Nach der Demonstration der technischen Überlegenheit Russlands gege nüber
der westlichen Welt mit dem Platzieren des Satelliten Sputnik in der
Erdumlaufbahn sorgte im Verlauf der sechziger Jahre in der Bundesrepublik
Deutschland das Schlagwort ‚Bildungskatastrophe‘ gleichermaßen bei Ökonomen
wie Bildungspolitikern für Unruhe. Unter dem Gesichtspunkt der
internationalen Wettbewerbsfähigkeit und im Hinblick auf Demokratisierung
und Chancengleichheit innerhalb des deutschen Bildungswesens begann
mit der Einrichtung des Deutschen Bildungsrates im Jahre 1965 die
Ära der Bildungsreform. Die Publikation „Bildungsreform als Revision des
Curriculums“ von Saul B. Robinsohn 1967 gilt als Startpunkt der deutschen
Curriculumreformbewegung.1 Herwig Blankertz, als Kopf des Münsteraner
Arbeitskreises für Didaktik, entwickelte im Anschluss an und im Widerspruch
zu Robinsohns Konzept 1971 den sogenannten Strukturgitteransatz,
indem er eine konstruktive Lehrplantheorie forderte und in Form einer didaktischen
Matrix ein Verfahren vorschlug, das sich an den Fachdidaktiken
orientierte.
Um die pädagogischen Grundideen und Überzeugungen von Blankertz, die
sich im Strukturmodell widerspiegeln, zu verdeutlichen, wird im folgenden
Kapitel zunächst auf sein Leben und seine Einstellungen eingegangen, bevor
das Strukturgitter, dessen Aufbau und Entwicklung genau spezifiziert
werden.
1 Vgl. Fischer, A., 2002/2003, S. 1.
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen
Verzeichnis der Tabellen
1 Einleitung
2 Einführung
2.1 Biographie Herwig Blankertz’
2.2 Pädagogische Grundideen
3 Strukturgitteransatz
3.1 Irrwege und Auswege der technologischen Wende der Didaktik
3.2 Konstituierende Merkmale des Strukturgitteransatzes
3.3 Das Strukturgitter nach Groth für das Fach Arbeitslehre
3.4 Das Strukturgitterals Element der curricularen Theorie am Beispiel Arbeitslehre
4 Stand der Strukturgitter-Entwicklung
5 Zusammenfassung
Anhang A
Anhang B
Verzeichnis der verwendeten Literatur
Verzeichnis der Internetrecherche
Verzeichnis der Abbildungen
1 Abbildung 3-1: Bedingungsfaktoren
2 Abbildung 3-2: Lehrplankonstruktion nach Blankertz
Verzeichnis der Tabellen
1 Tabelle 1: Strukturgitter nach Groth für das Fach Arbeitslehre
1 Einleitung
Nach der Demonstration der technischen Überlegenheit Russlands gegenüber der westlichen Welt mit dem Platzieren des Satelliten Sputnik in der Erdumlaufbahn sorgte im Verlauf der sechziger Jahre in der Bundesrepublik Deutschland das Schlagwort ‚Bildungskatastrophe‘ gleichermaßen bei Ökonomen wie Bildungspolitikern für Unruhe. Unter dem Gesichtspunkt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und im Hinblick auf Demokratisierung und Chancengleichheit innerhalb des deutschen Bildungswesens begann mit der Einrichtung des Deutschen Bildungsrates im Jahre 1965 die Ära der Bildungsreform. Die Publikation „Bildungsreform als Revision des Curriculums“ von Saul B. Robinsohn 1967 gilt als Startpunkt der deutschen Curriculumreformbewegung.[1]Herwig Blankertz, als Kopf des Münsteraner Arbeitskreises für Didaktik, entwickelte im Anschluss an und im Widerspruch zu Robinsohns Konzept 1971 den sogenannten Strukturgitteransatz, indem er eine konstruktive Lehrplantheorie forderte und in Form einer didaktischen Matrix ein Verfahren vorschlug, das sich an den Fachdidaktiken orientierte.
Um die pädagogischen Grundideen und Überzeugungen von Blankertz, die sich im Strukturmodell widerspiegeln, zu verdeutlichen, wird im folgenden Kapitel zunächst auf sein Leben und seine Einstellungen eingegangen, bevor das Strukturgitter, dessen Aufbau und Entwicklung genau spezifiziert werden.
2 Einführung
2.1 Biographie Herwig Blankertz‘
Geboren am 22.9.1927 und somit aufgewachsen im Nationalsozialismus, erlag Herwig Blankertz schon als Jugendlicher den Verführungen und Versprechungen eines diktatorischen Systems. Nach der Hitlerjugend und kurzer Zeit als Flakhelfer zog er schließlich 1943 als Soldat an die Front und wurde wenige Monate später kurz vor Kriegsende schwer verwundet und verschüttet. Durch die Erfahrungen des Krieges und das eher zufällige Überleben geprägt, unterstützte er die nach Kriegsende entstandenen demokratischen Institutionen der Bundesrepublik durch sein moralisches, pädagogisches und demokratisches Engagement.
Auf dem Zweiten Bildungsweg arbeitete Herwig Blankertz zunächst als Bauarbeiter, dann zwei Jahre als Arbeiter in der Textilindustrie und später, nach Abschluss der Textilingenieurschule, als Ingenieur. In den fünfziger Jahren absolvierte er sein Studium für Gewerbelehramt in der Fachrichtung Textil und Leder und nach Erreichen der Allgemeinen Hochschulreife promovierte er schließlich 1958 an der Universität Göttingen zum Doktor der Philosophie. Nach der Habilitation in Mannheim und einer Professur für Philosophie in Oldenburg wurde er an der Freien Universität Berlin Professor für Wirtschaftspädagogik. Seit 1969 war Herwig Blankertz Professor für Pädagogik und Philosophie an der Wilhelm- Universität Münster.
Nach Abschluss der beruflichen Ausbildung engagierte sich Blankertz fortan in verschiedenen Institutionen des Bildungswesens. Er wirkte in Gremien an der Entwicklung von Konzepten für die Reform des Bildungswesens durch den Deutschen Ausschuß für Erziehungs- und Bildungswesen und den Deutschen Bildungsrat mit und war an der Einrichtung des Bundesinstituts für Berufsbildung(sforschung) beteiligt. Zudem war er Mitherausgeber der „Zeitschrift für Pädagogik“ und von 1974 bis 1978 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft.[2]
In dieser Zeit entwickelte die Münsteraner Arbeitsgruppe ‚Didaktik’ um Blankertz mit Ewers, Groth, Kaiser, Kell, Kutscha, Lenzen, Menck u.a. das didaktische Strukturgitter. Wenige Jahre später wurde der Ansatz bei der didaktisch-curricularen Strukturierung von Schwerpunkten für die Integrierte Sekundarstufe II angewandt. Es schloss sich die wissenschaftliche Begleitung des Modellversuchs Kollegstufe Nordrhein-Westfalen an.[3]
Neben 277 verfassten Schriften war Herwig Blankertz mit Leib und Seele Lehrer und suchte in zahlreichen Vorlesungen und Seminaren das Gespräch mit seinen Schülern und Mitarbeitern. Am 26.8.1983 verstarb er im Alter von 55 Jahren durch einen Autounfall.[4]
2.2 Pädagogische Grundideen
Ein Wesensmerkmal des Schaffens von Herwig Blankertz ist das Streben nach Demokratisierung der Gesellschaft und Chancengleichheit aller im Bildungssystem. Diese Einstellung spiegelt die Abwehrhaltung gegenüber gegenteiligen Erfahrungen des jungen Blankertz im Nationalsozialismus in Bezug auf die diktatorischen und diskriminierenden Strukturen wider; wahrscheinlich ausgelöst durch die lebensgefährliche Verwundung und Aufarbeitung seiner Jugenderlebnisse nach Kriegsende. Zudem wurde Blankertz durch seinen Lehrvater Erich Weniger, bei dem er in Göttingen promovierte, geprägt. Dessen Wunsch nach Veränderung der Prozedur der Curriculumentwicklung dahingehend, dass eine Demokratisierung der Lehrpläne stattfindet und breite Teile der Bevölkerung auf dessen Entwicklung Einfluss haben, sowie dessen ‚Theorie der Bildungsinhalte‘ beeinflussten die Paradigmen Herwig Blankertz nachhaltig.[5]
Den beruflichen Horizont, vom einfachen Bau- und Textilarbeiter über den Zweiten Bildungsweg zum Professor habilitiert, lässt Blankertz‘ Einstellung zur Verknüpfung von allgemeiner und beruflicher Bildung nachvollziehen. „Die Wahrheit der allgemeinen Bildung ist die berufliche“[6]. Darunter versteht Blankertz nicht eine Trennung der Allgemein- und Berufsbildung, sondern vertritt vielmehr die Meinung, dass die Allgemeinbildung nur im Medium des Berufs zum Abschluss gebracht werden kann und somit das ‚Duale System‘ dahingehend gestärkt werden müsse. Die abstrakten Theorien des allgemeinbildenden Unterrichts sollen Anregungen und Perspektiven für die Arbeit und ein Gegenbild gegenüber berufsqualifizierendem Lernen ‚mit Hand, Kopf und Hand‘ liefern. Die bildungstheoretische Grundidee besteht darin, den Widerspruch von Allgemein- und Berufsbildung endlich konstruktiv aufzuheben.[7]
3 Strukturgitteransatz
3.1 Irrwege und Auswege der technologischen Wende der Didaktik
Durch die Entdeckung des ‚technischen Fortschritts‘ als Erfolgsfaktor des Sozialproduktes, wurde der Bildungssektor Gegenstand wirtschaftswissenschaftlicher Überlegungen. ‚Technischer Fortschritt‘, betrachtet als Ergebnis von Lernprozessen und statistisch fassbar durch steigenden allgemeinen Bildungsstand, wirkungsvollere Berufsausbildung und generell verbesserte Lebensbedingungen, steigerte sowohl die Bereitschaft für Investitionen in Bildung, um das volkswirtschaftliche Wachstum zu optimieren, als auch die Forderung nach globalen Planungsstrategien unter quantitativen Gesichtspunkten. Die Wachstumstheorie führte zu einer Ökonomie des Bildungswesens, der sich die Erziehungswissenschaft nicht entziehen konnte.[8]Zum ersten Mal in der Geschichte des Bildungswesens sollten Entwicklungstendenzen, Anpassungsvorgänge, organisatorische wie inhaltliche Reformen bis ins Detail zu planen, zu berechnen und einer Erfolgskontrolle zu unterziehen sein. Der Druck des aufgekommenen ökonomischen Interesses am Bildungswesen bewirkte eine technologische Wende der Didaktik.
In der Curriculumforschung kollidierte der bisher geltende Bildungsbegriff mit den neuen lern- und informationstheoretischen Tendenzen.
„Denn die nicht- operationalisierbare Individualitätsbildung des Menschen, der der europäischen Bildungstradition gemäß die Anstrengungen der pädagogischen Theorie vorzugsweise gegolten hatten [...], wird irrelevant, wenn ein pädagogisch-technisches Effizienzdenken ausschließlich auf ‚Qualifikation‘ für die Verwendung in ‚Lebenssituationen‘ gerichtet ist.“[9]
Für den Mentor der Curriculumforschung in Deutschland, Saul Benjamin Robinsohn, war die Bildungsökonomie ein Moment des Revisionsinteresses neben anderen, und so erkannte er das Ausmaß des ökonomisch-quantifizierenden Zugriffes auf die Erziehungswissenschaft nicht. Mit seinem ‚Modell zur Curriculumrevision‘ brachte Robinsohn diese in Gefahr, zur Erfüllungsgehilfin des ökonomischen Prozesses zu werden.[10]Weiterhin kritisiert Blankertz, dass der Modellansatz Robinsohns mit der Zielsetzung der Gesamtrevision der Curricula zu komplex sei, um eine Realisierung adäquat durchführen zu können. Sich dieser Problematik bewusst stellte Blankertz nicht den Anspruch der langfristigen Gesamtrevision, sondern der mittelfristigen, fachdidaktisch akzentuierten Curriculumforschung an seinen Strukturgitteransatz.[11]Nur eine Kombination von modernistisch-technokratischer und traditionalistisch-spekulativer Erziehungswissenschaft ist in der Lage, die entstandene Aufgabenlawine zu bewältigen.[12]Der Strukturgitteransatz vereint diese beiden konkurrierenden Tendenzen in einem Konsens, der pädagogisch verantwortbares Handeln trotz traditionalistischem Bildungsdenken ermöglicht.[13]
3.2 Konstituierende Merkmale des Strukturgitteransatzes
Eine Revision des gesamten Lehrgefüges betrachtet Blankertz als irreal und unhistorisch und könne somit nur als Absichtserklärung betrachtet werden. Die Gründe hierfür sind gleichzeitig die konstituierenden Gründe des Strukturgitteransatzes.
Zum einen sprechen methodologische Gründe für die Fachdidaktik, da eine Gesamtrevision Fragen aufwirft, für deren Beantwortung keine befragbare Instanz existiert. Strukturgitter setzen die pädagogischen und politischen Intentionen im Medium von fachspezifischen Sachverhalten in Kriterien um. Dies geschieht durch Gegenüberstellung von grundlegenden Strukturen eines Gegenstandsfeldes und den Mitteln und Ergebnissen der diesbezüglichen Wissenschaft mit erziehungstheoretischer Intention. Die Strukturbestimmung gelingt nur aufgrund von Bedingungsprüfungen, wobei weder die Ökonomie noch die Didaktik in ihren kontroversen Weltauslegungen als Omnipotenz betrachtet wird. Die erziehungswissenschaftliche Leistung von Curriculumforschung besteht in der Freilegung von Strukturen, die Lernen frei von vornherein festgelegten Rahmenbedingungen ermöglicht.[14]
Zum anderen sind es bildungspolitische Gründe, die für Fachdidaktik und damit für Partizipationsorientierung sprechen. Die objektiven Anforderungen des gesellschaftlichen Lebens in der technischen Zivilisation übersteigen die Lernkapazität eines Menschen. Die damit verbundene Individualisierung der Lernprozesse und weitgehende Differenzierung ist eine wenig zurückzunehmende Tendenz geworden. Somit sollte Ausbildung weniger in einem inhaltlich festen curricularen Kanon stattfinden, sondern der Kern des Unterrichtsangebotes sollte ein Schwerpunkt sein, der über allgemeine Lernziele transferfähig gemacht wird. Strukturgitter sind dabei Kriteriensätze, die keine fertigen Curricula liefern, sondern vielmehr als Instrumente fungieren, über die die Beteiligten ihre Interessen am Veränderungsprozess artikulieren und ihre Kompetenz als Stellungnahme einbringen können.[15]
Die Rekonstruktion der Bildungstradition und ihre Auslegung auf die politischen Bedingungen ist im Strukturgitteransatz substantiell und legitimiert diesen erst als einen erziehungswissenschaftlichen.[16]
Die bisherigen Erläuterungen fasst Dieter Lenzen in folgender Definition zusammen:
„Ein fachdidaktisches Strukturgitter ist ein theoretisch begründeter Zusammenhang fachwissenschaftlicher, gesellschaftstheoretischer und subjektbezogener Teilkriterien, mit dessen Hilfe ein schulisches Aufgabenfeld so strukturiert werden kann, daß darin die Ansprüche gesellschaftlicher Interessengruppen und die Bedürfnis- und Interessenlagen der Lerner in einem begründeten Verhältnis zueinander Berücksichtigung finden. Durch die Bestimmung, Kritik und modifizierte Aufnahme der an den Unterricht herangetragenen Ansprüche werden seine Ziele und Inhalte zu legitimieren versucht. Von einer gelungenen Legitimation wird aber erst dann zu sprechen sein, wenn die Zustimmung der Subjekte eingeholt werden konnte, die von dem durch ein didaktisches Strukturgitter geplanten Unterricht betroffen sind, die Lerner, die Lehrer, usw.“[17]
[...]
[1]Vgl. Fischer, A., 2002/2003, S. 1.
[2]Vgl. www.herwig-blankertz-schule.de/Schulinfo/blankkertz.htm.
[3]Vgl. Fischer, A., 2002/2003, S. 2.
[4]Vgl. www.herwig-blankertz-schule.de/Schulinfo/blankertz.htm.
[5]Vgl. Ziechmann, J., 1973, S.19f.
[6]www.herwig-blankertz-schulde.de/schulinfo/blankertz.htm.
[7]ebda.
[8]Vgl. Blankertz, H., 1969, S. 163ff.
[9]Frey, K., 1975, S. 204.
[10]Vgl. Blankertz, H., 1969, S. 165.
[11]Vgl. Blankertz, H., 1971, S. 10.
[12]Vgl. Frey, K., 1975, S. 205.
[13]Vgl. Blankertz, H., 1969, S. 182f.
[14]Vgl. Frey, K., 1975, S.206.
[15]Vgl. Frey, K., 1975, S. 207f.
[16]Vgl. Blankertz, H., 1969, S. 183.
[17]Lenzen, D. , 1975, S. 198.
- Arbeit zitieren
- Lasse Walter (Autor:in), 2003, Strukturgitteransatz nach Blankertz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19983
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.