Bereits seit ihrem Studium hatte sich Ella-Bergmann-Michel mit Neuem Gestalten beschäftigt. Sie stellte Collagen, Aquarelle, Zeichnungen sowie Druckgraphiken für architektonische oder andere Projekte her. Während Ella zunächst lediglich fotografierte, interessierte sie sich zunehmend theoretisch für das ‚neue Medium‘ Film. 1927 übernahm sie dann die Leitung der ‚Arbeitsgemeinschaft für den modernen Film‘, worüber sie nun auch Persönlichkeiten und Kenner der internationalen Filmavantgarde jener Jahre sowie deren Werke kennen und schätzen lernte. Unter anderem entwickelte sie ein Interesse an dem Wirken Dziga Vertovs, John Griersons und auch Joris Ivens‘. Letzterer riet ihr schließlich bei einem Besuch in Frankfurt 1931 zum Kauf einer Kamera. Wie wir schon wissen, schaffte sich die Künstlerin eine sogenannte Kinamo an, die erste mobile 35 mm-Handkamera, an deren Entwicklung Vertov selbst mitgearbeitet hatte.
Dass sich Ella Bergmann-Michel häufig an der russischen Avantgarde orientiert hatte, zeigt ihr Film Erwerbslose kochen für Erwerbslose . Hier werden immer wieder Texte eingeblendet, die die Bevölkerung auffordern sollen zu helfen. Diese Art ‚filmisches Flugblatt‘ orientierte sich am Vorbild der sowjetischen Propagandafilme. Die Filmemacherin versprach sich davon vermutlich eine wachrüttelnde Wirkung beim Publikum. Der soziale Aspekt in ihrem Filmschaffen ist unübersehbar, weshalb sich auch so leicht eine Brücke zu den sowjetischen Filmemachern schlagen lässt, die Ella Bergmann-Michel schon früh schätzen gelernt hatte. So bildete ihr Heim, die Schmelz, zunehmend einen Umschlagsplatz für Künstler und Filmschaffende der internationalen Avantgarde.
Schon 1929 schrieb Sophie Küppers über den sozialen Film in der UdSSR: „Amerika und Europa seien bestenfalls bestrebt, mit dem Kino Kunst zu machen, für Rußland sei der Film indessen ein bewußtes Instrument zum Aufbau einer neuen Gesellschaft, gehe von anderen Bedingungen aus, werde anders rezipiert.“
Es ging also nicht mehr allein um die reine Unterhaltung. Der Dokumentarfilm stellte für viele Filmschaffende jener Zeit eine Botschaft dar, deren Vermittlung im Vordergrund stand.
Inhaltsverzeichnis
1. Ella Bergmanns Interesse am Film und der Avantgarde
2. Film der Avantgarde der zwanziger Jahre
3. Film als Ausdruck der Gesellschaft
4. Schluss
5. Literaturverzeichnis
1. Ella Bergmanns Interesse am Film und der Avantgarde
Bereits seit ihrem Studium hatte sich Ella-Bergmann-Michel mit Neuem Gestalten beschäftigt. Sie stellte Collagen, Aquarelle, Zeichnungen sowie Druckgraphiken für architektonische oder andere Projekte her. Während Ella zunächst lediglich fotografierte, interessierte sie sich zunehmend theoretisch für das ‚neue Medium‘ Film. 1927 übernahm sie dann die Leitung der ‚Arbeitsgemeinschaft für den modernen Film‘, worüber sie nun auch Persönlichkeiten und Kenner der internationalen Filmavantgarde jener Jahre sowie deren Werke kennen und schätzen lernte. Unter anderem entwickelte sie ein Interesse an dem Wirken Dziga Vertovs, John Griersons und auch Joris Ivens‘. Letzterer riet ihr schließlich bei einem Besuch in Frankfurt 1931 zum Kauf einer Kamera. Wie wir schon wissen, schaffte sich die Künstlerin eine sogenannte Kinamo an, die erste mobile 35 mm-Handkamera, an deren Entwicklung Vertov selbst mitgearbeitet hatte.
Dass sich Ella Bergmann-Michel häufig an der russischen Avantgarde orientiert hatte, zeigt ihr Film Erwerbslose kochen für Erwerbslose[1]. Hier werden immer wieder Texte eingeblendet, die die Bevölkerung auffordern sollen zu helfen. Diese Art ‚filmisches Flugblatt‘ orientierte sich am Vorbild der sowjetischen Propagandafilme. Die Filmemacherin versprach sich davon vermutlich eine wachrüttelnde Wirkung beim Publikum. Der soziale Aspekt in ihrem Filmschaffen ist unübersehbar, weshalb sich auch so leicht eine Brücke zu den sowjetischen Filmemachern schlagen lässt, die Ella Bergmann-Michel schon früh schätzen gelernt hatte. So bildete ihr Heim, die Schmelz, zunehmend einen Umschlagsplatz für Künstler und Filmschaffende der internationalen Avantgarde.
Schon 1929 schrieb Sophie Küppers über den sozialen Film in der UdSSR: „Amerika und Europa seien bestenfalls bestrebt, mit dem Kino Kunst zu machen, für Rußland sei der Film indessen ein bewußtes Instrument zum Aufbau einer neuen Gesellschaft, gehe von anderen Bedingungen aus, werde anders rezipiert.“[2]
Es ging also nicht mehr allein um die reine Unterhaltung. Der Dokumentarfilm stellte für viele Filmschaffende jener Zeit eine Botschaft dar, deren Vermittlung im Vordergrund stand.
2. Film der Avantgarde der zwanziger Jahre
Nach der Jahrhundertwende wuchs eine Generation von Künstlern heran, welchen traditionelle Wert- und Kunstvorstellungen nicht wichtig waren. „Auf der Suche nach kunstfernen Materialien und Werkzeugen stießen diese Leute bald auch auf [das Medium Film].“[3] Die neue Bewegung wollte versuchen „das Wesen des modernen Lebens zu erfassen, als dessen Merkmale Bewegung, hektische Betriebsamkeit und technische Perfektion herausgestellt wurden.“[4] Und der Stummfilm erlebte in den zwanziger Jahren gerade seine Blütezeit.
Bereits 1922 produzierte Robert Flaherty den Dokumentarfilm Nanuk, der Eskimo[5]. Schon mit diesem Werk ließ der Dokumentarfilm die Wahrheit hinter sich. So legte Flaherty Wert darauf, dass kein Gewehr im Film vorkommt, obwohl sich die Inuit schon lange an dessen Gebrauch gewöhnt hatten. Die Darsteller waren zwar keine Schauspieler, spielten aber ihre Rolle für den Film. Der Bau des Iglus ohne Dach für Innenaufnahmen war dazu bestimmt, sich dem damaligen Stand der Technik anzupassen. Später wurden Inszenierungen, die dem Zuschauer verheimlicht werden, als unethisch und dem Wesen des Dokumentarfilms widersprechend erachtet.
1931 verkündete dann das „Neue Frankfurt“, dass sich unter der Leitung von Ella Bergmann-Michel und anderen eine Arbeitsgemeinschaft für den unabhängigen Film - Die Liga des unabhängigen Filmes, gegründet habe. Ziel sei es, Filme dokumentarischen Charakters zu zeigen sowie Filme der Avantgarde, die sonst nicht gezeigt würden. Hier kamen unter anderem die Filme Regen[6] und Zuidersee[7] von Joris Ivens zur Aufführung.
Ivens war niederländischer Dokumentarfilmer und überzeugter Kommunist. Dieser hatte Ella Bergmann-Michel mit seinem dokumentarischen Filmwerk stets beeinflusst. Er war der Meinung, dass lediglich der dokumentarische Film bei den eigenen Möglichkeiten bleibe und nicht von anderen Künsten überwuchert werde. Aufgrund seiner billigen Produktion sei er unabhängiger von der Filmindustrie und nicht in Gefahr des Opportunismus. „Er sei wahrhaftiger; er gäbe außerdem produktive Anregungen, mache nicht betäubt wie der Spielfilm; man müsse sich allerdings aktiv zu ihm bekennen“[8]. Ivens interessierte sich zunächst besonders für die Technik des Films und das Experiment. Unter seinen frühesten Filmen sind der zehnminütige poetische Kurzfilm Regen, an dem er über zwei Jahre drehte, und De brug [Die Brücke][9], wohl der Bekannteste. Genau wie Ella Bergmann-Michel war auch er bei einer Redaktion Mitglied, die sich dem Film widmete – der Filmliga. Diese dokumentierte nicht nur die Geschichte der Filmliga, sondern auch die aktuellen Tendenzen der Filmkunst und Anfänge und Wandlungen des Künstlers Ivens. Er wurde als eine wichtige Figur in der internationalen Film-Avantgarde betrachtet.
Neben Ivens wurden auch die Filme von Dziga Vertov aufgeführt und besprochen. Wegen seines experimentellen Schaffens und seiner theoretischen Texte galt er stets als einer der wichtigsten Dokumentarfilmer. Wie andere sowjetische Regisseure bemühte er sich, das Publikum durch das Mittel der Montage zu manipulieren. Sein mit Abstand bekanntester Film war Der Mann mit der Kamera[10], der einerseits das urbane Leben in sowjetischen Großstädten und die Mechanisierung des Lebens glorifiziert, andererseits jedoch den eigenen Entstehungsprozess von der Kameralinse bis zum Schneideraum thematisiert. Bei Vertov finden sich auch Parallelen zu dem von Ella Bergmann-Michel geschätzten John Grierson. Er war der Ansicht, dass das Potenzial des Kinos, das Leben zu beobachten, zu einer neuen Kunstform führen konnte. Genau wie Vertov plädierte er dafür das echte und nicht das konstruierte Leben zu zeigen, d.h. das Unbeobachtete oder Überraschte.
3. Film als Ausdruck der Gesellschaft
Das Thema Stadt nahm einen großen Teil im Filmschaffen der Avantgarde ein. Ella Bergmann-Michel zeigt in ihren Dokumentarfilmen stets das Leben. Im Mittelpunkt stehen dabei immer Alltagsgeschichten in der Großstadt. Während sie in ihrem Film Wo wohnen alte Leute?[11] ihre Begeisterung an neuem Bauen und die Überzeugung fortschrittlicheren Wohnens zeigt, thematisieren die anderen Filme die harte Realität der Arbeitslosigkeit, des Hungerns sowie des beengten Wohnraumes. Bei Vorführungen wurde unter anderem für Hilfsaktionen für Erwerbslose gesammelt.
Die Filmsprache der Kurzfilme dieser Zeit wurde durch Bildschnitt, Kamera-Bewegung, Schnitt und Montage erreicht. Filmische Beispiele, an denen sie sich orientiert haben mag, sind wie schon oben genannt, Der Mann mit der Kamera wie sicherlich auch Walter Ruttmanns Berlin - Die Sinfonie der Großstadt[12]. Mit ihrem teilweise expressionistischen oder verfremdeten Ansatz unterscheiden sich diese Formen jedoch von der späteren Gattung des Dokumentarfilmes. Mit ihrem letzten Film, Die letzte Wahl[13], hielt Ella Bergmann-Michel die Wahlen des Schicksalsjahres 1933 eindrucksvoll fest. Vermutlich ahnte sie, dass nun eine andere Zeitrechnung anbrach, sonst hätte sie die Politik wohl kaum zum Thema ihres Filmes gemacht. Immerhin wurde sie bei den Dreharbeiten zu ihrem Dokumentarfilm kurzzeitig festgenommen.
[...]
[1] Erwerbslose kochen für Erwerbslose. Directed by Ella Bergmann-Michel. Frankfurt 1932.
[2] Stettner, Herbert: Kino in der Stadt. Eine Frankfurter Chronik. Frankfurt 1984. S. 26.
[3] Ditschek, Eduard: Politisches Engagement und Medienexperiment. Theater und Film der russischen und deutschen Avantgarde der zwanziger Jahre. Tübingen 1989. S.10.
[4] Ebd.
[5] Nanuk, der Eskimo. Directed by Robert Flaherty. USA 1922. 78 Min.
[6] Regen [Regen]. Directed by Joris Ivens. Niederlande 1929. 16 Min.
[7] Zuiderzeewerken/Zuiderzee [Zuidersee], in: Wij Bouwen [Wir bauen]. Directed by Joris Ivens. Niederlande 1930. 52 Min.
[8] Stettner (1984). S. 27.
[9] De Brug [Die Brücke]. Directed by Joris Ivens. Niederlande 1928. 16 Min.
[10] Der Mann mit der Kamera. Directed by Dziga Vertov. Russland 1929. 80 Min.
[11] Wo wohnen alte Leute?. Directed by Ella Bergmann-Michel. Frankfurt 1931.
[12] Berlin- die Sinfonie der Großstadt. Directed by Walther Ruttmann. Deutschland 1927. 60 Min.
[13] Ursprünglich: Wahlkampf 1932. Directed by Ella Bergmann-Michel. Deutschland 1932/33.
- Citation du texte
- Sarah Müller (Auteur), 2010, Die filmische Avantgarde der zwanziger Jahre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/200776
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