Mit der Erfindung des elektrischen Lichts ergab sich Anfang des 20. Jahrhunderts für die Künstler die Möglichkeit, sich eines vollkommen neuen Mediums zu bedienen, welches es erlaubte, die reine Lichtfarbe frei im Raum darzustellen. Der Untersuchungschwerpunkt dieser Arbeit richtet sich auf ausgewählte künstliche Lichtinstallationen von James Turrell, der das Medium Licht als einer der ersten Künstler seit den 1960er Jahren ohne sichtbare Anbindung an den Leuchtkörper inszeniert und so immaterielles Licht zum Werkstoff macht. Es erhält dabei in der Wahrnehmung materielle Eigenschaften und doch handelt es sich bei den Werken am Ende nur um Licht, welches nie greifbar, aber dafür um so mehr erlebbar und erfahrbar ist. Turrell distanziert sich somit von einem funktionalen Ansatz des Mediums und nutzt es als autonomes Gestaltungsmittel. Beim erstmaligen Besuch einer Lichtinstallation von James Turrell wird der Besucher dabei oft von einer Abfolge von Wahrnehmungsereignissen konfrontiert, die jeden konventionellen Erfahrungen in der Umwelt, aber auch der Kunstbetrachtung widersprechen. Turrell formuliert diesbezüglich für seine Installationen den Anspruch eines Wahrnehmungserlebnisses für den Betrachter, der so sein eigenes Sehen sehen, die Wahrnehmung wahrnehmen soll - „Sensing sensual“ - und so Kunst statt nur visuell auch psychisch erlebt.
Für die Analyse der Lichtinstallationen erfolgt zunächst eine notwendige Voruntersuchung zu den wesentlichsten Merkmalen des Lichtes und der Wahrnehmung von Farbe und Licht.
Die besondere Fokussierung Turrells auf das Wahrnehmungsempfinden und -erleben des Betrachters soll im Hauptteil der Arbeit
näher untersucht werden. Dabei ist sowohl zu klären, wie etwas als ein Bild oder Raum erscheinen kann, das auf Grund seiner materiellen Beschaffenheit nichts außer Licht ist, als auch welche wahrnehmungspsychologischen Effekte Turrell in seinen Installationen einsetzt. Die Auseinandersetzung erfolgt emplarisch anhand vier übergeordneter künstlicher Lichtinstallationsarten Turrells. Diesen sind konkrete Werkbeispiele zugeordnet, an denen nachgewiesen werden soll, welche Funktion die Wahrnehmungspsychologie in der jeweiligen Werkserie erfüllt und inwieweit dieser Einsatz bewusst durch den Künstler provoziert wird sowie den Betrachter gezielt beeinflusst.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Turrell im Blickpunkt der Forschung
3 Licht und Wahrnehmung
3.1 Licht
3.2 Physiologische Voraussetzungen fur die visuelle Wahrnehmung
3.3 Wahrnehmung von Licht
3.4 Wahrnehmung von Farbe
4 Ausgangspunkte fur Turrells Lichtinstallationen - Untersuchungen im
Ganzfeld und das Mendota Hotel
4.1 Wahrnehmungspsychologische Besonderheiten im Ganzfeld
4.2 Mendota Hotel - Erste Experimente > Mendota Stoppages<
5 Eine Auswahl Turrells kunstlicher Lichtinstallationen und der Einfluss
wahrnehmungspsychologischer Effekte auf den Betrachter
5.1 Ganzfeldinstallationen
5.1.1 Ganzfeld Pieces
5.1.2 Space Division Constructions
5.1.3 Perceptual Cells
5.2 Projizierte Bilder aus Licht - Projection Pieces
5.2.1 Cross Corner Projections
5.2.2 Single Wall Projections
5.3 Shallow Space Constructions
5.4 Dark Spaces
6 Schlussbetrachtung
7 Literaturverzeichnis
8 Abbildungsverzeichnis
9 Anlagen
1 Einleitung
Mit der Erfindung des elektrischen Lichts ergab sich Anfang des 20. Jahrhun- derts fur die Kunstler die Moglichkeit, sich eines vollkommen neuen Mediums zu bedienen, welches es erlaubte, die reine Lichtfarbe frei im Raum dar- zustellen. Der Untersuchungschwerpunkt dieser Arbeit richtet sich auf ausge- wahlte kunstliche Lichtinstallationen von James Turrell, der das Medium Licht als einer der ersten Kunstler seit den 1960er Jahren ohne sichtbare An- bindung an den Leuchtkorper inszeniert und so immaterielles Licht zum Werkstoff macht. Es erhalt dabei in der Wahrnehmung materielle Eigenschaf- ten und doch handelt es sich bei den Werken am Ende nur um Licht, welches nie greifbar, aber dafur um so mehr erlebbar und erfahrbar ist. Turrell distan- ziert sich somit von einem funktionalen Ansatz des Mediums und nutzt es als autonomes Gestaltungsmittel. Beim erstmaligen Besuch einer Lichtinstallati- on von James Turrell wird der Besucher dabei oft von einer Abfolge von Wahrnehmungsereignissen konfrontiert, die jeden konventionellen Erfahrun- gen in der Umwelt, aber auch der Kunstbetrachtung widersprechen. Turrell formuliert diesbezuglich fur seine Installationen den Anspruch eines Wahr- nehmungserlebnisses fur den Betrachter, der so sein eigenes Sehen sehen, die Wahrnehmung wahrnehmen soil - „Sensing sensual"[1]- und so Kunst statt nur visuell auch psychisch erlebt.[2]
Fur die Analyse der Lichtinstallationen erfolgt zunachst eine notwendige Vor- untersuchung zu den wesentlichsten Merkmalen des Lichtes und der Wahrnehmung von Farbe und Licht. Wegen der Bedeutung fur die spatere Untersu- chung schlieEt sich an diese eine kurze Auseinandersetzung der wahrneh- mungspsychologischen Besonderheiten im Ganzfeld und der fruhen Experi- mente Turrells im Mendota Hotel, die beide grundlegend fur seine spateren Installationen sind, an. Die besondere Fokussierung Turrells auf das Wahrneh- mungsempfinden und -erleben des Betrachters soil im Hauptteil der Arbeit naher untersucht werden. Dabei ist sowohl zu klaren, wie etwas als ein Bild oder Raum erscheinen kann, das auf Grund seiner materiellen Beschaffenheit nichts auEer Licht ist, als auch welche wahrnehmungspsychologischen Effek- te Turrell in seinen Installationen einsetzt. Die Auseinandersetzung erfolgt ex- emplarisch anhand vier ubergeordneter kunstlicher Lichtinstallationsarten Turrells. Diesen sind konkrete Werkbeispiele zugeordnet, an denen nachge- wiesen werden soil, welche Funktion die Wahrnehmungspsychologie in der jeweiligen Werkserie erfullt und inwieweit dieser Einsatz bewusst durch den Kunstler provoziert wird sowie den Betrachter gezielt beeinflusst. Die Analyse erfolgt dabei sowohl aus eigenen Erfahrungswerten der Installationen >Twilight Arch< in Frankfurter Museum fur Moderne Kunst und des >Floater 99< im Lichtkunstmuseum Unna, welche den entscheidenden AnstoE fur die- se Arbeit gab, als auch unter zur Hilfenahme ausgewahlter Fachliteratur, de- ren Forschungsstand im folgenden Kapitel dargestellt ist.
Auf Grund der Intention, sich vollkommen in der Analyse der Kunstwerke auf die Wahrnehmung zu konzentrieren, ist eine kurzer Uberblick zu der Bio- grafie Turrells und der Entwicklung der Lichtkunst bis in die 1960er Jahre in der eigentlichen Arbeit ausgespart worden und findet sich als Erganzung in der Anlage.
2 TUrrell im Blickpunkt der Forschung
Die durchaus umfangreich vorhandene Literatur zu Turrell setzt sich vor al- lem aus Katalogbeitragen, Ausstellungsbesprechungen und diversen Aufsat- zen in Fachzeitschriften zusammen. Im Gegensatz dazu sind ausfuhrliche kunstwissenschaftliche Betrachtungen in Anbetracht der Bekanntheit Turrells in relativ geringer Zahl vorhanden.
Grundlage fur das Verstandnis von Turrells Kunst ist bis heute die Monogra- fie von Craig Adcock[3]. Die nur im Englischen vorliegende, bis heute umfas- sendste Monografie zu Leben und Werk zeichnet sich durch akribisch recher- chierte Informationen aus, die mit einer Vielzahl von Installationsbeschrei- bungen den Ausgangspunkt fur jede intensivere Arbeit mit dem Kunstler lie- fert. Auffallig wie bei anderen spateren erfolgten Auseinandersetzungen und diversen Katalogbeitragen ist dabeijedoch die Fokussierung auf das >Rodden Crater< Projekt, welches im Folgenden nicht Bestandteil der Betrachtung sein wird. Den Grund dafur sieht Ulrike Gehring[4]vor allem darin, dass Turrell seine Autoren oft selbst auswahlt und dabei sogar das zu veroffentlichende Bild- material vorgibt[5]Dies konnte die immer sehr auffallige wiederkehrende Aus- einandersetzung mit seinem Lebenswerk in fast samtlichen Katalogbeitragen, welche sich zwar auch auf andere Aspekte seiner Kunst fokussieren, erklaren. Im Gegensatz dazu entwickelt Ulrike Gehring die Monografie Adcocks wei- ter und untersucht differenziert und in Teilen sehr kritisch die “Wirkungsbe- rechtigung” der Installationen Turrells im Kontext der amerikanischen Kunst nach 1945. Zudem erfolgt die Auseinandersetzung auch interdisziplinar, in- dem sie wahrnehmungspsychologische und physikalische Aspekte des Lichts untersucht und die Erkenntnisse in die Auseinandersetzung mit der Kunst Turrells einflieEen lasst und damit einen wissenschaftlichen MaEstab vorgibt. Einen anderen Schwerpunkt setzt Eva Schumann in ihrer kunstphilosophi- schen Untersuchung uber Wahrnehmung und Erscheinung in Bezug auf die Kunst James Turrells und der Philosophie Merleau-Pontys.[6]Fur die Arbeit relevant 1st dabei vor allem der kunstwissenschaftliche zweite Teil der Verof- fentlichung Schurmanns, welcher sich intensiv mit dem Oevre Turrells aus- einandersetzt und einen guten Uberblick uber das Schaffen des Kunstlers lie- fert. Allerdings stehen bei der Autorin wahrnehmungstheoretische Uberlegun- gen im Vordergrund, die interessante Aspekte liefern, sich jedoch im Endef- fekt in der Argumentation auf die Sky Spaces Turells und nicht wie in dieser Arbeit auf die Lichtinstallationen im Innenraum beschranken. Trotz- dem stellen sich diese Erkenntnisse auch fur eine genauere Betrachtung der Innenrauminstallation als hilfreich dar. Wahrnehmungstheoretische Uberle- gungen zu Turrell finden sich auch im zweiten Teil der Dissertation Axel Mullers.[7]Von besonderem Interesse fur diese Arbeit stellt sich dabei dessen Fokussierung auf die Space Division Constructions und andere Innen- rauminstallationen dar; somit liefert er eine gute Erganzung zu Eva Schur- mann. Die Analyse von Michael Schwarz mit James Turrells Installation >Slow Dissolve< setzt sich ebenso mit dem Erfahrungsraum des Betrachters auseinander und bietet zu den wahrnehmungstheoretischen Uberlegungen Mullers und Schurmanns eine zusatzliche Anregung.[8]
Bei den zahlreichen Werkkatalogen soil sich die Aufzahlung auf die fur diese Arbeit relevanten und damit auf jene, welche sich hauptsachlich auf die Lichtinstallationen im Innenraum fokussieren, beschranken. Dabei ist beson- ders der Werkkatalog des Kunstlichtmuseums Unna herauszuheben, deren Ausstellung die Anregung fur diese Arbeit lieferte und zudem ein Essay zur Lichtinstallation >Floater 99< aus dem Jahr 2001, welche in Unna zu besich- tigen ist, umfasst.[9]Das Kunstmuseum Wolfsburg[10]beschaftigt sich in seiner Herausgabe neben der unweigerlichen Erwahnung des >Roden Crater< Pro- jektes ebenso mit den Innenrauminstallationen Turells und bietet neben einer eindrucksvollen Illustration zusatzliche Informationen in etlichen Aufsatzen, welche uber die Ausstellung aus dem Jahre 2009 hinausreichen und zudem die Lichtkunst im Ganzen starker in den Mittelpunkt setzt. Der Werkkatalog zur Schau Light and Space in Frankfurt 2001 ist wie die Ausstellung selbst untypisch.[11]Er beschaftigt sich fast ausschlieElich mit Radierungen Turrells, die sozusagen Vorarbeiten zu seinen eigentlichen Lichtinstallationen bilden, lasst jedoch das Endprodukt auEen vor und gibt damit einen interessanten Einblick in die Arbeitsweise des Kunstlers und seiner Uberlegungen.
Eher zu popularer statt wissenschaftlicher Literatur zu zahlen sind die Uber- blickswerke von Almine Rech[12]und Wolfgang Hausler[13], welche beide einen ersten Einstieg in die Kunst Turrells liefern, jedoch jegliche Tiefe vermissen lassen. Lesenswert ist jedoch das Interview von Almine Rech mit James Tur- rell. In diese Kategorie einordnend bietet zudem Jan Butterfield einen guten Uberblick zu Turrells wesentlichsten Werken und den wichtigsten Protagonis- ten der Lichtkunst allgemein[14]. Herauszuheben ist die wirklich sehr umfang- reiche Bibliografie. Einen ersten Einstieg zur Lichtkunst im Allgemeinen bie- ten vor allem Rene Hirner und Michael Schwarz. Die Herausgabe von Schwarz[15]beschaftigt sich dabei mit den wichtigsten unterschiedlichen Stro- mungen in der Lichtkunst und gibt einen kurzen Abriss uber die Historie. Er- ganzend dazu bietet die Herausgabe von Rene Hirner und Marlene Lauter[16]einen ersten Einstieg uber die Entwicklung des Lichtes als eigenstandiges Medium in der Kunst. Zusatzlich liegt der Fokus auf den unterschiedlichen technischen Moglichkeiten, Kunstlicht zu erzeugen, welche anhand konkreter Werkbeispiele gut erlautert werden. Eine Ausarbeitung hierzu findet sich als Erganzung in der Anlage.
Fur die theoretischen Grundlagen der Wahrnehmung ist vor allem das sehr umfassende Werk von Bruce Goldstein[17]hervorzuheben, welches sich auch fur den Laien in umfassender Weise mit alien wahrnehmungspsychologischen Fragen verstandlich beschaftigt und als Standartwerk auf diesem Gebiet be- zeichnet werden kann. Zusatzlich erwies sich das Werk von Richard L. Gregory[18]zur Psychologie des Sehens und physikalischen Fragen zum Licht als unverzichtbar. Erganzend dazu bieten Norbert Welsch und Claus Liebermann einen umfassenden Einblick zu der Problematik der Farbe und deren Wahr- nehmung.[19]
3 Licht und Wahrnehmung
Sehen erfordert Licht. Es ist verwunderlich, dass diese relativ simpel klingen- de Feststellung lange Zeit nicht erkannt wurde. Erst in den letzten 150 Jahren wurde das Sehen systematisch erforscht und experimentell untersucht. Bevor diese Erkenntnisse im Folgenden naher betrachtet werden konnen, soil erst geklart werden, was Licht ist. Die anschlieftende physiologische Untersu- chung des Sehens beschrankt sich auf die wesentlichsten Vorgange, um eine Grundlage fur die im Anschluss erfolgende Betrachtung zur Wahrnehmung von Licht und Farbe und fur die Untersuchung von Turrells Lichtinstallatio- nen zu schaffen.
3.1 Licht
„Die Natur des Lichts wird wohl nie ein Sterblicher aussprechen; und sollte er es konnen, so wurde er von Niemanden, so wenig wie das Licht, verstanden werden.“[20]
Goethe scheint in dieser Hinsicht wahre hellseherische Fahigkeiten besessen zu haben. Bis heute ist tatsachlich nicht alles ganz geklart und das Phanomen Licht bleibt ein Ratsel, auch wenn es physikaltheoretisch recht gut untersucht ist. Die ersten wissenschaftlichen Diskurse in der Geschichte der Wissen- schaft uber das Licht setzten sich mit einer besonderen Eigenschaft des Lich- tes auseinander, namlich seiner Geschwindigkeit. Eine entscheidende Frage dabei war, ob sich dem Licht eine endliche Geschwindigkeit zuordnen lasst. Der danische Astronom Olaf Rohmer konnte dies anhand seiner Jupitermond- beobachtungen als erster bereits im 17. Jahrhundert beantworten. Er berech- nete die Geschwindigkeit von Licht auf 300900 km/s, was erstaunlich nah an die heutige ermittelte Lichtgeschwindigkeit von 300000 km/s heranreicht.[21]Genau genommen wird dabei diese Geschwindigkeit nur im Vakuum erreicht; in Wasser, Glas oder anderen transparenten Stoffen breitet sich Licht langsa- mer aus und bricht. Diese langsamere Ausweitung des Lichtes ist im Endef- fekt die Ursache, dass Prismen Licht brechen, Linsen Bilder entwerfen und somit der Sehprozess funktioniert. Der Grund, warum Licht jedoch bricht und sich unterschiedlich schnell ausbreitet, war im 18. Jahrhundert umstritten. Be- steht Licht aus Wellen oder Teilchen? - dies war ein erbitterter Streit zwischen den zwei Physikern Sir Issac Newton und Christian Huygens. Huygens glaub- te an die Wellentheorie und erklarte die Brechung des Lichtes durch ein Prisma damit, dass sich dieses durch die Welleneigenschaften langsamer in einem dichteren Medium ausbreite. Newton hingegen war Vertreter der sogenannten Korpuskulartheorie und ging davon aus, dass Licht aus unterschiedlichen Teilchen besteht, welche von der Dichte einer anderen Oberflache mehr ange- zogen werden und es auf Grund dieses Effektes zur Brechung kommt. Heuti- ger Stand der Wissenschaft ist, dass Licht sowohl Eigenschaften von Teilchen als auch von Wellen besitzt.[22]Physikalisch betrachtet kommt es dabei zum Welle-Teilchen-Dualismus.
Um sich im Weiteren nicht auf quantenphysikalischen Wegen zu verirren und Goethe mit seinem Ausspruch zu folgen, soil sich die Ausfuhrung auf die rele- vante Thematik des sichtbaren Lichtes und die Grundlagen fur dessen Wahr- nehmung beschranken. Die Welleneigenschaften sind dabei fur das sichtbare Licht und das Sehen am interessantesten, denn sie sind der Grund, dass wir unterschiedlich Larben wahrnehmen konnen. Wenn Licht durch ein Prisma gebrochen wird, so wird jede Wellenlange[23]abgelenkt. Diese Ablenkung ge- schieht immer in einem leicht veranderten Winkel, sodass der austretende Lichtstrahl aus dem Prisma als Lichtfacher erscheint, der sich aus den ver- schiedenen Spektralfarben zusammensetzt (Abbildung 1). Sir Issac Newton entdeckte, dass sich weiEes Licht beziehungsweise das Licht der Sonne aus den Larben Rot, Orange, Gelb, Grun, Blau und Violett zusammensetzt.[24]Dabei kann jeder Larbe eine unterschiedliche Wellenlange beziehungsweise Lrequenz zugeordnet werden. Die vom Menschen wahrnehmbare Energie in- nerhalb des elektromagnetischen Spektrums, also verkurzt ausgedruckt der gesamten Energie des Lichtes, besitzt Wellenlangen zwischen 400 und 800
Nanometern und stellt damit nur einen winzigen Frequenzbereich des gesam- ten Spektrums dar (Abbildung 2).[25]Die Frequenz der sogenannten elektro- magnetischen Strahlung ist der einzige physikalische Unterschied zwischen Radiowellen, Infrarot, ultraviolettem Licht, Rontgen- beziehungsweise Gam- mastrahlung und unserem sichtbaren Licht. So gesehen ist der Mensch fast blind.[26]Im Gegensatz dazu konnen die Komplexaugen von Insekten zweifels- frei auch im ultravioletten Bereich arbeiten.[27]Obwohl Licht ublicher Weise anhand seiner Wellenlange beschrieben wird, ist eine weitere Eigenschaft des Lichtes wie eingangs erwahnt auch sein Teilchencharakter. Es wird angenom- men, dass Licht aus Energiepartikeln besteht, die im sichtbaren Bereich Pho- tonen genannt werden. Ein Photon stellt dabei die kleinstmoglichste Einheit von Lichtenergie dar[28]und wird fur den Bereich des sichtbaren Lichtes be- nutzt, wahrend Quanten eine allgemeine Bezeichnung fur alle Frequenzen der Strahlung definiert.[29]Mit bloEem Auge kann kein einzelnes Photon gesehen werden; um einen kurzen Lichtblitz wahrzunehmen, sind dementsprechend mehrere, circa funf bis acht Photonen erforderlich.[30]Zusammenfassend sind also die Wellenlange von Licht und die Anzahl der enthaltenen Photonen wichtige Eigenschaften im Bezug auf die Wahrnehmung. Eine letzte Eigenschaft fur das sichtbare Licht in diesem Kontext ist dessen Reflexionsfahig- keit, denn tatsachlich beruht der groEte Teil unserer Wahrnehmungserfahrun- gen auf dieser Eigenschaft, da wir Objekte erst dann sehen, wenn Licht von diesen in unserem Auge reflektiert wird.
3.2 Physiologische Voraussetzungen fur die visuelle Wahrnehmung
Der vorangegangen Absatz beschreibt, dass erst dann Objekte vom Menschen in unserer Umwelt gesehen werden, wenn von diesen Licht in das Auge reflektiert wird. Das Sehen beginnt somit, verkurzt dargestellt, im Auge, da das reflektierte Licht oder auch das direkte Licht durch die Pupille eintritt. Dabei durchquert es die transparente Hornhaut und die Linse. Diese fokussieren eine scharfe Abbildung auf der Netzhaut und das Licht dieser Abbildung wird in elektrische Signale durch visuelle Rezeptoren transformiert. Das Auge ist sozusagen zweigeteilt in ein optisches System an der Vorderseite, bestehend aus Linse und Hornhaut, und der entlang des Augenhintergrundes liegenden Netzhaut, der Retina, die die Rezeptoren fur das Sehen enthalt.[31]Dabei exis- tieren zwei Arten von visuellen Rezeptoren; Stabchen und Zapfchen (Abbildung 3). Die Zapfen arbeiten am besten unter Tageslichtbedingungen und sind uberwiegend fur das Farbsehen zustandig. Im Gegensatz dazu sind die Stabchen hauptsachlich bei geringer Beleuchtung aktiv und fur sich genom- men “farbenblind”.[32]Wenn jene Rezeptoren durch Licht erregt werden, losen diese durch die in ihnen enthaltenen lichtempfindlichen chemischen Verbin- dungen elektrische Signale aus, welche wiederum an die visuellen Gebiete in der GroEhirnrinde, dem Cortex, weitergeleitet werden. Dabei spielen die samtlichen, eben beschriebenen Bestandteile des Auges wichtige Rollen beim Sehen und wirken sich auf den Wahrnehmungsprozess unterschiedlich aus.[33]
3.3 Wahrnehmung von Licht
Die einfachste Sehempfindung ist die Wahrnehmung von Helligkeit, also un- terschiedlichen Lichtabstufungen. Dabei ist diese in der Wahrnehmung nicht nur von der Lichtintensitat, welche in einem Umfeld vorhanden ist, abhan- gig.[34]Im vorangegangen Abschnitt ist beschrieben, dass die Stabchen hauptsachlich innerhalb der Reticula fur die Lichtwahrnehmung verantwortlich sind, nachdem das direkte beziehungsweise reflektierte Licht durch die Pupil- le in das Auge eintritt. Auch Zapfen tragen zur Lichtwahrnehmung bei, aller- dings haben beide unterschiedliche Eigenschaften. Das Stabchensystem ist dabei fur kurzere Langenwellen des Lichtes hoher empfindlich und deswegen fur die Dunkelheit eher geeignet.[35]Der Sehfarbstoff, der fur diesen Effekt in- nerhalb der Stabchen und Zapfen von Bedeutung ist, ist das Sehpigment Rho- dopsin, welches wiederum aus den beiden Proteinen Opsin und Retinal be- steht. Letzteres reagiert auf Licht, indem es die im Licht befindlichen Photo- nen absorbiert. Dadurch wird das Opsin enzymatisch aktiv und ist damit ver- antwortlich fur die Transformation der Lichtenergie in elektrische Energie, die im Gehirn schlieElich weiterverarbeitet wird.[36]Der Vorgang ist somit eine Spaltung des Sehpigmentes Rhodopsin in Retinal und Opsin. Die Wahrneh- mung von Helligkeit hangt dementsprechend von genanntem Sehpigment und dessen Konzentration ab. Die darin beschriebene chemische Reaktion inner- halb des Sehpigments entscheidet zudem, wie schnell sich die Lichtempfind- lichkeit im Dunkeln anpasst, denn Rhodopsin muss nach der chemischen Reaktion wieder neu gebildet werden.[37]Der Vorgang dieser Pigmentregeneration braucht Zeit und wird auch von bestimmten Lichtkunstlern ausgenutzt, indem erst nach dieser Regeneration das Auge wieder in Vollbesitz seiner Sehstarke ist und Helligkeitsabstufungen korrekt wahrnehmen kann.
Zudem unterscheiden sich Stabchen und Zapfen in ihrer Regenerationsge- schwindigkeit. Bei Verdunkelung wird deswegen in den ersten Minuten mit den Zapfchen und nach einer halben Stunde mit Stabchen gesehen, wobei nach dieser halben Stunde Dinge im Dunkeln nochmals genauer erkannt werden konnen. Da zuerst die Zapfchen zum Sehen benutzt werden und diese fur langere Welleneigenschaften empfindlicher sind, erscheinen bei Helligkeit gelbe und rote Farben heller als blaue. 1st jedoch das Auge an Dunkelheit ge- wohnt und kommt dann plotzlich ins Helle, erscheint Blau heller als Rot, da noch die Stabchen benutzt werden, die empfindlicher fur kurze Wellenlangen sind.[38]Der Effekt, dass kurzwellige Farbtone heller erscheinen, gilt zudem bei abnehmender Beleuchtung und ist ein Grund, warum Turrell das blaue Licht fur viele seiner Installationen bevorzugt.[39]
3.4 Wahrnehmung von Farbe
Im Gegensatz zu Licht, das als energetische GroEe anhand seiner Teilchen und Welleneigenschaften messbar ist, bleibt Farbe stets eine subjektive Er- scheinung und stellt keinen unmittelbaren Wert dar. Die subjektive Sinnes- wahrnehmung interpretiert somit die Strahlung verschiedener Wellenlangen. Newton hat gezeigt, dass weiEes Licht aus alien Spektralfarben zusammenge- setzt ist[40]und mit der spateren Entwicklung der Wellentheorie wurde deutlich, dass jede Farbe demzufolge einer bestimmten Frequenz entspricht.[41]In der Farbenlehre nennt man die Farben des Spektrums Spektralfarben oder Licht- farben. Demgegenuber sind die Pigment- oder auch Korperfarben gestellt, die auf Absorption und Reflexion bestimmter Wellenlangen beruhen. Da jedoch die unterschiedlichen Frequenzen des Lichtes, egal ob direkt oder reflektie- rend[42], um ein vielfaches hoher sind als die Impulsfrequenz, die ein Nerv ubertragen kann, stellt sich die Frage, wie diese in unserem Nervensystem anders verarbeitet werden konnen.[43]
Die Young-Helmholtz-Theorie beschaftigt sich mit eben diesem Problem und ist heute weitgehend anerkannt, auch wenn sie nicht alle Phanomene des Farbsehens erklaren kann. Young ging 1801 davon aus, dass es nur sehr weni- ge Farbrezeptoren geben konne und sich diese an der Anzahl gewisser Grund- farben orientiere. Als Grundfarben nahm er Rot, Grun und Violett an, indem er deutlich machte, dass fast die gesamte Farbskala auf diese zuruckgefuhrt werden kann, indem sie gemischt werden. Die Mischung des Lichtes unter- schiedlicher Wellenlangen hat in diesem Zusammenhang nichts mit dem Mi- schen von Farbe beim Malen gemein.
Young, wie alle nach ihm folgenden Wissenschaftler, konzentrierte sich fur die Wahrnehmung auf die Lichtmischung und nahm an, dass bei dieser Mischung, immer wenn Gelb gesehen wird, es keinen speziellen Rezeptortyp fur gelbes Licht gibt, sondern die Empfindung Gelb durch eine kombinierte Akti- vitat von zwei Rezeptortypen, die auf Rot und Grun ansprechen, erfolgt und
Gelb somit gemischt wird.[44]Daraus wurde jene Theorie entwickelt, die be- sagt, „dass es drei farbempfindliche Rezeptortypen gibt, die jeweils auf Rot, Grun oder Blau beziehungsweise Violett reagieren, und alle Farben durch die Mischung der Signale dieser drei Systeme gesehen werden.“[45]. Erst I960 konnte die Existenz derjeweiligen Rezeptortypen, welche sich unterscheiden, indem sie auf bestimmte Wellenlangen des einfallenden Lichtes besser reagieren und damit diesen Frequenzbereich besser absorbieren konnen, als andere, nicht auf Farben spezialisierte Typen nachgewiesen werden. Dabei konnen nur die Zapfen diese Farben als Rezeptortyp verarbeiten, wahrend bei reinem Stabchensehen es nicht moglich ist, irgendwelche Farben zu sehen. Daher stammt auch der Spruch, bei Nacht seien alle Katzen grau.[46]Aus einer Mischung von rotem und grunem Licht entsteht gelbes.[47]Dieses additive Mischverfahren von Licht (Abbildung 4) unterscheidet sich von der Mischweise von Oberflachen, die kein Licht aussenden. Diese Gegenstande erscheinen farbig, leuchten jedoch nicht selber. Im Gegensatz zur Lichtmi- schung, bei der ein Lichtpunkt mit einem anderen uberlagert wird und sich die von der Wand reflektierte Lichtmenge vermehrt beziehungsweise addiert, wird bei der Farbmischung beim Malen zwar eine Farbe hinzugegeben, die reflektierte Lichtmenge jedoch verringert. Malfarben konnen nur Farben “wegnehmen” und es wird das gesehen, was ubrig bleibt, hinzukommt die schon erwahnte Pigmentproblematik. Verstandlicher ist ein Beispiel aus der Natur: So absorbieren grune Blatter alle Farben des Spektrums, mit Ausnah- me von Grun. Dies wird subtraktive Farbmischung genannt; nach diesem Prinzip arbeitet beispielsweise auch die Druckindustrie (Abbildung 5).[48]Neben Young stellte der Physiologe und Arzt Ewald Hering (1834-1918) eine zusatzliche Theorie des Farbensehens auf, die im Gegensatz zur Dreifarben- theorie auf dem menschlichen Farbempfinden beruht. Hering definiert vier Primarfarben Blau, Rot, Grun und Gelb, denn das menschliche Auge nimmt Gelb wie die drei anderen als elementare, einheitliche Farbe wahr und nicht nur als Mischung aus Rot und Grun, obwohl ein entsprechender Zapfen fur Gelb auf der menschlichen Netzhaut fehlt.[49]Diese vier Primarfarben ordnete Hering in Gegenfarbpaaren an, die sich nach dem Farbempfinden generell ge- genseitig ausschlieEen, namlich Rot-Grun und Blau-Gelb. Wie jeder Farb- kreis dabei erkennen lasst, kann Blau entweder ins Rot oder Grun, aber nie- mals ins Gelb ubergehen bzw. Rot entweder ins Gelb oder ins Blau, aber nie- mals ins Grun.[50]Seit 1966 bestatigen neurophysiologische Untersuchungser- gebnisse, dass es tatsachlich statt drei vier grundlegende Farbempfindungen gibt, obwohl dies der Drei-Farben-Theorie widerspricht.[51]Die heute noch gultige Zonentheorie verbindet deswegen diese beiden Ansichten des Farbse- hens miteinander und kommt zu dem Schluss, dass physikalische Farbreize, die auf die Netzhaut treffen, entsprechend der Dreifarbentheorie aufgenom- men und additiv gemischt werden. Dagegen erfolgt ihre neuronale Weiterlei- tung zum Gehirn gemaE der Gegenfarbtheorie.[52]
Es bleibt jedoch festzuhalten, dass das Sehen von Farbe mehr ist, als ein blo- Ees Interpretieren von Wellenlangen und sich mit den beschriebenen Theorien nicht alle Effekte erklaren lassen. So gelingt es nicht, jede Farbe mit Hilfe von Spektralfarben zu mischen, denn weder Braun noch Metallfarben wie Sil- ber und Gold lassen sich dadurch erklaren.[53]Jede einfache Darstellung des Farbsehens ist damit zum Scheitern verurteilt, denn Farben hangen nicht nur von Reizen, Intensitat und Wellenlange ab, sondern auch von Unterschieden in der Intensitat in kleinen Bereichen und ob die Muster als dargestellte Ge- genstande akzeptiert werden. So kommt es zu unterschiedlichen Phanomen wie der Farbkonstanz, bei der trotz groEer Veranderung in der Farbe des Lich- tes die Farbe der Oberflachen von Objekten weitgehend als dieselbe gesehen wird. Ebenso spielt Erwartung und Kenntnis der normalen Farbe bestimmter Gegenstande eine Rolle und so werden Zitronen, Erdbeeren etc. in satteren Farben gesehen, wenn sie als solche erkannt werden. Zudem tendieren die Augen dazu, in der Lichtfarbe WeiE nicht eine besondere Mischung von Farben zu akzeptieren, sondern eher die allgemeine Beleuchtung. So erscheint Scheinwerferlicht auf der LandstraEe weiE, wohingegen es in der Stadt, wo es mit anderen Lichtern verglichen werden kann, eher recht gelb aussieht.[54]Mit dem Standort des Betrachters bei der Wahrnehmung von bestimmten Licht- phanomen spielt auch Turrell. Bei seinen anfanglichen Ganzfeld Pieces arbeitete er dabei mit AuEentageslicht, wobei deren Intensitat und Modulation vom Stand der Sonne und Dichte der Wolkendecke abhingen. Spater zeigt sich das Bemuhen, Lichtprojektzonen konstant zu halten und unabhan- giger vom Tages- beziehungsweise Umgebungslicht zu machen und an des- sen Ende der Entwicklung in dieser Phase die Einsetzung von kunstlichem Licht steht und damit andere Grunde von Veranderungen in der Wahrnehmung in den Fokus rucken. Diese Phanomene im Ganzfeld werden nun im Folgenden genauer betrachtet werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Spektralfarben durch die Lichtbrechung in einem Prisma
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Gesamtspektrum elektromagnetischer Wellen mit hervorgehobenem Frequenz- bereich das vom Menschen wahrnehmbaren Lichtes
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Sehprozess im Auge
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4:additive farbmischung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Subtraktive Farbmischung
4 Ausgangspunkte fur TUrrells Lichtinstallationen - Untersu- chungen im Ganzfeld und das Mendota Hotel
4.1 Wahrnehmungspsychologische Besonderheiten im Ganzfeld
In diesem Kapitel werden die Lichtphanomene im Ganzfeld kurz erlautert und zusammengefasst, da diese ein wesentlicher Bestandteil von Turrells In- stallationen sind und einen Ausgangspunkt dafur darstellen, Licht als Material benutzen zu konnen.
Das Ganzfeld wird als ein homogenes Sehfeld bezeichnet, dessen Grenzen auEerhalb des Gesichtsfeldes liegen. Zusatzlich zu einer fehlenden Begren- zung fur das Auge gehen von einem Ganzfeld auch keine abweichenden Rei- ze auEer Licht und Farbe aus und kann als ein sinnespsychologischer Ausnah- mezustand beschrieben werden. Naturliche Ganzfelder kommen dabei vor al- lem bei groEen Schneefeldern, dichtem Nebel oder bei der nachtlichen Dun- kelheit vor.[55]Wolfgang Metzger war einer der ersten, der dieses Phanomen kunstlich im Labor zu untersuchen begann.[56]Er benutzte als Versuchsanord- nung einen Halbraum, der im Wesentlichen aus einer vier Meter breiten und hohen Wand mit drei zum Beobachter seitlich und von oben geneigten Flu- geln bestand (Abbildung 6). Diese war ganz weiE gestrichen und gleichmaEig von einer Position hinter dem Betrachter ausgeleuchtet. Wurde diese Wand schwach neutral beleuchtet, so stellte sich bei fast alien Betrachtern zunachst das Gefuhl ein, sich in einem Nebel zu befinden, der mit zunehmender Ent- fernung immer dicker wird. Auch wenn manche Beobachter es schwierig fan- den, das Wahrgenommene zu beschreiben, herrschte jedoch bei alien ein raumlicher Eindruck vor.[57]Bei einer Veranderung der Beleuchtungsstarke nahmen die Probanden zusatzlich dies nicht als Varianz der Helligkeit, son- dern als Erweiterung beziehungsweise Verengung des Raumes wahr. Metzger fuhrte dies zu der Behauptung:
„(...) daft die Wahrnehmung einer Oberflache, und zwar einer volligen homogenen Oberflache, das Bestehen objektiver Inhomogenitaten ir- gendwelcher Art voraussetzt (...). Danach ware die Wahrnehmung einer vollig homogenen Flache von der Ausdehnung des Gesichtsfeldes un- moglich.“[58]
Die Gestalttheorie bestatigt Metzgers These, dass eine differenzierte Wahrnehmung nur moglich ist, wenn sich dem Auge Kontraste bieten; deswegen kommt es im homogenen Ganzfeld zu Fehlleistungen und Irritation des Au- ges.[59]Mit der Weiterentwicklung der Raumfahrt zeigte der Blick aus der Raumkapsel ein neues Ganzfeld in ungeahnter Dimension und deswegen wur- den aufbauend auf den Forschungen Metzgers die Untersuchung an dem Pha- nomen des Ganzfeldes ab den 1950er und 1960er Jahren im Zuge um die Vor- herrschaft des Alls intensiviert. Auch das 1968 initiierte Art & Technology Program, an dem sowohl James Turrell als auch Robert Irwing, Dan Flavin uund andere Kunstler teilnahmen, verdankt seiner Entstehung wohl diesem politisch motivierten Hintergrund. Ziel dieses Projektes von der University of California und dem Los Angeles County Museum war dabei eine Kooperation von Kunstlern und Wissenschaftlern, welche ihre jeweilige Kreativitat ein- bringen sollten, um sich der Ganzfeldthematik auf neuen Wegen zu nahern.[60]Dazu entwickelte Turrell in Zusammenarbeit mit Irwing und unter Leitung von Edward Wortz und anderen Wissenschaftlern Testreihen fur die Untersu- chungen wahrnehmungspsychologischer Erfahrungen von Licht und Raum im Zuge des Apollo-Programms.[61]Die Untersuchungen konzentrierten sich dabei auf die Sinnesauswirkungen bei Betrachtungen von Ganzfeldern bei gleich- zeitigem Verlust von raumlichen und visuellen Reizen. Im Gegensatz zu Metzgers Experiment nutzten die Wissenschaftler dabei schalldichte Kabinen, sogenannte anechoic chambers. Die halbkugelformigen Kabinen aus translu- zentem Plexiglas waren im Durchmesser 150 cm groE und wurden von auEen beleuchtet, damit innen ein gleichmaEig weiEes Licht ausgebildet wird. Die- ser Prototyp bildete den Ausgangspunkt fur alle spater von Turrell in die Kunst ubertragenen Ganzfelder.[62]
Die wesentlichen Wahrnehmungsphanomene, die Turrell auf Grund dieser Mitarbeit fur seine Kunst bis heute nutzt, sollen an dieser Stelle bezuglich der Farbadaption und Helligkeitswahrnehmung im Ganzfeld erlautert werden. Farbadaption bezeichnet nichts anderes eine Anpassung des Auges an be- stimmte Umwelteinflusse. Im Ganzfeld bedeutet dies einen Farbverlust bezie- hungsweise den Eindruck, dass bei fortwahrender Dauer des Betrachtens die Intensitat einer Farbe abnimmt und diese mehr und mehr graulich erscheint. Fur den Betrachter einer Ganzfeldinstallation bedeutet dies, dass er unbe- wusst dieser Farbverblassung durch zusatzliche Fokussierung seiner Augen entgegenwirkt. Dadurch verdichtet sich im Zentrum eine kreisformige Kon- zentration der jeweiligen Farbe, wahrend sich die Rander entfarben, verblas- sen und zunehmend grau erscheinen bis dahin, dass die gesamte Installation letztendlich von einem graulichen Schimmer uberlagert wird.[63]Begrundet wird dies damit, dass die Rezeptoren durch zusatzliche Augenbewegungen im Ganzfeld nicht neu erregt werden konnen; demzufolge geht ihre Erregung auf die Grundrate zuruck, sodass keine strukturierte Wahrnehmung mehr auftre- ten kann, auEer letztendlich das Eigengrau der Augen.[64]Neben dieser Beson- derheit der Farbwahrnehmung hat die erlebte Intensitat im Ganzfeld auch Auswirkungen auf die Helligkeitswahrnehmung und indirekt damit auf das raumliche Empfinden. Metzger beschreibt diese Effekte folgendermaEen:
„ (...) das Ganzfeld erscheint bei schwacher Beleuchtung (...) in einer Art Flachenfarbe. . ..wenn das Feld allmahlich verdunkelt wird, verwan- delt sich die Wand dann in einen gleichmaEig gekrummten Hohlraum, der den Beobachter von alien Seiten umgibt. (...) Bei fortgesetztem Aufenthalt ... wird die flachige Begrenzung des Hohlraumes aus einer elastischen Masse zu einer Nebelmasse. (...) Die Auflosung der Wand des Hohlraumes kann noch weiter gehen, derart, daE der Raum uber- haupt keine bestimmte Weite mehr hat.“[65]Dies bedeutet, dass ein Ganzfeld bei verminderter Lichtintensitat am raum- lichsten bzw. bei starkerer oberflachig wirkt und zudem optisch zurucktritt.
"Hiermit versichere ich, Clemens Hoffmann, die vorliegende Arbeit selbst- standig und nur mit den angegebenen Hilfsmitteln angefertigt zu haben sowie alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken entnom- men sind, durch die Angabe der Quellen als Entlehnung kenntlich gemacht zu haben.
Dresden, 01.04.2012
Clemens Hoffmann
[...]
[1]Zitat: James Turrell, in Turske & Turske: James Turrell. Long Green, Zurich, 1990, S. 10.
[2]Vgl.: ebd., S. 10.
[3]Adcock, Craig: James Turrell. The art of light and space, Berkley, Los Angeles, Oxfort, 1990.
[4]Gehring, Ulrike: Bilder aus Licht. James Turrell im Kontext der amerikanischen Kunst nach 1945. Heidelberg, 2006.
[5]Vgl.: ebd., S. 19.
[6]Schurmann, Eva: Erscheinen und Wahrnehmen. Eine vergleichende Studie zur Kunst von James Turrell und der Philosophie Merleau-Pontys. Munchen, 2000.
[7]Muller, Axel: Die ikonische Differenz. Das Kunstwerk als Augenblick. Munchen, 1997.
[8]Schwarz, Michael: James Turrell / Slow Dissolve. Immaterielle Bilder im Erfahrungsraum des Betrachters, Hannover, 2002.
[9]Zentrum fur internationale Lichtkunst Unna: James Turrell: Geometrie des Lichts, Unna, 2009.
[10]Kunstmuseum Wolfsburg: James Turrell. The Wolfsburg Project, Ostfildern, 2009.
[11]Museum fur Moderne Kunst Frankfurt am Main: James Turrell: Light ans Space, Frankfurt am Main, 2001.
[12]Hausler, Wolfgang (Hg.): James Turrell. Lighting a Planet, Ostfildern-Ruit, 2000.
[13]Rech, Almine: Rencontres 9, James Turrell, Paris, 2005.
[14]Butterfield, Jan: The art of light + space, New York, 1993.
[15]Schwarz, Michael (Hg.): Licht und Raum. Elektrisches Licht in der Kunst des 20. Jahr- hunderts, Koln, 1999.
[16]Hirner, Rene (Hg.); Lauter, Marlene(Hg.): FarbLicht. Kunst unter Strom, Ostfildern-Ruit, 1999.
[17]Goldstein, Bruce: Wahrnehmungspsychologie. Der Grundkurs, hg. Von Hans Irtel, Heidelberg, 20087.
[18]Gregory, Richard L.: Auge und Gehirn. Psychologie des Sehens, Hamburg, 2001.
[19]Welsch, Norbert; Liebermann, Claus: Farben. Natur, Technik, Kunst, Heidelberg, 2007.
[20]Zitat: von Goethe, Johann Wolfgang, in: von Goethe, Johann Wolfgang; von Reinhard, Karl: Briefwechsel zwischen Goethe und Reinhard in den Jahren 1807 bis 1832, Stuttgart, 1850, S. 93.
[21]Vgl.: Gregory: Auge und Gehim, S. 32.
[22]Vgl.: Gregory: Auge und Gehim, S. 34.
[23]Da in einem Medium eine konstante Ausbreitungsgeschwindigkeit vorliegt, kann auf Grund dieser Kenntnis die Wellenlange in eine Frequenz umrechnet werden.
[24]Vgl.: ebd., S. 35.
[25]Vgl.: Goldstein: Wahrnehmungspsychologie7, S. 31.
[26]Vgl.: Gregory: Auge und Gehim, S. 35.
[27]Vgl.: ebd., S. 37.
[28]Vgl.: Goldstein: Wahrnehmungspsychologie7, S. 31.
[29]Vgl.: Gregory: Auge und Gehim, S. 38.
[30]Vgl.: ebd.
[31]Vgl.: Goldstein: Wahrnehmungspsychologie7, S. 31. Zur Entdeckung des optischen Systems siehe Gregory: Auge und Gehirn, S. 50 - 54, der einen anschaulichen Uberblick lie- fert und den letztendlichen Beweis durch die Entdeckung der camera obscura durch Da- niele Barbaro einleuchtend beschreibt.
[32]Vgl.: Gregory: Auge und Gehirn, S. 74 ff.
[33]Vgl.: Goldstein: Wahrnehmungspsychologie7, S. 31
[34]Vgl.: Gregory: Auge und Gehirn, S. 113.
[35]Vgl.: ebd.
[36]Vgl.: Goldstein, Bruce: Wahrnehmungspsychologie. Eine Einfuhrung. Hg. Von Manfred Ritter, Heidelberg, 19964, S. 44.
[37]Vgl.: ebd.
[38]Vgl.: ebd., S. 67.
[39]Vgl.: Gehring: Bilder aus Licht, S. 36.
[40]Siehe Kapitel 2.1.
[41]Vgl.: Goldstein: Wahrnehmungspsychologie4, S. 128.
[42]Vgl.: Welsch, Liebermann: Farben. S. 233.
[43]Vgl.: Gregory: Auge und Gehirn, S. 158.
[44]Vgl.: Gregory: Auge und Gehirn, S. 159.
[45]Zitat: Gregory: Auge und Gehirn, S. 160.
[46]Vgl.: Welsch, Liebermann: Farben. S. 241.
[47]Vgl.: ebd. S. 227.
[48]Vgl.: Gregory: Auge und Gehirn, S. 161.
[49]Vgl.: Welsch, Liebermann: Farben. S. 227.
[50]Vgl.: ebd., S. 228.
[51]Vgl.: Goldstein: Wahrnehmungspsychologie4, S. 136.
[52]Vgl.: Welsch, Liebermann: Farben. S. 228.
[53]Vgl.: Gregory: Auge und Gehirn, S. 166.
[54]Vgl.: Gregory: Auge und Gehirn, S. 167 f.
[55]Vgl.: Gehring: Bilderaus Licht, S. 36.
[56]Wolfgang Metzgers Studie ist bis heute maKgebend fur die psychologischen Belange der Genzfeldwahmehmung. Vgl.: Metzger, Wolfgang: Optische Untersuchungen am Ganzfeld, in: Psychologische Forschung 13, 1930, S. 6-29.
[57]Vgl.: Guski, Rainer: Wahmehmen - ein Lehrbuch, 1996, Stuttgart, S. 135.
[58]Zitat: Metzger: Optische Untersuchungen am Ganzfeld, S. 8.
[59]Vgl.: Gehring: Bilderaus Licht, S. 39.
[60]Vgl.: Adcock: James Turrell, S. 61.
[61]Vgl.: ebd., S. 65.
[62]Vgl.: Gehring: Bilderaus Licht, S. 37.
[63]Vgl.: ebd., S. 40 f.
[64]Vgl.: Guski: Wahmehmen, S. 136.
[65]Zitat: Metzger: Optische Untersuchungen am Ganzfeld, S. 8 f.
- Quote paper
- Clemens Hoffmann (Author), 2012, Das Wahrnehmen der Wahrnehmung - Eine Untersuchung von James Turrells Lichtinstallationen und ihrer Wirkung auf den Betrachter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198966
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