Menschen mit einer sozialen Phobie leiden unter ausgeprägter und anhaltender Angst vor einer oder mehreren sozialen oder Leistungssituationen, in denen die Person mit unbekannten Personen konfrontiert ist oder von anderen Personen beurteilt werden könnte. Diese psychische Störung führt zu Beeinträchtigungen im alltäglichen Leben, besonders im beruflichen oder sozialen Bereich.
Es ist ein Leichtes sich vorzustellen, dass diese Störung auch auf den Bereich intimer Beziehungen und Partnerschaften einen negativen Einfluss haben muss. Die meisten Studien gibt es hierbei zum negativen Einfluss der sozialen Phobie auf die Sexualität der Betroffenen, der sich oft in Form einer sexuellen Funktionsstörung äussert. Studien zum Einfluss der sozialen Phobie auf andere Aspekte einer Partnerschaft sind nur spärlich vorhanden.
In dieser Arbeit wird zuerst auf die Diagnose, die Verbreitung und auf mögliche Ursachen der sozialen Phobie und der sexuellen Funktionsstörungen eingegangen. Danach werden die Befunde und mögliche Erklärungsmodelle zum Zusammenhang zwischen diesen zwei Störungsbildern aufgezeigt und diskutiert. In einem letzten Teil sollen anhand der Befunde zur Partnersuche und zu Kommunikationsstilen bei sozialphobischen Personen nahe liegende Vermutungen zum Einfluss der sozialen Phobie auf die Partnerschaft geäussert werden.
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
2 BESCHREIBUNG DER SOZIALEN PHOBIE
2.1 Diagnose
2.1.1 Die diagnostischen Kriterien nach DSM-VI
2.1.2 Subtypen
2.2 Epidemiologie
2.2.1 Prävalenz
2.2.2 Soziodemorgaphische Risikofaktoren
2.2.3 Erstauftrittsalter
2.2.4 Komorbidität
2.3 Ätiologie
2.3.1 Zwei ältere kognitive Modelle der achtziger Jahre
2.3.2 Das kognitive Modell von Clark & Wells (1995)
2.3.3 Das kognitiv-behaviorale Modell nach Heimberg et al. (1995)
2.3.3 Neurobiologische Modelle
3 BESCHREIBUNG DER SEXUELLEN FUNKTIONSSTÖRUNGEN
3.1 Verschiedene Formen der sexuellen Funktionsstörungen
3.1.1 Störungen der Appetenzphase
3.1.2 Störungen der Erregungssphase
3.1.3 Störungen der Orgasmusphase
3.1.4 Störungen ausserhalb des Reaktionszyklus
3.2 Epidemiologie
3.3 Ätiologie
3.3.1 Ätiologie der sexuellen Appetenz
3.3.2 Ätiologie der Erektionsstörung
3.3.3 Ätiologie der Orgasmusstörungen
4 STÖRUNG SEXUELLER FUNKTIONEN BEI SOZIALER PHOBIE
4.1 Epidemiologische und deskriptive Befunde
4.2 Ätiologische Modelle
4.2.1 Das kognitive Modell nach Barlow
4.2.2 Neurobiologische Modelle
4.3 Einfluss der Medikation sozialer Phobie auf sexuelle Funktionen
4.3.1 Alprazolam
4.3.2 Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SRI)
4.3.3 Schlussfolgerung
5 PARTNERSCHAFTLICHE PROBLEME BEI SOZIALER PHOBIE
5.1 Partnersuche und Heirat bei sozialer Phobie
5.2 Soziale Phobie und interpersonelle Kommunikationsstile
6 SCHLUSSFOLGERUNG
7 LITERATURVERZEICHNIS
1 Einleitung
Hat nicht jeder Mensch das Bedürfnis nach sozialem Kontakt, Zugehörigkeitsgefühl, den Wunsch zu lieben und geliebt zu werden? Wenn wir unser Verhalten beobachten, scheint es jedenfalls so, als täten wir eine Menge, um sozialen Kontakt zu finden und zu erhalten. Jedoch gibt es Menschen, die gerne soziale Kontakte eingehen würden, aber solche Angst vor Kritik und Zurückweisung haben, dass sie soziale Situationen vermeiden oder nur unter starker Angst durchstehen. Diese Personen leiden an einer sozialen Phobie, einer psychischen Störung aus der Gruppe der Angststörungen. Diese Störung mit dem Hauptmerkmal einer „ausgeprägten und anhaltenden Angst vor einer oder mehreren sozialen oder Leistungssituationen, in denen die Person mit unbekannten Personen konfrontiert ist oder von anderen Personen beurteilt werden könnte“ (APA, 1994, S. 479), führt zu Beeinträchtigungen im alltäglichen Leben, besonders im beruflichen oder sozialen Bereich (APA, 1994; Stein & Kean, 2000). Soziale Aktivitäten und Beziehungen werden eingeschränkt und vermieden, was zu erheblichem Leid führen kann (APA, 1994). Das Bedürfnis nach sozialem Kontakt, Freundschaft und Partnerschaft scheint aus Angst vor negativer Bewertung nicht ausreichend erfüllbar zu sein.
Es ist ein Leichtes sich vorzustellen, welche schwerwiegenden Auswirkungen diese Störung auf die Lebensqualität, speziell im Bereich intimer Beziehungen und Partnerschaften, haben muss (Wittchen & Beloch, 1996; Figueira, 2001). Obwohl eine intime Beziehung durch die soziale Phobie eines Partners wahrscheinlich stark belastet wird, gibt es nur wenige Studien, die darüber berichten. Am meisten wurde zum Zusammenhang zwischen sozialer Phobie und den sexuellen Funkionsstörungen geforscht, da sexuelle Funktionsstörungen im Gegensatz zu anderen Aspekten einer Partnerschaft, wie beispielsweise Zuneigung oder Kommunikationsstil, klar quantifizierbar und messbar sind. So lässt sich beispielsweise die Penisschwellung beim Mann oder die Menge der Vaginalflüssigkeit bei der Frau mit Hilfe objektiver Instrumente bestimmen. Erkenntnisse zu den Folgen der sozialen Phobie auf andere Aspekte einer Beziehung existieren aus den oben erwähnten Gründen noch kaum.
Studien sprechen von einer hohen Komorbidität zwischen sozialer Phobie und sexuellen Funktionsstörungen (Figueira et al., 2001; Ernst et al., 1992; Kaplan, 1988). Die wichtigsten Vorreiter, welche sich mit dem Zusammenhang von sozialer Phobie und sexuellen Funktionsstörungen beschäftigt haben, sind Helene Singer Kaplan und David H. Barlow, wobei Kaplan eher von Seiten der Sexualforschung kommt und Barlow von der Erforschung der Angststörungen. In neuster Zeit sind einige andere Forscher mit wichtigen Erkenntnissen dazugestossen (Figueira et al., 2001; Bodinger et al., 2002; u.a.). Allgemein lässt sich sagen, dass wahrscheinlich auch beim Erforschungsstand dieses Zusammenhangs die soziale Phobie hinter den anderen Angststörungen zurücksteht.
Die Arbeit ist so aufgebaut, dass zuerst ein Überblick über die Störungsbilder der sozialen Phobie und der sexuellen Funktionsstörungen gegeben wird, worauf dann die Erläuterung des Zusammenhangs beider Störungen folgt. Danach werden noch andere Bereiche einer Beziehung angesprochen, welche durch die soziale Phobie beeinträchtigt werden können. Da diese Beziehungsprobleme kein eigenes Störungsbild darstellen und meistens sekundär auf eine psychische oder körperliche Störung folgen, werden diese auch nicht per se erläutert, sondern gerade im Zusammenhang mit der sozialen Phobie vorgestellt.
2 Beschreibung der sozialen Phobie
Früher war die soziale Phobie eine Störung, über die im Vergleich zu anderen Angststörungen nur wenig geforscht und veröffentlicht wurde. Heute scheint die Erforschung der sozialen Phobie jedoch deutlich zugenommen zu haben und erlebt momentan einen wahren Boom. Seit der Veröffentlichung der dritten Auflage des „Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen“ (DSM-III, APA, 1980) existiert eine klare diagnostische Vorstellung, was eine soziale Phobie ist und beinhaltet soll. Die soziale Phobie ist eine weit verbreitete Störung in unserer Gesellschaft und steht nach heutigen Kenntnissen nach der Major Depression und dem Alkoholismus an dritter Stelle (Juster et al., 2000). Dass bisher noch nicht so viele Studien zur sozialen Phobie veröffentlicht wurden, könnte eine Folge der späten Störungsdefinition sein. Da die soziale Phobie erst seit 1980 als unabhängige Störung diagnostiziert werden kann, brauchte es seine Zeit, bis spezifische Kenntnisse zu den verschiedenen Bereichen der Störung vorlagen. Neben den epidemiologischen Befunden gibt es auch verschiedene ätiologische Modelle, die versuchen die Ursachen der sozialen Phobie zu klären.
2.1 Diagnose
Die soziale Phobie, auch Sozialphobie genannt, gehört zu der Gruppe der Angststörungen. „Menschen mit einer sozialen Phobie „...“ leiden unter einer schweren, anhaltenden und irrationalen Furcht vor sozialen und leistungsbezogenen Situationen in denen sie in Verlegenheit geraten könnten.“ (Comer, 1995, S 199). Diese Furcht kann sich auf eine oder mehrere Situationen beziehen.
2.1.1 Die diagnostischen Kriterien nach DSM-VI
Im Jahre 1980 erschien die Sozialphobie erstmals als eigenständiges Störungsbild im Klassifikationssystem DSM-III (APA, 1980). Die diagnostischen Kriterien lehnten sich dabei an das Konzept von Marks & Gelder (1966) an. Dieses beschreibt die Sozialphobie als Angst, die in Situationen auftritt, in denen eine Person im Mittelpunkt steht, während sie bestimmte Tätigkeit ausführt. Dies kann zum Beispiel öffentliches Schreiben, Sprechen oder Essen sein. Die Person verspürt Angst, wenn sie glaubt, sie könnte etwas Peinliches sagen oder tun, sei es auch nur, dass andere ihre Angst bemerken (Juster et al., 2000). Die Situationen bereiten den Betroffenen nur Angst, wenn sie die Tätigkeit in Gegenwart anderer durchführen müssen.
In dem seit 1994 geltenden DSM-IV (APA, 1994) verlangt die Diagnose einer Sozialphobie die in der Tabelle 1 dargestellten Kriterien A-H:
Tabelle 1
Diagnostische Kriterien der Sozialen Phobie nach DSM-IV1
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Andauernde und deutliche Angst vor einer oder mehreren sozialen Situationen, Angst auffällig zu sein, sich lächerlich zu machen.
B. In der gefürchteten Situation tritt fast unvermeidlich Angst auf, die einer Panikattacke ähneln kann.
C. Die Betroffenen erkennen die Angst als übertrieben oder unbegründet.
D. Die gefürchtete Situation wird vermieden oder nur mit starker Angst durchgestanden.
E. Die Angst oder Vermeidung beeinträchtigt die normale Routine, Fähigkeiten, Beziehungen oder soziale Aktivitäten.
F. Bei Betroffenen unter 18 Jahren besteht die Angst seit mindestens 6 Monaten.
G. Keine organische Ursachen für die Ängste.
H. Die Ängste beziehen sich nicht auf Symptome anderer psychischer oder körperlicher Störungen, wie z. B. Essanfälle, Zittern bei Parkinson.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.2 Subtypen
Bei einer sozialen Phobie ohne Zusatzkodierung fürchten die Betroffenen bestimmte leistungsbezogene Situationen wie zum Beispiel die öffentliche Toilette zu benutzen, einen Vortrag vor Leuten zu halten oder in der Öffentlichkeit zu essen (APA, 1994). Personen, bei denen sich die Angst auf fast alle sozialen Situationen bezieht, erhalten nach dem heutigen Diagnosesystem (DSM-IV, APA, 1994) die Zusatzkodierung generalisierter Subtyp. Dieser Typus zieht auch die zusätzliche Diagnose einer Vermeidend-Selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung in Betracht (APA, 1994). Personen mit generalisierter sozialer Phobie fürchten meist sowohl öffentliche Leistungssituationen, wie auch soziale Interaktion. Patienten des generalisierten Subtyps zeigen schwerere Beeinträchtigungen in sozialen und beruflichen Funktionsbereichen und entwickeln häufiger soziale Defizite als Patienten ohne entsprechende Zusatzkodierung (APA, 1994). Furmark (2002) jedoch äussert sich kritisch zur Bestimmung von Subtypen bei soziale Phobie und gibt zu bedenken, dass noch keine Übereinstimmung herrsche, wie die soziale Phobie in Subtypen zu kategorisieren sei. Die Diskussion zu den Subtypen basiere immer noch vorwiegend auf theoretischen Spekulationen. Die soziale Phobie existiere in der Population wahrscheinlich nur als vielfältiges Kontinuum. Aus dieser Perspektive gesehen sei die Aufspaltung in Subtypen rein willkürlich.
2.2 Epidemiologie
Die soziale Phobie ist eine häufige psychische Störung. Trotzdem ist es schwer einheitliche Angaben zum epidemiologischen Bereich zu finden.
2.2.1 Prävalenz
Gerade bei den Angaben zur Prävalenz der Störung sind sich die Studien untereinander nicht einig. Die APA (1994) berichtet beispielsweise von einer Lebenszeitprävalenz von 3-13 Prozent der Bevölkerung, wobei Frauen etwas häufiger als Männer betroffen seien. Furmark (2002) erhält in seiner Metastudie eine Lebenszeitprävalenz von 7-13 Prozent. Das Verhältnis von Frauen zu Männern ist nach Furmark 3 zu 2. Die Lebenszeitprävalenz nach der „National Comorbidity Survey“-Studie mit einer Stichprobe von 8000 Probanden liegt bei 13.3 Prozent. Demnach ist Sozialphobie die dritthäufigste psychische Störung nach der Major Depression und dem Alkoholismus (Kessler et al., 1994). Die 12-Monats-Prävalenz der sozialen Phobie wird auf 8 Prozent geschätzt (APA, 1994; Kessler et al., 1994).
2.2.2 Soziodemorgaphische Risikofaktoren
In den meisten Studien ist der Anteil der Frauen höher und erreicht den ungefähren Anteil von 70-75 Prozent (Furmark, 2002, Kessler et al., 1994). Jedoch gibt es auch Studien, die ein gegensätzliches Resultat aufweisen. Zum Beispiel ist unter Mannuzza et al. (1990) zu lesen, dass sich mehr Männer als Frauen einer Therapie wegen Sozialphobie unterziehen. Gründe für die widersprüchlichen Daten könnten soziokultureller oder geschlechterspezifischer Art sein. So könnten sich deshalb mehr Männer mit Sozialphobie in psychologischer Behandlung befinden, da in vielen Ländern das Bild eines ängstlichen, schüchternen Charakters nicht in das Idealbild eines Mannes passt. Die Männer fühlen sich durch ihre Angst in ihrem idealen, männlichen Selbstbild gestört, leiden darunter und begeben sich in Behandlung. Schüchternheit und Zurückhaltung gehören jedoch durchwegs zum konventionellen Frauenbild vieler Länder. Die Störung wird sowohl von den Frauen selbst, wie auch vom sozialen Umfeld nicht als solche erkannt, wahrgenommen und behandelt (Juster et al., 2000). Da dieser Grund jedoch noch zu wenig untersucht wurde, sind die Überlegungen rein spekulativ.
Es scheint nicht weiter erstaunlich, dass Personen mit der Diagnose Sozialphobie häufiger unverheiratet sind als Personen einer gesunden Kontollgruppe (Furmark, 2002; Bodinger, 2002; APA, 1994). Da viele Menschen mit generalisierter Sozialphobie beispielsweise Angst vor sozialen Ereignissen wie Parties, Gesprächen mit Fremden und Verabredungen haben, sinkt die Wahscheinlichkeit für die betroffene Person einen potentiellen Partner überhaupt kennenzulernen. Und auch wenn eine Interaktion stattfindet, kann die soziale Angst vom Interaktionspartner als negativer und unerwünschter Charakterzug empfunden werden, was zur Folge hat, dass die Person mit Sozialphobie auf den potentiellen Partner nicht mehr attraktiv wirkt. Die Ängste, da geheim gehalten, werden oftmals als Desinteresse, Sturheit oder Überheblichkeit fehlinterpretiert (Marshall, 1994). Die Misserfolge solcher Situationen verstärken die Ängste und lassen die sozialen Ereignisse noch seltener werden. Die Wahrscheinlichkeit einer Beziehung oder Heirat sinkt (Marshall, 1994; Schneier et al., 1992).
Soziodemographische Befunde nach Schneier et al. (1992) lassen zusammenfassend folgendes Bild entstehen. Eine Person mit sozialer Phobie ist typischerweise weiblich, jung, mit niedrigem Bildungsniveau, tiefem sozioökonomischem Status sowie unverheiratet, geschieden oder getrennt.
2.2.3 Erstauftrittsalter
Das Erstauftrittsalter variiert je nach Subtyp. Der Beginn bei nichtgeneralisierter Sozialophobie liegt etwa bei 22,6 Jahren während beim generalisierten Subtyp mit 13 Jahren ein früherer Beginn beobachtet wird (Holt et al., 1992). Das durchschnittliche Erstauftrittsalter liegt mit 15 Jahren im adoleszenten Lebensabschnitt. Es gibt aber auch Personen, die von einem Beginn im frühen Kindesalter berichten (APA, 1994).
Der Umstand, dass der generalisierte Subtyp vor dem sexuell aktiven Lebensabschnitt und die nichtgeneralisierte Sozialphobie erst im sexuell aktiven Alter ihren Anfang nimmt, wirft folgende Frage auf . Sind die sexuellen Funktionsstörungen die Ausprägung einer den sexuellen Problemen vorangehenden generalisierten Sozialphobie, oder sind die sexuellen Probleme vielmehr Auslöser für eine nachfolgende nichtgeneralisierte Sozialphobie bezüglich sexueller Situationen? Die Frage nach diesen subtypenspezifischen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen kann nach dem heutigen Wissensstand noch nicht beantwortet werden.
2.2.4 Komorbidität
Die soziale Phobie liegt zu 69 Prozent komorbid zu anderen Störungen vor (Schneier et al., 1992). Die häufigsten komorbiden Störungen sind andere Angststörungen (spezifische Phobie zu 59%, Agoraphobie zu 45%), Substanzmissbrauch (32%) und Depression (17%) (Schneier et al., 1992). Die Komorbidität sexueller Funktionsstörungen liegt bei 33.3 Prozent (Figueira, 2001).
2.3 Ätiologie
Beim Einblick in die Entstehung der Sozialphobie stehen heute kognitive Ätiologiemodelle im Vordergrund. Ihr wichtigster Inhaltspunkt ist die erhöhte Selbstaufmerksamkeit. In verschiedenen Studien wurde bestätigt, dass sozial ängstliche Personen sich selbst als soziales Objekt überdeutlich bewusst sind und ihrem eigenen Handeln deshalb einen Grossteil der Aufmerksamkeit zuwenden. Sie weisen eine stark auf sich selbst gerichtete Metakognition auf und verfallen in eine übermässige Selbstbeobachtung (Kaplan, 1988; Barlow, 2002).
2.3.1 Zwei ältere kognitive Modelle der achtziger Jahre
Zwei wichtige kognitive Ätiologiemodelle sind das Selbstdarstellungsmodell von Schlenker & Leary (1982) und das Modell der kognitiven Vulnerabilität von Beck und Emery (1985).
Nach dem Modell von Schlenker & Leary entsteht die Angst aus der zunehmenden Polarisierung zwischen der Motivation, einen guten Eindruck zu machen und der eigenen Wahrnehmung mangelnder Selbstwirksamkeit. Dem entsprechend entsteht in einer Situation, in der die Person das Bedürfnis hat gut dazustehen, aber nach eigener Ansicht nicht die Fähigkeiten dazu besitzt, eine Diskrepanz, die bei der Person zur sozialen Angst führt.
Im zweiten Modell vermuten Beck & Emery, dass sich Personen mit sozialer Angst im „Vulnerabilitätsmodus“ befinden, d.h. sie sehen sich vermehrt unkontrollierbaren internen und externen Gefahren ausgesetzt, was zu einem Mangel an Sicherheit führt. Die Personen reagieren äusserst sensibel auf soziale Bedrohung. Als Folge der Verunsicherung fokussieren die Betroffenen auf die eigenen Schwächen und auf frühere Versagen. Kognitive Verzerrungen in Form unlogischer, automatischer und negativer Gedanken verhindern, dass die Person die eigene Selbstwirksamkeit richtig einschätzen und gegenüber der Bedrohung abwägen kann. Zu guter Letzt wird das Unvermögen die Situation zu meistern in Form einer selbsterfüllenden Prophezeiung geradezu heraufbeschworen. Durch die Angst vor einer bestimmten sozialen Situation, verhält sich die ängstliche Person oftmals gerade so, dass sie den in die Situation involvierten Personen in dem von der Angst betroffenen Bereich tatsächlich negativ auffällt. Wenn die Involvierten daraufhin zurückweisend reagieren, wird dies von der betroffenen Person als Bestätigung des eigenen Unvermögens interpretiert. Das Handeln im Vulnerabilitätsmodus wird somit zunehmend verstärkt. Beispielsweise versucht eine sozial ängstliche Person, die sich vor einem ernsten Gespräch mit einem guten Freund oder mit dem Partner fürchtet, der subjektiv wahrgenommenen Gefahr zu entgehen, indem sie während der Kommunikation das Konfliktthema vermeidet, die eigenen Emotionen zurückhält, wenige Erklärungen gibt und dem Gegenüber kaum zuhört, sondern teilweise um so mehr von sich selbst erzählt (Davila & Beck, 2002). Aus diesem Verhalten folgert der Freund oder Partner, er werde nicht ernst genommen, der andere interessiere sich nicht für seine Probleme und stempelt die sozial ängstliche Person als egozentrisch und unsympathisch ab. Das darauf distanzierte Verhalten des Freundes oder Partners verstärkt die Angst und Unsicherheit der betroffenen Person und die Situation erscheint ihr je länger je gefährlicher und unkontrollierbarer.
Ein neueres Modell, welches diese Prozesse wieder aufgreift, stammt von Clark & Wells (1995) und wird im nächsten Abschnitt ausgeführt.
2.3.2 Das kognitive Modell von Clark & Wells (1995)
Das kognitive Modell der sozialen Phobie nach Clark & Wells (1995) lehnt sich stark an die früheren Modelle von Leary & Emery (1985, Kapitel 3.2.1) und Barlow (1988, second edition 2002, Kapitel 4.2.1) an. Abbildung 1 illustriert die Prozesse, die nach Clark & Wells ablaufen, wenn eine Person mit sozialer Phobie eine gefürchtete Situation betritt.
[...]
1 Dies ist eine Zusammenfassung der Diagnosekriterien. Das ausführlichere Original ist im DSM-IV der „American Psychiatric Association“ (1994) auf S. 473-480 nachzulesen.
- Arbeit zitieren
- Andrea Mühleisen (Autor:in), 2003, Soziale Phobie und ihre Auswirkungen auf Sexualität und Partnerschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19999
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