Das Interesse der Gesellschaft an den Wirkungen unternehmerischen Handelns steigt. Beispiele wie Shell (Brent Spar), Nike (Arbeitsbedingungen bei den Lieferanten), Telekom (Gehaltserhöhung der Vorstände), Mannesmann (Abfindung von Topmanagern) oder Enron (Bilanzierungstricks) zeigen, dass in der Öffentlichkeit unternehmerische Handlungen zunehmend kritisch reflektiert werden.1 Zwar verdanken die traditionellen Wirtschaftsordnungen der westlichen Industrieländer ihre Legitimation dem hohen materiellen Leistungsstandard und der allgemeinen Prosperität, die sie erzeugt haben, doch findet die ausschließende Konzentrierung auf strategische Rationalität und Nutzenmaximierung keine Rechtfertigung mehr.2 Es reicht nicht mehr aus, das Jahresergebnis zu erhöhen und für einen steigenden Aktienkurs zu sorgen, weil erwartet wird, dass der Gewinn auf verantwortbare Weise entsteht. „Nur das Gleichgewicht von Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft gewährleistet die Stabilität, die für unseren Erfolg ausschlaggebend ist. Das gilt für unsere unternehmensinternen Abläufe und Prozesse im gleichen Maße wie für unsere Beziehungen zu anderen gesellschaftlichen Akteuren.“ 3 Es stellt sich also nicht mehr die Frage, ob Unternehmen eine gesellschaftliche Rolle ausüben, sondern wie sie die unterschiedlichen Vorstellungen seitens der Politik, der Kunden, der Lieferanten, der Aktionäre und auch der Mitarbeiter in ihre alltäglichen Entscheidungsprozesse integrieren können. Durch welche Maßnahmen und Prozesse kann im alltäglichen Handeln eine Synthese aus ökonomischen Anforderungen und ethischen Forderungen hergestellt werden? In den USA liefert die Business- Ethics- Bewegung hierzu bereits Vorschläge und praktische Modelle zur Umsetzung von verantwortlichem Handeln im unternehmerischen Alltag, während empirische Studien in Deutschland zeigen, dass beim Thema Unternehmensethik noch sehr viel Unsicherheit herrscht: „Es muss fast erschrecken, wie einseitig Unternehmensethik mit Umweltschutz- und zwar als technisches Problem- gleichgesetzt wird, und wie selten beispielsweise die Arbeitsplatzfrage als spezifisch unternehmensethisches Problem eingeschätzt wird“.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlagen
2.1. Grundbegriffe
2.2. Aufgabenprofil der Unternehmensethik
2.3. Konzeptionen der Wirtschafts- und Unternehmensethik im deutschsprachigen Raum
2.3.1. Unternehmensethik als Problem der Rahmenordnung nach K. Homann
2.3.2. Unternehmensethik als Ergebnis von Kommunikationsprozessen nach H. Steinmann und P. Ulrich
2.4. Fazit
3. Ethik- Management
3.1. Unternehmensethik als Managementaufgabe
3.2. Die Implementierung von Unternehmensethik in Entscheidungs- und Planungsprozesse
4. Umsetzung von Unternehmensethik
4.1. Kodifizierung von Unternehmenswerten
4.1.1. Idee
4.1.2. Umsetzung
4.1.3. Kritische Würdigung
4.2. Implementierungsstrategien
4.2.1. Der Compliance- Ansatz
4.2.1.1. Idee
4.2.1.2. Compliance bei Banken
4.2.1.3. Kritische Würdigung
4.2.2. Ein alternatives Steuerungsmodell: Der Integrity- Ansatz
4.2.2.1. Charakteristika
4.2.2.2. Chancen und Risiken
4.3. Organisationsstrukturelle Maßnahmen
4.3.1. Idee: Die Organisationsstruktur als Quelle unmoralischen Handelns
4.3.2. „Ethikfreundliche“ Organisationsstrukturen
4.3.3. Kritische Würdigung
4.4. Organisationskulturelle Maßnahmen
4.4.1. Idee: Organisationskulturelle Barrieren
4.4.2. Kulturbewusstes Management statt Kulturmanagement
4.4.2.1. Ethikorientierte Personalentwicklung
4.4.2.2. Betriebliche Sozialisationsbedingungen
4.4.3. Fazit
4.5. Strategien auf moralische Herausforderungen aus Markt und Umwelt
4.5.1. Allgemein
4.5.2. Social Accountability 8000- Ein praktikables Instrument zur freiwilligen Umsetzung von Sozialstandards
4.5.3. Fazit
4.6. Ethik- Audits
4.6.1. Idee
4.6.2. Praktische Vorgehensweisen
4.6.3. Kritische Würdigung
5. Fazit
Anhang
Quellenverzeichnis
Ehrenwörtliche Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Merkmale und Implementation von Compliance- und Integrity- Ansatz
Abbildung 2: Ethik- Management- Programm
Abbildung 3: Unternehmensethik im betrieblichen Planungs- und Entscheidungsprozess
Abbildung 4: Management of Values – Werteviereck
Abbildung 5: Ethik von Organisationen: Moralische Entwicklungsstufen
Abbildung 6: Das Sechs- Stadien- Schema nach Kohlberg
Abbildung 7: Drei Stufen ethischen Argumentierens
Abbildung 8: Survey outcomes indicating key features most strongly linked to perceptions of an honest workplace
Abbildung 9: Beispiele für freiwillige Selbstverpflichtungen
Abbildung 10: Phasen des Zertifizierungsprozesses SA 8000
Abbildung 11: Normative Grundlage von SA 8000
Abbildung 12: Entwicklung der Zertifizierungsinitiativen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Das Interesse der Gesellschaft an den Wirkungen unternehmerischen Handelns steigt. Beispiele wie Shell (Brent Spar), Nike (Arbeitsbedingungen bei den Lieferanten), Telekom (Gehaltserhöhung der Vorstände), Mannesmann (Abfindung von Topmanagern) oder Enron (Bilanzierungstricks) zeigen, dass in der Öffentlichkeit unternehmerische Handlungen zunehmend kritisch reflektiert werden.[1] Zwar verdanken die traditionellen Wirtschaftsordnungen der westlichen Industrieländer ihre Legitimation dem hohen materiellen Leistungsstandard und der allgemeinen Prosperität, die sie erzeugt haben, doch findet die ausschließende Konzentrierung auf strategische Rationalität und Nutzenmaximierung keine Rechtfertigung mehr.[2] Es reicht nicht mehr aus, das Jahresergebnis zu erhöhen und für einen steigenden Aktienkurs zu sorgen, weil erwartet wird, dass der Gewinn auf verantwortbare Weise entsteht. „Nur das Gleichgewicht von Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft gewährleistet die Stabilität, die für unseren Erfolg ausschlaggebend ist. Das gilt für unsere unternehmensinternen Abläufe und Prozesse im gleichen Maße wie für unsere Beziehungen zu anderen gesellschaftlichen Akteuren.“[3] Es stellt sich also nicht mehr die Frage, ob Unternehmen eine gesellschaftliche Rolle ausüben, sondern wie sie die unterschiedlichen Vorstellungen seitens der Politik, der Kunden, der Lieferanten, der Aktionäre und auch der Mitarbeiter in ihre alltäglichen Entscheidungsprozesse integrieren können. Durch welche Maßnahmen und Prozesse kann im alltäglichen Handeln eine Synthese aus ökonomischen Anforderungen und ethischen Forderungen hergestellt werden? In den USA liefert die Business- Ethics- Bewegung hierzu bereits Vorschläge und praktische Modelle zur Umsetzung von verantwortlichem Handeln im unternehmerischen Alltag, während empirische Studien in Deutschland zeigen, dass beim Thema Unternehmensethik noch sehr viel Unsicherheit herrscht: „Es muss fast erschrecken, wie einseitig Unternehmensethik mit Umweltschutz- und zwar als technisches Problem- gleichgesetzt wird, und wie selten beispielsweise die Arbeitsplatzfrage als spezifisch unternehmensethisches Problem eingeschätzt wird“.[4] Damit lässt sich die Problemstellung folgendermaßen skizzieren: Auf der einen Seite verlangt die kritische Öffentlichkeit, dass Unternehmen ihren Auftrag nicht mehr ausschließlich als Nutzen- und Gewinnmaximierung definieren, sondern unterschiedliche gesellschaftliche Wertvorstellungen berücksichtigen. Auf der anderen Seite herrscht bei Managern sehr viel Unklarheit und Unsicherheit darüber, welche praktischen Konsequenzen verantwortungsbewusstes (ethisches) Handeln mit sich bringt, wenn es ernsthaft und ehrlich gemeint ist und nicht nur als PR-Maßnahme fungiert. Daher lautet ein Ziel dieser Arbeit, ein Bewusstsein für die Bedeutung von Unternehmensethik zu schaffen, und das zweite, Möglichkeiten vorzustellen, wie Unternehmensethik im unternehmerischen Alltag umgesetzt werden kann. Es soll gezeigt werden, dass die praktische Umsetzung einen ganzheitlichen Prozess darstellt, der nicht nur Auswirkungen auf die unternehmerische Umwelt hat, sondern auch die sozio- technische Strukturen innerhalb des Unternehmens umfasst. Dieser Prozess ist mit verschiedenen Restriktionen und Barrieren behaftet, die erheblich zum Erfolg oder Misslingen beitragen können. Aufgrund des begrenzten Umfanges der Arbeit kann allerdings kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Nachfolgend werden zunächst wichtige Grundbegriffe erklärt, das Aufgabenprofil von Unternehmensethik erläutert und grundlegende Konzeptionen der Wirtschafts- und Unternehmensethik im deutschsprachigen Raum vorgestellt, die die philosophische Basis dieser Arbeit bilden. Nachdem die Bedeutung und Funktion des Ethik- Managements skizziert worden ist, werden die Bausteine des Implementierungsprozesses von Unternehmensethik erläutert und kritische evaluiert: Am Beginn steht die Formulierung eines Leitbildes. Hierauf bauen grundlegende Implementierungsstrategien auf, welche im Unternehmen mit organisationsstrukturellen Lösungen und mit Beeinflussung der Unternehmenskultur umzusetzen und nach außen durch entsprechende unternehmerische Strategien zu kommunizieren sind. Abschließend gilt es, die Bemühungen des Ethik- Managements über Audits zu kontrollieren.
2. Grundlagen
2.1. Grundbegriffe
Im Folgenden werden die Begriffe Ethik, Moral, Werte, Normen und Wirtschaftsethik skizziert, weil sie eine wichtige philosophische Grundlage für diese Arbeit bilden.
Die Begriffe Ethik und Moral werden im umgangssprachlichen Gebrauch oft synonym verwendet. Tatsächlich ist die lateinische Übersetzung mos/mores die griechische Übersetzung für ethos und bezeichnet eine Gewohnheit, einen Brauchtum und eine Sitte. Schon bei Sokrates wird dem Begriff Ethos eine zweite Bedeutung zuteil, nämlich die Frage nach dem, was gut und recht ist zu tun.[5] In dieser Betrachtung liegt die wissenschaftlich definitorische Unterscheidung zwischen Ethik und Moral. Während Moral die in einer Gruppe oder Organisation geltenden und notfalls erzwingbaren Normen sowie Werte und Haltungen zu einem bestimmten Zeitpunkt umfasst, reflektiert Ethik das Seiende und fragt normativ nach dem, was sein soll. Was sollen wir tun ist die Grundfrage der ethischen Diskussion. Allerdings kann nur demjenigen die Frage nach dem gut und böse, nach richtig und falsch zugemutet werden, der eine freie Willensentscheidung treffen kann, weil er Freiraum für seine Eigeninteressen hat. Ein Unternehmen oder ein einzelner Mensch kann nur dann ethisch handeln und Verantwortung übernehmen, wenn sein Tun nicht schon im Vorhinein zum Beispiel durch äußere Zwänge (Wettbewerbsdruck) oder durch eine innere psychische Disposition (fehlende Zurechnungsfähigkeit) determiniert ist.[6] Bei der Beantwortung der ethischen Frage, wie ein sittlich hochstehendes Leben zu gestalten ist, spielen Werte eine wesentliche Rolle. Sie besitzen jene Qualität, die den Grund dafür angibt, dass sie für wichtig empfunden, geschätzt und begehrt werden. Da eine Präferenzordnung individuell unterschiedlich ausfällt, ergibt sich für Unternehmen vor dem Hintergrund der eingangs beschriebenen unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Stakeholder das Problem, einen geeigneten Maßstab zu finden, um möglichst vielen Wertvorstellungen gerecht zu werden. Die bewusste Orientierung an Maßstäben führt zu Normen, die den Rahmen dessen beschreiben, was in Ordnung, was normal ist. Sie schreiben präskriptiv ein bestimmtes Verhalten vor und erheben einen Anspruch auf Verbindlichkeit. Normen haben im gewissen Sinne eine entlastende Funktion, als sie für Handlungssituationen, Problem- oder Konfliktfälle, bereits vorbedachte und vorüberlegte Handlungsalternativen ermöglichen.[7] Allerdings herrschen auch bei Normen unterschiedliche Auffassungen darüber vor, welche gut und welche schlecht sind, sodass Unternehmen vor der Aufgabe stehen, Verfahren zur Begründung von allgemein akzeptierten Richtlinien zu entwickeln.
Während Ethik als Theorie der Moral danach fragt, welche menschlichen Handlungen gut und richtig sind, reflektiert Wirtschaftsethik über wirtschaftliches Agieren und befasst sich mit der Frage, wie legitimes Handeln gefördert werden kann. Wirtschaftsethik lässt sich in eine Makro-, Meso - und Mikroebene untergliedern:
- In der Makroebene ist die Wirtschaftsordnung Gegenstand ethischer Reflektion: Wie sind die Rahmenbedingungen zu gestalten, dass ein friedliches Zusammenleben aller erreicht wird?
- Auf der Mesoebene kommt die Unternehmensethik zum Tragen. Hier lauten zentrale Fragestellungen: In welchem Rahmen können (oder müssen) Unternehmen zu einem friedvollen Zusammenleben beitragen? Können Unternehmen sowohl ethisch als auch erfolgreich handeln oder schließt die Verfolgung ethischer Prinzipien Gewinnstreben aus? Welche unternehmensstrukturellen und –kulturellen Bedingungen ermöglichen ethisch gerechtfertigtes Verhalten?
- Die Mikroebene beschäftigt sich mit der Individualethik. Dort werden Pflichten des Einzelnen gegenüber sich und der Umwelt formuliert. Individualethische Fragestellungen besitzen deswegen immer Relevanz, weil zum Beispiel unternehmerisches Handeln immer von Menschen entschieden und umgesetzt wird.[8]
Diese analytische Trennung zwischen System (Wirtschaftsordnung), Institution (Unternehmen) und Individuum (Führungskraft, Mitarbeiter) lässt sich in der alltäglichen Praxis nicht hundertprozentig durchhalten, da es zu Überschneidungen kommt. Aber sie dient als Hilfskonstruktion, um die Frage zu beantworten, wie die Diskrepanz zwischen wirtschaftlichem Sein und Sollen, also die ethische Frage der Ökonomie, auf den einzelnen gestaltenden Ebenen beantwortet werden kann.[9]
2.2. Aufgabenprofil der Unternehmensethik
Unternehmensethik beschäftigt sich grundsätzlich mit dem Reflektieren unternehmerischen Agierens. Dabei sind vor allem Konfliktsituationen auslösendes Moment, in denen gerade die Diskrepanz zwischen dem Sein und Sollen bewusst wird. Ausgehend von empirischen Befunden, wonach das Bewusstsein über konkrete Problemfelder der Unternehmensethik im Wesentlichen auf allgemein übliche, keine besonderen Reflexionsprozesse erfordernde Themen beschränkt ist[10], soll an dieser Stelle ein differenziertes Aufgaben- und Konfliktspektrum illustriert werden, in dem ethische Fragen existieren, zu deren Klärung Unternehmensethik einen Beitrag leisten kann. Dabei wird im Folgenden nach Intra- Team-, Inter-Team- und Extra-Team - Beziehungen unterschieden:[11]
Intra- firm- Beziehungen betreffen die Zusammenarbeit von internen Stakeholdergruppen, insbesondere das Management und die Mitarbeiter. Hier besitzt zum Beispiel der Leistungserstellungsprozess eine moralische Dimension, wenn es gilt, vermutete Gesundheits- und Umweltgefährdungen bei den Mitarbeitern zu vermeiden, und zwar auch jenseits von staatlichen oder tarifvertraglichen Standards. Daneben ergeben sich auch aus dem Umgang der Beteiligten ethische Fragen. Wichtige Themen sind die Diskriminierung von Frauen, sexuelle Belästigung, Mobbing, der Umgang mit personenbezogenen Daten oder eine gerechte Entlohnung.
Bei Inter- firm- Beziehungen werden mögliche Konfliktfelder zwischen einem Unternehmen und externen Stakeholdergruppen angesprochen, zu denen Fremdkapitalgeber, Zulieferer, Kunden und Wettbewerber gehören. Eine typische ethische Entscheidungssituation entsteht zum Beispiel dann, wenn für die Vergabe von Aufträgen Schmiergeld angeboten wird und der Mitarbeiter eines Unternehmens nicht weiß, wie er sich verhalten soll, zumal vom Auftrag eventuell viele Arbeitsplätze abhängen. Gerade hier ist es Aufgabe einer praxisbezogenen Unternehmensethik, zu klären, wie mit dieser Dilemmasituation umgegangen wird, sei es in Form von Verhaltensrichtlinien auf Unternehmensebene oder in Form eines Branchenkodex.[12]
Extra- firm- Beziehungen unterscheiden sich von den vorherigen dadurch, dass externe Stakeholder wie Gewerkschaften, Menschenrechts- und Umweltschutzgruppen, Medien, Kommunen, Staat, etc. in keiner Marktbeziehung zum Unternehmen stehen. Allerdings weisen die eingangs zitierten Skandale darauf hin, dass das gesellschaftliche Umfeld einen entscheidenden Einfluss auf die Reputation und damit auf die Existenz eines Unternehmens ausüben kann. Zum Beispiel kann durch Boykottaufrufe und Medienberichte in kürzester Zeit das mühsam aufgebaute Image eines Unternehmens negativ beeinflusst werden, sodass Konsumenten vermehrt Produkte der Konkurrenz nachfragen. J. Wieland hat vier Konfliktfelder unterschieden, um das recht umfassende Spektrum unternehmensethischer Aufgaben einzugrenzen:[13]
1. Zigaretten, Alkohol, Kernenergie, Wehrtechnik und Gentechnik gehören zu moralisch sensiblen Produkten. Bei diesen Produkten muss ein Unternehmen nicht nur nachweisen, dass sein Produkt die Qualitäts- und Preisvorstellungen der Nachfrager trifft, sondern auch, ob auch ein gesamtwirtschaftlicher Nutzen damit verbunden ist.
2. Moralisch sensible Produktionsmethoden im Bereich der Landwirtschaft, Pelzverarbeitung, in der Kosmetikindustrie oder auch im Banken- oder Versicherungssektor lenken den Blick auf weitere Problemfelder. Banken als Kreditgeber für Kernkraftwerke müssen sich als Risikoträger im Schadensfall fragen lassen, ob sie durch ihr Engagement moralische Mitverantwortung zu tragen haben.
3. Die Legitimität moralisch sensibler Transaktionen wird dann diskutiert, wenn zum Beispiel ein Unternehmen Beziehungen zu Ländern oder Partnern unterhält, die nach westlichem Verständnis Menschenrechte verletzen. Kinderarbeit ist zwar offiziell in vielen Entwicklungsländern verboten, trotzdem inoffiziell geduldet, weil sie einen wichtigen wirtschaftlichen Faktor darstellt. Daher muss ein Unternehmen, das Produktionsstätten in solche Länder ausgelagert hat, damit rechnen, dass seine Produkte öffentlich in einen kausalen Zusammenhang mit notorischem sozialen Elend gebracht werden.
4. Auch moralisch sensible Standortentscheidungen führen dazu, dass Unternehmen einem öffentlichen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt werden, wenn sie Produktionsprozesse in Länder mit komparativen Lohnkostenvorteilen ausgliedern, was im Inland mit einem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden ist.
Es wurde deutlich, dass das Aufgabenspektrum von Unternehmensethik sehr vielschichtig ist, da sowohl unternehmensintern, als auch im unternehmerischen Umfeld ein breites Konfliktpotenzial vorhanden ist. Daraus folgt zum einen, dass praktische Unternehmensethik nicht nur auf eine Spendenethik reduziert werden kann und auch nicht mit dem Gewissen des Unternehmers oder eines Managers gleichzusetzen ist, sondern eine strategische Wachsamkeit aller Mitarbeiter erfordert. Zwar ermöglicht Unternehmensethik eine Sensibilisierung für ethische Probleme und Konflikte, doch ohne konkrete Vorschläge zur Behebung dieser Dilemmasituationen wird sie praxisuntauglich bleiben. Das Ziel lautet also, die Funktionsfähigkeit der internen und externen Beziehungen des Unternehmens zu sichern und zu fördern. Allerdings besteht in der wissenschaftlichen Diskussion eine unterschiedliche Auffassung darüber, in welchem Umfang eine selbstständige Unternehmensethik einen aktiven Beitrag dazu leisten kann. Nachfolgend soll nun ein Überblick über die wesentlichen konzeptionellen Vorschläge zur Wirtschafts- und Unternehmensethik im deutschsprachigen Raum gegeben werden.
2.3. Konzeptionen der Wirtschafts- und Unternehmensethik im deutschsprachigen Raum
2.3.1. Unternehmensethik als Problem der Rahmenordnung nach K. Homann
Der unternehmensethische Ansatz Homanns basiert auf dem klassischen Ansatz Adam Smiths, wonach der gesellschaftliche Gesamtnutzen durch das individuelle Gewinnstreben der Wirtschaftssubjekte erreicht wird. Zwecks Optimierung des Allgemeinwohls werden Dilemmastrukturen etabliert, welche Unternehmen nur dadurch überwinden können, indem sie versuchen, individuell vorteilhafte Außenseiterpositionen zu besetzen. Die Spielregeln für den marktwirtschaftlichen Wettbewerb werden in der Rahmenordnung getroffen, welche für alle Wettbewerber gleichermaßen gelten und von allen akzeptiert werden. Aufgrund der ökonomischen Rationalität, die sich im konsequenten Gewinnstreben ausdrückt, werden nicht-ökonomische Werte im Optimalfall ausschließlich über die Rahmenordnung normativ ins Spielgeschehen eingebracht und nicht seitens der Unternehmen, weil sie ansonsten Gefahr laufen, wichtige Marktanteile zu verlieren: „Der systematische Ort der Moral in der Marktwirtschaft ist die Rahmenordnung.“[15] Nach Homann kommt Unternehmensethik erst dann ins Spiel, dass die Rahmenordnung aus praktischen und systematischen Gründen nie vollständig und lückenlos ausgestaltet ist.[16] Solche Ordnungsdefizite sind zum Beispiel Lücken in der Gesetzgebung oder Defizite im Kontrollsystem. Unternehmen können diese Defizite nur hilfsweise und vorübergehend, also provisorisch auffangen. „Seiner moralischen Verantwortung wird ein Unternehmen dadurch gerecht, dass es auf die Defizite in der Rahmenordnung hinweist, bei den zuständigen Stellen durch politische Aktion die erforderliche Kollektivregelung anmahnt und mitarbeitet, diese Defizite abzubauen.“[17] Für Homann kommt der Unternehmensethik eher eine subsidiäre Funktion zu, während der wirtschaftsethische Ansatz im Vordergrund steht. Aus pragmatischer Sicht bietet die Konzeption für Unternehmen vor allem für externe Konfliktfelder einen Lösungsansatz. Zum Beispiel kann über eine kollektive Lösung (z. B. Selbstverpflichtung) erreicht werden, dass moralische Anforderungen erfüllt werden und gleichzeitig ein verbindlicher normativer Rahmen für alle Wettbewerber geschaffen wird. Allerdings kann kritisiert werden, dass dieser Lösungsvorschlag ausschließlich für den Fall vorgedacht ist, in dem die Rahmenordnung imperfekt ist. Empirisch ist jedoch festzustellen, dass das hier angedeutete Regel– Ausnahme– Verhältnis sich umkehrt. Denn die von Homann selbst aufgeführten Defizite in der Rahmenordnung treten ja nicht nur punktuell auf, sondern festigen sich in einem zunehmenden Maße, woraus zu schließen ist, dass ökonomisch rationales Handeln zunehmend um eine kommunikative Komponente erweitert werden muss. Ferner fehlen beim unternehmensethischen Ansatz praktische Lösungsvorschläge für die Handhabe von internen ethischen Konfliktfeldern, zum Beispiel bei alltäglichen Fragen des Umgangs miteinander.[14]
2.3.2. Unternehmensethik als Ergebnis von Kommunikationsprozessen nach H. Steinmann und P. Ulrich
Im Gegensatz zur unternehmensethischen Konzeption von Homann sehen Steinmann und Ulrich unternehmerisches Handeln nicht vollständig durch den Wettbewerb determiniert. Zwischen ökonomischen und ethischen Ansprüchen bestehen situative Handlungsspielräume, die von Unternehmen ausgestaltet werden können. Ebenfalls gehen sie davon aus, dass es vernunftbegabten Individuen möglich ist, Werte und Normen für unternehmerisches Handeln zu begründen. Das Individuum wird nicht nur als homo oeconomicus gesehen, sondern ihm wird vielmehr die Fähigkeit zugetraut, in Übereinstimmung mit als gerechtfertigt anerkannten Normen zu handeln. Das Verfahren für die Gewinnung solcher moralischer Normen ist der ethische Diskurs, hinter dem folgende Überlegung steht: Um ein Problem zu lösen, in dem die Ansprüche und Interessen verschiedener Beteiligter aufeinander stoßen, hat wohl jene Lösung den Anspruch, gut und richtig zu sein, der irgendwie alle Beteiligten zustimmen können. Der Begründungsprozess unterliegt dabei strengen Kriterien, z. B. die Teilnahme aller Betroffenen an der Kommunikation, Zwanglosigkeit (keine Sanktionen), Sachkompetenz der Beteiligten, Unvoreingenommenheit gegenüber anderen Meinungen. Aufgrund der erfahrbaren Tatsache in der Praxis, dass nicht alle Betroffenen an dem Kommunikationsprozess teilnehmen können (z. B. zukünftige Generationen), bedarf die kommunikative Ethik der Ergänzung der Verantwortungsethik. Ulrich erhebt diesen idealen Diskurs zum Primat aller unternehmerischen Entscheidungen. Im Rahmen kommunikativer Verständigungsprozesse sollen mit allen Stakeholdern die Formalziele des Unternehmens festgelegt werden, welche von den Betroffenen als legitim angesehen werden: „Unternehmerische Verantwortung ist dialogisch wahrzunehmen und bedeutet, allen vom unternehmerischen Handeln Betroffenen Red’ und Antwort zu stehen.“[20] Im Gegensatz zu Ulrich liegt der Schwerpunkt der Anwendung des Dialogprinzips bei Steinmann in der Regelung von Ad- hoc- Konflikten, die nicht unmittelbar über die Rahmenordnung geregelt werden können. Die Bedeutung von Dialogverfahren wird vor allem bei international agierenden Unternehmen offensichtlich. Trotz Globalisierung ist die Etablierung einer supranationalen Institution noch nicht in Sicht, welche allgemein akzeptierte Vorschriften zum Beispiel im Bereich der Arbeitsplatzbedingungen verabschieden kann. In dialogischer Verständigung mit Menschenrechtsorganisationen können nun Global Player selbst einen normativen Rahmen setzen und damit ihr Handeln legitimieren. Eine Unternehmensethik, die auf einem dialogorientierten Fundament ruht, hat den Vorteil, dass sie dem Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, seine politische Rolle auszufüllen und an normsetzenden Prozessen direkt teilzunehmen sowie diese zu gestalten. Darüber hinaus begegnen Diskurse dem Problem, dass trotz Pluralisierung von Werten dennoch einzelfallbezogen wertorientierte Entscheidungen möglich sind. Aus pragmatischer Sicht sind daher Dialogverfahren ein geeignetes Instrument zur Lösung von ethischen Konfliktfeldern innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Ein zentrales Problem bleiben jedoch die postulierte Randbedingungen. In der Praxis wird eine Zwanglosigkeit oder Unvoreingenommenheit nur schwer umzusetzen sein. Auch birgt die rechtliche Verankerung von Mitspracherechten eines jeden, der sich betroffen fühlt, die Gefahr in sich, „dass Einzelne die Handlungsfähigkeit eines Unternehmens und damit seine Funktion der Wertschöpfung herabsetzen könnten, zum Schaden anderer Betroffener.“[21][18][19]
2.4. Fazit
Unternehmensethik bedeutet, im Hinblick auf den Wortsinn, Ethik bezogen auf Unternehmen. Im ersten Schritt beschäftigt sie sich mit den gelebten Werten und Normen eines Unternehmens und sucht nach deren Rechtfertigung und Begründung. Bei der Bewertung unternehmerischen Agierens gibt es viele Maßstäbe, nach denen ein Handeln als gut oder richtig empfunden wird. In der allgemeinen Diskussion wird vor allem verantwortliches Handeln als legitim akzeptiert, sei es im Umgang mit Ressourcen oder durch die Berücksichtigung berechtigter Interessen von Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten oder durch die Übernahme öffentlicher Aufgaben.[22] Diese unternehmerische Verantwortung impliziert zunächst die Wahrnehmung verschiedener ethisch relevanter Fragen, die sowohl innerhalb des Unternehmens existieren, als auch die Umweltsphäre betreffen. Sich der Verantwortung zu stellen, setzt zugleich auch voraus, dass Unternehmen einen aktiven Handlungsspielraum besitzen. In der Tat kann das von Homann postulierte Gefangenendilemma nur eine Grenzsituation darstellen, da der Wettbewerb ein komplexer, dynamischer Prozess ist, in dem neue Märkte kreiert werden und alte Märkte stagnieren. Unternehmen haben grundsätzlich im Sinne Schumpeters die Möglichkeit, Synthesen aus ökonomischen Erfordernissen und ethischen Anforderungen zu bilden. Das Ziel einer Unternehmensethik besteht nun darin, herauszufinden, welche Handlungen in der Schnittmenge liegen und wie die Schnittmenge erweitert werden kann.[23] Für eine praxistaugliche Unternehmensethik reicht es allerdings nicht aus, nur Beurteilungsmaßstäbe aufzustellen und wissenschaftlich zu begründen. „Sie will auch, dass das von ihr als richtig Erkannte konkret umgesetzt wird.“[24] „Nichts ist praktischer als eine gute Theorie.“[25] In diesem Zusammenhang wurden bereits als geeignete Maßnahmen der Institutionalisierung Selbstverpflichtungen in Form von Verhaltenstandards und Unternehmensdialoge erwähnt. Aufgrund der Tatsache, dass Unternehmensethik kein anwendbares instrumentelles Verfügungswissen liefert, sondern einen Orientierungsrahmen entfaltet, dürfen unternehmerische Ethikmaßnahmen nicht missverstanden werden als Formen der Umsetzung oder Implementierung bereits abschließend begründeter fester Werte. Vielmehr bilden diese Maßnahmen die strukturellen und kulturellen Bedingungen für die Schaffung ethischer Reflexions- und Argumentationsprozesse sowie für das entsprechende verantwortliche Handeln im Unternehmen.[26]
3. Ethik- Management
3.1. Unternehmensethik als Managementaufgabe
Es ist eine erfahrbare Tatsache, dass sich Unternehmen vor allem dann mit Ethik beschäftigen werden, wenn ihr Zweck, ihr Auftrag, ihre Mission gefährdet sind und damit ihre Existenz in Frage gestellt ist.[27] Vor allem Konfliktsituationen sorgen für eine Konfrontation mit ethischen Fragen. Woran kann sich nun ein Unternehmen orientieren, um diese Konflikte zu lösen? Eine Möglichkeit wäre, dass das Gewissen jedes Einzelnen die letzte und oberste ethische Instanz für die Bewältigung moralischer Konflikte in Institutionen ist. Allerdings sprechen gewichtige Gründe dagegen: Zum einen berühren Entscheidungen in Unternehmen die Wertvorstellungen verschiedener Anspruchsgruppen. Weil sie alle betroffen sind, kann die Optik eines Einzelnen kein zureichender, ethisch begründeter Maßstab sein.[28] Zum anderen determinieren auch organisationsstrukturelle und –kulturelle Faktoren die faktische Entscheidungsfreiheit jedes Einzelnen.[29] Dies führt zur Erkenntnis, dass nicht allein Personen für moralisches Fehlverhalten in Organisationen verantwortlich sind.[30] Neben dem individuellen Zugriff auf ethische Problemstellungen bietet sich auch ein funktionsorientierter an. Als Beispiel könnte eine Marketing- Ethik herhalten, wo man nachhaltig für eine Abkehr von manipulativen, rein verkaufsorientierten Techniken eintritt. Weitere Bereiche sind die Produktion, den Einkauf oder auch Forschung und Entwicklung. „Gleichwohl bringt aber diese funktionsorientierte Sicht die Gefahr mit sich, dass sich unkoordinierte bereichsspezifische ethische Orientierungen („fraktionierte Bereichsethiken“) ergeben.“[31] Daher kann die Steuerung einer allgemeinen und sachfunktionsübergreifenden Unternehmensethik nur auf der Ebene der Unternehmensführung erfolgen. Ethik- Management versteht sich demzufolge als die Gesamtheit der Bemühungen, mit denen moralische Anliegen intern zwischen Mitarbeitern und Abteilungen wie auch in der externen Kommunikation gegenüber Markt und Öffentlichkeit zur Geltung gebracht werden sollen.[32] Allerdings reduziert sich Management- Ethik nicht als exklusive Aufgabe der Geschäftsführung. Diese besitzt zwar wegen ihrer größeren Entscheidungskompetenzen und ihrer Vorbildfunktion eine besondere Bedeutung, doch wird verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln nur dann Praxis, wenn Mitarbeiter aller Hierarchieebenen mitdenken.
3.2. Die Implementierung von Unternehmensethik in Entscheidungs- und Planungsprozesse
Ethik- Management versucht zielgerichtet, systematisch und aufeinander abgestimmt verbindliche ethische Handlungsmaßstäbe in seine Führungs-, Steuerungs- und Kontrollstrukturen einzubauen.[33] Bei der Frage, in welcher Form Unternehmensethik in Planungs- und Entscheidungsprozessen ihren Niederschlag finden kann, ist zunächst zu klären, ob, und wenn ja, an welchen Stellen Planungsprozesse für ethische Fragen offen stehen. Es gilt also, den potenziellen Freiraum zu ergründen. Dabei soll im Folgenden zwischen dem klassischen und dem organisatorischen Entscheidungsprozess unterschieden werden.[34]
Ø Im klassischen Planungsprozess wird Planung als lineare Abfolge von logisch aufeinander bezogenen Schritten gedacht. Sobald der Zweck oder das Ziel gesetzt sind, werden geeignete Mittel gesucht, um dieses Ziel zu erreichen. In dieser 2- Phasen- Konzeption ist der einzelne nachgeordnete Mitarbeiter in seinem Planungshandeln nicht mehr frei. Er handelt nicht mehr nach eigenen Zielen und ist damit auch nicht moralisch verantwortlich für das Planungsergebnis und die Wirkungen der Planung.[35] Unternehmensethik beschränkt sich in diesem Modell einzig auf die Phase der Zielbestimmung. Für die praktische Umsetzung bietet sich ein kommunikativer Prozess im Sinne des Dialogprinzips an.[36] Anschließend erfolgt die Planung geeigneter oder optimaler Maßnahmen. Allerdings besteht die Gefahr, dass das einzelne Organisationsmitglied wie die gesamte Organisation durch die Zielsetzung oder der externen Vorgabe von Werten fortan von der Bürde ethischen Handelns entlastet würde.[37] Ein weiteres Problem ergibt sich durch die Vorstellung einer neutralen Mittelwahl: „Die Rechtfertigung eines Zieles kann deshalb auch nicht alle Wertaspekte neutralisieren. Das gewählte Ziel bezeichnet stets nur einen Ausschnitt aus der Vielzahl der Wirkungen, die eine Handlung (= Mittel) hervorruft (Luhmann 1973a, S. 44ff.).“[38] Daher kann festgestellt werden, dass die Implementierung von Unternehmensethik über die Rechtfertigung von Oberzielen hinaus den gesamten planerischen Prozess betrifft, da eine rein normative Zielvorgabe diesen nämlich nicht beherrschen kann.
- Diese Erkenntnis spiegelt sich im organisatorischen Entscheidungsprozess wider, welcher auf der Annahme beruht, dass Unternehmensplanung institutionelles Handeln und als solches ein Ergebnis eines organisatorischen und nicht bloß individuellen Entscheidungsprozesses ist.[39] Bedingt durch den Spezialisierungsgrad existieren Subsysteme innerhalb des Unternehmens, die mit mehr oder weniger Spielraum den Planungsprozess beeinflussen können.[40] Gerade durch diese unvermeidliche Teilautonomie stellt die Implementierung von Unternehmensethik ein sehr viel komplexeres Problem dar, als dies im klassischen Planungsmodell schien. „Ethik ist potenziell an jeder Stelle im Planungsprozess virulent mit jeweils tendenziell unvorhersehbaren Themen.“[41]
Für eine Unternehmensethik bestehen also vielfältige Ansatzpunkte im Planungsprozess. Es genügt nicht, Werte nur von oben vorzugeben, sondern diese Werte müssen auch in den Subsystemen übernommen und gelebt werden. Bevor Werte aber über organisationsstrukturelle und -kulturelle Maßnahmen implementiert werden können, besteht der erste Schritt im Wertefindungsprozess.
4. Umsetzung von Unternehmensethik
4.1. Kodifizierung von Unternehmenswerten
4.1.1. Idee
Unternehmen lassen sich nicht nur anhand von Organigrammen beschreiben, sondern sie besitzen eine eigene Visitenkarte, nämlich ein bestimmtes Set von Werten. Dieses beinhaltet allerdings nicht nur moralische Werte (z. B. Fairness u. Ehrlichkeit), sondern auch Leistungs- (z. B. Nutzen u. Qualität), Kommunikations- (z. B. Achtung u. Zugehörigkeit), und Kooperationswerte (z. B. Loyalität u. Offenheit).[42] In einer weiteren Sichtweise projiziert jede Anspruchsgruppe ihre Wertvorstellungen in die Organisation und neigt dazu, sie ausschließlich unter ihrem Werthorizont zu betrachten. Nur wenn das Unternehmen die in ihm steckenden Werte erkennt, aufeinander bezieht und zu optimieren trachtet, wird der unternehmerische Wertschöpfungsprozess optimal verlaufen. Die Rolle der Unternehmensethik besteht nun darin, den Blick auf die Grundwerte zu richten, die die Hoffnungen aller Stakeholder wecken, und einen Verfahrensweg vorzuschlagen, wie die verschiedenen Werte im Unternehmen geklärt werden können.[43] Resultat dieses Prozesses sind Kodizes, Leit- oder Richtlinien[44], in denen die Werte des Unternehmens durch Normen (z. B. Pflichten u. Rechte) konkretisiert werden. Wie lassen sich Unternehmensrichtlinien charakterisieren? „’Unternehmensrichtlinien’ sind ethische Orientierungs- und Handlungsleitlinien, die von einem Unternehmen aus eigener Initiative, d. h. ohne gesetzlichen Zwang, aber dennoch für alle Mitarbeiter bindend in Kraft gesetzt werden. Sie sollen dazu beitragen, dass wirtschaftliche, soziale und ökologische Ziele eines Unternehmens auf eine möglichst harmonische Art und Weise angestrebt und erreicht werden.“[45] Empirische Untersuchungen zeigen, dass in den USA inzwischen mehr als 90% aller Großunternehmen über Verhaltenskodices verfügen und dass auch in Deutschland das Instrument an Bedeutung gewinnt.[46] Allerdings differieren die Kodizes nicht nur im Inhalt oder Aussehen, sondern auch im Geltungsbereich. So sind zum Beispiel im Verhaltenskodex The IKEA Way Mindestanforderungen an die Lieferanten in den Bereichen Arbeitsbedingungen, Sozialstandards, Umwelt, Forstwirtschaft und Kinderarbeit dargelegt.[47]
4.1.2. Umsetzung
Wie sehen nun konkrete Schritte zur Ermittlung unternehmensethischer Grundwerte aus? Grundsätzlich bietet sich eine Soll- Ist- Analyse an.[48] In der Soll- Analyse wird zunächst eine Art Idealbild der Unternehmens- Grundwerte gezeichnet. Dabei werden Vorstellungen beschrieben, wofür das Unternehmen wünschenswerter einstehen sollte. Diese Soll- Werte werden Anspruchsgruppen zugeordnet und abschließend formuliert. Wenn zum Beispiel Fairness ein Grundwert ist und Mitbewerber eine Anspruchsgruppe, dann könnte eine Soll- Selbstverpflichtung folgendermaßen heißen: „Wir achten und respektieren die Leistung unserer Mitbewerber und führen den Wettbewerb ausschließlich auf der Grundlage leistungsfähiger Produkte und Dienstleistungen.“[49] Ziel der Ist- Analyse ist es, eine Bestandsaufnahme der tatsächlich kommunizierten und gelebten Werte zu machen. Dies kann einerseits in Form einer Dokumentenanalyse geschehen, bei der unter anderem Arbeitsverträge, Stellenanzeigen oder Geschäftsberichte dahingehend untersucht werden, welche Werte darin vermittelt werden. Des Weiteren können Stakeholdergruppen ein Feedback geben oder auch speziell geschulte externe Beobachter, die einige Zeit im Unternehmen verbringen, weitere Aspekte über das Wertgefüge im Unternehmen erkennen. Im Soll- Ist- Abgleich müssen Lücken aufgedeckt und versucht werden, ein Set von Grundwerten zu entwickeln, das als Synergie zwischen den idealen Soll- Werten und den konkreten Gegebenheiten bezeichnet werden kann.[50] Ausgehend von diesem Wertekanon werden nun erneut Verpflichtungen gegenüber den wichtigsten Stakeholdern formuliert. Entscheidend für die ethische Begründung ist der Prozess, der sich am idealen Diskurs orientiert. Daraus folgt, dass Werte nicht monologisch vorgegeben und aufoktroyiert werden, zum Beispiel durch den Manager, sondern im Dialog mit kompetenten firmeninternen (Mitarbeiter und Manager) und –externen Personkreisen (Kunden, Kommune, etc.) gefunden werden. Das bedeutet, dass Unternehmensrichtlinien nur dann wirksam sind und Akzeptanz finden, wenn sie mit einer möglichst umfassenden Beteiligung und nach einer gründlichen Diskussion verabschiedet werden. Ebenfalls von Bedeutung für die Akzeptanz der Richtlinien ist eine klare und eindeutige Formulierung.[51] Sie sollten über geltende Gesetze und branchenübliche Sitten hinausgehen, weil sie ansonsten irrelevant sind. Sie sollten ehrlich sein, keine Tabus kennen und regelmäßig daraufhin überprüft werden, ob Veränderungen notwendig sind. Hinsichtlich des Umfangs eines Ethik- Kodexes zeigen die Erfahrungen bei Levi Strauss, dass vollständige Kataloge mit einer Vielzahl konkreter Regeln zur Vermeidung unmoralischer Verhaltensweisen sich als zu inflexibel erwiesen.[52] Um die Gefahr der Verwässerung zu vermeiden, schlägt M. Schmidt vor, das Werteprofil auf sechs Grundwerte zu beschränken, was in der Praxis zum Beispiel bei BASF umgesetzt wird.[53] Neben Fragen hinsichtlich der Formulierung, ist bei der Durchdringung des gesamten Unternehmens mit den Grundwerten vor allem die Kommunikation das entscheidende Medium, um Verhaltensstandards mit Leben zu erfüllen.[54] Dabei geht es allerdings weniger um Information und PR, sondern um institutionalisierte Kommunikation, die sich dadurch auszeichnet, dass sie ins operative Geschäft integriert ist.[55] Zum Beispiel wird im Intra- Team- Bereich danach gefragt, ob Verhaltensstandards eine Rolle bei der Auswahl von Mitarbeitern spielen, oder ob sie Kriterium bei der Beförderung von Nachwuchskräften ist. Im Inter- Team- Bereich wurde bereits anhand IKEA gezeigt, dass Lieferanten nach Kriterien des Codes ausgewählt werden. Auch im Extra- Team- Bereich gibt es Anknüpfungspunkte für Fragen wie Menschenrechte, Kinderarbeit, Frauenarbeit, etc. Neben der Kommunikation ist für eine erfolgreiche Umsetzung ein wesentlicher Erfolgsfaktor laut einer Studie der Independent Commission Against Corruption (ICAC), wenn Werte nicht nur gepredigt , sondern auch von Vorgesetzten vorgelebt werden.[56] Um sicherzustellen, dass die Kodizes auch eingehalten werden, reicht in der Praxis nicht nur guter Wille. So hat zum Beispiel BASF die Grundwerte und Leitlinien in den persönlichen Zielvereinbarungen aller oberen Führungskräfte verankert. Verstöße können sogar straf- und arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.[57]
[...]
[1] Siehe auch: „Zementkartell muss 661 Millionen Euro zahlen (Die Welt, 15.03.2003)“; „Unternehmen leiden unter dem Verfall der Sitten – Studie: Immer mehr Manager an Wirtschafts- Straftaten beteiligt – Berater kritisieren mangelhafte Vorsorge (Die Welt, 14.03.2003).“
[2] Vgl. Buss, Eugen (1995), S. 189.
[3] BASF (2001), S. 4.
[4] Ulrich, Peter/ Lunau, York/ Weber, Theo (1998), S. 166.
[5] Vgl. Rich, A. (1991), S.15 ff.
[6] Nach Aristoteles führen Zwang, Nötigung, Irrtum und Geisteskrankheit zur Einschränkung der Veranwortung.
[7] Vgl. Dietzfelbinger, Daniel (2002), S. 69.
[8] Vgl. Noll, Bernd (2002), S. 36.
[9] Vgl. Dietfelbinger, Daniel (2002), S. 90ff.
[10] Vgl. Ulrich, Peter/ Lunau, York/ Weber, Theo (1998), S. 166.
[11] Vgl. Wieland, Josef (1998), S. 35 ff. ; vgl. hierzu auch Enderle, G. (1983) zit. in Dietzfelbinger, Daniel (2002), S. 142f.
[12] Vgl. Ethikmanagement der Bauwirtschaft e.V. (1998), S. 245 ff.
[13] Vgl. Wieland, Josef (1998), S. 40 ff.
[14] Vgl. ausführlich: Homann, Karl, 1994: Marktwirtschaft und Unternehmensethik; 1992: Marktwirtschaftliche Ordnung und Unternehmensethik; 1998: Normativität angesichts systemischer Sozial- und Denkstrukturen.
[15] Homann, Karl (1994), S.112.
[16] Vgl. ebenda, S.115: „Wo die Rahmenordnung ihre Funktion nicht erfüllt, fällt die moralische Verantwortung für das Handeln an die einzelnen Unternehmer/Manager bzw. Unternehmen zurück.“
[17] Ebenda, S.119.: „Um zu erreichen, dass die moralischen Normen für alle Wettbewerber gleichermaßen gelten, ohne dass jemand sich dadurch Vorteile verschaffen kann, dass er eine Trittbrettfahrerposition einnimmt, muss eine Kollektivlösung auf der Ebene der Rahmenordnung angestrebt werden. Eine ähnliche normative Funktion würde ein kollektive Selbstbindung in Form eines Branchenkodex erfüllen“.
[18] Vgl. ausführlich: Steinmann, Löhr, 1989: Unternehmensethik; 1994: Unternehmensethik – ein republikanisches Programm in der Kritik; 1994: Grundlagen der Unternehmensethik.
[19] Vgl. ausführlich: Ulrich, 1994: Integrative Wirtschafts- und Unternehmensethik – ein Rahmenkonzept; 1996: Unternehmensethik und „Gewinnprinzip“ – Versuch der Klärung eines unerledigten wirtschaftsethischen Grundproblems; 2001: Unternehmensethik in sechs Thesen ; 2002: Der entzauberte Markt – eine wirtschaftsethische Orientierung.
[20] Ulrich (2001), S. 11.
[21] Nussbaum, Roy (1995), S. 46.
[22] Vgl. Schmidt, Matthias (2002), S. 70.
[23] Vgl. König, Matthias (2002), S. 98.
[24] Ebenda (2002), S. 94 f.
[25] Lewin, Kurt; zit. nach Berkel, Karl (1997), S. 79.
[26] Vgl. Ulrich, Peter/ Lunau, York/ Weber, Theo (1998), S. 135.
[27] Vgl. Berkel, Karl (1997), S. 80.
[28] Vgl. Ebenda, (1997), S. 83 f.
[29] Siehe Kapitel 4.3. und 4.4.
[30] „Einen ‚Bösewicht’ zu finden, ist offenbar eine beliebte Strategie. Damit ist jeder andere der moralischen Verantwortung enthoben. So lag auch der Fall des 28- jährigen Bankangestellten Nick Leeson, der durch seine Finanztransaktionen im Derivatehandel Milliardenverluste anhäufte und damit den Bankrott verursachte. Der britische Finanzminister kommentierte: ‚... a specific incident unique to Barings centered on one rogue dealer to Singapore’ (M. Kaptein, 1998, S. 38, S. 41). Es ist richtig, dass Leeson für sein Handeln verurteilt wurde, aber auch jeder ökonomische Laie wird sich bei der geschilderten Sachlage fragen, ob nicht auch die organisatorischen Rahmenbedingungen grob fehlerhaft gewesen sein müssen, wenn eine Person einen Verlust in dieser Höhe verursachen konnte.“ (Noll, Bernd (2002), Fußnote S. 106. Vgl. auch DIE ZEIT: „Der Mann, die Gier, das Debakel“, 03.04.2003.
[31] Steinmann, Horst (1994,ein republikanisches Programm i. d. Kritik), S. 146.
[32] Vgl. Noll, Bernd (2002), S. 106.
[33] Vgl. Wieland, Josef u. Grüninger, Stephan (2000), S. 160.
[34] Vgl. hierzu ausführlich: Schreyögg, Georg (1989), S. 247 ff.
[35] Vgl. De George, zit. in Schreyögg, Georg (1989), S. 249.
[36] Vgl. Kapitel 2.3.2.
[37] Vgl. Türk, zit. in Schreyögg, Georg (1989), S. 252.
[38] Schreyögg, Georg (1989), S. 252.
[39] Vgl. Ebenda, S. 253.
[40] Vgl. Anhang, Abbildung 3: Unternehmensethik im betrieblichen Planungs- und Entscheidungsprozess.
[41] Schreyögg, Georg (1989), S. 258.
[42] Vgl. Wieland, Josef u. Grüninger, Stephan (2000), S. 164f.; siehe auch Anhang, Abb. 4: Management of Values – Werteviereck.
[43] Vgl. Berkel, Karl (1997), S. 66 ff.
[44] Leitlinien sind ein firmeninterner Verhaltenskodex, der sich nicht an einen spezifischen Berufsstand richtet, sondern entweder an alle Mitarbeiter oder an ein bestimmte Gruppe (vgl. Berkel, Karl (1997), S. 74).
[45] Leisinger, Klaus M. (1997), S. 115.
[46] Vgl, Noll, Bernd (2002), S. 116.
[47] Vgl. IKEA, Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt: http://www.ikea.de/about_ikea/Social/environment.asp
[48] Vgl. ausführlich, Schmidt, Matthias (2002), S. 80 ff.
[49] Schmidt, Matthias (2002), S. 84.
[50] Vgl. Ebenda, S. 87.
[51] Vgl. hierzu: Leisinger, Klaus M. (1997), S. 116; Hoffmann, Michael W. (1998), S. 55.
[52] „We became buried in paperwork, and anytime we faced a unique ethical issue, another rule or regulation was born“ (Haas, R. D., zit. in Noll, Bernd (2002), S. 118).
[53] Vgl. Schmidt, Matthias (2002), S. 82, www.basf.de/de/corporate/overview.
[54] Vgl. Wieland, Josef u. Grüninger, Stephan (2000), S. 165.
[55] Vgl. Ebenda, S. 165, siehe hierzu auch Leisinger, Klaus M. (1997), S. 117.
[56] Vgl. ICAC: www.icac.nsw.gov.au; siehe hierzu auch Hoffmann, Michael W. (1998), S. 55: „ But recognition of the importance of individual integrity and its accompanying responsibilities must be backed up by strong corporate support. The employee must believe that the corporation will stand behind individual decisions made in keeping with or out of respect for the ethics code.“
[57] Vgl. BASF: Werte schaffen Wert- Gesellschaftliche Verantwortung 2001, S. 13 u. 52.
- Citar trabajo
- Simon Pietschmann (Autor), 2003, Maßnahmen und Möglichkeiten bei der Umsetzung von Unternehmensethik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20109
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