Die vorliegende Arbeit analysiert die Verortung von einer legendären Figur der Weltgeschichte innerhalb der geistigen und kulturellen Landschaft der Antike, von Alexander dem Großen. Dem berühmten König gelang das Unmögliche, das Unfassbare in mehrfacher Hinsicht: Er konsolidierte kurzerhand die bis dahin noch nicht gänzlich ausgeprägte makedonische Vorherrschaft im griechischen Raum und im dazugehörigen bedeutendsten Pakt der dort ansässigen Staaten, dem `Korinthischen Bund´ und überwand zugleich die Spannungen zwischen den hellenischen Volksteilen zugunsten der nun gestärkten pannationalen Union. Ferner verwandelte er das Reich der Argeaden als Träger der nunmehr gefestigten, blühenden südosteuropäischen Allianz in einer unglaublichen Geschwindigkeit von zwölf Jahren blitzartig in die dominierende Hegemonialmacht der Oikumene und überdies war er im Begriff, eine neue verheißungsvolle Weltordnung zu etablieren, deren Endziel es war sämtliche Völker innerhalb seines gigantischen Reiches in einer kulturellen Einheit aufgehen zu lassen, im Ganzen genommen eine bis heute bemerkenswerte Leistung. Insofern drängt sich eine Bestandsaufnahme der Resonanz und der Reaktionen, die demjenigen, der dieses alles vollbracht hatte, bis zu einem geraumen Zeitabschnitt nach seinem Tode von der Gesellschaft entgegengebracht wurde sowie eine Beschäftigung mit dem, was den Menschen ausmachte, mit dem Wesen desjenigen, der der irdischen Zivilisation ein neues Gesicht gegeben hatte, mit dem Spiegelbild Alexander des Großen in der Antike, gerade zu auf. Vor diesem Hintergrund sollen vorwiegend die wichtigsten Zeugnisse, die zwischen den Anfängen des Hellenismus, also noch zu den Lebzeiten oder bald nach dem Tode des Königs etwa im vierten Jahrhundert v. Chr. und dem Untergang des Römischen Imperiums ungefähr im fünften Jahrhundert n. Chr. ein höheres Maß an Popularität während des Stadiums ihrer Abfassung erlangt hatten, untersucht werden. Dagegen sollen solche Überlieferungsgegenstände, welche innerhalb der dazugehörenden Epoche wenig Beachtung fanden entsprechend knapp abgehandelt werden.
Aus diesem Kontext ergibt sich die zentrale Fragestellung dieser Arbeit: Welche Spiegelung erfuhr Alexander der Große in der gesellschaftlich beachteteren antiken Überlieferung?
Inhalt
1. Einleitung
2. Die bedeutendsten Autoren der Primärtradition
2.1. Kallisthenes von Olynth
2.2. Anaximenes von Lampsakos
2.3. Onesikritos von Astypalaia
2.4. Chares von Mytilene
2.5. Nearchos von Kreta
2.6. Ephippos von Olynth
2.7. Kleitarchos von Alexandreia
2.8. Ptolemaios Lagu
2.9. Aristobulos von Kassandreia
3. Die philosophischen Schulen unter besonderer Berücksichtigung der Peripatetiker
4. Die Zeugnisse einiger Rhetoriker
5. Die bekanntesten sekundären, erhaltenen Alexanderhistoriker
6. Der Alexanderroman
7. Schlussbetrachtung
Quellen– und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Examensarbeit analysiert die Verortung von einer legendären Figur
der Weltgeschichte innerhalb der geistigen und kulturellen Landschaft der Antike,
von Alexander dem Großen. Dem berühmten König gelang das Unmögliche, das
Unfassbare in mehrfacher Hinsicht: Er konsolidierte kurzerhand die bis dahin noch
nicht gänzlich ausgeprägte makedonische Vorherrschaft im griechischen Raum und
im dazugehörigen bedeutendsten Pakt der dort ansässigen Staaten, dem `Korinthi-
schen Bund´[1] und überwand zugleich die Spannungen zwischen den hellenischen
Volksteilen zugunsten der nun gestärkten pannationalen Union.[2] Ferner verwandelte
er das Reich der Argeaden als Träger der nunmehr gefestigten, blühenden südosteu-
ropäischen Allianz in einer unglaublichen Geschwindigkeit von zwölf Jahren blitz-
artig in die dominierende Hegemonialmacht der Oikumene[3] und überdies war er im
Begriff, eine neue verheißungsvolle Weltordnung zu etablieren, deren Endziel es
war sämtliche Völker innerhalb seines gigantischen Reiches in einer kulturellen
Einheit aufgehen zu lassen[4], im Ganzen genommen eine bis heute bemerkenswerte
Leistung. Insofern drängt sich eine Bestandsaufnahme der Resonanz und der Reak-
tionen, die demjenigen, der dieses alles vollbracht hatte, bis zu einem geraumen
Zeitabschnitt nach seinem Tode von der Gesellschaft entgegengebracht wurde so-
wie eine Beschäftigung mit dem, was den Menschen ausmachte, mit dem Wesen
desjenigen, der der irdischen Zivilisation ein neues Gesicht gegeben hatte, mit dem
Spiegelbild Alexander des Großen in der Antike, gerade zu auf. Vor diesem Hinter-
grund sollen vorwiegend die wichtigsten Zeugnisse, die zwischen den Anfängen des
Hellenismus, also noch zu den Lebzeiten oder bald nach dem Tode des Königs etwa
im vierten Jahrhundert v. Chr. und dem Untergang des Römischen Imperiums un-
gefähr im fünften Jahrhundert n. Chr. ein höheres Maß an Popularität während des
Stadiums ihrer Abfassung erlangt hatten, untersucht werden. Dagegen sollen solche
Überlieferungsgegenstände, welche innerhalb der dazugehörenden Epoche wenig
Beachtung fanden entsprechend knapp abgehandelt werden.
Aus diesem Kontext ergibt sich die zentrale Fragestellung dieser Arbeit: Welche
Spiegelung erfuhr Alexander der Große in der gesellschaftlich beachteteren antiken
Überlieferung?
Im Zuge der Auswertung einiger unentbehrlicher Quellen, insbesondere der zeitge-
nössichen Primärquellen und eines weiteren wertvollen Zeugnisses, des `legenden-
haften´ Alexanderromans, ergaben sich erwähnenswerte Probleme aufgrund der un-
zureichenden Quellenlage. Da diese Aufzeichnungen weitgehend verloren sind,
können sie nur anhand der späteren, erhaltenen Darstellungen, die aus den ver-
schwundenen Werken entlehnen, rekonstruiert werden.
Im Rahmen des Studiums der Alexanderquellen richtet sich der Blick zunächst auf
die literarischen, zeitgenössischen Zeugnisse. Hier sollen die Träger der Primärtra-
dition und ihre Werke in Augenschein genommen werden. Dabei soll jeder Autor
gesondert auf die entworfene Projektion Alexanders inquiriert werden. In diesem
Zusammenhang sollen die Verfasser vorab jeweils kurz vorgestellt und hinsichtlich
ihrer literarischen Schaffenszeit datiert werden. Daneben sollen die Hintergründe,
die die einzelnen Gelehrten in Anbetracht ihrer schriftlichen Auseinandersetzung
mit Alexander vorfanden wie die Beziehung zum König, die etwaige Teilnahme
am Alexanderzug oder andere aufschlussreiche Gegebenheiten, aufgedeckt werden,
da diese Gesichtspunkte für eine Einordnung der Autoren und ihrer Ausführungen
von Nutzen sind. Anschließend werden weitere Kriterien zur Einschätzung der
schreibenden Zeitgenossen Alexanders und ihrer Kundtuungen wie die stilistischen
Gepflogenheiten und die erkennbaren Konturen ihrer Zuverlässigkeit erhellt, um
dann die in den Sekundärquellen angeführten Aussagen über den König, den ent-
scheidenden Faktor für die Rekonstruierung des Alexanderbildes, zu fokussieren. In
den nächsten Abschnitten der Arbeit folgt eine grobe Skizzierung der Porträtie-
rungen Alexanders aus der Feder einiger Rhetoriker und bestimmter Philosophen
insbesondere jener, die der peripatetischen Schule angehörten, einer von Aristoteles
begründeten interdisziplinären Forschungsgemeinschaft[5], wobei auch hier gegeben-
enfalls die Entstehungsbedingungen der ebenfalls großteils verlorenen Schriften er-
örtert werden, falls dadurch Kenntnisse zur Standortbestimmung der behandelten
Überlieferungsgegenstände gewonnen werden. Daraufhin werden die maßgeblichen
Befunde über Alexander, die den wichtigsten, späteren, sekundären, erhaltenen
historiographischen Zeugnissen entnommen werden können, knapp umrissen ohne
dabei tiefer in diese Reflexion einzutauchen. Fortan soll die antike Fassung des so-
genannten Alexanderromans, das heißt des verlorenen in mehreren Rezensionen
verbreiteten und in 35 Sprachen übersetzten Werkes mit dem ursprünglichen Titel
`Leben und Taten des Makedonen Alexander´[6], das eine Fülle legendärer Stoffe
bündelt, die zum Teil als „Sagen vom Welteroberer und seinen gewaltigen Taten“[7]
sichtbar werden, in ihren Tendenzen erschlossen werden. Diesbezüglich soll den
Spuren der frühen griechischen Version nachgegangen werden, soweit dies möglich
ist, um dann die Schilderungen über Alexander herauszufiltern und im Kern darzu-
legen. Die Quintessenz der zentralen Ergebnisse dieser Betrachtung der Resonanz
Alexanders des Großen in der Antike fließen in die Schlussbetrachtung dieser Ar-
beit ein.
2. Die bedeutendsten Autoren der Primärtradition
Wenngleich in den Fragmenten der griechischen Historiker 30 Autoren aufgelistet
werden, die über Alexander schrieben[8], so bieten nur neun davon genügend inhalt-
liche Verknüpfungen mit Alexander, die versprechen, detaillierte Einsichten über
den König in Erfahrung zu bringen.[9] Diese neun Verfasser werden im folgenden in-
tensiv durchleuchtet.
2.1. Kallisthenes von Olynth
Kallisthenes stammt aus Olynth und wurde 370 v. Chr. geboren.[10] Er wuchs bei sei-
nem Großonkel, dem Philosophen Aristoteles auf[11] und wurde von diesem erzogen
und ausgebildet.[12] Neben kleineren Schriften verfasste er in Makedonien die `Helle-
niká´, eine `Griechische Geschichte´ in zehn Bänden, die den Zeitraum zwischen 387/386 und 356 v. Chr. behandelte und die ihm einen guten Ruf als Historiker ein- brachte und eine Monographie über den dritten Heiligen Krieg.[13] In diesen Werken kam seine politische Überzeugung deutlich zum Vorschein: der antipersisch ge- sinnte Verfasser befürwortete offenbar bereits früh, noch vor Alexanders Zeit, eine panhellenische von Makedonien getragene Konzeption Griechenlands, denn die bei-
den Veröffentlichungen verfolgten offensichtlich den Zweck, „der griechischen
Welt verständlich [zu] machen, dass der einzige Weg aus den innergriechischen
Wirren und Spannungen heraus in der nationalen Einigung unter Philipps Führung
bestand.“[14] Nachdem Kallisthenes Aristoteles 343/342 v. Chr. an den makedo-
nischen Königshof gefolgt war, wurde er von Alexander zur offiziellen Geschichts-
schreibung beauftragt, nahm daraufhin als `Hofhistoriker´ am Asienzug teil[15] und
verfasste eine Alexandergeschichte mit dem Titel `Alexāndru prāxeis´, was soviel
heißt wie `Die Taten Alexanders´. Die entsprechenden Inhalte stellte er während des
Feldzuges kontinuierlich in etwa ein- bis zweijährigen Abständen nach den Ereig-
nissen fertig, die dann in einzelnen Teilen aus Asien in die Heimat geschickt und
dort veröffentlicht wurden.[16] Zudem war er Privatsekretär Alexanders.[17] Die ge-
nannte Alexandergeschichte reichte vom Übergang Alexanders nach Asien[18] bis
zur Schlacht von Arbella im Jahre 331 v. Chr.[19] Die Ernennung von Kallisthenes
zum `Hofhistoriker´ und die Einrichtung der offiziellen `Hofhistoriographie´ war
scheinbar von Anfang an ein kalkulierter, mit handfesten Intentionen verknüpfter
Schritt seines Königs mit der dahinter stehenden Absicht, die Beeinflussung der öf-
fentlichen Meinung zu organisieren, wobei diesbezüglich wohl von vornherein im
Vordergrund stand: die Informationen über den Asienzug „umzugestalten, um den
Taten Alexanders eine übermenschliche Dimension zu verleihen“[20], den Alexander-
zug als solches in ein positives Licht zu rücken, Alexander als den rechtmäßigen
und als einen guten, gerechten König aller Hellenen vorzustellen und ihn insbeson-
dere bei den Griechen beliebt zu machen, um politischen Turbulenzen aus dem ei-
nen oder dem anderen Lager entgegenzuwirken, Alexander eine charismatische
Weihe zu verleihen und um die öffentliche Unterstützung für die militärischen Ope-
rationen im fernen Asien anzukurbeln.[21] Kallisthenes war nun offenbar prädestiniert
die königlichen Erwartungen auszufüllen: „through his relationship to Aristotle he
had lived in Aterneus under Hermias and in Macedon under Philip and then Alexan-
der, therefore he was conditioned to accept monarchy not only as a modus vivendi
but also as a means towards the attainment of an ideal state based upon the rule of
philosophically conditioned rulers, and then he would command support in Athens
because of his Olynthian origin and again through Aristotle. Furthermore he had
already gained a reputation as an historian and ideologically he was probably pan-Hellenist.”[22] Kallisthenes wurde seiner Rolle durchaus gerecht und berichtete über
die Märsche und Siege Alexanders zum Wohlgefallen des Königs. Doch nachdem
Alexander eine Politik der Verschmelzung ins Auge gefasst hatte, die vorsah, die
unterschiedlichen Kulturen des gewachsenen Imperiums zu assimilieren, distan-
zierte sich Kallisthenes innerlich zunehmend von seinem König, denn die Orientali-
sierung Alexanders missfiel dem antipersisch geprägtem Verfechter panhellenischer
Werte und Feind der asiatischen Zivilisation und „[a]ls Alexander sich mehr und
mehr zum Nachfolger des Großkönigs aufspielte, galt es eher, seinen [des
Kallisthenes´] unüberlegten Eigensinn deutlich zu machen, als ihn immer noch als
Hegemon der Griechen darzustellen.“[23] Teilweise wird in der Forschung gar geäu-
ßert, dass Kallisthenes die veränderte Haltung gegenüber dem sich als Weltherr-
scher fühlendem und dem sich als Vater der so ungeliebten fremdländischen Kul-
turen verstehenden Alexander auch literarisch markierte, indem er die Öffentlich-
keit, etwa im Jahre 329 v. Chr., auf die tyrannische Seite des Königs aufmerksam
machte: als mutmaßlicher Verfasser eines bisher keinem verlorenem Autor zuge-
ordnetem Zeitzeugnisses, dem „Bericht vom Massaker an den Branchiden, den Er-
ben eines weit zurückliegenden Frevels“, bei dem Alexander unzählige Wehrlose
und Unschuldige hinrichten ließ.[24] Zum endgültigen Bruch mit Alexander kam es
als letzterer im Rahmen der Verschmelzungspolitik versuchte, die persische Sitte
des Fußfalls, der Proskynese, einzuführen: Kallisthenes verweigerte dem König die-
se rituelle Begrüßungsformel.[25] Alexander missbilligte das Verhalten des Histo-
rikers und verfolgte diesen von nun an mit seinem Zorn. Kurze Zeit später, nach ei-
ner geplatzten Verschwörung der Pagen gegen den König, wurde Kallisthenes von
Alexander beschuldigt, die jungen Attentäter aufgehetzt zu haben. Anschließend
wurde der Historiker entweder auf Anweisung des Königs selbst erhängt oder ins
Gefängnis geworfen, wo er kläglich zu Grunde ging.[26] Infolge des Todes von Kalli-
sthenes blieb seine Alexandergeschichte, die `Alexāndru prāxeis´, unvollendet und
auch die offizielle `Hofhistoriographie´ wurde fortan bis auf weiteres ausgesetzt.[27]
Erhaltene Fragmente von Kallisthenes zeigen, „daß die historische Darstellung
durch viele Exkurse und allgemeine Erwägungen aufgelockert war.“[28] So behan-
delte Kallisthenes auch physikalische[29], ethnographische, geographische, botanische und zoologische Inhalte.[30] Zudem versah er die Darstellung aktueller Ereignisse ge-
legentlich mit einem historischem Hintergrund.[31] Die zahlreichen thematischen Ab-
schweifungen dienten wohl in erster Linie „der Auflockerung und dem Schmuck
des Werkes“[32]. Überhaupt schien eine publikumswirksame, dramatisch-anschau-
liche und rhetorisch überhöhte Erzählform zum Handwerkszeug von Kallisthenes
zu gehören, denn der Schriftsteller setzte „einen wesentlichen Teil seiner Darstel-
lungskunst für die Erzeugung von Affekten und Emotionen ein, wie sie in der Tat
sonst durch die Aufführung von Tragödien dem Publikum vermittelt werden.“[33]
Kallisthenes selbst bekannte sich dazu, ästhetische Momente in Geschichtswerke
einzuflechten: „Der Geschichtsschreiber Kallisthenes sagt: `Wer etwas zu schreiben
versucht, darf die Person nicht verfehlen, sondern muß die Reden sowohl an die
Person als auch an die Gegenstände angeglichen gestalten.´“[34] Ein weiteres sti-
listisches Merkmal der Aufzeichnungen von Kallisthenes waren Verschiebungen
der Realität. Derartige inhaltliche Verzerrungen nahm der Historiker vorwiegend
vor, wenn es darum ging, Alexander vorteilhaft auszumalen, denn in mancher Hin-
sicht ordnete er „die Darstellung der Ereignisse […] propagandistischen Zielset-
tzung[en] unter“[35], um das Königshaus in ein besseres Licht zu stellen, aber dazu
später.
Was die Darstellung Alexanders angeht, so trat Kallisthenes mit Nachdruck für die
Apotheosierung des Königs ein, wie ein Referat von Strabon, das die Schilderung
von Kallisthenes über den Zug Alexanders zum Ammon-Orakel als Grundlage der
Erzählung heranzieht, belegt. So berichtete Strabon: Alexander führte diesen
schwierigen Zug durch die libysche Wüste bis zur Oase Siwah trotz der heißen Süd-
winde vor allem deshalb durch, weil er gehört hatte, dass Perseus und Herakles,
Söhne des Zeus in deren Geschlecht er selbst hineingehöre, dort gewesen seien. Als
man durch Sandstürme vom Weg abkam und zu verdursten drohte, brachten
plötzlich Regenfälle die Rettung, zugleich erschienen wunderbarerweise zwei Ra-
ben und übernahmen die Führung. Als der Tempel schließlich erreicht war, durfte
nur Alexander eintreten,
[d]denn dem Könige alleine habe der Priester erlaubt, in den Tempel einzutreten in gewöhnlicher
Bekleidung, den Uebrigen aber befohlen, den Aufzug zu wechseln, und die Orakelsprüche draussen
anzuhören, Alle ausser Alexandros; Dieser aber sollte im Tempel sein. [Auch geschahen] die Aus-
sprüche nicht, wie zu Delphoi und bei den Branchiden, durch Worte, sondern grösstentheils durch
Winke und Zeichen, bei Homeros: So spricht, ihr zuwinkend mit schwärzlichen Braunen, Kronion,
indem der Weissager Zeus nachahme. Nur Dieses habe der Mann dem Könige ausdrücklich gesagt, dass er Zeus Sohn sei. Dieser Erzählung fügt Kallisthenes gleichsam als Dichter noch hinzu, dass,
als Appollon das Orakel bei den Branchiden verlassen hatte, seitdem von den unter Xerxes Persisch gesinnten Branchiden der Tempel ausgeraubt und auch die Quelle versiegt war, damals nicht nur die-
se Quelle wieder sprudelte, sondern auch Gesandte der Milesier viele Orakelsprüche nach Memphis
brachten über Alexanders Erzeugung durch Zeus, über den künftigen Sieg bei Arbela, über Dareios
Tod und die Empörungen in Lakedaimon. Seine [Alexanders] hohe Abkunft habe auch die Erythrai-
ische Athenaiis ausgesprochen; denn auch Diese sei der alten Erythraiischen Sibylla gleich
gewesen.[36]
Es liegt auf der Hand, dass Kallisthenes durch die profunde Ausgestaltung dieses
Berichts mit wunderbaren Geschehnissen, der entscheidenden Aussage den rich-
tigen Anstrich geben wollte – der Aussage, dass Alexander Sohn des Zeus sei, denn
die beiden sakralen Nebenereignisse, die Rückkehr Appollons in das Branchiden-Orakel und die Reinkarnation der erythräischen Sibylle, trugen unmittelbar zur dra-
matischen Unterstützung des Hauptereignisses, der Begrüßung Alexanders als Sohn
des Zeus, bei. Doch außerdem wurde Alexander, der neue Herrscher von Ägypten, durch die Verlautbarungen des Historikers als Sohn des Ammons ausgewiesen, da die Götter Ammon und Zeus sowohl in der griechischen als auch in der ägyptischen Mythologie identisch waren.[37] Damit legitimierte Kallisthenes Alexander als Sohn des mit dem Allvater Zeus identischen Gottes Ammon auch zum rechtmäßigen Pha-
rao von Ägypten und stellte eine weitere Möglichkeit zur Vergöttlichung Alexan-
ders her. Die Apotheosierung Alexanders wurde ganz allgemein durch eine enko-
miastische Tendenz ergänzt. So berichtete Kallisthenes, dass „das Meer sich von unten erhoben, als ob es einen Marsch wahrnehme und auch selbst seinen Herrn
nicht verkenne, damit es, indem es sich krümmte, irgendwie die Proskynese zu
vollziehen schien“[38] als Alexander am pamphylischen Meer entlang zog und am
Berg Klimax nördlich von Phaselis einen schwierigen, häufig vom Wasser über-
spülten Felsenpfad benutzte. Der panegyrische Kurs von Kallisthenes ging teil-
weise so weit, dass der Olynther tagespolitische Interessen Alexanders mit der
Feder wahrnahm, wie seine Schilderung der Schlacht bei Arbella oder Gaugemala
belegt, denn in diesem Zeugnis „sind nachweislich verschiedene Fakten gefälscht,
um den alten General Parmenion, den Alexander nach einem Leben treuen und er-
folgreichen Dienstes für das makedonische Königshaus plötzlich im Herbst 220 er-
morden ließ, schon in dieser Schlacht als einen energielosen Feigling erscheinen zu
lassen“[39], der, „wie Kallisthenes berichtet, auf Alexanders zunehmende Macht und
Größe eifersüchtig und missgünstig war.“[40] Offensichtlich schwebte Kallisthenes
vor durch diese Unterstellung die Entrüstung der Makedonen, die durch die poli-
tisch motivierte Beseitigung Parmenions ausgelöst wurde, in eine Art Strafgericht
zugunsten des Königs umzuwandeln.[41] Ferner wurde Alexander als Anführer eines
panhellenischen Rachekrieges gegen die Perser ausgerufen, vor allem um den grie-
chischen Anteil der Rezipienten von Alexanders Vollkommenheit zu überzeugen. Diese Position kam im Werk des Kallisthenes besonders darin zum Ausdruck, dass Alexander in der Schlacht von Issos „bei der Wahl seines Platzes darauf bedacht ge-
wesen [sei], Dareios [dem Perserkönig] gegenüberzustehen, um persönlich mit ihm kämpfen zu können“[42], „daß er die persische Königsburg in Persepolis aus Rache für die Einäscherung der athenischen Akropolis durch die Perser im Jahre 480 nie-
derbrennen ließ und daß stets der Anteil der Griechen an den Siegen Alexanders hervorgehoben wurde.“[43]
2.2. Anaximenes von Lampsakos
Der Rhetor und Geschichtsschreiber Anaximenes wurde in Lampsakos geboren und
lebte im vierten Jahrhundert v. Chr. Er war ein Schüler des Homer-Kritikers Zoilos
und des Diagones von Sinope.[44] Später wurde er einer der zahlreichen Lehrer
Alexanders.[45] Er schrieb eine Universalgeschichte in zwölf Bänden von der Theo-
gonie, der Lehre über den Ursprung und die Herkunft der Götter, die `Philippika´ in
mindestens acht Büchern, ein Werk über Alexander den Großen, eine Schrift `Über
Todesarten von Königen´, eine weitere über Homerstudien und den `Trikáranos´.
Ferner galt er als Verfasser der `Rhetorica ad Alexandrium´, die unter dem Namen
des Aristoteles herausgegeben wurde. Von diesen Veröffentlichungen sind wenig
mehr als die Titel erhalten. Anaximenes soll auf Einladung Alexanders am Asien-
zug teilgenommen haben.[46] Der `Trikáranos´ von Anaximenes verrät die politische
Verortung dieses Mannes, denn die in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts
als Pseudonym unter dem Namen des Theopomp veröffentlichte Schmähschrift
sollte nicht nur seinen Rivalen Theopomp schädigen sondern auch die Unfähigkeit
der drei großen Hauptmächte Athen, Theben und Sparta zur Herrschaft und die Not-
wendigkeit der makedonischen Hegemonie nachweisen.[47] Anaximenes war
wahrscheinlich ein anerkannter und geachteter Gelehrter, der sein Handwerk mit
beachtlichem Erfolg verrichtete. Im Zuge seiner literarischen Tätigkeit war er über-
aus vielseitig, denn zu seinen rhetorischen Fähigkeiten traten weitere Aspekte, die
ihn und sein Werk ausmachten. So verfasste er einen vorgeblichen `Brief des
Philipp´ an die Athener und die beredte dem Demosthenes unterstellte Antwort.[48]
Diese beiden Dokumente waren weit mehr als literarisches Spiel und lenken den
Blick auf den anderen Anaximenes: „den scharfen Beobachter […], einen Kenner
der internationalen Beziehungen, einen vorsichtigen Geist, der mit Geschick und
Wirklichkeitssinn den Standpunkt der Gegner darstellt.“[49] Möglicherweise stellte
Anaximenes den neuen König mit ähnlich bedächtiger Gewandtheit und Balance
dar, also verhalten positiv ohne Hervorkehrung von Glanz und Gloria, denn gerade
„[d]iese Ausgewogenheit und dieses Geschick glichen aber aus der Sicht Alexan-
ders einen größeren Mangel nicht aus: Anaximenes fehlte es an der notwendigen
Inspiration, um auf heroische Weise die Großtaten des neuen Achilles zu besin-
gen.“[50] Auf der anderen Seite deutet der von Pausanius geäußerte Befund Anaxi-
menes sei ein Bewunderer des Königs gewesen[51] darauf hin, dass Anaximenes ein
stark verherrlichendes Bild von Alexander entworfen hatte. Gewiss ein einleuch-
tender Standpunkt zumal auch manche moderne Interpreten von einer „rhetorisch
aufgebauschten und panegyrischen Alexandergeschichte“[52] ausgehen. Letztendlich
können die Ausführungen von Anaximenes über Alexander kaum maßstabsgetreu
rekonstruiert werden, da sie weitgehend verloren sind: „Of its style, its manner, or
its attitude there is not the slightest indication“[53]
2.3. Onesikritos von Astypalaia
Onesikritos wurde zwischen 380 und 375 v. Chr. auf Astypalaia, einer griechischen
Insel der südlichen Sporaden, geboren. Er starb zwischen 305 und 300 v. Chr. One-
sikritos war Schüler des Diagones von Sinope, von dem er in die Welt der kyni-
schen Philosophie eingeführt wurde, eine Lehre der er wohl den Rest seines Lebens
anhing. Er veröffentlichte ein Werk mit dem Titel `Pōs Aléxandros echté`, was
soviel heißt wie `Wie Alexander erzogen wurde´[54]. Es handelte sich um eine voll-
ständige Alexandergeschichte, die von der Geburt bis zum Tode des Königs reichte.
Die Schrift erschien wahrscheinlich unmittelbar nach dem Tode Königs, da einer-
seits Nearchos, der um 315 v. Chr. datiert wird, sein Werk erst nach Onesikritos
verfasst hat und andererseits Kleitarchos, der vermutlich um 310 v. Chr. schrieb, be-
reits auf das Buch von Onesikritos zurückgegriffen hatte.[55] Onesikritos nahm an-
fangs als Steuermann des königlichen Flagschiffes während der Flussfahrt auf dem
Hydaspes (Jhelum) rund um den Indus am Eroberungszug Alexanders teil[56], wurde
später zum Archikybernétes (Obersteuermann) ernannt[57] und wohnte wohl auch der
Meerfahrt der Flotte zum Persischen Golf bei.[58] Außerdem übernahm er im Rahmen
der asiatischen Kampagne Funktionen im literarisch-philosophischen Gefolge des
Königs. So wurde er 326 v. Chr. angehalten die indischen `Gymnosophisten´ zu
kontaktieren, um sie zu einem Treffen mit Alexander anzuregen.[59] 324 v. Chr. er-
Onesikritos in Susa, wie viele andere, von Alexander eine Goldkrone für seinen
treuen und erfolgreichen Dienst.[60]
[...]
[1] vgl. Gehrke, 9f.
[2] vgl. Atkinson, 130.
[3] vgl. Polyb. 29, 21, 1-6; Arr. anab. 7, 30, 1, zit. n. Lauffer, 212; Liv. 45, 9, 5-7; 42, 52, 14,
zit. n. Bellen, 868, 871.
[4] vgl. Schachermeyer, 479ff.
[5] Gehrke, 87.
[6] Schänzer, 42.
[7] Seibert, 220.
[8] Jacoby (1929), 622ff.
[9] Meister (1989), 63.
[10] Lendle, 151.
[11] Plut. Alex. 55, 8.
[12] Wirth, 1217.
[13] Badian (1999a), 204.
[14] Lendle, 155.
[15] Meister (1990), 104.
[16] Lendle, 152.
[17] Meister (1990), 104.
[18] Polyb. 7, 19.
[19] Lendle, 152.
[20] Goukowsky, 143.
[21] vgl. Atkinson, 126.
[22] ebd.
[23] Goukowsky, 144.
[24] ebd.; vgl. Parke, 59ff.
[25] Arr. anab. 4, 12, 4-5; Plut. Alex. 54.
[26] vgl. Plut. Alex. 52-55.
[27] Atkinson, 132f.
[28] Lendle, 155.
[29] vgl. Seneca Nat. Q. VI 23.
[30] Lendle, 157.
[31] vgl. Strab. 4, 1, 7.
[32] Lendle, 157.
[33] ebd., 159.
[34] Athen. Mechan., zit. n. Lendle, 160.
[35] Lendle, 159.
[36] Strab. 17, 1, 43, zit. n. Strabo. Erdbeschreibung, 389f.
[37] vgl. Kienast, 316.
[38] Schol. Eust. Hom. Il. 13, 29, zit. n. Lendle, 158.
[39] Lendle, 159.
[40] Plut. Alex. 33, zit. n. Plutarch. Lebensbeschreibungen, 300ff.
[41] Lendle, 159.
[42] Polyb. 12, 17, 22, zit. n. Polybios, Geschichte, Bd. 1, 806.
[43] Meister (1990), 106.
[44] Weißenberger, 674.
[45] Goukowsky, 137f.
[46] Weißenberger, 674.
[47] vgl. Nickel, 847f.
[48] Domest. or. 11-12, zit. n. Goukowsky, 138.
[49] Goukowsky, 138.
[50] ebd.
[51] Paus. 6, 18, 2-4, zit. n. Pearson, 244.
[52] Meister (1990), 107; Seibert, 23.
[53] Pearson, 245.
[54] Goulet-Cazé, 1206f.
[55] Meister (1990), 108.
[56] Arr. Ind. 18, 9; Arr. anab. 6, 2, 3.
[57] Plut. Alex. 66; Strab. 15, 2, 4.
[58] Lendle, 164.
[59] Strab. 9, 1, 63-65.
[60] Arr. anab. 7, 5, 6.
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