Die Pränatale Diagnostik ist heutzutage ein wenig in der Öffentlichkeit, aber unter Fachleuten kontrovers diskutiertes Thema. Bereits 1996 besuchte ich ein Seminar mit dem Titel „Moderne Medizin - dürfen wir was wir können?“ im Rahmen meines „Freiwilligen Sozialen Jahres“ und seither beschäftigt mich genau diese Frage. Da diese Frage sehr eng mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und auch in Europa zusammenhängt, habe ich den Versuch unternommen Informationen aus der Presse über das „Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin des Europarates“ zu bekommen und scheiterte kläglich daran.
Eine andere wichtige Frage, die ich mir gestellt habe war, wie Paare beraten werden die ein Kind erwarten. In meinem Bekannten- und Verwandtenkreis hatte ich die Gelegenheit mit einigen werdenden Eltern über ihre Wünsche und Befürchtungen zu sprechen die sie während der Schwangerschaft haben. Oft habe ich den Satz gehört „Hauptsache es ist gesund!“ Aber was wenn nicht? Diese Paare hätten gerne ein wenig mehr Beratung in Anspruch genommen, aber wussten nicht so recht wohin sie sich wenden können. Es wurde in den Gesprächen sehr deutlich, dass viele Fragen in dem Augenblick auftauchten als die Gewissheit da war: „Wir bekommen ein Baby!“. Das waren Fragen die die finanzielle Situation der Familie, die berufliche Perspektive, den Familienstand, Paarkonflikte und noch vieles mehr betrafen. Es konnte aber häufig nicht im Einzelnen geklärt werden, welche Institution/Disziplin für die jeweilige Beratung zuständig ist und auf welchem gesellschaftlichen, politischen und soziologischen Hintergrund die Beratung stattfindet.
In dieser Arbeit werde ich die PD unter den verschiedenen angesprochenen Gesichtspunkten in ihrem Kontext erörtern. Dazu sind einige Begriffsbestimmungen, rechtliche Grundlagen, die Abgrenzung der PD zur Präimplantationsdiagnostik, die aktuelle politische Debatte auf Europaebene, den Schwangerschaftsabbruch und die perspektivische Beratung aus Sicht der Disziplinen erläutert.
Im Verlauf wird deutlich, an welcher Stelle ich die Positionierung der Sozialen Arbeit, im Beratungsprozess der Schwangerschaft und PD, sehe.
[...]
I. Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Behinderung
2.1 Begriffsbestimmung „Behinderung“ nach WHO
2.2 Begriffsbestimmung „Behinderung“ durch ein Lexikon
2.3 Begriffsbestimmung „Behinderung“ aus rechtlicher Sicht
2.4 Begriffsbestimmung „Behinderung“ aus anthropologischer Sicht
2.5 Einstellungen gegenüber Menschen mit einer Behinderung
3. Grundlagen der beiden Diagnostischen Methoden Präimplantationsdiagnostik und Pränataler Diagnostik
3.1 Die Präimplantationsdiagnostik
3.2 Die Pränatale Diagnostik
3.2.1 Methoden der Pränatalen Diagnostik
3.2.2 Ziele der Pränatalen Diagnostik
3.2.3 Umfang der Pränatalen Diagnostik
3.2.4 Ethische Aspekte der Pränatalen Diagnostik
3.2.5 Juristische Aspekte der Pränatalen Diagnostik
3.3 Reguläre Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt nach Feststellung der Schwangerschaft
3.4 Schwangerschaftsuntersuchungen und ihre Indikation für eine Pränatale Diagnostik
3.4.1 Chorionzottenbiopsie
3.4.2 Nt-Screening
3.4.3 Fruchtwasseruntersuchung (Amniozenthese)
3.4.4 Nabelschnurpunktion
3.4.5 Ultraschalluntersuchungen
3.5 Kritische Sichtweise der Pränatalen Diagnostik
3.6 Der Mutterpass
3.7 Leidvermeidung durch Pränatalmedizin?
4. Das EMRK zur Biomedizin unter dem Aspekt der Pränatalen Diagnostik
4.1 Funktion und Regelungscharakter des EMRK
4.2 Grundsätzliche Kritik an dem Menschenrechtsübereinkommen
4.3 Argumente für das Übereinkommen
5. Betrachtung einzelner Bestimmungen des EMRK hinsichtlich der Pränatalen Diagnostik
5.1 Nichtdiskriminierung (Art. 11)
5.2 Prädikative Genetische Tests (Art. 12)
6. Gentest als Methode im Versicherungs- und Arbeitswesen?
6.1 Versicherungsrecht
6.2 Genetische Tests bei der Einstellung von Arbeitnehmern
7. Der Schwangerschaftsabbruch
7.1 Pränatale Diagnostik und Schwangerschaftsabbruch
8. Der Stellenwert der Menschenwürde
8.1 Begriffsbestimmung Menschenwürde
8.2 Grundrechte und Menschenwürde
8.3 Der humangenetische „Mythos der Normalität“
9. Information und Beratung von schwangeren Frauen
9.1 Überblick über medizinische Beratungsinhalte
9.2 Die ärztliche Beratung nach gesicherter Diagnose
9.3 Beratungsaspekte bezüglich eines Schwangerschaftsabbruchs
9.4 Qualifikationsnachweise der Fachgebiete
10. Psychosoziale Beratung und interdisziplinäre Zusammenarbeit der Disziplinen
10.1 Interdisziplinäre Kooperation
10.2 Humangenetische Beratung
10.3 Das Beratungsverständnis der Humangenetik
10.4 Das Beratungsverständnis der Medizin
10.5 Das Beratungsverständnis von Hebammen
11. Schwangerschaftsberatung – psychosoziale Beratung
11.1 Das Grundverständnis psychosozialer Beratung
11.2 Beratung im Rahmen des § 2 Schwangerschaftskonfliktgesetzes
11.3 Selbstbestimmung, Autonomie und Entscheidungskompetenz als Ziel der Beratung
11.4 Einflüsse auf den Beratungsprozess
12. Aufgaben und Leistungen der Schwangerenberatungsstellen
13. Abgrenzung der Disziplinen
14. Grundsätzliche Aufgaben und Verständnis der Sozialen Arbeit
14.1 Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession
14.2 Positionierung der Sozialen Arbeit
II. Abkürzungsverzeichnis
III. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Schweigsam fährt der Facharzt für Pränataldiagnostik
mit dem Ultraschallkopf im kühlen Gel auf meinem Bauch herum.
Ich sehe mein Kind schwarzweiß auf dem Bildschirm:
alles ist dran... es gefällt mir, wie es sich bewegt,
den Messungen des Arztes ausweicht,
ein stiller Einklang.
Nachher werde ich aus der Praxis gehen
mit der Gewißheit, daß alles in Ordnung ist.
Der Arzt antwortet einsilbig auf meine Fragen,
vertröstet mich auf später.
Ich bleibe arglos.
Hinterher erfahre ich,
daß der Arzt ein völlig anderes Kind gesehen hat, als ich selbst:
Er hat einen dem Tod geweihten Fötus untersucht,
mit vielfältigen Störungen, wie er sie so nur selten diagnostiziert.
Ich habe mein Kind gesehen, mit Freude und Stolz,
das für mich vollkommen war,
weil ich seine Abweichungen vom Normalen
im Bild des Monitors nicht erkennen konnte.
Im ersten Moment bin ich entsetzt
über diese zwei verschiedenen gleichzeitigen Wirklichkeiten.
"Warum haben Sie mir das nicht sofort gesagt?"
Der Arzt bietet mir eine zweite Ultraschalluntersuchung an.
Ich möchte 4 Tage später wiederkommen,
um alle Details seiner Diagnose
im Ultraschallbild direkt mit eigenen Augen zu sehen.
Am Ende schenkt er mir das Video-Band
mit diesen Aufzeichnungen von seiner Untersuchung.
Im Nachhinein weiß ich:
die beiden unterschiedlichen Sichtweisen sind erhalten geblieben.“[1]
Die Pränatale Diagnostik[2] ist heutzutage ein wenig in der Öffentlichkeit, aber unter Fachleuten kontrovers diskutiertes Thema. Bereits 1996 besuchte ich ein Seminar mit dem Titel „Moderne Medizin - dürfen wir was wir können?“ im Rahmen meines „Freiwilligen Sozialen Jahres“ und seither beschäftigt mich genau diese Frage. Da diese Frage sehr eng mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und auch in Europa zusammenhängt, habe ich den Versuch unternommen Informationen aus der Presse über das „Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin des Europarates“ zu bekommen und scheiterte kläglich daran.
Eine andere wichtige Frage, die ich mir gestellt habe war, wie Paare beraten werden die ein Kind erwarten. In meinem Bekannten- und Verwandtenkreis hatte ich die Gelegenheit mit einigen werdenden Eltern über ihre Wünsche und Befürchtungen zu sprechen die sie während der Schwangerschaft haben. Oft habe ich den Satz gehört „Hauptsache es ist gesund!“ Aber was wenn nicht? Diese Paare hätten gerne ein wenig mehr Beratung in Anspruch genommen, aber wussten nicht so recht wohin sie sich wenden können. Es wurde in den Gesprächen sehr deutlich, dass viele Fragen in dem Augenblick auftauchten als die Gewissheit da war: „Wir bekommen ein Baby!“. Das waren Fragen die die finanzielle Situation der Familie, die berufliche Perspektive, den Familienstand, Paarkonflikte und noch vieles mehr betrafen. Es konnte aber häufig nicht im Einzelnen geklärt werden, welche Institution/Disziplin für die jeweilige Beratung zuständig ist und auf welchem gesellschaftlichen, politischen und soziologischen Hintergrund die Beratung stattfindet.
In dieser Arbeit werde ich die PD unter den verschiedenen angesprochenen Gesichtspunkten in ihrem Kontext erörtern. Dazu sind einige Begriffsbestimmungen, rechtliche Grundlagen, die Abgrenzung der PD zur Präimplantationsdiagnostik, die aktuelle politische Debatte auf Europaebene, den Schwangerschaftsabbruch und die perspektivische Beratung aus Sicht der Disziplinen erläutert.
Im Verlauf wird deutlich, an welcher Stelle ich die Positionierung der Sozialen Arbeit, im Beratungsprozess der Schwangerschaft und PD, sehe.
2. Behinderung
Wenn sich zwei Mütter auf dem Spielplatz unterhalten und die eine Mutter voller Enthusiasmus von ihrem Kind berichtet während die andere ebenfalls voller Stolz von ihrem berichtet, dann aber sagt, dass ihr Kind eine Behinderung habe, wie wird ihr gegenüber dann wohl reagieren?
„Das tut mir leid für sie...“, oder „das muss ein harter Schlag für sie gewesen sein“. Vielleicht wird sie dann die Antwort bekommen: „Ach, so schlimm ist das nicht, viele Menschen tragen heutzutage eine Brille.“
Wenn von Behinderten oder Behinderung gesprochen wird, weiß in der Regel jeder, wer oder was damit gemeint ist. Der umgangsprachliche Gebrauch der Begriffe ist im allgemeinen nicht missverständlich, vielmehr scheint im Alltag eine große Übereinstimmung darüber zu bestehen, was als Behinderung und wer als Behinderter gilt.[3] Aber dennoch liegt das individuelle empfinden des Begriffs weit auseinander, und da das Verständnis des Begriffs „Behinderung“ sehr individuell und facettenreich ist, ergibt sich daraus die Erfordernis einer Begriffsbestimmung. „Umgangssprache oder Fachtermine in Medizin, Sonder- bzw. Heilpädagogik, Rehabilitationswissenschaften oder Recht setzen einige Akzente, so dass es keine allgemein anerkannte Definition von Behinderung gibt.“[4]
Die Begriffsbestimmung der Behinderung ist sehr weitreichend, und ich erhebe mit diesen Definitionsversuchen keinen Anspruch auf Vollständigkeit, deshalb habe ich mich für einen Auszug entschieden, der meines Erachtens einen guten, wenn auch groben Überblick über die verschiedenen Ebenen der Begrifflichkeit geben kann.
2.1 Begriffsbestimmung „Behinderung“ nach WHO
Die einzelnen Definitionen für das Wort Behinderung sind im internationalen Rahmen sehr verschieden. So kann die Weltgesundheitsorganisation WHO[5] nur versuchen eine grobe Definition vorzunehmen. Diese Klassifikation ist international weitgehend anerkannt und bietet eine Vergleichsmöglichkeit zu den vorherrschenden Definitionen auf nationaler Ebene.
Die WHO geht bei Behinderung immer von 3 Begriffen aus:
impairment (Schädigung) = Mängel oder Abnormitäten der anatomischen, psychischen oder physiologischen Funktionen und Strukturen des Körpers
disability (Beeinträchtigung) = Funktionsbeeinträchtigung oder -mängel aufgrund von Schädigungen, die typische Alltagssituationen behindern oder unmöglich machen
handicap (Behinderung) = Nachteile einer Person aus einer Schädigung oder Beeinträchtigung[6]
2.2 Begriffsbestimmung „Behinderung“ durch ein Lexikon
Die folgende Definition aus dem Brockhaus Lexikon finde ich wichtig, da sie einen allgemeinen Definitionsversuch wagt, die der Bevölkerung am ehesten zugänglich ist und sich dadurch auch in vielen Schulreferaten oder ähnlichen Ausarbeitungen wiederfinden wird.
Behinderung ist, im Unterschied zu gegebenenfalls vorübergehenden Störungen, eine längerfristige, beziehungsweise bleibende körperliche, geistige und/oder psychische Beeinträchtigung eines Menschen, die seine Entwicklungsmöglichkeiten und seine Lebensumstände erheblich erschweren oder einschränken. Von Behinderung ist dann zu sprechen, wenn bestimmte Grade der Auffälligkeit überschritten werden (etwa bei Blindheit, Gehörlosigkeit oder einer Körperbehinderung), die Defizite stark ausgeprägt sind, so dass im allgemeinen erwartbare Leistungen nicht erbracht werden können oder als deutlich abweichend beziehungsweise behandlungsbedürftig empfundene psychische Auffälligkeiten vorliegen. Des öfteren wird zwischen absoluter und relativer Behinderung unterschieden. Demnach liegt eine absolute Behinderung vor, wenn die Beeinträchtigung so ausgeprägt oder beschaffen ist, dass der Betreffende in jeder Gesellschaft als auffällig gilt; bei einer relativen Behinderung fällt er hingegen nur in bestimmten Gesellschaften (beziehungsweise Gesellschaftsordnungen) auf. Als Beispiel hierfür sei auf lernbehinderte Kinder und Jugendliche verwiesen, die den von unserer hoch zivilisierten Gesellschaft gesetzten hohen Anforderungen nicht gerecht zu werden vermögen und daher schon in der Grundschule scheitern.[7]
2.3 Begriffsbestimmung „Behinderung“ aus rechtlicher Sicht
Einen rechtlich einheitlich normierten Behindertenbegriff gibt es nicht, vielmehr werden die Begriffe Behinderung bzw. Behinderter im Sinne der einschlägigen Rechtsvorschriften oder Gesetzt unterschiedlich interpretiert.
Die Abgrenzungen des Begriffs Behinderung in den verschiedenen Rechtsdisziplinen haben vor allem die Aufgabe der Klärung, welche Person zu etwas berechtigt oder vor etwas beschützt sind. Ziel ist die Feststellung eines Hilfebedarfs und der Berechtigung zum Nachteilsausgleich.[8]
Gesetzliche Regelungen bringen Pflichten und Rechte für Menschen mit Behinderung mit sich, zugleich klassifizieren sie aber auch. Behinderte Menschen müssen sich dem Denken des Gesetzgebers unterwerfen, um die für sie gedachten Leistungen bzw. Hilfen in Anspruch nehmen zu können. Sie werden nach ihrer Funktions- und Leistungsfähigkeit beurteilt, wobei es immer noch in hohem Maße auf die Verwertbarkeit der Arbeitskraft ankommt. Kritische Stimmen vermuten, dass das gesellschaftliche Verständnis von Behinderung negativ ist, weil der Behindertenbegriff im Recht aus einer defizitorientierten Perspektive betrachtet wird.[9]
Im Arbeitsförderungsgesetz (SGBIII) ist der Begriff Behinderung wie folgt definiert:
„Behinderte sind körperlich, geistig oder seelisch beeinträchtigte Personen, deren Aussichten, beruflich eingegliedert zu werden oder zu bleiben, wegen der Art und der Schwere ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und die deshalb Hilfen zur beruflichen Eingliederung benötigen.“[10]
Im Arbeitsrehabilitationsgesetz gelten Menschen mit einer Behinderung als „Person, deren Aussichten beruflich eingegliedert zu werden oder zu bleiben, infolge der Behinderung nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind, und die deshalb besonderer Hilfen bedürfen“.[11]
Im Krankenversicherungsrecht ist Behinderung ein „regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Betreuung bedarf und/oder Arbeitsunfähigkeit bedingt“.[12]
Im Kinder- und Jugendhilfegesetz sind bestehende oder drohende seelische Behinderung Anlass für Ansprüche auf erzieherische Leistungen. Eine drohende oder bestehende seelische Behinderung liegt dann vor, wenn die „seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung droht“.[13]
Im SGB IX zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen wird der Behindertenbegriff modifiziert. Nach §2 Abs. 1 Satz 1 SGBX sind Menschen behindert, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Bei der Definition des Behindertenbegriffs orientiert sich der Gesetzgeber nicht mehr an wirklichen oder vermeintlichen Defiziten, sondern rückt das Ziel der Teilhabe an den verschiedenen Lebensbereichen in den Vordergrund.“[14]
Dies sind nur einige rechtliche Ansätze, die aber nachvollziehbar machen, dass der Begriff Behinderung nicht eindeutig definiert ist, und die Gesetzestexte Ermessensspielräume lassen und nach Bedarf ausgelegt werden können.
Behinderte Menschen werden vom Gesetzgeber klassifiziert, daher könnte man sich die Frage stellen, ob sie damit auch zu einer Randgruppe per Gesetz werden. Ich denke, dass sich die rechtlichen Normen aus den gesellschaftlichen Wert- und Normvorstellungen ableiten lassen, bzw. sie sich daraus entwickeln. Deshalb sind sie ein Spiegel der Gesellschaft und bedingen sich gegenseitig.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die rechtlichen Begriffsbestimmungen zeigen, dass Behinderung jeweils aus der spezifischen Sichtweise der Rechtdisziplinen betrachtet wird, denen unterschiedlichen Interessen zugrunde liegen.
2.4 Begriffsbestimmung „Behinderung“ aus anthropologischer Sicht
Reinhart Lempp geht von dem in unserer Gesellschaft zugrundeliegenden Menschenbild aus und hat dabei festgestellt, dass die heute dominierende Vorstellung von der wirtschaftlichen Verwertbarkeit menschlicher Fähigkeiten, die den normierenden Behinderungs-Begriff prägt, oftmals den Zugang zu einem menschlichen und menschengerechten Verständnis erschwert.
Er kommt zu dem Schluss, dass es drei unterschiedliche Ausgangspunkte für die Bestimmung von Behinderung gibt:
Die objektive Feststellung von Behinderung
Sie entspringt dem Bedürfnis der Gemeinschaft, des Staates, nach Gleichbehandlung seiner Mitglieder, nach Gerechtigkeit. Sie ist aber allenfalls für körperliche Behinderungen hinreichend möglich, wenngleich sie auch hierbei die individuelle Kompensierbarkeit nicht zu berücksichtigen vermag.
Bei der geistigen Behinderung dagegen ist umgekehrt die körperliche Kompensationsfähigkeit nicht zu erfassen und seelische Behinderung entzieht sich grundsätzlich objektiver Bewertung.
Die Beziehungsstörung als Maß der Behinderung
Diese Betrachtungsweise versteht den Menschen als ein Beziehungswesen. Behinderung ist dann eine Beeinträchtigung seiner Beziehungsfähigkeit, seiner sozialen Integration. Unter diesem Gesichtswinkel könnte auch dissoziales Verhalten unter Umständen als Behinderung gesehen werden. In einer vorwiegend leistungsorientierten Gesellschaft kann ein solcher Behinderungsbegriff allerdings nicht befriedigen, weil soziale Integration keinen quantifizierbaren Wert und keine messbare Leistung darstellt. Sie ist allenfalls die Voraussetzung für eine gemeinnützige Leistungsfähigkeit. Dieser Aspekt ist aber dennoch wichtig, da die Beziehungsfähigkeit vor allem subjektiv empfunden wird und für die soziale Integration ausschlaggebend sein kann.
Die subjektive Definition von Behinderung
Sie wäre wohl die gerechteste aller Definitionen, denn das Erleben der eigenen Insuffizienz[15] , des Andersseins und des dadurch bedingten Einbezogen- oder Ausgeschlossenseins bedarf am ehesten der Berücksichtigung, der Hilfe und des Ausgleichs durch die Gesellschaft.[16]
Für diese anthroposophische Sichtweise habe ich mich bewusst entschieden, da sich die Anthroposophie mit der Lehre von den Eigenschaften und Verhaltensweisen der Menschen befasst und sich deshalb aus einer anderen Perspektive mit dem Begriff Behinderung befasst.
Es ist vielleicht noch interessant zu wissen, dass der Autor selber eine körperliche Behinderung hat, sich mit dieser aber in seinem sozialen Kontext nicht beeinträchtigt sieht.
2.5 Einstellungen gegenüber Menschen mit einer Behinderung
Bei dem Versuch, den Begriff Einstellung näher zu bestimmen, stößt man auf unterschiedliche Definitionsansätze. Ungeachtet der Vielzahl unterschiedlich akzentuierter Definitionen kann unter der Einstellung gegenüber Behinderten zunächst eine dauerhafte, über unterschiedliche Situationen und Zeitpunkte hinweg stabile Disposition verstanden werden, auf behinderte Personen mit positiven oder negativen Gefühlen zu reagieren, vorteilhafte oder unvorteilhafte Meinungen über sie zu vertreten, und sich gegenüber behinderten Menschen in zugewandter oder ablehnender Weise zu verhalten. Die Einstellung gegenüber Behinderten wird also als eine relativ stabile Reaktions- bzw. Verhaltensbereitschaft gegenüber behinderten Personen betrachtet.
Ihre Lebensqualität von Menschen mit einer Behinderung wird durch die Reaktionen ihrer sozialen Umwelt in vielfältigen Weise beeinträchtigt. Die allgemeine Grundlage für die sie benachteiligenden sozialen Reaktionen ist darin zu sehen, dass Nichtbehinderte einen behinderten Menschen nicht in erster Linie als eine individuelle Person wahrnehmen, die neben anderen guten und schlechten individuellen Eigenschaften eine Behinderung aufweist. Ein Mensch mit einer Behinderung ist vielmehr in den Augen seiner Umwelt zuallererst ein Behinderter.
Mit dieser sozialen Kategorisierung geht die Tendenz einher, aufgrund der wahr-genommenen Zugehörigkeit eines Menschen zu der negativ bewerteten Personenkategorie „Behinderte“ auf weitere ungünstige Eigenschaften dieses Menschen zu schließen. [17]
3. Grundlagen der beiden Diagnostischen Methoden Präimplantationsdiagnostik und Pränataler Diagnostik
Im Folgenden werde ich einen Überblick über die beiden Diagnostischen Methoden geben, die für eine medizinische Diagnostik grundlegend sind, und aufzeigen, welche Schwangerschaftsuntersuchungen es gibt und wie sie durchgeführt werden.
3.1 Die Präimplantationsdiagnostik
Durch die Ende der 70er Jahre entwickelte künstliche Befruchtung, die in-vitro- Fertilisation (IVF), wurden menschliche Embryonen außerhalb des menschlichen Körpers zugänglich.[18] Damit ist die außerhalb des Körpers in einer Nährlösung (in vitro) stattfindende Befruchtung der menschlichen Eizelle gemeint. Zur IVF werden reife Eizellen aus einem der Eierstöcke durch Punktion oder einen laparoskopischen[19] Eingriff gewonnen, das Sperma durch Punktion oder Masturbation. Etwa 48-72 Stunden nach der Befruchtung werden 3-4 Embryonen in die Gebärmutterhöhle gebracht und die Einnistung durch Hormongabe unterstützt.[20]
Es gibt zwei Techniken, mit denen sowohl in den Prozess der Befruchtung, als auch in den der frühen Embryonalentwicklung eingegriffen werden kann:
Die Intrazytoplasmatische Spermainjektion, hierbei werden einzelne, aus dem Ejakulat oder dem Hoden unfruchtbarer Männer isolierte Spermien mithilfe einer Kanüle direkt in die Eizelle injiziert.
Die Präimplantationsdiagnosti k, hierbei handelt es sich um ein Verfahren der genetischen Untersuchung des frühen Embryos. Krankhafte Veränderungen des Erbmaterials können so schon vor der Implantation erkannt werden.[21]
Die Präimplantationsdiagnostik ist eine Selektionstechnik. Hier findet die Untersuchung der Embryonen außerhalb des weiblichen Körpers statt. Es liegt also noch keine Schwangerschaft vor.[22]
3.2 Die Pränatale Diagnostik
Die PD wurde ungefähr Mitte der 60er Jahre eingeführt. Es handelt sich hierbei um die Untersuchung des Ungeborenen mithilfe sonographischer (Ultraschall), biochemischer oder genetischer Verfahren. Hier geht es um die Untersuchung einer konkret existierender Schwangerschaft und nach Vorliegen eines pathologischen Untersuchungsbefundes um die Frage ihrer Weiterführung. Die PD erfolgt in utero, also im Mutterleib.[23]
Die PD dient der Diagnose von fetalen Erkrankungen im Mutterleib. Uns stehen heute verschiedene Methoden zur Verfügung, um Erkrankungen des Embryos in verschiedenen Stadien der Schwangerschaft zu erkennen.
3.2.1 Methoden der Pränatalen Diagnostik
invasive[24] Methoden
(z.B. Fruchtwasseruntersuchung / Chorionzottenbiopsie/ Nabelschnurpunktion)
Es handelt sich um invasive Methoden, da hier mit einer Punktionsnadel Gewebe oder Flüssigkeit aus der Nabelschnur, der Fruchthöhle oder dem Mutterkuchen entnommen werden muss. Diese Untersuchungen haben den Vorteil, dass die sich daraus ergebenen Befunde höchst zuverlässig sind und für die Erkennung von genetischen Erkrankungen oder serologischen Erkrankungen des Feten die genauesten Resultate bringen. Diesem Vorteil steht als Nachteil das Risiko dieser Eingriffe gegenüber. Risiko bedeutet, dass mit einer geringen Wahrscheinlichkeit ein Kind durch diesen Eingriff verloren geht. Dabei geht es im Ultraschallzeitalter weniger um Verletzungen des Kindes als um Fehlgeburten durch Blasensprung oder Infektionen.[25]
Mögliche Gründe für eine gezielte, insbesondere invasive pränatale Diagnostik sind:
- erhöhtes Alter der Schwangeren
- auffällige Serummarker
- verdächtige sonographische Befunde[26]
- pränatal diagnostizierbare Erkrankungen in der Familie,
- strukturelle oder numerische chromosomale Aberrationen[27] bei einem Elternteil
- teratogen[28] und fetotoxisch wirkende Infektionen der Mutter.
Nicht invasive Methoden
(z.B. Ultraschall / serologische Untersuchungen aus mütterlichem Blut).[29]
Hierzu zählt auch die Bluttransfusion bei Rhesusinkompatibilität[30] .[31]
3.2.2 Ziele der Pränatalen Diagnostik
- „Störungen der embryonalen und fetalen Entwicklung zu erkennen,
- durch Früherkennung von Fehlentwicklungen eine optimale Behandlung der Schwangeren und des (ungeborenen) Kindes zu ermöglichen,
- Befürchtungen und Sorgen der Schwangeren zu objektivieren, abzubauen und
- Schwangeren Hilfe bei der Entscheidung über die Fortsetzung oder den Abbruch der Schwangerschaft zu geben.
Die grundsätzliche Anerkennung des elterlichen Wunsches nach einem gesunden Kind kann zu einem Konflikt mit der grundsätzlichen Anerkennung des Schutzbedürfnisses des Ungeborenen führen. Aus der pränatalen Diagnostik gewonnene Erkenntnisse und deren Bewertung rechtfertigen allein nicht zu einem Schwangerschaftsabbruch zu raten, ihn zu fordern oder durchzusetzen. Hingegen ist die Entscheidung einer Schwangeren für einen Abbruch der Schwangerschaft vom Arzt zu respektieren.
Die menschlichen, ethischen und juristischen Probleme der pränatalen Diagnostik erfordern fachliche Erfahrung und nachgewiesene Kompetenz sowie in der Regel eine frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Gynäkologen, Humangenetikern, Neonatologen und gegebenenfalls Spezialisten anderer Fachgebiete.“[32]
Bereits bei der Zielbestimmung der PD wird darauf hingewiesen, das menschliche, ethische und juristische Probleme bestehen und eine Zusammenarbeit mit fachlich kompetenten Kollegen gewünscht ist. Warum ist an dieser Stelle nur die medizinische Kompetenz gefragt? Eine Entscheidung zu treffen, ob ein Kind mit einer Behinderung oder Missbildung zur Welt gebracht wird, hängt meines Erachtens nicht nur mit medizinischen Gesichtspunkten zusammen. Die Eltern müssen sich neben den medizinischen Risiken auch über soziale Folgen informieren. Ist hier nicht neben der Profession eindeutig auch die Profession der Sozialpädagogik gefragt, die sich mit der Gesellschaft und deren Individuen und unter anderem mit Behindertenpädagogik und Integrationspolitik beschäftigt?
Alle Untersuchungen haben den Ansatz, fetale Erkrankungen zu erkennen, um evtl. mögliche vor- oder nachgeburtliche Therapien zu planen oder aber bei schweren Erkrankungen den Eltern die Möglichkeit zu geben, über sonstige Konsequenzen nachzudenken.[33]
Die PD bezeichnet also eine Methode, um Schädigungen beim Ungeborenen zu entdecken. Doch welche Therapiemöglichkeiten gibt es, wenn sich herausstellt, dass das Ungeborene unheilbare Missbildungen oder Gendefekte hat? In diesen Fällen wird sich wohl als alternative medizinische Lösung ein Abbruch der Schwangerschaft anbieten. Im Text oben wird hier allerdings nicht von Abtreibung, oder Schwangerschaftsabbruch gesprochen, sondern von sonstigen Konsequenzen. Im folgenden Zitat wird vom therapeutischen Abort gesprochen und von Abweichungen des Ungeborenen. Umschreibungen sind bei diesem Thema wohl üblich. Ist die Realität für uns so hart, dass wir mit Begriffen wie Abtreibung oder Schwangerschaftsabbruch nicht umgehen können?
„So ist das einzige Angebot, das bei Feststellung einer vorgeburtlichen Schädigung gemacht werden kann, der `therapeutische Abort`, den die Mehrheit der Schwangeren nach festgestellter `Abweichung` des Ungeborenen durchführen läßt.“[34]
Die Pränatale Diagnostik ist eine besondere Form der Präventivmedizin und kann insbesondere für das Ungeborene nur als Therapie angesehen werden, wenn der Abbruch der Schwangerschaft eine Therapie ist. Daraus schließe ich, dass der Focus der Pränatalen Diagnostik auf das Wohlbefinden der Mutter gerichtet ist, „denn bei dem Schwangerschaftsabbruch mit medizinischer Indikation kann nicht die zu erwartende Schädigung des Kindes selbst, sondern nur eine für die Mutter unzumutbare körperliche oder seelische Beeinträchtigung zu einer Indikationsstellung führen“.[35]
Der größte Wunsch von schwangeren Frauen und ihren PartnerInnen ist, dass sie ein gesundes Kind bekommen. Der Gedanke daran, dass ihr Kind nicht gesund sein könnte, löst eine starke Verunsicherung und auch Ängste aus. Wenn sich diese Ängste bestätigen, sehen sich die meisten Frauen erstmals mit dem Thema Behinderung konfrontiert. Sie müssen jetzt verarbeiten, dass ihr Baby, das sie im Bauch tragen, nicht das perfekte Kind ist, das sie sich in ihren Träumen vorgestellt haben. Eine Vielzahl von Meinungen und Informationen stürmen auf die Frau ein, die letztlich eine Entscheidung über das Fortsetzten der Schwangerschaft treffen muss. Es entsteht sicherlich ein emotionales Chaos, dass geordnet werden muss.
Es müssen grundsätzliche Fragen geklärt werden wie :
Was heißt es für...
- die Beziehung mit meinem PartnerIn,
- meine persönliche Situation,
- meine berufliche Situation,
- meine finanzielle Situation,
... dass mein Kind eine Behinderung hat?
- Bin ich überhaupt in der Lage, ein Kind mit einer Behinderung auf seinem Lebensweg zu begleiten?
- Möchte ich das überhaupt?
- Welche sozialen Unterstützungen habe ich aus der Familie/dem Freundeskreis?
...
Und in Bezug auf das Kind
- Was bedeutet die Behinderung für das Kind aus medizinischer, sozialer und psychologischer Sicht?
- Welche Perspektiven hat ein Kind mit einer Behinderung in unserer Gesellschaft?
...
Das Thema Behinderung macht Angst, unsicher und wirft für die Frau und ihren PartnerIn viele Fragen auf, die sie für sich erst einmal klären müssen.
Familien oder Alleinerziehende sehen sich mit einem Thema konfrontiert, mit dem sie sich bisher noch nicht intensiv beschäftigt haben und werden sich in ihrem sozialen Umfeld mit Verwandten oder Freunden unterhalten, um sich eine Meinung bilden zu können. Die Meinungen des Umfelds sind sicher sehr wichtig für die werdende Mutter und ihrem PartnerIn. Eine Behinderung wird oft als Leistungsbeeinträchtigung, als Belastung, oder auch als Bürde gesehen. Wenn das so ist, liegt dann nicht auch ein großer Teil des Konflikts, den die Eltern mit der Entscheidungsfindung, welchen Weg sie gehen sollen, an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umständen?
„Wer befürchten muß, mit einem behinderten Kind allein gelassen zu werden, ohne Chance auf die erforderliche Unterstützung, dafür aber mit der Gewißheit, der Gesellschaft zur Last zu fallen, wird sich nach PD und humangenetischer Beratung eher in die bevölkerungspolitische Pflicht nehmen lassen und sich gegen ein Kind entscheiden, das den Normen der industriellen Leistungsgesellschaft nicht genügt.“[36]
3.2.3 Umfang der Pränatalen Diagnostik
Die PD enthält folgende Elemente:
- Frühzeitige, anamnestische und diagnostische Erfassung von Risikofaktoren für Entwicklungsstörungen des Kindes
- Eigenanamnese der Schwangeren:
- z.B. Diabetes mellitus, zerebrale Anfallsleiden und Autoimmunerkrankungen
- Familien- und Schwangerschaftsanamnese:
- Fehl- und Totgeburten, angeborene Anomalien, genetisch bedingte oder familiär gehäuft aufgetretene Erkrankungen
- gegebenenfalls ethnische Herkunft; Verwandtenehe
- Einnahme oder Missbrauch von Medikamenten, Genussmitteln und Drogen[37]
3.2.4 Ethische Aspekte der Pränatalen Diagnostik
Die therapeutischen Möglichkeiten sind in der PD im Gegensatz zu den diagnostischen als äußerst begrenzt einzuschätzen. Ein großer Teil des Konfliktpotentials in der PD ist auf diese Diskrepanz an den medizinischen Möglichkeiten zurück zu führen. Wegen fehlender Alternativen im therapeutischen Vorgehen werden betroffene Eltern bei einem auffälligen Befund fast zwangsläufig mit der Frage konfrontiert, sich entweder auf ein Leben mit einem behinderten Kind einzustellen oder die Möglichkeit eines Abbruchs der Schwangerschaft zu erwägen.[38]
In jedem Einzelfall sind Nutzen und Risiko für Mutter und Kind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist die Entscheidung einer schwangeren Frau, sich für oder gegen eine PD zu entscheiden, vom Arzt zu respektieren. Eine PD ist sinnvoll und ärztlicherseits geboten, wenn dadurch eine Erkrankung oder Behinderung des Kindes intrauterin behandelt oder für eine rechtzeitige postnatale[39] Therapie gesorgt werden kann.[40]
- Für das Kind fehlt es dann an einer Indikation für die PD, wenn, was nicht selten der Fall ist, sich keine Therapiemöglichkeiten abzeichnen. In dem Fall kann das ungeborene Kind dem Risiko eines diagnostischen Eingriffs ausgesetzt werden, obwohl eine Entscheidung über Fortsetzung oder Abbruch der Schwangerschaft die einzige Konsequenz aus dem Ergebnis der Diagnostik darstellt.
Für die schwangere Frau stellen die Ergebnisse der PD einen Informationsgewinn dar, der meistens Befürchtungen und Sorgen um den Gesundheitszustand des Kindes ausräumen kann. Wird jedoch die Verdachtsdiagnose einer Erkrankung oder Behinderung durch die pränatale Diagnostik bestätigt, entscheidet die schwangere Frau darüber, ob sie von der Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruches Gebrauch machen will.[41]
Nur sehr wenige Frauen können sich unmittelbar nach der Mitteilung einer möglichen Behinderung bei ihrem Kind dazu entschließen, ihr Kind trotz auffälligem Befund auszutragen. Ebenfalls sehr gering ist die Zahl derer, die sich nach einer intensiven Auseinandersetzung für ein behindertes Kind entscheiden.[42] Die meisten Frauen und ihre PartnerInnen benötigen Raum und Zeit, um in einem Prozess zu einer Entscheidungs-findung zu kommen. Das ethische Dilemma ist für viele werdende Eltern so gravierend, dass sie in existenzielle seelische Not geraten und ohne Außenhilfe im tiefsten Zweifel und in tiefster Verzweiflung stecken bleiben.[43]
[...]
[1] http://www.chius.ch/viktoria11/meinkleineskind/9zwei.html, 20.05.03
[2] im folgenden wird Pränatale Diagnostik mit PD abgekürzt.
[3] Vgl. Tröster, Heinrich: Einstellungen und Verhalten gegenüber Behinderten. Konzepte, Ergebnisse und Perspektiven sozialpsychologischer Forschung. Bern/Stuttgart/Toronto: Verlag Hans Huber, 1990, S. 12
[4] Otto/Thiersch: Handbuch der Sozialarbeit/Sozialpädagogik. 2. Auflage, Neuwied/Kriftel: Luchterhand, 2001, S. 118
[5] World Health Organisation
[6] Vgl. http://www.behinderung.org/definit.htm, 13.05.2003
[7] Vgl. a.a.O. Der Brockhaus multimedial 2002; Mannheim 2001
[8] Vgl. Otto/Thiersch: a.a.O., S. 126
[9] Vgl. Otto/Thiersch: a.a.O., S. 127
[10] Vgl. §19 Abs. 1 SGB III
[11] Vgl. Otto/Thiersch: a.a.O., S. 127
[12] Vgl. Otto/Thiersch: a.a.O., S. 127
[13] Vgl. Nachtrag zur Broschüre Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGBVIII)10. Auflage, Stand 02.11.2000
[14] SGB IX Rehabilitation und Teilhabe Behinderter Menschen – Vorschriften mit erläuterten Gesetzestexten. Regensburg, Walhalla, S. 8+9
[15] Insuffizienz [lateinisch] die, Unzulänglichkeit, Unvermögen, Schwäche. Aus: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG; Der Brockhaus multimedial 2002; Mannheim 2001
[16] Vgl. Buchkremmer/Klosinski/Müller/Neumann/Wacker: Behinderung: von der Vielfalt eines Begriffs und dem Umgang damit. 2.Auflage; Tübingen: Attempto, 1997, 8, 13-20
[17] Vgl. Tröster, Heinrich: a.a.O., S. 56
[18] Vgl. Kollek, Regine: Präimplantationsdiagnostik: Embryonenselektion, weibliche Autonomie und Recht. 2. Auflage; Tübingen/Basel: Francke, 2002, S.13
[19] Bauchspiegelung, zu diagnostischen Zwecken vorgenommene Betrachtung der Bauchhöhle mit dem Laparoskop, einem Spezialendoskop, das nach örtlicher Betäubung durch die Bauchdecke in die Bauchhöhle eingeführt wird. Aus: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG; Der Brockhaus multimedial 2002; Mannheim 2001
[20] Vgl. a.a.O. Der Brockhaus multimedial 2002; Mannheim 2001
[21] Vgl. Kollek, Regine: a.a.O., S. 13
[22] Vgl. Kollek, Regine: a.a.O., S. 15
[23] Vgl. Kollek, Regine: a.a.O., S. 14+15
[24] Minimal invasive Chirurgie bezeichnet im Allgemeinen Operationen, bei denen die Verletzung gesunder Organe auf ein Minimum reduziert wird. So wird angestrebt, ohne den für die konventionelle Operation üblichen Schnitt auszukommen, um ein erkranktes Organ zu behandeln oder zu entfernen. Ein weites Gebiet der minimal invasiven Chirurgie wird durch die Endoskopie abgedeckt. Aus: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG; Der Brockhaus multimedial 2002; Mannheim 2001
[25] Vgl. http://www.frauenarzt-infos.de/Praenatal/Einleitung.htm, 12.05.2003
[26] durch Ultraschalluntersuchungen
[27] Abbildungsfehler
[28] teratogen [griechisch], Fehlbildungen erzeugende Wirkung von chemischen Verbindungen (Arzneimittel), Infektionen (Röteln) oder physikalischen Faktoren (ionisierende Strahlen) in der Frühschwangerschaft. Aus: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG; Der Brockhaus multimedial 2002; Mannheim 2001
[29] Vgl. http://www.frauenarzt-infos.de/Praenatal/Einleitung.htm, 12.05.2003
[30] Rhesusunverträglichkeit: Sie kommt bei Schwangeren zustande, wenn in den Blutkreislauf einer rhesusnegativen Frau Blut ihres rhesuspositiven Embryos beziehungsweise Fetus gelangt, da sie dann Antikörper gegen den Rhesusfaktor bildet. Diese verklumpen die rhesuspositiven roten Blutkörperchen des Kindes, da die Antikörper durch den Mutterkuchen hindurchtreten, wodurch schwere Schäden (u.a. Gelbsucht) beim Fetus verursacht werden und sogar der Tod des Kindes eintreten kann. Aus: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG; Der Brockhaus multimedial 2002; Mannheim 2001
[31] Vgl. Dt. Ärzteblatt 1998; 95: A-3236-3242 [Heft 50]
[32] Dt. Ärzteblatt 1998; 95: A-3236-3242 [Heft 50]
[33] Vgl. http://www.frauenarzt-infos.de/Praenatal/Einleitung.htm, 12.05.2003
[34] Vgl. Swantje Köbsell: Mogelpackung - die `Bioethik-Konvention` des Europarates und ihre Bedeutung für Menschen mit Behinderungen. BEHINDERTENPÄDAGOGIK, Heft 1/1999, S. 92
[35] Niedersächsisches Frauenministerium: Schwangerschaftsabbruch - was Sie wissen müssen! Ratgeber, Hannover, 1997, S. 6
[36] Oliver Tolmein: Wann ist der Mensch ein Mensch? Ethik auf Abwegen. München/Wien, 1993, S. 8
[37] Vgl. Dt. Ärzteblatt 1998; 95: A-3236-3242 [Heft 50]
[38] Vgl. Lammert/Cramer/Pingen-Rainer/Schulz/Neumann/Beckers/Siebert/Dewald/Cierpka: Psychosoziale Beratung in der Pränataldiagnostik. Ein Praxishandbuch. Göttingen/Bern/Toronto/Seattle: Hogrefe-Verlag, 2002, S. 16
[39] nachgeburtlich
[40] Vgl. http://www.bundesaerztekammer.de/30/Richtlinien/Richtidx/Praediag.html, 14.05.03
[41] Vgl. http://www.bundesaerztekammer.de/30/Richtlinien/Richtidx/Praediag.html, 14.05.03
[42] Vgl. Baldus, M.: Von der Diagnose zur Entscheidung – Entscheidungsprozesse für Frauen im Kontext pränataler Diagnostik. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie. 9/10, 2001, S. 736 – 752. Aus: Lammert/Cramer/Pingen-Rainer/Schulz/Neumann/Beckers/Siebert/Dewald/Cierpka: a.a.O., S. 16
[43] Vgl. Lammert/Cramer/Pingen-Rainer/Schulz/Neumann/Beckers/Siebert/Dewald/Cierpka: a.a.O., S. 16
- Quote paper
- Bettina Schoeps (Author), 2003, Pränatale Diagnostik, Thema in der Beratung von werdenden Eltern: Positionierung der Sozialen Arbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201660
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