Hierbei handelt es sich um eine Lehrprobe zum oben genannten Thema, dem Bundesverfassungsgericht. Die Stunde ist konzipiert für einen Leistungskurs im Fach Politik.
1. Beschreibung der Lerngruppe
Den eA-Kurs in der QP II, der sich aus neun Schülerinnen und zehn Schülern[1] zusammensetzt, unterrichte ich seit Anfang des letzten Schuljahres. Die Schüler sind weitestgehend motiviert, offen und es gibt kaum gruppeninterne Differenzen. Zudem übertragen sie ihre positive Unterrichtseinstellung auch auf das Verhältnis zu mir, wodurch eine sehr freundliche und meist störungsfreie Lernatmosphäre entsteht. Dies wird durch die Tatsache verstärkt, dass ich einige der Schüler bereits seit der achten Klasse kenne. In Bezug auf ihr Leistungsvermögen sind die Lerner jedoch sehr heterogen und lassen sich folglich in drei Gruppen einteilen:[2]
1. XXX, XXX, XXX und XXX gehören zu den mündlichen Leistungsträgern. Sie beteiligen sich kontinuierlich am Unterricht und bringen diesen durch sehr gute Beiträge und sinnvolle Fragestellungen inhaltlich voran. XXX und XXX stechen aus dieser Gruppe besonders heraus. Mittels ihres guten Allgemein- und Fachwissens dominieren sie die Lerngruppe, woraufhin ihre Mitschüler ab und zu davon entmutigt werden, noch etwas zum Unterricht beizutragen.
2. Das große Mittelfeld weist folgende Schüler auf: XXX, … und XXX. Sie beteiligen sich regelmäßig am Unterricht, doch sind ihre Leistungen eher als durchschnittlich, manchmal allerdings auch als gut einzuschätzen. Die aufgeführten Schüler treten hauptsächlich in Reproduktionsphasen oder während der Vorstellung und Sammlung von Arbeitsergebnissen in den Vordergrund. Es ist zu beobachten, dass diesen Schülern oft das nötige Selbstvertrauen fehlt, um stärker am Unterricht teilnehmen zu können.
3. XXX, XXX und XXX tragen kaum etwas zum Unterricht bei. Es ist äußerst schwierig, diese Schüler zu aktivieren. Falls man diese Schüler jedoch ohne Aufzeigen ihrerseits bittet, etwas zum Unterricht beizusteuern, ist dieses oft mit gut zu bewerten. Ihre schriftlichen Leistungen bestätigen dieses. Sie liegen im Durchschnitt bei 13 Punkten.
Insgesamt haben sich das Arbeiten in den Sozialformen der Partner- und Gruppenarbeit als effektiv, funktional und beliebt für die Vorbereitung eines abschließenden Unterrichtsgesprächs erwiesen, in dem relativ viele Schüler motiviert und inhaltlich gestärkt sinnvolle Wortbeiträge beisteuern können. Das Niveau für einen Kurs mit erhöhten Anforderungen wird erfüllt.
2. Einordnung in den Unterrichtszusammenhang
Die Stunde ist inhaltlich dem verbindlichen Themenschwerpunkt für das Zentralabitur 2011 „Demokratie und sozialer Rechtstaat“ und dem Unterpunkt „Politischer Willensbildungs- und Entscheidungsprozess“ zuzuordnen.[3] Der Einstieg in diese sehr komplexe Einheit erfolgte über verschiedene Demokratie- und Repräsentationstheorien. Mittels dieses theoretischen Hintergrundes war es den Schülern möglich, neben der Erarbeitung des demokratischen Systems der BRD dieses auch kritisch zu hinterfragen. Die zu zeigende Stunde bildet einerseits den Abschluss zur Institutionenlehre. In der folgenden Woche wird hierüber eine Klausur geschrieben. Andererseits leitet die zu zeigende Stunde über zu dem verpflichtenden Punkt „Politischer Willensbildungs- und Entscheidungsprozess am Beispiel eines Gesetzes zur Sozialpolitik“, welches an den Hartz IV- Gesetzen thematisiert werden soll, die schon in der zu zeigenden Stunde am Rande angesprochen werden. Im zweiten Teil der Doppelstunde soll sowohl eine methodische als auch inhaltliche Wiederholung für die Klausur stattfinden, die in der Folgewoche geschrieben wird.
3. Didaktische Überlegungen
Erfahrungsgemäß sind Schüler durch die Institutionenlehre nicht sehr zu motivieren. Ihnen ist der Sachverhalt zu fern und zu fremd. Die sich dadurch resultierende Ablehnung wird dadurch verstärkt, dass die Texte von Juristen geschrieben worden sind und inhaltliche Aspekte sprachlich sehr präzise formuliert werden müssen. Leider wird dadurch oft durch Schülerseite verdrängt, wie wichtig das Bundesverfassungsgericht für den einzelnen Bürger und seinen Schutz vor der Willkür des Staates, aber auch durch andere Gerichte ist.[4]
Die obige Darstellung und die bereits beschriebene politisch interessierte und kritische Einstellung der Schüler legen es nahe, den Zugriff auf das Thema in der zu zeigenden Stunde über das didaktische Prinzip der Problemorientierung erfolgen zu lassen, denn „Problemorientierung ist der didaktische Ansatz, bei dem durch die Bearbeitung konkreter Probleme das Politische verstehbar und evtl. handhabbarer wird.“[5] Aufgrund der Ferne des Problems für die Schüler ist es auf den ersten Blick äußerst schwierig, ein wesentliches Merkmal des problemorientierten Unterrichts, den subjektiven Bezug (Betroffenheit), herzustellen. Es ist äußerst selten, dass Schüler in den Kontakt mit dem Gesetz kommen oder politische Entscheidungen als existenzbedrohend wahrnehmen, da sie zur Zeit noch durch das soziale Netz der Familie geschützt und bewahrt werden.
Die Betroffenheit soll bei den Schülern über eine reale, provokative Überschrift eines Leserkommentars zum Thema Hartz IV erreicht werden, welche mit dem Artikel 3 des Grundgesetzes, der die Willkür des Bürgers vor dem Staat ausschließt, kontrastiert werden soll. Insbesondere durch das Gefühl des Mitleids und der Gerechtigkeit soll den Schülern die Wichtigkeit einer politisch unabhängigen und verbindlichen Instanz vermittelt werden. Zwar ist den meisten Schülern das Bundesverfassungsgericht bereits aus dem neunten Jahrgang bekannt, jedoch soll insbesondere durch das Herstellen einer kognitiven Dissonanz Neugier geweckt werden, sich erneut und intensiver mit dieser Institution auseinander zu setzen und seine rechtlichen Aufgaben zu erarbeiten.
Allerdings habe ich beim Material darauf verzichtet, den ganzen Leserkommentar zu erwähnen, da sonst der Fokus der Schüler zu leicht auf den Hartz IV-Gesetzen liegen könnte, was zu einer inhaltlichen Desorientierung führen könnte.
Die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts sollen anhand zweier Texte aus dem Auer[6] erarbeitet werden. Die Autoren schlagen zudem vor, in einer Vertiefungsphase die Arbeit des Gerichts anhand des Zuwanderungsgesetzes zu verdeutlichen. Dieses halte ich allerdings für nicht sinnvoll, da dieses Beispiel schon bei der Behandlung des Bundesrates und beim Gesetzgebungsprozess auftrat und die Schüler die nicht vorhandene Verfassungskonformität sehr schnell erkannten. Vielmehr scheint es sinnvoll, nach der Erarbeitung der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts auf die Überschrift des Leserkommentars zurückzukommen und sich zu fragen, welche rechtlichen Möglichkeiten der Autor hat, wie und wann das Bundesverfassungsgericht tätig werden sowie um welche Zuständigkeit es sich hierbei handeln könnte. Durch diese Vertiefungsphase wird der erarbeitete Inhalt noch einmal umgewälzt und somit für die Schüler greifbarer.
[...]
[1] Im Folgenden werde ich aufgrund der besseren Lesbarkeit primär das generische Maskulinum verwenden. Alle Geschlechter sollen sich bitte hierdurch angesprochen fühlen.
[2] Weitere Informationen zur Beteiligung und Leistung der Schüler können dem kommentierten Sitzplan entnommen werden (s. Anhang 7.2).
[3] Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium: Abitur 2011 – Thematische Schwerpunkte Politik-Wirtschaft.
[4] Vgl. Artikel 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.
[5] Vgl. Sibylle Reinhardt: Politikdidaktik: Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen 2007, S. 95.
[6] Vgl. Ingo Langhans und Stefan Prochnow: Demokratie und sozialer Rechtstaat: Themenhefte für die Sekundarstufe II. Stuttgart: Auer / Klett Verlag 2010, S. 52-53.
- Quote paper
- 1. und 2. Staatsexamen Holger Kiesow (Author), 2011, Unterrichtsstunde: Das Bundesverfassungsgericht: „Hüter der Verfassung“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202561
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