In Teil I dieser Untersuchung (im Abschnitt „Die romantische Ironie bei E. T. A. Hoffmann“) war davon die Rede, dass es sich bei dem Begriff „romantische Ironie“ um eine intellektuelle Haltung des Künstlers/Erzählers handelt und es darum geht, das Phantastische bzw. das mit dem Alltagsverstand nicht zu erfassende Element des
Wunderbaren der empirischen Realität gegenüberzustellen. Beim Humor hingegen betrachtet der Künstler das dargestellte Geschehen gleichsam von höherer Warte aus und nimmt gegenüber den Unzulänglichkeiten der Wirklichkeit eine heiterverständnisvolle
und versöhnliche Haltung ein, durch die die wahrgenommenen
Diskrepanzen und Widersprüchlichkeiten harmonisiert werden.
Diese Überlegungen bilden für die folgende Analyse des Textes „Klein Zaches“ eine wichtige Ausgangsbasis. Dabei wird allerdings dem Gedanken Rechnung getragen, dass beide Begriffe nicht auf
klar voneinander zu unterscheidenden und eindeutig zu beschreibenden Ebenen angesiedelt sind und es eine Reihe von „semantischen Überschneidungen“ mit verwandten Begriffen wie Komik, Groteske, Parodie, Satire, Travestie gibt, die auch für den hier behandelten Text relevant sind und in der kritischen Literatur wiederholt Berücksichtigung finden.
Es ist unverkennbar, dass in „Klein Zaches“ verschiedene Erzählformen, unterschiedliche Ebenen des Geschehens bzw. unterschiedliche Erzählwirklichkeiten und die in ihnen agierenden und durch sie geprägten Figuren miteinander kombiniert werden. Dabei werden sie fortlaufend gegeneinander ausgespielt, ironisch gebrochen
und relativiert, so dass auch ihre Schatten- und Kehrseiten sichtbar werden.
Elemente der „romantischen Ironie“ und des Humors in der Erzählung „Klein Zaches genannt Zinnober“
In Teil I dieser Untersuchung (im Abschnitt „Die romantische Ironie bei E. T. A. Hoffmann“) war davon die Rede, dass es sich bei dem Begriff „romantische Ironie“ um eine intellektuelle Haltung des Künstlers/Erzählers handelt und es darum geht, das Phantastische bzw. das mit dem Alltagsverstand nicht zu erfassende Element des Wunderbaren der empirischen Realität gegenüberzustellen. Beim Humor hingegen betrachtet der Künstler das dargestellte Geschehen gleichsam von höherer Warte aus und nimmt gegenüber den Unzulänglichkeiten der Wirklichkeit eine heiter-verständnisvolle und versöhnliche Haltung ein, durch die die wahrgenommenen Diskrepanzen und Widersprüchlichkeiten harmonisiert werden. Diese Überlegungen bilden für die folgende Analyse des Textes „Klein Zaches“ eine wichtige Ausgangsbasis. Dabei wird allerdings dem Gedanken Rechnung getragen, dass beide Begriffe nicht auf klar voneinander zu unterscheidenden und eindeutig zu beschreibenden Ebenen angesiedelt sind und es eine Reihe von „semantischen Überschneidungen“ (Brednich u. a., Hrsg., sub: Ironie 285) mit verwandten Begriffen wie Komik, Groteske, Parodie, Satire, Travestie gibt, die auch für den hier behandelten Text relevant sind und in der kritischen Literatur wiederholt Berücksichtigung finden.
Es ist unverkennbar, dass in „Klein Zaches“ verschiedene Erzählformen, unterschiedliche Ebenen des Geschehens bzw. unterschiedliche Erzählwirklichkeiten und die in ihnen agierenden und durch sie geprägten Figuren miteinander kombiniert werden. Dabei werden sie fortlaufend gegeneinander ausgespielt, ironisch gebrochen und relativiert, so dass auch ihre Schatten- und Kehrseiten sichtbar werden. Darüberhinaus wird sich zeigen, dass die verschiedenen Erzählformen und Wirklichkeitsebenen sich nicht nur zueinander kontrastierend verhalten, sondern auch für sich selbst betrachtet doppelbödig, schillernd und mehrdimensional sind, kurz: zu sich selbst im Widerspruch stehen. Hierzu gehört auch eine Erzählhaltung, die bereits als Erzählerironie bezeichnet wurde. Sie betrifft aber nicht nur das Verhältnis des Erzählers zum Leser, sondern auch dessen Verhältnis zu sich selbst, d. h. in ihr offenbart sich die Selbstironie des Erzählers, der ein Spiel mit seiner eigenen Glaubwürdigkeit betreibt, durch das seine Souveränität, mit der er das dargestellte Geschehen unter Kontrolle hat, ironisch in Zweifel gezogen wird.
Märchen oder phantastische Erzählung?
Das Märchen ist eine literarische Gattung, in der das Wunderbare und Irrationale eine bedeutende Rolle spielt. Es ist in der Romantik besonders beliebt und hat wesentlich dazu beigetragen, dass die romantische Dichtung in aller Welt berühmt geworden ist. Das Märchen kündet von einer Zeit, in der Mensch und Natur noch in harmonischer Eintracht miteinander lebten. In der Vorstellung der romantischen Dichter geht es dabei im Sinne eines säkularisierten paradiesischen Zustands vollkommener Einheit um das „Goldene Zeitalter“ einer mythischen Vorzeit, auf dessen Hintergrund die eigene Gegenwart (die Zeit um 1800) als eine vom „Zerfall bedrohte Übergangszeit“ (Schanze Hrsg. 260) empfunden wird, die aber überwunden werden könne. In der „Drei-Epochen-Theorie“ von Gotthilf Heinrich Schubert [1] mündet diese Übergangszeit auf einer höheren Stufe und einem höheren Reflexionsniveau in eine Wiederkehr des Goldenen Zeitalters und eine Wiedergewinnung der verloren gegangenen Ursprünglichkeit. Dabei spielt die besondere Fähigkeit des Märchendichters, „Seher der Zukunft“ zu sein und die „prophetische Darstellung“ des Erzählten eine wichtige Rolle. (Vgl. das nachfolgende Zitat von Novalis über das Märchen) Das „Chaotische und Ungereimte“ des Märchens bilde ein „Gegengewicht zum hemmungslosen Fortschrittsoptimismus“ (Schanze Hrsg. 262) einer einseitig rationalistisch ausgerichteten Denkweise. Dieser Gedanke einer ursprünglichen Einheit, eines selbstverständlichen Ineinandergreifens von Alltäglichem und Wunderbaren, kristallisiert sich beispielsweise in der Vorstellung eines Feenreiches „Dschinnistan“ aus den „Geschichten von Tausendundeiner Nacht“, auf das E. T. A. Hoffmann in „Klein Zaches“ mehrfach Bezug nimmt. (Vgl. beispielsweise Zaches 17)
Die Romantiker, insbesondere Friedrich Schlegel in seinem „Gespräch über die Poesie“ (Eichner, 284 - 290), kultivieren daher die Vorstellung einer Art völkerverbindender „Urpoesie“, die in besonderer Weise geeignet sei, diese einstige Ursprünglichkeit wieder aufleben zu lassen. Ludwig Tieck fordert die Generation der jungen romantischen Dichter auf, im Sinne einer romantischen Universalpoesie „das Irrationale oder Wundersame in alle literarische Gattungen zu integrieren, um auf diesem Wege die gewohnten Wirklichkeitsperspektiven und Wahrnehmungsmuster des Publikums ad absurdum führen zu können.“ (Schanze Hrsg. 268 f.) Kein Wunder also, dass im ironischem Erzählduktus von „Klein Zaches“ staatsfeindliche Kräfte „ein gefährliches Gewerbe mit dem Wunderbaren“ betreiben und sich nicht scheuen, „unter dem Namen Poesie ein heimliches Gift zu verbreiten“ (Zaches 16), das den guten Sitten einer aufgeklärten Bevölkerung zuwiderläuft.
Diese Überlegungen werden in Novalis’ berühmter Definition des Märchens beispielhaft zusammengefasst:
In einem ächten Märchen muß alles wunderbar – geheimnißvoll und unzusammenhängend seyn – alles belebt. Jedes auf eine andre Art. Die ganze Natur muß auf eine wunderliche Art mit der ganzen Geisterwelt vermischt seyn.
Die Zeit der allgemeinen Anarchie – der Gesetzlosigkeit – Freyheit – der Naturzustand der Natur – die Zeit vor der Welt (Staat). [ ... ]
Die Welt des Märchens ist die durchausentgegengesetzte Welt der Welt der Wahrheit (Geschichte) – und eben darum ihr so durchaus ähnlich wie das Chaos der vollendeten Schöpfung. [ ... ] Das ächte Märchen muß zugleich Prophetische Darstellung – idealische Darstellung – absolut notwendige Darstellung seyn. Der ächte Märchendichter ist ein Seher der Zukunft. ( Kluckhohn, Paul u. Richard Samuel, Hrsg. : Novalis: Schriften. Dritter Band, S. 280 f.)
Max Lüthi spricht in seinem bekannten Werk „Das europäische Volksmärchen“ von der „Eindimensionalität“ des Märchens (Lüthi 13 ff.) und meint damit u. a., dass die im Märchen agierenden Figuren das Außergewöhnliche und Wunderbare ohne Befremden als selbstverständlich erleben, d. h. es gibt für sie keine Wunder und sie wundern sich nicht. Das unterscheidet das Märchen von der phantastischen Erzählung. Hier gibt es immer eine Gestalt oder Gestalten – handelnde Figuren oder der Erzähler selbst - , die ein Staunen über das Dargestellte ausdrücken, wo die gewohnte Alltagsrealität verletzt oder durchbrochen wird. Wenn ein solches Staunen über seltsame und unerklärliche Ereignisse im Text registriert wird, so lässt sich daraus folgern, dass es sich um eine phantastische Erzählung handelt. Nach Tzvetan Todorov („Einführung in die phantastische Literatur“) spiegelt dieses Staunen ein vom Leser erlebtes Zögern wider, der sich nicht entscheiden könne, ob die im Text erzählten Ereignisse rational erklärbar sind oder nicht. (Vgl. Woodgate 26 ff.) Dieser Auffassung zufolge entsteht also das Phantastische einer Erzählung an einer Schnittstelle, wo eine erkennbar reale Welt auf eine Welt des Unerklärbaren stößt und eine klare Unterscheidung für den Leser nicht mehr möglich ist.
Wie in vielen seiner Erzählungen kombiniert E. T. A. Hoffmann in „Klein Zaches“ verschiedene Erzählformen bzw. Lesarten, indem er bestimmte Elemente übernimmt, ohne sich aber auf die eine oder andere Form festzulegen. So beginnt seine Erzählung ganz im Stil eines konventionellen Volksmärchens, charakterisiert beispielsweise durch die Unbestimmtheit von Ort („Unfern eines anmutigen Dorfes“) und Zeit („auf dem von Sonnenglut erhitzten Boden“) des Geschehens. Abgesehen davon wird der märchenhafte Charakter des Erzählten zunächst nur durch Klein Zaches zugeschriebene Attribute wie „Wechselbalg“ (Zaches 5 und 6) und „Alräunchen“ (ebd. 6) angedeutet, d. h. durch zwei Begriffe, die der Volksmythologie entnommen und mit magischen bzw. abergläubischen Vorstellungen assoziiert sind. Das eigentlich Wunderbare kommt erst dadurch in Gang, dass der Erzähler sich an den „günstigen Leser“ (10) wendet, dem er „vortrefflichen Scharfsinn“ (ebd) zubilligt, ihm aber – ironische Kehrtwende! – gleichwohl unterstellt, er wolle unbedingt „mehr von dem mystischen Stiftsfräulein“ (10 f.) erfahren, in deren Person sich die Alltagsrealität („das Fräulein von Rosenschön“) und das Märchenhafte („die berühmte weltbekannte Fee Rosabelverde“) und damit zwei Erzählwirklichkeiten vereinen.
Auf der Ebene des Wortschatzes ist nicht zu übersehen, dass der Erzähler das Element des Wunderbaren und Geheimnisvollen und ein die Sinne bezauberndes und den
Verstand verwirrendes Geschehen durch eine bunte Vielfalt von Ausdrücken hervorhebt. Auf diese Weise wird das Märchenhafte des Textes ständig ins Blickfeld des Lesers gerückt. Der Erzähler wird nicht müde, den Leser daran zu erinnern, dass es hier um Unbegreifliches geht wie „Wunderknabe“ (10), „unwiderstehlicher Zauber“ (11), „Verwunderung“ (11) und „Verblendung“ (10). Dabei wird der im Dorf weit verbreitete Aberglauben mit eingeflochten, der dem Wunderbaren und Zauberhaften noch eine zusätzliche Dimension des Unheimlichen und Beängstigenden verleiht. (Vgl. 12 f.) Auf diese Weise hält der Erzähler seine Leserschaft darüber im Unklaren, auf welcher Seite er sich befindet und wie weit er ihm eigentlich trauen kann. Es entsteht ein Schwebezustand zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit, ohne dass irgendeine Parteinahme erfolgt oder das Geschehen dem Leser erklärt und erläutert wird, so dass sein Bedürfnis strapaziert wird, festen Boden unter die Füße zu bekommen. Zwischen diesen beiden Polen schwankt die Erzählung also hin und her, und diese Unschlüssigkeit bleibt im Prinzip bis zum Ende der Erzählung erhalten, wo der Erzähler allerdings den Lesererwartungen insofern entgegenkommt, als er das Geschehen nunmehr – ganz wie im Märchen – durch „eine fröhliche Hochzeit“ (112) ausklingen lässt.
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- Citation du texte
- Hans-Georg Wendland (Auteur), 2012, Ironie und Humor in der Literatur der Romantik am Beispiel von 'Klein Zaches genannt Zinnober' von E. T. A. Hoffmann (Teil II) , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201896
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