laut Statistischem Bundesamt (02.08.201; www.destatis.de) gab es im Jahr 2009 14.000 Diätassistentinnen und 1000 Diätassistenten, der Anteil der Diätassistentinnen liegt somit bei 6,7 % in Deutschland.
Das bedeutet, dass in den Ausbildungsklassen überwiegend weibliche Teilnehmer zu er-warten sind.
8.4 Klassengröße
Diätschulen haben unterschiedliche Träger (siehe Punkt 3.) und sind somit an unterschiedliche organisatorische Rahmenbedingungen gebunden. Aufgrund dieser Bedingungen legen die zuständigen Behörden eine maximale Schülerzahl für die jeweils ausbildende Organisation fest. Den Diätschulen ist es in der Regel selbst überlassen, auf wie viel Klassen sie die genehmigten Schulplätze aufteilen. Die zuständigen Aufsichtsbehörden können auch hier Vorgaben zur Verteilung festlegen. In den meisten Schulen gibt es drei gleich große Klassen, für jedes Ausbildungsjahr jeweils eine. Sehr wenig Schulen bilden zwei Jahrgänge aus. Abweichungen können z. B. aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund der Größe der Lehrküche entstehen.
Erfahrungsgemäß liegt die Anzahl der Schüler zwischen 15 und 25 pro Ausbildungsjahr.
8.5 Möglicher Kenntnisstand
Um Clinical Reasoning Fähigkeiten zu entwickeln, sind Grundlagen bzw. Kenntnisse aus verschiedenen Fächern notwendig. In Abbildung 12 sind diejenigen dargestellt, die auf das individuelle Krankheitsskript, den Clinical Reasoning Prozess und auf die Formen des Clinical Reasoning Einfluss haben. Es wurden der theoretische und praktische Unterricht sowie die praktische Ausbildung von Diätassistenten einbezogen, Grundlage bilden die zur Zeit vorhandenen Lehrpläne (Höfler/Willig 1996, Bayerisches Staatministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst 1996).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 12: Notwendige Vorkenntnisse zur Entwicklung von Clinical Reasoning Fähigkeiten
Eine Auflistung von für Diätassistenten notwendigem Fachwissen außerhalb von Diätetik und Krankheitslehre wurde in Abbildung 12 nicht vorgenommen. Außer in Bayern, ist es den Schulleitungen organisatorisch überlassen, in welchem Ausbildungsjahr welche Fächer unterrichtet werden. Üblicherweise sind Grundlagenfächer, wie z. B. die Er-nährungslehre, Koch- und Küchentechnik sowie Lebensmittelkunde, Fächer, die ihren Schwerpunkt im ersten und zweiten Ausbildungsjahr haben. Im Rahmen der praktischen Ausbildung werden in der Regel die Bereiche der Krankenstation sowie Diät- und Ernährungsberatung im zweiten und dritten Ausbildungsjahr absolviert.
Es scheint demnach sinnvoll, erste Clinical Reasoning Kenntnisse ab Mitte des zweiten Jahres zu vermitteln und den Schwerpunkt, inkl. praktischer Übungen, auf das dritte Jahr zu legen.
9. Rahmenbedingungen der Diätschulen
9.1 Räume und deren Ausstattung
Es ist davon auszugehen, dass an den meisten Diätschulen ein Unterrichtsraum pro Ausbildungsgang zur Verfügung steht. Je nach Organisation stehen zusätzlich nur in den Pausen genutzte Aufenthaltsräume oder durch praktische Einsätze weitere freie Räume zur Verfügung.
Gruppenarbeiten können somit in maximal zwei bis drei Räumen durchgeführt werden. Vorausgesetzt wird, dass ein Overhead-Projektor, eine Tafel oder ein Whiteboard und in den meisten Fällen ein Beamer für Unterrichtszwecke vorhanden sind.
9.2 Heterogenität der Lehrkräfte
9.2.1 Pädagogische und fachliche Qualifikationen
Im[13] Bereich der hauptamtlichen angestellten Lehrkräfte ist es üblich, dass vorwiegend Diätassistenten tätig sind, teilweise mit pädagogischen (Zusatz)Qualifikationen oder einem Studium der z. B. Dipl. Medizinpädagogik. Die nebenberuflich tätigen Lehrkräfte können Mediziner, Diätassistenten, Psychologen u. ä. sein. Erfahrungsgemäß sind hier pädagogische (Zusatz)Qualifikationen eine Seltenheit.
Derzeit besteht keine bundeseinheitliche gesetzliche Grundlage zu möglichen Qualifikationen von haupt- und nebenamtlich angestellten Lehrkräften. Die AG Leitende Lehrkräfte an Schulen für Diätassistenten in der Bundesrepublik Deutschland hat in ihren Qualitätskriterien, Empfehlungen und Standards für die Ausbildung von Diätassistenten/innen an staatlich anerkannten Schulen in der Bundesrepublik Deutschland (2001) empfohlen, welche Berufsgruppen mit welchen Qualifikationen im theoretischen Unterricht und in der praktischen Ausbildung an der Durchführung beteiligt sein sollten.
Für hauptamtlich angestellte Lehrkräfte werden eine mehrjährige fachspezifische Berufserfahrung und eine nachgewiesene zusätzliche berufliche Qualifikation festgeschrieben. Dazu werden von der AG gezählt: „…1. möglichst staatlich anerkannte und zertifizierte pädagogische Weiterbildung (Dipl. med. Päd., Lehrkraft in den Medizinalfachberufen, EMB, Studienlehrgang der HAGE) 2. Fachliche Fort- und Weiterbildung…“. Für nebenamtlich tätige Lehrkräfte (die AG nennt diese: nebenamtliche Dozenten) wird empfohlen „….dass immer die nötige pädagogische und persönliche Kompetenz vorhanden sein muss….“ In Anlage 24 sind die Empfehlungen näher beschrieben.
Wie der Titel schon sagt, handelt es sich um Empfehlungen zur Qualitätssicherung und nicht um verbindliche Normen. Dies ermöglicht das Unterschreiten dieser Empfehlungen. Die zuständigen Aufsichtsbehörden können andere Anforderungen stellen. Im Folgenden wurde über die jeweiligen Schulleitungen oder die zuständigen Behörden exemplarisch erfasst, wie mögliche Vorgaben derzeit aussehen.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat zum Beispiel festgelegt, dass hauptamtlich angestellte Lehrkräfte eine mehrjährige fachspezifische Berufserfahrung und eine pädagogische Qualifikation von mindestens 160 Std. nachweisen müssen. Die pädagogische Qualifikation kann auch im Verlauf der Lehrtätigkeit erworben werden.
Die Bezirksregierung Münster setzt eine mindestens zweijährige Berufstätigkeit voraus, eine pädagogische Qualifikation oder eine Mindeststundenzahl an pädagogischen Fortbildungsstunden wird nicht verlangt.
In Berlin fordert die Senatsverwaltung für Gesundheit – Landesamt für Gesundheit und Soziales nach dem Berliner Weiterbildungsgesetz für hauptamtliche Lehrkräfte eine mindestens zwölfmonatige Weiterbildung in Vollzeit mit mindestens 1000 Unterrichtstunden und mindesten 450 Stunden berufspraktischer Anteile. Diese Stunden werden in der Weiterbildung zur Heranbildung von Lehrkräften für Medizinalfachberufe erfüllt und können in Voll- oder Teilzeit absolviert werden.
Durch die Länderhoheiten in der Umsetzung von Ausbildungsverordnungen sind somit unterschiedliche Qualifikationen der hauptamtlich angestellten Lehrkräfte in den jeweiligen Diätschulen vorzufinden.
[...]
[1] Für eine bessere Lesbarkeit wurde die jeweils männliche Form verwendet. Gemeint sind immer beide Geschlecht-
er.
[2] Im laufenden Text als Forderungskatalog bezeichnet.
[3] Als Diätschule wird im internen Sprachgebrauch der an der Ausbildung beteiligten Personen eine staatlich aner-
kannte Fachschule Diätassistenten oder Fachschule für Diätassistenz bezeichnet.
[4] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde der Begriff Ausbildung als Synonym für den Begriff Beruf fachschul-
Ausbildung verwendet. In der DiätAss-AprV wird ebenfalls von Ausbildung gesprochen.
[5] Die Notwendigkeitsbescheinigung (Anlagen 14-16) wird im Bereich der ambulanten Diättherapie zusätzlich für
einen Antrag zur Kostenübernahme benötigt, der der GKV vorgelegt werden muss.
[6] Ärztliche Weisung und Notwendigkeitsbescheinigung sind Bezeichnungen, die synonym für den Begriff ärztliche
Anordnung oder ärztliche Verordnung verwendet werden.
[7] Im weiteren Text wird der Begriff Diättherapie für alle von Diätassistenten durchgeführten therapeutischen Maß-
nahmen verwendet.
[8] Die Tätigkeit von Diätassistenten umfasst die Betreuung von gesunden und kranken Menschen, daher wurde Klient
statt Patient gewählt.
[9] Die hochstellten Ziffern der Abbildung 3 beziehen sich auf von QUETHEB herausgegebene Dokumentationsvorla-
gen.
[10] Im DiätAssG wird der Begriff Realschulabschluss verwendet. Babitsch et al haben nach der Mittleren Reife ge-
fragt. Es handelt sich um unterschiedliche Bezeichnungen für den gleichen Schulabschluss.
[11] Der Qualifizierte Hauptschulabschluss entspricht dem im DiätAssG geforderten Hauptschulabschluss plus zusätz-
licher Berufsausbildung von mindesten zwei Jahren.
[12] In welcher Reihenfolge die jeweiligen Themen unterrichtet werden ist in den Diätschulen unterschiedlich organi-
siert. Es wurde daher darauf verzichtet alle Themen anzugeben. Die zu bearbeitenden Fälle können dem jeweiligen
Unterrichtsfortschritt angepasst werden.
[13] Lehrkräfte wird hier als Synonym für alle im theoretischen und praktischen Unterricht tätigen Personen verwendet.
Die Bezeichnung beinhaltet in diesem Zusammenhang nicht zwingend eine pädagogische (Zusatz)Qualifikation.
- Quote paper
- Michaela Pohl (Author), 2011, Das Konzept des Clinical Reasoning in der Ausbildung von Diätassistenten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202658
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