Die mittelalterliche Erzählung von Theophilus, dem Teufelsbündner und Heiligen, zu ihrer Zeit in nahezu unübersehbar vielen Versionen verbreitet, ist heute weitgehend unbekannt. Wenn sie gegenwärtig in der Forschung wieder neue Beachtung findet, so stehen dabei vor
allem einzelne, künstlerisch qualitätsvolle Textfassungen im Blick. Darüber hinaus ist der Theophilus-Stoff aber gerade auch durch seine ständige Um- und Neuformung im Laufe der Jahrhunderte charakterisiert. Durch die Kontinuität im Erzählstoff und den Wandel in den einzelnen Fassungen sind die Theophilus-Dichtungen wie nur wenige Texte jener Zeit geeignet, wichtige Aspekte des Mittelalters erkennen zu lassen, besonders in Hinblick auf religions- und geistesgeschichtliche Entwicklungen. Zumal für das Verständnis der
mittelalterlichen Marienverehrung sind sie von kaum zu überschätzender Bedeutung.
Deshalb dürften die vorliegenden Studien, 1968 geschrieben und jetzt nur leicht überarbeitet, weiterhin von Interesse sein. Wenn dabei angestrebt ist, Entwicklungen begrifflich zu kennzeichnen, so bedeutet das selbstverständlich eine gewisse Abstrahierung von vielfältig differenzierten Wirklichkeiten; den heuristischen Wert solcher Abstrahierungen mag die Praxis erweisen.
INHALT
I. Die Theophilus-Erzählung als Forschungsgegenstand
Zielsetzungen der Analyse
II. Die Grundlagen der Theophilus-Dichtung: Magus-Sage und mittelalterliche Marienverehrung
II-1 Das Grundschema der Theophilus-Dichtung
II-2 Die Entwicklung der Magus-Sage
Die Magus-Sage
Die magische Kunst
Die Person des Magus
Der Teufelsbündner
Christentum und Magie
Simon Magus – der verteufelte Magus
Cyprian – der bekehrte Magus
Anthemius – der Magus durch Teufelspakt
Der Diener des Proterius – Trennung von Magus und Teufelsbündner
Die Magus-Sage als Teil einer Heiligenlegende.
II-3 Die Entwicklung der mittelalterlichen Marienverehrung
Vermittlung und Gewinn der Gnade
Die wachsende Bedeutung der Fürbitte
Die Gestalt Marias in Theologie und Glaubenspraxis
Die Entwicklung des Marienbildes
Die Hauptphasen der Entwicklung des Marienbildes
Gottesmutter und Königin – Frühmittelalter
Schirmherrin und Vorbild – „romanische“ Zeit
Magd und Mutter – „gotische“ und „spätgotische“ Zeit
Die Theophilus-Legende: Verbindung von Magus-Sage und Marienverehrung
III. Die Motive der Theophilus-Dichtung
III-1 Die Zentralmotive: Teufelsbündner – Zauberer – Maria
Die Theophilus-Erzählung des Alten Passionals
Die Theophilus-Legende des Paulus Neapolitanus
Das mittelniederdeutsche Theophilus-Drama
Die Zentralmotive der Theophilus-Dichtung als Spiegel der Marienverehrung und des menschlichen Selbstverständnisses im Mittelalter
III-2 Die weltanschaulich-religiösen Motive
Gott und Maria
Teufel und Zauberer
Der Mensch zwischen Teufel und Gott
Mensch und Welt
Der Tod
Sünde und Teufelspakt
Reue und Buße
Die Credo-Formel
Das Weltbild der Einzelfassungen
Der Wandel in Glaube und Frömmigkeit
III-3 Die zeittypisch-milieugeprägten Motive
Das Amt des Theophilus
Die Bischofswahl
Teufelsglauben und Hölle
Zauberkunst, Zauberer und Jude
Die Verschreibung
Das Wertesystem der einzelnen Epochen
Der Wandel auf gleicher Grundlage
IV. Theophilus und Faust
I. Die Theophilus-Erzählung als Forschungsgegenstand
Der Teufelsbund ist seit der Antike ein durchgehendes Thema der europäischen Literatur: als der Versuch des Menschen, sich über seine vorgegebenen Grenzen hinaus zu erheben. Indem dabei die Gestalt des Teufelsbündners – von Simon Magus bis hin zu Dr. Faustus – immer wieder neu gefasst wird, ist dieser Erzählstoff wie nur wenige geeignet, charakteristische Seh- und Denkweisen der jeweiligen Entstehungszeit deutlich zu machen. Die für das Mittelalter kennzeichnende Erzählung ist die Legende von Theophilus, in der ein „Gottesliebling“ (so die deutsche Übertragung des Namens „Theophilus“) den Teufelspakt schließt, zuletzt aber mit Hilfe Marias gerettet wird, ja sogar zur Heiligkeit gelangt.
Diese Geschichte des Theophilus war im Mittelalter über ganz Europa hin bekannt[1] , wurde in mannigfachen Darstellungen der bildenden Kunst verbreitet[2] , und epische, lyrische und dramatische Werke kündeten in ungezählten Fassungen von Sündenfall und Begnadung dieses „Gotteslieblings“.[3] Zwar gab es nicht den Dichter, der durch ein einmaliges Werk das Bild dieses Mannes für immer gültig formte; stattdessen schufen jedoch stets neue, oft anonyme Bearbeiter an seiner Gestalt und hauchten ihr eine Lebensmächtigkeit ein, welche diejenige rein literarischer Gestalten bei weitem übertraf. Er, eine fiktionale Figur, gestaltet aus den Intentionen legendarisch-erbaulichen Erzählens, gewann wirkliche Lebensfülle und wurde schließlich als Heiliger verehrt. Prediger und Dichter hielten dem Volk sein Leben vor Augen[4] , das Volk selbst kannte sein warnendes und zugleich ermutigendes Beispiel und war bereit, sich immer wieder davon erzählen zu lassen und selbst davon zu erzählen. So lebte der heilige Theophilus unter den Menschen des Mittelalters, wie eben die Heiligen damals, auch nach ihrem Tod, weiterlebten und -wirkten. Man erzählte sich sogar Wunder, die Theophilus nach seinem Tod als Heiliger gewirkt habe.[5] In diesem Mann, der zuerst aus weltlichen Gelüsten die Schrecknis ewiger Verdammung in Kauf nahm, um zuletzt doch die Freude der ewigen Seligkeit zu suchen und zu finden, konnte man sich selbst erkennen im Ringen um irdisches und himmlisches Glück. Vielleicht gab es keine Gestalt, in der man das menschliche Streben zum Bösen und Guten hin in so extremer Deutlichkeit verkörpert sah wie in diesem großen Sünder und Heiligen; kaum eine andere Gestalt ist aber auch mit dem Mittelalter so dahingegangen[6] wie dieser heilige Sünder Theophilus.
Gerade deshalb aber sind die Theophilus-Erzählungen auch geeignet, weitreichende Einblicke in ihre Entstehungszeit zu gewähren, vor allem in Hinblick auf theologische und geistesgeschichtliche Aspekte, so etwa das Gottesbild und die Christologie, Fragen der Gnadenvermittlung und das ethische Wertesystem, und insbesondere die Entwicklung der mittelalterlichen Marienverehrung.
Zielsetzungen der Analyse
Die. wissenschaftliche Forschung hat sich schon früh mit der Gestalt dieses mittelalterlichen Teufelsbündners beschäftigt. Grundlegende Arbeiten sind vor allem R. Petsch[7] zu verdanken; sein Plan einer Gesamtdarstellung des Stoffes kam jedoch leider nie zur Verwirklichung. Die umfassendste Studie ist deshalb noch heute eine Schrift von K. Plenzat[8] , wo zahlreiche Theophilus-Dichtungen aus ganz Europa dargestellt und mehr oder weniger eingehend interpretiert werden. Einen Anspruch auf Vollständigkeit kann aber auch Plenzats Abhandlung nicht erheben. Noch jetzt ist das Gebiet des Theophilus-Stoffes bei weitem nicht übersehbar, zumal da der Bereich der Legendenliteratur insgesamt lange von der Forschung vernachlässigt war und insbesondere Prosawerke, vor allem aus der Zeit des späten Mittelalters, wenig oder keine Beachtung fanden.
Die vorliegenden Studien können und wollen sich nicht zum Ziel setzen, das Gebiet der Theophilus-Dichtung neu abzugrenzen. Sie sollen sich vielmehr darauf konzentrieren, die epochetypischen Änderungen in der Entwicklung des Erzählstoffs darzulegen. Dabei kommen zuerst die Grundlagen der Theophilus-Dichtung – Magus-Sage und Marienverehrung – in den Blick; sodann können drei charakteristische Texte einen Einblick geben in die sich wandelnde Vorstellungswelt der Epochen, die wir gemeinhin als „Früh-, Hoch- und Spätmittelalter“ zu bezeichnen gewohnt sind.
Die drei Texte, die der Untersuchung zur Grundlage dienen, sind nicht ausschließlich nach literarischen Gesichtspunkten ausgewählt. Wesentlich war, dass sie als zeittypisch gelten können und gleichzeitig eine profilierte Eigengestalt aufzeigen, ohne doch den wesentlichen Gehalt der Theophilus-Überlieferung preiszugeben. Als solche Texte kommen in Betracht:
1. die lateinische Prosaerzählung des Diakons Paulus Neapolitanus[9] , die aus der Zeit des frühen Mittelalters stammt (vermutlich vor 875) und Ausgangspunkt für fast alle späteren Fassungen innerhalb des lateinisch-abendländischen Kulturkreises wurde;
2. das mittelhochdeutsche[10] Versepos innerhalb der Marienmirakel im Legendar des Alten Passionals (13. Jh.), das der Blütezeit der Legendendichtung am Ausgang des hohen Mittelalters angehört;
3. das mittelniederdeutsche Drama in der Fassung der Helmstädter Handschrift (15. Jh.), das die Erzählung in ihrer spätmittelalterlichen dramatischen Umarbeitung zeigt.
Die Analyse soll dabei (außer bei den zeittypisch-milieugeprägten Motiven) vom Text des Alten Passionals ausgehen, da hier der Stoff in seiner kompaktesten Form vorliegt. Im Vergleich der früh- und spätmittelalterlichen Fassung können sodann die wesentlichen Merkmale der Entwicklung besonders deutlich hervortreten.
II. Die Grundlagen der Theophilus-Dichtung: Magus-Sage und mittelalterliche Marienverehrung
II-1 Das Grundschema der Theophilus-Dichtung
Das Grundschema der Theophilus-Dichtung lässt sich leicht wiedergeben: Ein frommer, angesehener, demütiger Stellvertreter eines Bischofs verliert durch Unrecht seine Stellung, gewinnt aber unter Vermittlung eines Juden mit Hilfe Satans Amt und Ehre zurück, nachdem er dem christlichen Glauben schriftlich abgeschworen hat. Jedoch kann er später, von Reue überwältigt, mit Hilfe Marias der Gewalt des Teufels entrinnen und stirbt einen seligen Tod.
Dieses Grundschema der Erzählung bleibt in allen Ausarbeitungen bestimmend, auch wenn es, mannigfaltig variiert und ausgeschmückt, mit wechselnden Schwerpunkten gestaltet wird. So einfach das Geschehen jedoch zuerst scheint, so vielfach verschieden nach Alter und Herkunft sind die Komponenten, die sich hier zu einem Ganzen zusammengefunden haben. Bis weit in vorchristliche Zeiten reichen die Wurzeln dieser Legende zurück.
II-2 Die Entwicklung der Magus-Sage
Die Magus-Sage
Der zentrale Beweggrund, aus dem die Theophilus-Erzählung entstehen konnte, ist das „tiefe Menschheitsbedürfnis nach Erlösung“[11] . Diese Aussage ist jedoch nur dann gültig, wenn auch das Streben nach Selbsterlösung mit einbezogen ist. Denn am Anfang stehen wohl Darstellungen des großen, außerordentlichen Menschen, der sich mit Hilfe dämonischer Mächte über menschliches Wissen und Können hinaufzuflügeln oder mit seinen überlegenen Kräften die Natur und die Menschen zu beherrschen sucht[12] : die Magus-Sage.
Der Umgang einer menschlichen Person mit überirdischen Kräften und seine Folgen sind somit das Grundmotiv der Magus-Sage. Diese Sage darf keineswegs als ein biographisch einheitliches Gebilde verstanden werden[13] , obzwar immer eine einzige Person im Mittelpunkt steht. Diese Person ist jedoch in den Einzelfassungen der Sage nicht jeweils die gleiche, nur in zeitbedingten unterschiedlichen Ausdeutungen, sondern sie ist jedes Mal eine andere. So fasst der Begriff „Magus-Sage“ oft recht eigenständige Erzählungen zusammen, deren jeweilige Hauptgestalt nicht in direkter Ahnenlinie mit den anderen steht, sondern einen ausgeprägten, nur ihr eigenen Charakter besitzt. Erst als derart ausgeprägter Eigencharakter haben diese Hauptgestalten (u. a.: Simon Magus, Cyprian, Anthemius, Diener des Proterius, Theophilus, Faust) auch ihre individuelle Entwicklung, die sich dann ziemlich geradlinig verfolgen lässt (z. B. in der Entwicklung der Cyprian-Legende, Faust-Sage und ebenso der Theophilus-Legende).
Die Entwicklung der Magus-Sage besteht also nicht darin, dass sich eine einzige Hauptperson im Laufe der Zeiten verändert. Und dennoch, trotz der Verschiedenheit der Gestalten, die nicht einmal unmittelbar voneinander abstammen, kann man von einer Entwicklung der Magus-Sage sprechen. Die Einheit dieser Sage, auf der ihre Entwicklung beruht, ist aber nicht die der Person, sondern die des Wollens dieser Personen; sie ist eine Einheit der Thematik – das Grundmotiv bleibt immer das gleiche. Alle übrigen Motive werden immer wieder in einer jeweils charakteristischen Prägung neu gestaltet, nicht nur abgeändert. Wenn dennoch Teile aus früheren Erzählungen übernommen sind, so werden sie als frei verfügbar behandelt.
So zeigt sich als Eigentümlichkeit der Magus-Sage: Die einzelnen Magus-Gestalten stammen nicht voneinander ab, aber sie sind geistesverwandt und sehen sich durch ihr gleiches Wollen vor dieselbe Situation gestellt. Wie diese Situation aufgefasst und bewältigt wird – dies ist die Geschichte und die Entwicklung der Magus-Sage.
Die magische Kunst
Die Magus-Sage geht aus vom Glauben an die Magie, an die Geheimkunst, sich übersinnliche, ja überirdische Kräfte dienstbar zu machen. Dieser Glaube hängt aufs engste mit dem Glauben an Dämonen zusammen: Der Magus steht im Bund mit den Dämonen; er sucht ihnen zu dienen oder sie zu beherrschen, je nachdem, ob sie dem Menschen freundlich oder feindlich gesinnt sind. In Verbindung mit „guten“ Geistern trägt seine Kunst göttlichen Charakter; diabolische Züge dagegen erhält sie in der Verbindung mit „bösen“ Geistern. Magie nur als Werk dunkler Mächte zu verstehen, wäre eine Einengung des Begriffs. So erschien z. B. bei den Griechen die Magie im Bund mit der Religion und Philosophie als der höchste Ausdruck der Frömmigkeit und Weisheit[14] , und noch das Mittelalter unterschied deutlich zwischen einer „weißen“ und „schwarzen“ Magie. Der „Magus“ darf deshalb nicht von vorneherein dem Teufelsbündner gleichgestellt werden, und so liegen auch die Wurzeln der Theophilus-Legende noch tiefer als im Teufelsglauben der dualistischen Religionen.[15]
Die Person des Magus
Immer aber, ob der Magus nun einer guten Gottheit dient, eine böse beherrscht oder ihr unterworfen ist, immer ist er von einer Atmosphäre des Geheimnisvollen umgeben. Mit Bewunderung und Scheu, aber auch mit Furcht[16] schauen die Menschen, die auf seine Vermittlung angewiesen sind, zu dem auf, der durch seine engen Beziehungen zu den überirdischen Kräften außerhalb jedes „normalen“ menschlichen Bereichs steht. Schon früh kam die Ahnung auf, dass die Verbindung auch mit guten Gottheiten immer von Gefahr umgeben ist: „Es fürchte die Götter das Menschengeschlecht! … Der fürchte sie doppelt, den je sie erheben!“[17] „Das Wohnen in den jenseitigen Gefilden, die Grundlage aller Macht und aller Erfolge des Zauberers, wird mit dem Frieden der Seele erkauft“[18] , und am Ende droht das Verderben. Neben der Gefahr, die Weisungen der Gottheit misszuverstehen, lockt auch immer die Versuchung, die verliehene oder errungene Macht zu missbrauchen und die gesetzten Grenzen zu überschreiten, ja, die Gottheit seine Übermacht fühlen zu lassen.[19] Zuletzt jedoch geht der Zauberer an seiner eigenen Kraft zugrunde, oder die Geister werden über ihn Herr.[20] Der Magier wird, als Verkörperung der Hybris, zur tragischen Gestalt. Er, der mit Hilfe seiner außerordentlichen Fähigkeiten über alle emporsteigen will, verfällt dem tiefsten Verderben. „Darin liegt ein grausamer Hohn gegen den Menschen, der sich über seinesgleichen zu erheben wagt, indem er sich den Geistern zugesellt.“[21]
Der Teufelsbündner
Auf einer höheren Stufe stellt sich diese Magus-Sage vom großen, außerordentlichen Menschen in den Dienst religiöser und ethischer Anschauungen.[22] Der gute Magier steht als Diener Gottes und wahrer Wundertäter dem bösen Zauberer und dessen teuflischem Blendwerk gegenüber. Einen immer stärkeren Einfluss gewinnen dabei dualistische Vorstellungen, die vor allem in der altiranischen Religion ihren Rückhalt finden. Die Rolle des Magiers im Kampf zwischen Gut und Böse verleiht seiner Gestalt eine neue Tiefendimension. Erst jetzt lässt sich mit Recht vom „Teufelsbündner“ sprechen. Im Judentum werden die dualistischen Vorstelllungen im Sinn des Monotheismus modifiziert: das Böse ist nicht ursprüngliche Gegenkraft des Guten, sondern entsteht durch Absage an Gott.[23] Magie mit Hilfe des Bösen ist deshalb ebenfalls Absage an Gott, die oft in bewusstem Abfall von ihm geschieht.[24] So hat sich aus der uralten Magus-Sage das eine große Zentralmotiv der Theophilus-Legende entwickelt: der Pakt mit dem bösen Geist.
Christentum und Magie
Mit dem Auftreten und Sieg des Christentums verändern sich Gehalt und Aussehen des alten Stoffs in ganz erheblicher Weise. Während das Urchristentum das magische Weltgefühl noch in sich einschließt (vgl. die Magier des Evangeliums), wird im Lauf der christlichen Geistesgeschichte die Magie immer mehr in Verruf gebracht.[25] Wundertaten der Heiligen werden nicht mehr unter dem Begriff „magisch“ betrachtet, die „magischen“ Werke der Zauberei dagegen erscheinen fast durchwegs als sicheres Zeichen des Bundes mit dem Bösen; ihr Motiv ist ungemessene Selbstsucht, ihr Ziel ist, mehr sein zu wollen.[26]
Simon Magus – der verteufelte Magus
Kennzeichnend dafür ist die Gestalt des Simon Magus[27] , dessen Person im Lauf der Zeit immer mehr „verteufelt“ wird: die chronologische Überlieferung von der Apostelgeschichte (c. 8,9-24) über die Pseudoclementinen, Justin, Irenäus, Hippolyt bis hin zu Ambrosius zeigt eine sichtliche Steigerung[28] : Er, dessen Bekehrung anfangs noch möglich scheint, wird immer mehr zum Erzbösewicht, der von Dante schließlich in den achten Höllenkreis versetzt wird[29] . Er „habe sich nicht begnügt, als Gesandter Gottes aufzutreten, sondern sich selbst für die höchste Gotteskraft ausgegeben“[30] , Petrus aber habe „den Simon, der auf dem Fittiche der Magie zur Himmelshöhe aufstrebte, herabgeschleudert und niedergestreckt“[31] . So nimmt der Magus ein schreckliches Ende, von dem Gesandten Gottes überwunden.
Cyprian – der bekehrte Magus
Die Tendenz der Simon-Magus-Sage ist, Besiegung und Vernichtung des Magiers darzustellen. Im Mittelpunkt der späteren Erzählung von Cyprian steht dagegen die Bekehrung des Zauberkundigen. So spiegelt sich in der Entwicklung der Magus-Sage der Fortschritt der Ecclesia militans zur Ecclesia triumphans.[32]
Der Bericht von der Bekehrung des Magiers Cyprian steht innerhalb der Legende „Von der heiligen Jungfrau Justina“. Justa, (später: Justina), eine Jungfrau aus Antiochien, wird von einem Diakon Praÿlios zum Glauben an Christus bekehrt; auch ihre Eltern lassen sich nach einem Traumgesicht taufen. Eines Tages sieht Aglaïdas, ein vornehmer Heide, die Braut Christi auf dem Kirchgang und will sie für sich gewinnen. Er wird jedoch abgewiesen und von Justa, als er Gewalt brauchen will, schmählich in die Flucht geschlagen. Daraufhin wendet er sich an den Zauberer Cyprian. Dieser ruft einen Dämon herbei, der sich seiner bisherigen Erfolge rühmt und auch die Jungfrau ihm ins Haus bringen will. Als Justa jedoch zu Gott betet und ein Kreuzzeichen schlägt, muss er besiegt die Flucht ergreifen. Ebenso ergeht es einem zweiten, stärkeren Dämon und schließlich dem Obersten der Dämonen. Als Cyprian den Grund der Misserfolge wissen will, lässt der Dämon sich zuerst vom Magier dauernde Treue schwören und gesteht dann die Übermacht Christi ein, die zum ewigen Verderben seiner Gegner führen werde. Da bricht Cyprian den Eid, den er eben dem Dämon geschworen, verbrennt seine Zauberbücher und wird selbst Christ. Nach dem Tod des Bischofs wird er schließlich dessen Nachfolger und setzt Justa, die er nun Justina nennt, als Vorsteherin eines Klosters ein. Spätere Berichte erzählen noch von einem glorreichen Martyrium der beiden Heiligen.
Diese Legende, wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts entstanden[33] , knüpft an keine tatsächliche historische Begebenheit an, sondern ist eine dichterische Zusammenfassung verschiedener literarisch vorgeformter Erzählungen; heidnische Zauberpapyri und die christlichen Thekla-Akten können als Hauptquellen angesehen werden.[34] So lässt sich z. B. auch das „blinde Motiv“ der Aglaïdas-Handlung erklären. Dennoch ist das Ganze, das entsteht, etwas Neues, ausgerichtet auf den entscheidenden Grundgedanken: den Sieg über den Zauberer und dessen Bekehrung. In späteren Erzählungen rückt dieses Motiv noch stärker in den Vordergrund, sodass als Hauptfigur der Legende immer mehr Cyprian anstelle von Justina hervortritt.[35]
Die Gestalt dieses Magus ist vom Geist des Hellenentums geprägt. Der Zauberer Cyprian ist ein weiser Mann, „der im Besitz aller Weltgeheimnisse, aller philosophischen Weisheit voll und in alle Mysterien eingeweiht ist“[36] ; er ist kein Knecht des Bösen, sondern ein Herr über alle Dämonen. Durch keinen Vertrag ihnen unterworfen, kann er den Eid, den er bei der Kraft des obersten Dämons schwört, sofort brechen, als sich diese Kraft als nichtig erweist. Von einem Teufelspakt kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil die Dämonen sich zwar in ihren Aussagen als christliche Teufel geben, ihrem Wesen nach aber ganz und gar keine höllischen Geister sind.[37] Cyprians Verkehr mit den Dämonen ist auch nicht in gleichem Grad sündhaft wie bei späteren Magusgestalten, da er noch vor der Bekanntschaft mit dem wahren Glauben begonnen wurde und nicht auf einem Abfall beruht. Die Bekehrung kann deshalb auch ohne Vermittlung eines anderen erfolgen. Cyprian erkennt aus eigener Anschauung die Ohnmacht der Dämonen und entscheidet sich für Christus, ihren Überwinder. Diese Umkehr entspricht folgerichtig dem wesensmäßigen Verlangen des Magiers Cyprian, bis zur letzten Quelle aller Weisheit vorzudringen. Damit wird „aus dem berühmten Magus … ein bekehrter und bußfertiger Christ, ein Hort der Gläubigen, ein Presbyter, Bischof und Märtyrer“[38] .
So spiegelt die Cyprian-Legende die Auseinandersetzung des Christentums mit der heidnischen Weisheit und das Siegesbewusstsein der Kirche.[39]
Anthemius – der Magus durch Teufelspakt
Eine neue Stufe der Erzählungen von einem Magus stellt der Bericht von Anthemius dar, der in die Legende der Maria von Antiochien eingefügt ist.
Die Jungfrau Maria von Antiochien wird von Anthemius, einem vornehmen christlichen Jüngling, umworben. Als sie jedoch seinen Heiratsanträgen widersteht, wendet sich der Jüngling an den Zauberer Megas, dem es nach drei Tagen gelingt, Maria durch seine Zauberkunst in das Haus des Anthemius zu locken. Zwar kann die Jungfrau durch das Versprechen einer künftigen Heirat nochmals der Gefährdung ihrer Reinheit entkommen, aber Anthemius ist nun von der Macht der Zauberei überzeugt und will möglichst schnell selbst ein Magier werden. Megas erklärt die Verleugnung des christlichen Glaubens zur Grundbedingung, der Jüngling stimmt dem zu und geht mit einem Empfehlungsschreiben zu einer Brücke, wo er um Mitternacht den Teufel antrifft. Der Höllenfürst erweist sich jedoch misstrauisch, verlangt eine ausdrückliche Absage an Christus und deren schriftliche Abfassung. Erst in der dritten Nacht hat Anthemius alle Forderungen zufriedenstellend erfüllt. Als nun der Satan die schriftliche Abschwörung in Händen hält und in wildem Jubel triumphiert, erfasst Anthemius die ganze Tragweite seiner Tat und widerruft diese. Da er vom Teufel die Verschreibung nicht mehr zurückerlangt, wendet er sich an einen Bischof und will ein zweites Mal auf den Namen Christi getauft werden. Der Bischof jedoch erklärt, es gebe nur noch eine zweite Taufe der Tränen. So verlässt Anthemius die Welt und geht als Büßer in die Einsamkeit, in der Hoffnung auf die Barmherzigkeit Gottes, „die noch keinen Bittflehenden zugrundegehen ließ“.
In dieser Legende der Maria von Antiochien und des Anthemius sind die verschiedensten Elemente zusammengeflossen. Sie spielt in einem eindeutig christlichen Milieu und scheint aus einer Zeit zu stammen, in der sich das Christentum schon als allgemeine Religion durchgesetzt hatte, gewisse heidnische Erinnerungen und Traditionen aber im Bewusstsein noch wirksam waren. Dieser Zwiespalt zeigt sich deutlich in den einzelnen Figuren wie im Geschehen überhaupt.
Die Erscheinung des Magus trägt immer noch vorwiegend hellenistische Züge, Megas steht außerhalb des christlichen Glaubens, was als selbstverständlich erscheint und anscheinend nicht auf einem Abfall von Christus beruht. Er zieht als berühmter Magier mit zahlreichen Schülern durch die Städte und wird von Hilfesuchenden in aussichtslosen Fällen angegangen. Für Geld stellt er seine Dienste zur Verfügung, ohne sonstige Bedingungen zu stellen. Erst als Anthemius selbst Magier werden will, kommt der Teufel ins Spiel. Anthemius und sein Teufelspakt rücken dann immer mehr in den Vordergrund, Megas verschwindet zuletzt völlig aus dem Gesichtskreis; sein Schicksal steht außerhalb des Interesses. Nur noch als vermittelnde Gestalt hat der alte Magus innerhalb der Erzählung Bedeutung.
Ähnlich wie Cyprian ist auch Megas Herr über die Dämonen; diese führen zwar seine bösen Befehle aus, haben aber mit eigentlichen Teufeln wenig gemeinsam. Eine wirkliche Teufelsgestalt tritt erst dann auf, als Anthemius selbst Magier werden will und von Megas an den „Gebieter“ verwiesen wird. Inmitten eines reichen Gefolges erscheint der Höllenfürst und sucht den Triumph über Christus zu erringen. So kommt dann auch ein wirklicher Teufelspakt zustande in Form einer schriftlich bestätigten Absage an Christus und den Glauben an ihn. Die Umkehr des Abtrünnigen geschieht aus einer plötzlichen Einsicht in das Verwerfliche seiner Tat. Anthemius bekennt seine Schuld einem Vertreter der Kirche und nimmt eine schwere Buße auf sich. Die künftige Begnadigung durch Gott erscheint als sicher, auch wenn der Teufel die schriftliche Handfeste behält.
Der Bericht von Anthemius kennzeichnet die Entwicklung der Magus-Sage hin zur echten Teufelsbündnersage. Die Gestalt des heidnischen Magus rückt an den Rand; der Christ, der durch den Abfall vom wahren Glauben die Macht der Zauberkunst gewinnen will, tritt in den Vordergrund.
Der Diener des Proterius – Trennung von Magus und Teufelsbündner
In manchen Teilen verwandt mit dieser Erzählung, aber auch mit der Cyprian-Legende ist der Bericht „Von dem Diener des Proterius“ (bzw. in der Legenda aurea: „Diener des Eradius“). Er steht innerhalb verschiedener Erzählungen über die Wundertaten des großen Bischofs Basilius von Cäsarea, war aber später so beliebt, dass er auch in Einzelfassungen verbreitet wurde und noch heute in Sagen weiterleben soll.[40]
Helladius, ein Augenzeuge des Geschehens, erzählt: Proterius, ein christlicher Senator, will seine einzige Tochter Gott weihen. Auf Betreiben des Teufels jedoch entbrennt ein Diener des Senators in Liebe zu dieser Jungfrau, und da er das Mädchen nicht selbst gewinnen kann, geht er zu einem Zauberer. Dieser kann ihm aber nicht selbst helfen und verweist ihn, als er sich zur Absage an Christus bereitfindet, an den Teufel. Geister führen den Diener zu nächtlicher Stunde hin zu ihm, der wie ein mächtiger Gebieter auf einem Thron sitzt. Da Satan schon oft von Christen betrogen worden ist, die durch die Güte Christi seinem Dienst wieder entflohen, muss der Diener seine Absage schriftlich bekräftigen. Nun sendet der Teufel seine Dämonen zur Tochter des Senators; diese lassen sie vor Liebe zum Diener erglühen, und schließlich muss auch der widerstrebende Vater in die unstandesgemäße Heirat einwilligen. Bald aber merkt die Jungvermählte den unchristlichen Lebenswandel ihres Mannes, und dieser muss alles bekennen. Sie läuft zu Basilius, der den Diener kommen lässt und ihn zur Bekehrung bereit findet. Der Bischof schließt den jungen Mann in eine Kammer, wo dieser heftige Kämpfe mit den Teufeln austragen muss, während Basilius fastet und betet. Schließlich weichen die Teufel, der Bischof versammelt Klerus und Volk und führt den Diener zur Kirche. Auf dem Weg dorthin fällt der Teufel mit seinem ganzen Aufgebot über den Heiligen und seinen Schützling her, klagt über den verübten Betrug des Dieners und weist die Verschreibung vor. Da betet Basilius zusammen mit dem Volk so lange, bis das Schriftstück aus der Luft herabfällt. Nun kann der junge Mann befreit der Messe beiwohnen, der heilige Bischof ermahnt ihn und gibt ihn seiner Gattin zurück.
In dieser Legende tritt erstmals die Gestalt des Teufelsbündners ganz eindeutig in den Vordergrund. Die alte Zauberergestalt ist zu einem bloßen Vermittler ohne eigene Macht herabgesunken und spielt in der Erzählung auch weiter keine Rolle mehr. Nicht einmal einfache Wünsche kann dieser Magier erfüllen; seine Aufgabe ist lediglich, Christen zum Abfall zu veranlassen und dem Teufel zuzuführen. Die Herrschaft über die Dämonen, die ihm früher zugestanden war, gebührt nunmehr einzig dem Satan, der als mächtiger Gebieter auftritt. Nur durch einen schriftlichen Pakt mit ihm kann der Bittflehende das Gewünschte erlangen. Die Fessel dieses Vertrags jedoch ist so stark, dass eine Lösung und Rückkehr zu Gott unmöglich erscheint; die Rettung kann nur noch mit der Hilfe und Vermittlung eines großen Heiligen erlangt werden. Damit tritt die Person eines neuen Wundertäters in den Vordergrund: der Heilige, der durch die Macht Gottes den Teufel überwindet und die Verschreibung auf wunderbare Weise zurückerhält. So ist die göttliche Wunderkraft, die dem Heiligen verliehen ist, stärker als alle diabolischen Künste.
Die Magus-Sage ist nun ganz Teil einer Heiligenlegende geworden; die schwerste aller Sünden, der Abfall von Gott durch den Bund mit dem Teufel, kann durch die Vermittlung eines Heiligen, und nur durch sie, getilgt werden.[41]
Die Magus-Sage als Teil einer Heiligenlegende.
Es ist ein weiter Weg, den die Magus-Sage von Cyprian bis hin zum Diener des Proterius beschritten hat: Der weise Magier und Herr über die Dämonen wird zum verdammungswürdigen Zauberer und Teufelsknecht ohne eigene Macht. Er ist der Vertreter der alten, überwundenen Religion geworden, bei dem der Gläubige in verzweifelten Fällen Hilfe sucht.[42] Immer weitergehend hat sich von dieser Gestalt des Zauberers eine andere abgetrennt: der getaufte Teufelsbündner, der sich in Form eines Paktes dem Teufel verschreibt. Während Anthemius noch selbst Magier werden will, möchte der Diener des Proterius nur noch die magische Macht eines anderen in Anspruch nehmen. (Erst in der Renaissance werden Zauberer und Paktierer in der Person Fausts wieder zusammenfinden.)
Für den Paktierer ist charakteristisch, dass er als Beschwörer des bösen Geistes zugleich Abschwörer Christi ist. Die eigenhändige Verschreibung macht die Absage so fest, dass sie nicht mehr widerrufbar scheint und nur noch durch überirdische Hilfe wieder zurückgenommen werden kann.[43] Die Gnade Gottes und die Vermittlung eines Heiligen sind es, die auch dem Teufelsbündner, dessen satanische Verstrickung immer stärker betont wird, die Möglichkeit einer Erlösung eröffnen. Ja, je tiefer der Fall des Menschen, desto glorreicher ist dann endlich der Sieg über den höllischen Fürsten. Gerade deshalb werden jetzt die Erzählungen von den großen Sündern und Paktierern so beliebt, um an ihnen die Überlegenheit Gottes und der Heiligen über Satan zu zeigen.[44] Die Magus-Sage wird Teil einer Heiligenlegende.
II-3 Die Entwicklung der mittelalterlichen Marienverehrung
Vermittlung und Gewinn der Gnade
Nach der Lehre der katholischen Kirche ist der Gewinn der göttlichen Gnade nur durch die Vermittlung der Kirche möglich.[45] Sie verwaltet den Gnadenschatz Gottes, löst den Menschen durch die Taufe von der Erbsünde und kann ihn von seinen weiteren Sünden lossprechen. Diese Heilsnotwendigkeit der Kirche tritt in sämtlichen Ausformungen der christlichen Magus-Sage zutage. Jedoch auch dieses dogmatisch vorgegebene Motiv unterliegt Abwandlungen, die für die Entwicklung der Sage charakteristisch sind.
Cyprian, der heidnische Magier, findet sein Heil, indem er sich in die Schar der Christgläubigen aufnehmen lässt. Dies geschieht, indem er nach der Absage an die Dämonen einen Bischof aufsucht, Buße tut und dann nach inbrünstigem Gebet des Bischofs in der Versammlung der ganzen Gemeinde getauft wird.
Auch Anthemius sucht nach seiner Sinnesänderung sofort einen gottesfürchtigen Bischof auf und bittet um die Taufe. Da er jedoch schon getauft ist, kann diese Bitte nicht erfüllt werden; der Bischof wirft sich deshalb zusammen mit dem Sünder zum Gebet nieder und verspricht ihm dann die Begnadigung durch Gott, die der Reumütige nach harter Sühne erlangen wird. Die ganze Strenge der altkirchlichen Bußpraxis wird hier sichtbar. Bevor Anthemius nun in die Einsamkeit geht, fleht er noch die fromme Jungfrau, die er zuvor hatte verführen wollen, um ihr Fürbittgebet an.
Mit der wachsenden Verehrung der Heiligen wächst auch der Glaube an die Macht ihrer Fürbitte. Durch die Askese und das Gebet des heiligen Bischofs Basilius kann deshalb der Diener des Proterius seine Verschreibung wiedererlangen, nachdem er zuvor seine Schuld bekannt und selbst harte Buße getan. Seiner Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen steht dann nichts mehr im Wege.
Gemeinsam ist all diesen Erzählungen, dass „private“ Reue und Buße nicht genügen, sondern eine Aufnahme (bzw. Wiederaufnahme) in die kirchliche Gemeinschaft zum Heile notwendig ist. Deshalb muss der Bekehrungswillige einen Vertreter der Kirche aufsuchen und ihm seine Schuld bekennen. Auf dessen Gebet hin (und teilweise auch das der Gemeinde) wird ihm dann die Gnade Gottes zuteil.
Die wachsende Bedeutung der Fürbitte
Die Mitwirkung der Kirche durch das Fürbittgebet ihrer Vertreter ist von Anfang an für die Begnadigung des Bußfertigen notwendig. Mit der Größe der Sünde wächst jedoch auch die Schwierigkeit einer solchen Begnadigung, die zuletzt nur noch durch die Fürbitte eines großen Heiligen möglich scheint. Die altkirchliche Auffassung, dass durch die Verdienste eines heiligmäßigen Menschen die Zeit und Schwere der Buße gemindert werden können, hat sich dahin verengt, dass ohne diese Verdienste der Sünder nicht mehr den Weg der Rettung fände. So gewinnt jetzt die Gestalt des Fürbitters zentrale Stellung: die Umkehr des Teufelsbündners wird nicht mehr so sehr als Beispiel der Bekehrung berichtet als vielmehr zur Bestätigung der Wirkkraft eines Heiligen.[46] Die Rolle des Heiligen fällt dabei allmählich immer mehr Maria als Helferin, Fürbitterin und sieghafter Teufelsüberwinderin zu, seit mit dem Konzil von Ephesus (431 n. Chr.) ihre Gottesmutterschaft, das Grundprinzip aller Marienverehrung[47] , dogmatisch festgelegt ist.
Die Gestalt Marias in Theologie und Glaubenspraxis
Das Bild Marias, wie es die Kirche zeichnet, darf nie getrennt gesehen werden vom Bild ihres göttlichen Sohnes, da es dort seine Begründung und Erklärung findet: Christus ist als wahrer Gott durch Maria zugleich wahrer Mensch geworden; das Dogma, dass Maria Gottesgebärerin ist, wird der bestimmende Grundzug ihrer Gestalt. In ihm sind alle ihre anderen Auszeichnungen angelegt. Als Gottesgebärerin (DEI GENITRIX) ist Maria zugleich immerwährende Jungfrau (SEMPER VIRGO) von vollkommener Heiligkeit (SANCTA). In diesen drei Vorzügen stellt sich die einmalige überragende Heilsgröße Marias dar.[48]
In dieser ihrer erhabenen Würde steht Maria näher bei Gott als jeder andere Mensch. Dadurch rückt sie jedoch den übrigen Menschen nicht fern, sondern wird vielmehr deren hilfsbereiter Anwalt bei Gott. Durch ihre besondere Heilsgröße nämlich kommt ihr auch eine besondere Heilsmacht zu.
Eva hatte durch ihre Tat das Verderben über das Menschengeschlecht gebracht, als „neue Eva“ machte Maria durch ihr Jawort die Erlösung möglich.[49] Wie Maria dadurch schon am historischen Erlösungsgeschehen mitbeteiligt war, so ist sie nun auch durch alle Zeiten weiterhin zum Heil des Menschengeschlechts tätig. Ihr Einfluss bei ihrem Sohn ist unermesslich; stets macht sie ihn wirksam, wann immer sie angefleht wird. So ist sie die mächtige Fürsprecherin und Dauerhelferin des Menschen, die ihm die göttliche Gnade vermittelt. In unendlicher Barmherzigkeit ist sie dabei jedem Bedrängten zugänglich, da sie ihn als mütterliche Frau in seiner Not versteht. So zeigt sich die Gottesmutter dem Menschen nicht nur in ihrer gnadenhaften Heilsgröße, sondern auch in ihrer wirkenden Heilsmacht: als Miterlöserin (CORREDEMPTRIX), Fürsprecherin und Mittlerin (MEDIATRIX) und Mutter der Barmherzigkeit (MATER MISERICORDIAE).[50]
Die Entwicklung des Marienbildes
Dieses Marienbild, wie es im Mittelalter vor Augen stand, kam nicht von Anfang an in dieser Vollständigkeit zur Erscheinung. Vielmehr haben viele Jahrhunderte an seiner Ausführung mitgearbeitet und manche Einzelfarben hinzugefügt, die zwar zur Grundanlage des Bildes stimmten, dem Ganzen aber doch eine neue Abtönung gaben. Oft waren sie von einer solchen Leuchtkraft, dass ältere Farben daneben verblassten und die Darstellung einen weitgehend andersartigen Eindruck erweckte. Es änderte sich so jedoch nicht nur die Ausführung des Bildes, sondern auch die Sehweise, mit der es der Betrachter in sich aufnahm. Mit neuer Empfindungsweise sah er oft manche Züge anders als zuvor, richtete sein Hauptaugenmerk auf andere Blickpunkte und interpretierte deshalb auch die Gesamtdarstellung anders. So ergab sich auch von der Sehweise des Einzelmenschen her oft ein weitgehend andersartiger Eindruck der Darstellung. Beides, Ausführung wie Betrachtung des Bildes, ging jedoch nicht eigentlich getrennt vor sich, sondern stand in unauflöslicher gegenseitiger Wechselwirkung. Wie der Ausführende die Wirkung auf den Betrachter vor Augen hatte, so gab der Betrachter auch vielfach Anregung zu veränderter Ausführung.
So ist die Entwicklung des Marienbildes ebenso geprägt vom Wandel der theologischen Einsichten wie vom Wandel des religiösen Empfindens; die Geschichte der Marienverehrung ist auch eine Geschichte der Dogmenentwicklung und der Volksfrömmigkeit.
Die Hauptphasen der Entwicklung des Marienbildes
In der Entwicklung dieses mittelalterlichen Marienbildes sind drei große Hauptphasen zu unterscheiden, die mit den Phasen der Frömmigkeitsgeschichte wie überhaupt der Geistesgeschichte übereinstimmen. Allerdings können die Grenzen dieser Bereiche nie genau festgelegt werden, da die Übergänge stets fließend sind und sich zudem durch historische und lokale Eigenheiten untereinander verschieben. In grober Vereinfachung lässt sich von einer noch stark byzantinisch-ostkirchlich beeinflussten Epoche sprechen (bis ca. 1000 n. Chr.), der dann die Zeitabschnitte folgen, die uns heute am ehesten durch den romanischen (bis ca. 1200/1250) und gotischen Stil (bis zum Ausgang des Mittelalters) vor Augen stehen. Diese Zeitwenden entsprechen großen Veränderungen staatlicher, kirchlicher wie allgemein soziologischer Art; in der Entwicklung der Frömmigkeit waren die Ideen der Reformbewegungen von Cluny (910, in Deutschland allerdings erst später von wirklichem Einfluss) und Gorze (ab 933) bzw. der großen Bettelorden (nach 1210) von entscheidender Bedeutung. Diese Ideen waren zwar in manchem schon früher vorgebildet, hier aber wurde ihnen zum entscheidenden Durchbruch verholfen, und in der Folgezeit kamen sie zu einer Auswirkung, die alle Lebensbereiche umfasste.[51]
Gottesmutter und Königin – Frühmittelalter
Im ersten Jahrtausend, der Zeit, in der die Massenbekehrungen der einzelnen Völker stattfanden, lag der Blick vor allem auf der herrscherlichen Macht Gottes und der Größe seines Gnadenwirkens.[52] An Maria hatte sich beides in einzigartiger Weise gezeigt und sie so vor allen anderen Menschen ausgezeichnet.
So steht Maria als Gottesmutter dem Gläubigen vor allem in ihrer überragenden Heilsgröße vor Augen. Die Kunst stellt sie dar als die erhaben thronende Königin, die den Salvator Mundi auf dem Schoß oder in ihren Armen hält.[53] Sie ist die „herrliche Himmelsherrscherin, die heilige Mutter des Königs“, die „purpurtragende Heilige“, von Gott vor allen anderen Menschen geehrt und mit Gnaden ausgezeichnet.[54]
Als Himmelsherrscherin ist sie jedoch auch die „Königin unseres Heils“, der „starke Hort der Christen“, ja, „die einzige Rettung des Menschengeschlechts“. Der Bittflehende naht ihr, der „gepriesenen Herrin“, „dem mächtigen Schirm des Menschengeschlechts“, mit tiefer Ehrfurcht und mit innigem Vertrauen auf ihren Einfluss bei ihrem göttlichen Sohn.[55]
Schirmherrin und Vorbild – „romanische“ Zeit
Dieses Vertrauen auf die Heilsmacht der jungfräulichen Gottesmutter wurde für den Menschen immer mehr zu einer Frage seiner Existenz, je mehr er sich seiner persönlichen Sündhaftigkeit bewusst wurde. Die Reformbewegungen von Cluny und Gorze schärften den Blick für die persönliche Verantwortlichkeit; die Erlösung ist nicht endgültig mit der Taufe gesichert, sondern hängt von der weiteren Lebensführung ab. Zwischen Gott und Welt hat sich der Mensch zu entscheiden; sein ewiges Seelenheil hängt davon ab. Im Gottesbild treten immer mehr die Züge eines Richters hervor; gewaltige Bußgedichte rufen auf zur Abkehr von der Welt. Der Mensch erfährt erschüttert den Gegensatz von Gottnähe und Gottferne, der durch seine Schuld verursacht ist.[56] Der Sünder aber ist völlig von der Gnade Gottes abhängig, der zugleich sein Richter ist. Hilfesuchend sieht er sich in seiner Not nach einem Anwalt um, der ihm, dem Unwürdigen, diese Gnade vermitteln kann. So findet er zu Maria als Mittlerin und stellt sich unter ihre Schirmherrschaft.
Sie selbst steht ja außerhalb des Richteramtes, in dem Gott durch seine eigene Gerechtigkeit gebunden ist; darum kann sie göttliche Barmherzigkeit und Gnadenfülle rein verkörpern, und ihre frauliche Milde macht sie berufen, den Menschen mütterlich beizustehen vor dem Thron ihres Sohnes, der ihr in unermesslicher Liebe zugetan ist.[57] Nicht zufällig ist deshalb die Erneuerungsbewegung von Cluny eng mit einer intensiven Förderung der Marienverehrung verknüpft. Abt Odo hebt bezeichnenderweise als Ehrentitel Marias hervor: „Mutter der Barmherzigkeit“.[58]
Neben der überragenden Heilsmacht der Gottesmutter bleibt aber weiterhin ihre einmalige Heilsgröße im Blickfeld. Maria erscheint jetzt besonders als die reine Jungfrau, die durch ihre Tugend den Teufel überwunden hat. Dieser Gesichtspunkt rückt desto weiter in den Vordergrund, je mehr das weltflüchtige Ideal an Ausschließlichkeit verliert und das Weltliche nicht als nur schlecht und vorläufig erscheint, sondern als eine Aufgabe, die es zu bewältigen gilt. Im Zuge der sich entwickelnden ritterlichen Adelskultur wird dies immer stärker betont.[59] Maria steht als erhabenes Vorbild vor Augen, sie ist die „vrouwe“, die verehrte Herrin des ritterlich gesinnten Menschen. Mariendienst und Marienminne werden so zu Idealen dieser Zeit.
Das Vertrauen auf den Schutz Marias und der Anblick ihres hehren Vorbilds: sie führen zu einer Blüte der Marienverehrung im 12. Jahrhundert. Die neuen Reformorden der Zisterzienser (ab 1098) und Prämonstratenser (1120) weihen sich der Jungfrau und Gottesmutter und tragen ihren Kult weit hinein ins Volk. Auch die Kreuzfahrer flehen besonders Maria um Schutz und Beistand an.[60] Die Mitglieder des Deutschen Ritterordens nennen sich „Ritter der heiligen Jungfrau Maria“. Die Verehrung Marias am Samstag wird besonders gefördert und gewinnt auch im Volk immer weitere Kreise. Die Mariendichtung erfährt eine erste Hochblüte.[61]
Die höchste Ausformung erreicht die gesteigerte Marienfrömmigkeit bei Bernhard von Clairvaux (-1153). Bernhard sieht in Maria die lebendige Verbundenheit mit Gott auf einzigartige Weise verwirklicht; durch intensive Beschäftigung mit ihrer Person, durch die Nachahmung ihres Vorbilds und durch die Anrufung ihrer Fürbitte will er zu ähnlich tiefer Gotteinigung gelangen.[62]
Seine Art der Frömmigkeit wird Vorbild für diese und die nachfolgende Zeit. Im Bemühen um das Seelenheil, das im Mittelpunkt allen Denkens steht, streben die Gläubigen dieser Epoche dem Vorbild Marias nach und rechnen auf ihren Beistand.
Magd und Mutter – „gotische“ und „spätgotische“ Zeit
Auch unter den Laien ist, gefördert durch klösterliche Reformbewegungen (z. B. Hirsau, seit 1079), das intensive Bemühen um das persönliche Seelenheil gewachsen. Der Einzelmensch sieht sich nicht mehr fraglos gesichert in der Gemeinschaft der Getauften, sondern spürt immer stärker auch eine eigene Verantwortung. Seine Schwäche wird ihm dabei bewusst, und so sucht er Schutz und Hilfe bei der barmherzigen, alles vermögenden Frau. Er sieht sie nicht nur als die Mutter Christi, sondern auch als seine Mutter, die ihm neue Geborgenheit schenkt. Er verkleinert deshalb gern den Abstand zwischen sich und ihr und trägt ihr auch all die kleinen Nöte seines Alltags vor.[63] Die tiefe Ehrfurcht vor der Gottesgebärerin und Himmelskönigin ist deshalb zwar keineswegs aufgehoben, aber sie ist nun erfüllt von persönlichem Empfinden im Vertrauen zu der Frau und Mutter, die liebendes Verständnis für den irrenden, sündigen Menschen besitzt.[64]
Zum endgültigen Durchbruch gelangt diese Art der Frömmigkeit im 13. Jahrhundert, als nun die Volksmassen als geschichtsmächtiger Faktor auftreten.[65] In dieser Epoche der großen Umbrüche und der seelischen Zerrissenheit erscheint Maria mehr denn je als letzte Zuflucht. Der Glaube an ihre jederzeitige Hilfsbereitschaft und allfällige Hilfsmächtigkeit[66] wächst ins Ungemessene. Besonders wird sie um den Beistand in der Todesstunde angefleht[67] , der inmitten all der Kriegswirren, der Naturkatastrophen und Seuchen, der wachsenden Lebensgier und gesteigerten Todesangst überaus nötig scheint. Auch in den Sorgen des Alltags wird Maria um Hilfe angegangen; sie wird gesehen als die mütterliche Frau, die keinem ihrer Kinder eine Bitte abschlagen kann. In vertrauensvoller Gläubigkeit werden die Taten erzählt, die sie jetzt noch jederzeit als barmherzige Himmelsmutter wirkt. Wallfahrten zu Marienbildern setzen nun auch im Abendland ein; wunderbare Gebetserhörungen werden an diesen Stätten berichtet. Fabuliersucht und Wunderglaube führen auch zu manchen Auswüchsen.
Die Bettelorden suchen diese ausufernde Religiosität in kirchliche Bahnen zu lenken. Auch sie pflegen die Verehrung Marias mit inniger Hingabe[68] , weisen dabei aber auch auf die heilsgeschichtliche Stellung Marias und ihren Vorbildcharakter hin, wobei sie vor allem die Demut und Armut der Gottesmagd hervorheben.[69] In der Betonung solcher Tugenden und der Zeichnung einer „weicheren“, innigeren Mariengestalt kommen sie einem allgemeinen Empfinden entgegen. Die Armutsbewegung und auch mystische Geistesströmungen wirken hier ein.
Zeittypisch wird eine gefühls- und gemütsgeprägte Frömmigkeit. Zwar trug schon die bernhardinische Religiosität solche Züge, aber sie waren doch eingefügt in eine Theologie von hoher Geistigkeit. Dieser dogmatisch festgelegte Grund wird nun langsam von einer Frömmigkeit überlagert, die das Heilige in menschlicher Gestalt sehen will. Zwar wird das Heilige dabei nicht angetastet – es soll gerade dadurch eindringlich vor Augen geführt werden –, aber das Empfinden für die überzeitliche Größe des Heiligen geht doch zurück. Marias Menschlichkeit erscheint in einem neuen Licht; in liebevoller Einfühlung werden die Szenen ihres Lebens, ihre (Sieben) Freuden und (Sieben) Schmerzen nachempfunden. Neben Begebenheiten aus ihrer Jugend steht auch hier vor allem ihre mütterliche Rolle im Vordergrund: als arme Mutter der Heiligen Nacht und schmerzhafte Mutter der Passion.[70]
In der darstellenden Kunst dieser Epoche wird Maria, dem gewandelten Empfinden entsprechend, vielfach in neuer Weise abgebildet. Beliebt werden die Szenen aus ihrem Leben; besonders charakteristisch sind seit dem 14. Jahrhundert die Darstellungen der Schutzmantelmadonna und der schmerzhaften Muttergottes. Die Mariendichtung hat sich zu einem eigenen Literaturzweig entwickelt. Unübersehbar wird die Zahl der Werke, die den Ruhm „Unsrer Lieben Frau“ künden. Dem Zeitgeschmack entsprechend, sind sie zumeist erbaulich und lehrhaft gehalten; in realistischer Vergegenwärtigung wollen sie hin zu einer religiösen Sinndeutung führen. Durch .den Gebrauch der Volkssprache finden sie eine bislang nie dagewesene Verbreitung.[71]
In all diesen Entwicklungen und Wandlungen des Marienbildes bleibt ein Grundzug unangetastet: der religiöse Grundcharakter ihrer Gestalt. Ihre Vermenschlichung ging nie so weit, dass ihre Heiligkeit in Frage gestellt worden wäre. Gerade aber in dieser ihrer übernatürlichen Stellung war die Gestalt Marias für die Menschen des Mittelalters lebendigste Wirklichkeit.[72]
Die Theophilus-Legende: Verbindung von Magus-Sage und Marienverehrung
Die Legende des heiligen Theophilus ist mit dieser Geschichte der Marienverehrung untrennbar verknüpft und von ihrem Fortgang entscheidend getragen und geprägt. Seit die Verehrung Marias mit dem Konzil von Ephesus so stark in den Vordergrund gerückt war, dass bald alle anderen Heiligen hinter ihr zurücktraten, konnte es nicht ausbleiben, dass sie, die Helferin in aller Not, dem Menschen nun auch in der schwersten aller Sünden, dem willentlichen Abfall von Gott, Retterin wird. Je enger die Bindung des Menschen an den Teufel erscheint, desto strahlender steht sie zuletzt als siegreiche Bezwingerin des Satans da. So verbinden sich die Berichte von der wunderbaren Machtfülle Marias mit der uralten Sage vom Magus und Teufelsbündner, der nun den Namen Theophilus trägt. Immer mehr hat sich dabei der Schwerpunkt der Erzählung vom Teufelspakt hin zur Rettungstat Marias verschoben, so dass nun die alte Sage und Legende in unmittelbare Nähe der Marienmirakel rückt, ja als ein solches erscheint. So steht schließlich die Theophilus-Legende als „heroischer Urtyp“[73] aller Marienmirakel vor uns: die Neuformung der Magus-Sage aus der Sicht des christlichen Mittelalters.
III. Die Motive der Theophilus-Dichtung
III-1 Die Zentralmotive: Teufelsbündner – Zauberer – Maria
Die Theophilus-Erzählung des Alten Passionals
Einen Höhepunkt der Gestaltung und Verbreitung findet die Theophilus-Erzählung im 13. Jahrhundert. Der Marienkult hat sich nun bis zu höchster Blüte entfaltet, und die Verehrung der Jungfrau und Gottesmutter erfasst weite Bereiche des kirchlichen und profanen Lebens. Zugleich kann die Handlung der Erzählung mit dem erregenden Kampf zwischen Maria und dem Satan auch die „ungelehrten“ Schichten der Bevölkerung ansprechen, die jetzt als geschichtlicher Faktor an Bedeutung gewinnen. Ein Abfallen der Gestaltung ins rein Volkstümliche oder Lehrhaft-Erbauliche verhindert noch die große Tradition der höfischen Epik, die in der deutschen Dichtung dieser Zeit weiterhin maßstabbildend ist.
In dieser Zeit, einer Blütezeit der Legendendichtung überhaupt, ist nach dem Vorbild der Legenda aurea das große deutsche Legendar des Alten Passionals entstanden. Es ist ein zeitbestimmtes und zeitbestimmendes Werk. Wie in einer Sammellinse fängt es die geistigen Ausstrahlungen seiner Epoche in sich ein, bündelt sie, lässt sie hell aufleuchten und hat ihnen verstärkte Strahl- und Wirkkraft in die Folgezeit hinein gegeben. Bald ist es in zahlreichen Abschriften und Auszügen verbreitet[74] und erreicht eine kaum abschätzbare Tiefenwirkung.
In diesem großen Werk nimmt der Erzählkranz von 25 sogenannten Marienlegenden (besser: Marienmirakeln) einen bevorzugten Platz ein, schon durch seine dichterische Schönheit ausgezeichnet. Das 23. „mere“ dieser Mirakelsammlung „hebet sich an mit lobe also: Von dem heiligen Theofilo“.[75] Diese Erzählung soll den Ausgangspunkt unserer Untersuchung bilden, denn trotz ihrer zeitgeprägten Gestalt zeigt sie klar erkennbar wie kaum eine andere Fassung die zeitüberdauernden Zentralmotive der Theophilus-Dichtung.
Das Legendenmotiv des heiligen Teufelsbündners
Ganz im Stil einer Heiligenvita beginnt die Erzählung von einem Mann, „der was genant Theophilus“ (V. 9). Kurz werden wir[76] mit seinem Charakter und seiner Stellung vertraut gemacht, um dann das Geschehen zu vernehmen, das ihn heraushebt über die anderen Menschen. Die folgenden Ereignisse zeigen sodann, welch unerhörter Fall dem Menschen jederzeit droht, aber auch welch unermessliche Hilfe ihm von Gott zuteil werden kann. Zwar überragen Untat, Reue und Begnadung dieses Einzelnen weit das gewohnte menschliche Maß, reichen bis in die jenseitige Wirklichkeit, aber Theophilus bleibt doch weiterhin konkret als Mensch vor unseren Augen. So wird er durch sein Leben Bindeglied zwischen dem irdischen und überirdischen Bereich. An ihm erweist sich die Macht des Bösen und des Guten, er wird damit zum nachahmbaren Beispiel, warnend und vorbildlich: „an im“ wollte Gott „geben ein bilde“ (V. 156), um unsere Hoffnung auf Rettung trotz oder gerade in der menschlichen Schwachheit zu bekräftigen. Wie „sin leit, sin ungemach, sin clage“ (V. 318) von Theophilus genommen wurden, so steht auch jedem anderen Menschen der Weg des Heils offen. Durch seinen seligen Gnadentod, der hier in gewissem Sinn dem Martertod der altkirchlichen Legende entspricht[77] , bestätigt uns zuletzt „der gute man“ (V. 316) die Gewissheit seiner, und in seiner Nachfolge auch unserer Erlösung.
Die alte Sage vom Teufelsbündner hat hier also die Form einer Heiligenvita angenommen. Dies entspricht einem sehr alten Legendentypus: Der Heilige erscheint nicht als der große unangefochtene Tugendhafte, sondern in ihm wird die wirkliche Urproblematik des Menschen aktualisiert und heilbringend gelöst: der von Gott geliebte Mensch fällt von Gott ab, wird aber durch die Gnade von oben, der er sich zuletzt doch öffnet, gerettet. In dieser Erzählung heißt das so: der „wisliche“, „erhafte man“ (vgl. V. 17; 26) „Theophilus“ wird der „valsche torechte gief“, der „ungetruwe“, der „mit willen“ sich „gotes und Marien und cristenliches lebenes“ entzieht (V. 125; 170; 98; 110f.). Doch als ihm „wart gesant ein vunke rechter ruwe“, „versinnt“ er sich und stirbt erlöst als „der gute man“ (168f.; vgl. V. 231; 238; vgl. 305; 316).
Der Mensch erscheint hier nicht nur in seiner Neigung zum Guten, sondern auch in seiner Anfälligkeit für das Böse; die wirklich über das normale Maß hinausreichende Tugend erwächst erst aus der Umkehrung eines unheiligen Verhaltens. Erst wenn der Heilige die ganze Tiefe des Falls erfahren hat, wächst er ganz in das Göttliche hinein[78] ; erst vor diesem Hintergrund hebt sich das Gute in seiner ganzen Kraft und Größe ab. Es ist der Kampf zwischen Gott und Satan, wodurch das Geschehen seine volle Bedeutungsschwere erhält. Dass diese Auseinandersetzung nicht mehr in ihrer vollen Schärfe wie in den dualistischen Religionen dargestellt wird, ist im christlichen Dogma begründet. Die „gewaldes volleiste“ (V. 283) Gottes und der Heiligen ist zu groß, als dass der Teufel noch als gleichstarker Gegenspieler gesehen werden kann; zum dummen, geprellten ist dieser hier aber noch nicht herabgesunken.
Das Antilegenden-Motiv des Zauberers
Auffällig an dieser Darstellung ist, dass die Person des Paktierers (in der christlichen Interpretation des Abschwörers) nicht mehr identisch ist mit der Person des Zauberers (des Beschwörers). Als ein solcher, „der mit tuveln umme gie“ (V. 67), tritt nämlich ein Jude auf. Dieser Teufelsknecht ist von Anfang an kein Mitglied des Orbis christianus, wird nicht zu den von Christus Erlösten gezählt. Sein Schicksal ist deshalb nicht weiter bemerkenswert. Seine Gestalt ist völlig typisiert; der Jude erscheint einfach als verkörperte Funktion: er stellt die Verbindung zwischen Mensch und Teufel her. Hat er diese Aufgabe erledigt, wird er nicht mehr erwähnt. Diese Tendenz der Darstellung ist höchst aufschlussreich: nur noch Rudimente der alten „Antilegende“ lassen sich hier erspüren. Der große „Un-Heilige“, der sich gegen Gott auflehnt, sich mit dem Bösen verbindet und tragisch endet, diese fast zwingende Gestalt erscheint in der christlichen Sicht völlig verändert: der eine „Teil“ des Unheiligen wird erlöst und dadurch zum Vorbild, der andere „Teil“ steht völlig außerhalb des Interesses und Verständnisses. So ist im christlichen Mittelalter der Blick auf den bedingungslosen Abfall des Menschen von Gott, das „experimentum medietatis“[79] , nicht frei. Die Möglichkeit ist zwar noch angedeutet, aber völlig zurückgedrängt, nicht mehr verständlich. Erst in der Renaissance soll sich das wieder ändern: Der heilige Theophilus wird dann von der tragischen Gestalt des Anti-Heiligen Dr. Faustus abgelöst.
Das Mirakelmotiv Marias
Diese „tragische Perspektive und Dimension fehlt dem Mittelalter“[80] . „Kraft einer seltenen metaphysischen Sicherheit, eines tiefverwurzelten Glaubens und des untrüglichen Bewusstseins göttlicher Ordnung“[81] sieht man damals im Teufelspakt vielmehr die Grundlage zu einer Manifestation der göttlichen Gnade und der Macht der heiligen Fürbitter, sodass das gute Ende zwingend herbeigeführt wird. Hier ist der Ansatzpunkt für das Marienmotiv, das sich so mächtig entwickelt hat, dass nun Legende und (rudimentäre) Antilegende im Dienst des Marienmirakels stehen. Aus der ursprünglichen christlichen Magus-Erzählung, dem „Exempel der Bosheit des Teufels … und seiner schließlichen Ohnmacht“ ist „so nunmehr die Darstellung einer Kraftprobe zwischen Maria und dem Erzfeinde“[82] geworden.
Die herausragende Stellung Marias ist von Anfang an vorausgesetzt. Soll der Teufelspakt Wirkung haben, muss gleichermaßen wie Gott und Christentum auch Maria verleugnet werden (V. 86ff.). Die Gründe hierfür sind in der damalige Zeit zu allgemein bekannt, als dass sie in der Erzählung besonders angeführt oder betont werden müssen. Hier ist – theologisch völlig zu Recht – besonders ihre Rolle als Gottesmutter betont. Als solche ist sie auch auf dem Altarbild dargestellt, wo Theophilus sie anfleht.[83] Auf ihre Mutterschaft spielt Theophilus auch jeweils an, indem er von Jesus immer nur als von ihrem „lieben kinde“ (z. B. V. 225) spricht.
Sehr aufschlussreich ist es, die Rolle Marias auch im einzelnen zu betrachten. Als dem Sünder von Gott die Gnade der Reue geschenkt ist, betet dieser sogleich zu Gott und zu Maria (V. 183). Sein direktes Klagen und Seufzen wendet er allerdings vor allem „Unsrer Lieben Frau“ (vgl. V. 203) zu, die dann in konsequenter Darstellung die Rolle der Mittlerin zwischen dem Menschen und ihrem göttlichen Sohn übernimmt. Vor allem ihre Milde und Güte (V. 199 bzw. V. 239) geben Hoffnung auf ihre Fürsprache. Nie aber wird vergessen, dass ihr Wort eben nur Fürsprache sein kann, dass die eigentliche letztgültige Sündenvergebung Jesus zukommt. Eine direkte Bitte an ihn aber wagt der niedergeschlagene Sünder nicht; nur durch die Vermittlung der Mutter glaubt er die Huld des Sohnes wiedergewinnen zu können (vgl. V. 219-221). Die Sache mit dem Teufel und der Verschreibung aber kann „di vrouwe“ allein austragen. Hier erscheint sie als die mächtige Bezwingerin des bösen Feindes (V. 283; 289), welcher der Teufel heulend gehorchen muss.
Indem Maria allen, die ebenso wie Theophilus vertrauensvoll zu ihr kommen, hilft, sie behütet, beschirmt und von Leid befreit (V. 312-315 und V. 318f.), ist sie so schließlich auch diesen eine „getruwe muter“ und vermehrt dadurch die Verherrlichung Gottes bei den Menschen (V. 310f.).
Der Mensch zwischen Teufel und Gott auf der Suche nach Erlösung – dieses Grundthema umkreisen alle diese dargestellten Motive, jeweils unter einem etwas anderen Aspekt, verschieden nach Gewicht und Darstellung. Wie das Legendenmotiv des Theophilus vor allem Sünde und Begnadung des Menschen darstellt, so deutet das Zauberermotiv, wenn auch zurückgedrängt, die Möglichkeit einer tragischen Unerlöstheit an. Die Wundertat Marias endlich macht den Vorgang der Erlösung strahlend und für alle Schutzflehenden möglich.
Die Theophilus-Legende des Paulus Neapolitanus
Die Fassung der Theophilus-Erzählung, wie sie in dem Marienmirakel des Passionals vorliegt, gründet in einer vielhundertjährigen Tradition der Überlieferung, die in mündlichen, schriftlichen und bildlichen Darstellungen weitergegeben wurde. Entstanden ist die Legende wohl in der Zeit nach 650 n. Chr.[84] im byzantinisch-christlichen Kulturbereich. Die älteste griechische Gestalt der Legende liegt in einer venezianischen Handschrift vor[85] , wenngleich der Codex aus sehr viel späterer Zeit stammt. Epochemachend wurde dann eine spätere Bearbeitung dieser Fassung durch einen gewissen Eutychianus, der sich einen Augenzeugen des Geschehens nennt[86] . Es kann jedoch als sicher gelten, dass diese Angabe nichts weiter ist als eine erzähltechnische Wahrheitsversicherung, die der Autor seiner Neufassung mitgegeben hat.[87] Von diesem Text gibt es zahlreiche Handschriften, teilweise in bearbeiteter Form.[88] Auf ihn geht auch die lateinische Prosafassung zurück, die von dem Diakon Paulus Neapolitanus geschaffen wurde (vermutlich vor 875 n. Chr.[89] ). Sie ist, wie schon ihre Überschrift besagt, eine nur leicht abgeänderte Übersetzung ihrer Vorlage, keine eigenständige Gestaltung. In ihrer lateinischen Sprachgestalt war sie jedoch leichter zugänglich als all die griechischen Niederschriften; dadurch wurde die Erzählung des Paulus Neapolitanus zum Hauptausgangspunkt der abendländisch-westkirchlichen Theophilus-Überlieferung, wenngleich ihr byzantinischer Ursprung noch unverkennbar ist.[90] All die wichtigen Motive, die in den späteren Darstellungen immer wiederkehren, sind hier schon vorgezeichnet, wenn auch – von später her gesehen – teils unter-, teils überbelichtet.
Das Legendenmotiv des heiligen Teufelsbündners
Theophilus, der Mann, von dem das Geschehen handelt, wird hier schon in der Überschrift vorgestellt als der „Büßer“. Damit ist die Absicht der gesamten Erzählung angezeigt: es soll der Fall einer außerordentlichen Buße berichtet werden. In den griechischen Vorlagen kommt dieser Hauptgedanke noch stärker zum Vorschein: „Sündenfall und Reue des Oikonomos aus der Stadt Adana“[91] – dies ist das eigentliche Thema. Deshalb wird zuerst Theophilus nachdrücklich als verständiger, bescheidener und allseits beliebter Verwalter der Kirche gezeigt, der aus echter Demut das Bischofsamt ablehnt und selbst nach seiner ungerechten Absetzung mustergültig in seiner wahrhaft christlichen Lebensweise verharrt. Umso tiefer ist dann der Fall, als der Satan ihn verführt: Theophilus macht sich zum unterwürfigen Knecht des Höllenfürsten, der dessen Füße küsst; in seinem wiedererrungenen Amt herrscht er alsbald durch Furcht und Schrecken.
Ebenso heftig ist später wiederum der Umschlag zur Reue: Unter bitteren Selbstbezichtigungen erkennt der Sünder die Größe seiner Schuld und sucht sie in härtester Askese zu büßen. Seiner außerordentlichen Sünde und Buße entspricht dann aber auch eine außerordentliche Begnadung. Theophilus erhält die vollständige Vergebung seiner Schuld, ja zuletzt würdigt ihn Gott einer wunderbaren Verklärung, wie sie nur großen Heiligen zuteil wird. So kann der „ehrwürdige Vicedominus“ (c. 17) schließlich selig eingehen in das ewige Leben bei Gott dem Herrn. Er steht nun selbst in der großen Reihe derer, „die gegen den Sohn Gottes gesündigt hatten, aber durch Reue die Verzeihung der Sünden er1angten“ (c. 10), und so können sich die Menschen auf ihn berufen, wie auch er sich auf seine Vorgänger berufen hatte. Damit bleibt er für sie auch im diesseitigen Leben weiterhin gegenwärtig als hervorragendes Beispiel (exemplum) eines großen Büßers, den Gott begnadigt und zur Heiligkeit berufen hat.
[...]
[1] Vgl. Poncelet, Albert: Index Miraculorum B. V. Mariae quae saeculo VI-XV Latine conscripta sunt, o. O., o. J. Siehe: http://csm.mml.ox.ac.uk/index.php?p=pon_list , Stichwort: Theophilus, Nr. 1716-1718.
[2] Vgl. Meyer S. 72; Damrich, Johannes: Ein Künstlerdreiblatt des XIII. Jahrhunderts aus Kloster Scheyern, Straßburg 1904 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte Heft 52), S. 16-19; 86; Tafel IV-VI (künstlerisch hochwertige Bildfolge von 13 Szenen); Didron, A. / E.: Annales archéologiques, tom. 28, Paris 1881, S. 129 (Index).
[3] Nach Frenzel, Elisabeth: Stoffe der Weltliteratur, Stuttgart 1962 (Sammlung Kröner Bd. 300), S. 617 bzw. 404, war die Theophilus-Legende „die wohl beliebteste (und verbreitetste) Marienlegende“.
[4] Als Predigtexempel z. B. bei Anshelmus Cantuariensis, siehe Graesse, Anhang c. 189, p. 871: „Quid de Theophilo dicamus?“ (Weblink s. Literaturverzeichnis); Damrich (s. o.), S. 82, erwähnt einen Codex mit „septem sermones de Theophilo“.
[5] Acta Sanctorum Februarii, tom. I (1658) p. 483, D, siehe: http://visualiseur.bnf.fr/CadresFenetre?O=NUMM-6027&I=529&M=pagination : „Deus per eum multa mirabilia operatus.“
[6] Vgl. z. B. Beissel S. 141.
[7] Siehe Literaturverzeichnis.
[8] Siehe Literaturverzeichnis.
[9] In der bisherigen Forschung ist die Namensform „Paulus Diaconus“ vorherrschend. Dadurch kommt es leicht zur Verwechslung mit dem bekannteren langobardischen Historiker Paulus Diaconus (um 725-797/799). Für die Namensform „Paulus Neapolitanus“ spricht auch, dass die Zugehörigkeit des Paulus zur neapolitanischen Übersetzerschule wichtiger ist als sein Amt eines Diakons. Neapel war seinerzeit ein Zentrum für Übersetzungen aus dem Griechischen ins Lateinische.
[10] Genauer: ein spätes Mittelhochdeutsch auf ostmitteldeutscher Grundlage.
[11] Plenzat S. 252.
[12] Nach Petsch Magus S. 226.
[13] Vgl. ebd.
[14] Nach Fischer S. 30; vgl. auch noch die Cyprian-Legende.
[15] Vgl. dagegen Plenzat S. 12ff.
[16] Nach Petsch Magus S. 228.
[17] Goethe, Iphigenie V. 1726ff.
[18] Petsch Magus S. 233.
[19] Vgl. ebd. S. 229.
[20] Vgl. Petsch, Robert: Wesen und Formen der Erzählkunst, Halle 1934 (DVJS Buchreihe Bd. 20), S. 21.
[21] Ebd.
[22] Nach Petsch Magus S. 239.
[23] Vgl. Petsch Magus S. 241f.
[24] Vgl. dazu z. B. Mt. 4,1ff: der Satan verspricht Jesus magische Macht, wenn er Gott verleugnet.
[25] Nach Nigg, Walter: Das Buch der Ketzer, 4. Aufl., Zürich / Stuttgart 1962, S. 22.
[26] Nach Fischer S. 27-29.
[27] Vgl. Fischer S. 32-40; Petsch Magus S. 243f.; Nigg (s. o.), bes. S. 26. Vgl. auch Legenda aurea, Petrus-Legende: Graesse (1850) c. 89, p. 370-374 (Weblink s. Literaturverzeichnis); Benz S. 428-432.
[28] Nach Nigg (s. o.) S. 26.
[29] Dante, Divina Commedia, Inferno 19,1-6; siehe: http://www.mediasoft.it/dante/pages/danteinf.htm .
[30] Nigg (s. o.) S. 26, nach Irenäus.
[31] Ambrosius, Exameron, zitiert nach Nigg (s. o.) S. 26.
[32] Nach Petsch Magus S. 244.
[33] Nach Radermacher S. 40.
[34] Nach ebd. S. 5-15.
[35] Vgl. z. B. die Darstellung bei Calderon, Der wundertätige Magus (in: Dramen, München o. J., Winkler-Verlag, S. 461-605).
[36] Petsch Magus S. 244; vgl. auch Fischer S. 43f.
[37] Vgl. Radermacher S. 30.
[38] Fischer S. 44.
[39] Nach Petsch Magus S, 244 .
[40] Nach Radermacher S. 117 und S. 244.
[41] Radermacher will diese Legende früher als die Erzählung von Anthemius ansetzen und führt dazu stilistische und inhaltliche Gründe an (a. a. O. S. 64-67; 242). Er sieht Anthemius als Kompilation aus Cyprian- und Basilius-Legende. Die Merkmale, die er dafür anführt, sind möglicherweise aber erst im Verlauf der weiteren Überlieferung in die Erzählung eingedrungen. Für eine spätere Entstehung der Erzählung vom Diener des Proterius spricht jedenfalls: die Gestalt des Zauberers ist noch stärker verblasst; das Betrugsmotiv weist auf frühere Berichte von bekannten Teufelsbündnern hin; die schwere Sühne, die Anthemius auferlegt wird, steht der altkirchlichen harten Bußpraxis näher; die Vermittlung eines Heiligen ist im Gefolge der wachsenden Heiligenverehrung in den Vordergrund gerückt; gerade dass der Bischof des Anthemius kein Wundertäter ist, spricht für eine frühere, nicht spätere Entstehung dieser Erzählung. (Vgl. dagegen Radermacher S. 242.)
[42] Vgl. Petsch Magus S. 231.
[43] Vgl. Radermacher S. 48.
[44] Nach Petsch Magus S. 243.
[45] Der Kirchenbegriff ist hier selbstverständlich weit zu fassen, vor allem in seinem Bezug zur Christologie.
[46] Die Wurzeln der Theophilus-Legende liegen also auch in diesem Bereich tiefer als Plenzat (a. a. O. S. 12) annimmt; die Marienverehrung ist nicht der ursprünglichste Ausgangspunkt.
[47] Karl Rahner, Mariologie, in: LThK 7, 86; Vgl. auch Wrede, Maria, in: HDA 5, 1639.
[48] Vgl. Meier S. 22.
[49] Vgl. z. B. Hrotswith von Gandersheim, in: Migne PL 137, p. 1063 (Hinweis bei: Beissel S. 37): „Restaurasti pia virgo vitam, quam virgo perdiderat vetula – Du, gottesfürchtige Jungfrau, hast das Leben wiederhergestellt, das die Jungfrau in alten Zeiten zugrundegerichtet hatte.“
[50] Vgl. dazu auch Meier S. 61-66. Es ist dabei zu beachten, dass gerade auf dem Gebiet dar Heilsmacht Marias, zumal im Mittelalter, die Spekulation der Theologen und der Glaube des Volkes oft über die offizielle Lehre der Kirche hinausgehen.
[51] In der Geschichte der Marienverehrung, wie sie im Folgenden skizziert wird, können nur die Hauptlinien beachtet werden. All die zahlreichen Sonderverzweigungen und auch die häufigen Rückgriffe auf den Ursprung hin müssen unberücksichtigt bleiben. So bleibt die Darstellung notgedrungen unvollständig, zumal hier auch auf die dazugehörige Betrachtung des Trinitätsverständnisses und der Heiligenverehrung verzichtet werden muss.
[52] In der Ostkirche ist diese Frömmigkeitshaltung noch heute gut erkennbar. Man vergleiche dazu die Kirchenform (Zentralbau mit überwölbender Kuppel) und die Christusbilder (Pantokrator).
[53] Vgl. J. H. Emminghaus, Marienbild, in: LThK 7, 59; Beissel S. 14.
[54] So auch später bei Hrotswith von Gandersheim, in: Migne PL 137, p. 1063 (Hinweis bei: Beissel S. 37): dominatrix inclyta caeli; sancta parens regis; Venediger Theophilus-Handschrift, Radermacher S. 174: πορφυροφόρος ͨαγία.
[55] Alkuin, MGH Poetae I p. 336 (Hinweis bei Beissel S. 20): nostrae regina salutis; Venediger Theophilus-Handschrift, Radermacher S. 170; 174; 170: ͑η τῶν Χριστιανῶν κραταιὰ ͗αντίληψις; ͑η μόνη τοῦ γένους τῶν ͗ανθρώπων σωτηρία; δέσποινα ε͗υλογημένη; προστασία τοῦ γένους τῶν ͗ανθρώπων.
[56] Vgl. Rehm S. 34.
[57] Nach de Boor Bd. I (7. Aufl., 1966), S. 210.
[58] Nach Beissel S. 41.
[59] Die Zeit des hohen Mittelalters hat hier nochmals einen tiefen Einschnitt, im Übergang von der geistlich geprägten zur höfischen Kultur (in der Dichtung ungefähr die Zeit des Übergangs vom Frühmittelhochdeutschen zum Mittelhochdeutschen).
[60] Vgl. Beissel S. 47.
[61] Vgl. dazu z. B. das Melker Marienlied, in: Müllenhoff-Scherer-Steinmeyer: Denkmäler deutscher Poesie und Prosa Bd. I , 3. Aufl., Berlin 1892, S.151-154: Nr. 39.
[62] Nach Meier S. 57.
[63] Vgl. Meier S. 59.
[64] Nach de Boor Bd. I (7. Aufl., 1966), S. 210.
[65] Italien ist hier Deutschland einige Jahrzehnte voraus.
[66] Nach Wrede, Maria, in: HDA 5, 1655.
[67] Vgl. die Verbreitung des Skapuliers.
[68] Vgl. Beissel S. 75-79.
[69] Nach Meier S. 70.
[70] Nach Meier S. 212.
[71] Auch die Zeit zwischen 1200/1250 und dem Ausgang des Mittelalters ist keine einheitliche Epoche. Im 13. Jahrhundert bricht die neue Geisteshaltung durch, die alte wirkt aber noch weiter. Später hat sich das Neue allgemein durchgesetzt, aber sein religiöser Elan verflacht und weicht einer mehr lehrhaft-erbaulichen Frömmigkeit mit stark volkstümlichen Zügen. Die Grenzen (vgl. etwa „gotisch“ – „spätgotisch“) sind jedoch durchaus fließend.
[72] Nach Meier S. 16.
[73] de Boor, Bd. III,1 (3. Aufl., 1967), S. 524.
[74] Vgl. Krogmann, Passional, in: VL 5, 866.
[75] Richert S. 148: Handschrift C.
[76] „wir“: die Hörer und Leser. Das Personalpronomen der 1. Person ist hier im Sinne der Legende gesetzt, die den Hörer und Leser ganz selbstverständlich in die gemeinsame Erzähl- und Glaubenshaltung einbezieht (vgl. „ir“ V. 1; 320).
[77] Nach Petsch Theophilusdichtungen S. 410.
[78] Nach Petsch EF S. 348.
[79] Vgl. Rehm, Walther: Jean Paul – Dostojewski. Zur dichterischen Gestaltung des Unglaubens, Göttingen 1962 (Kleine Vandenhoeck-Reihe 149/150), S. 6.
[80] Rehm, ebd. S. 17.
[81] Ebd. S. 17.
[82] Petsch Militarius S. 261.
[83] Man kann sich hier wohl ein Bild in Form des Repräsentationstypus vorstellen, der ältesten Art der Mariendarstellungen, wo Maria-Königin den Salvator Mundi auf dem Schoß hält (vgl. V. 200f.; 230); siehe dazu J. H. Emminghaus, Marienbild, in: LThK 7, 59.
[84] Nach Radermacher S. 69.
[85] Text: Radermacher S. 163-177; Angaben über die Entstehungszeit dieser Handschrift s. ebd. S. 155-157.
[86] In der Wiener Handschrift, Radermacher S. 218.
[87] Nach Radermacher S. 154.
[88] Radermacher (S. 153-162) gibt eine verhältnismäßig ausführliche Darstellung dieser Handschriften und ihrer Abhängigkeit. Er nennt Handschriften aus Wien, Moskau (2 Hss.), Ottobeuren, Vatikan, Neapel, Paris (Coislinianus), Athos (4 Hss.), Venedig. Noch Plenzat kennt nur die zwei Fassungen der Wiener und Pariser Handschrift.
[89] Siehe Gier, Albert: Der Sünder als Beispiel. Zur Gestalt und Funktion hagiographischer Gebrauchstexte anhand der Theophiluslegende. Frankfurt a. M. 1977 (Bonner romanistische Arbeiten 1), S. 39-42.
[90] Bei der Fassung des Paulus Neapolitanus ist deshalb immer auch an seine griechische Vorlage zu denken. Im Folgenden wird nicht mehr ausdrücklich darauf hingewiesen.
[91] Venediger Theophilus-Handschrift, Radermacher S. 164f.
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- Siegfried Ringler (Author), 2012, Theophilusdichtungen des Mittelalters - Studien zu Teufelspakt und Marienverehrung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201597
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