[...]
Daraufhin wurde Sulla (mittels des von Valerius Flaccus in die Volksversammlung eingebrachten
Lex Valeria de Sulla dictatore creando) zum Zwecke des Erlasses von Gesetzen und der Neuordnung
des Staatswesen („legibus scribundis et rei publicae constituendae“5) auf unbegrenzte Zeit
zum Diktator ernannt.6
Eben jene Gesetze der Jahre 81 bis 79 v. Chr.7, mit deren Hilfe Sulla das Gesicht der res publica
nachhaltig verändert, sind Gegenstand der vorliegenden Hausarbeit. Sie verfolgt das Ziel, die einzelnen
Reformvorhaben anhand der Quellenlage zu rekonstruieren, ihre Wirkung auf den römischen
Staat und seine Verfassung aufzuzeigen und über mögliche Motive Sullas Aufschluß zu
geben. Die einzelnen Passagen der Arbeit stehen zudem unter der übergeordneten Fragestellung
nach der Art der sullanischen Reformen: Konkret geht es dabei um die Frage, ob diese einen eher
restaurativen Charakter trugen, d.h. ob sie auf eine Wiederherstellung des alten Zustandes der
nahezu uneingeschränkten Oberherrschaft des Senates und auf eine Negation der Emanzipation
der anderen Schichten zielten, oder ob Sulla vielmehr versuchte, den Staat und seine Verfassung durch ‚echte‘ Reformen auf seine Prinzipien zurückzuführen und gleichzeitig an die neuen Gegebenheiten
seiner Zeit anzupassen. [...]
5 Letzner, Sulla, S. 247 und Theodora Hantos: Res Publica Constituta. Die Verfassung des Diktators Sulla. Stuttgart Wiesbaden 1988
(Hermes Einzelschriften, Heft 50), S. 69 jeweils mit Verweis auf den griechischen Urtext bei App. b.c. 1,99,462. Ein Abdruck des Textes
findet sich bei Hantos, Res Publica, S. 69. Eine Diskussion um die Überlieferung der zweigliedrigen Formel, die so nur bei Appian zu
finden ist findet sich jeweils bei Letzner, Sulla ebd. und bei Hantos, Res Publica, ebd. Die im obigen Text verwendete deutsche Übersetzung
bezieht sich auf die Appian Ausgabe von Otto Veh (Literaturangaben im Anhang).
6 Vgl. zu diesem Kontext Letzner, Sulla, S. 246-250; Hantos, Res Publica, S.69; weitere Aussagen finden sich bei Vell. 2,28; Plut. Sulla,
33; Cic. ad Att. 9,15,2 und 8,1,2; Cic. de Har. Resp. 25,54; Liv. Ep. 89; Cic. Leg. Agr. 3,2,5; Cic. Leg. 1,15; (Alle in: A. H. J. Greenidge
und A. M. Clay, A. M. (Hrsg.): Sources for Roman History. 133-70 B.C. Oxford 2. korr. Nachdruck der 2. durchges. Aufl. 1961, S. 203f.).
7 Die in der Zeit von Sullas Diktatur (81-79 v. Chr.) auf der Grundlage des Lex Valeria de Sulla dictatore creando entstanden sind.
Inhaltsverzeichnis
2 Vorbemerkungen
3 Sullas Reform der res publica auf der Grundlage der Lex Valeria de Sulla dictature
3.1 Die Reform der Magistratur
3.1.1 Der cursus honorum unter den Bedingungen der lex Cornelia de magistratibus
3.1.2 Die Reform des Volkstribunates: das lex Cornelia de tribunicia potestate
3.1.3 Die Neuorganisation der staatlichen Verwaltung und die Erweiterung des Magistrates
3.2 Die Reform des Senates
3.3 Die Justizreform
3.4 Gesellschaftspolitik: Sittengesetze und Versorgung der Veteranen
3.5 Die Neuordnung der religiösen Angelegenheiten durch die lex Cornelia de sacerdotiis 13
4 Resümee
5 Quellen- und Literaturverzeichnis
5.1 Quellen
5.2 Literatur
2 Vorbemerkungen
Nachdem Lucius Cornelius Sulla im Jahre 82 vor Christus durch die Einnahme Roms und den Sieg über die belagerte Stadt Praeneste den römischen Bürgerkrieg zu seinen Gunsten entschieden, erste Anordnungen zur Absicherung seiner Macht getroffen und die erste Welle politischer Säuberungen (die Proskriptionen) in Gang gesetzt hatte[1], „entfernte sich Sulla“, wie es uns von Appian berichtet wird, „unbemerkt aus der Stadt und gab dem Senat Weisung einen sog. Interrex[2] zu wählen.“ [3] Nachdem jedoch die Senatoren aus Ihren Reihen den princeps senatus (L.) Valerius Flaccus zum Interrex gewählt hatten, erteilte Sulla diesem „schriftlich den Befehl“, so Appian weiter, „dem Volke als seine Ansicht vorzutragen, daß nach Auffassung Sullas es Augenblicklich im besonderen Interesse der Stadt läge, das Amt der sog. Diktatur zu erneuern (...). Wen sie aber wählten, der solle (...) das Amt nicht nur für eine bestimmte Zeit, sondern so lange bekleiden, bis er Stadt, Italien und das gesamte Reich (...) wieder auf die Füße gestellt habe.“[4]
Daraufhin wurde Sulla (mittels des von Valerius Flaccus in die Volksversammlung eingebrachten Lex Valeria de Sulla dictatore creando) zum Zwecke des Erlasses von Gesetzen und der Neuordnung des Staatswesen („ legibus scribundis et rei publicae constituendae “ [5] ) auf unbegrenzte Zeit zum Diktator ernannt.[6]
Eben jene Gesetze der Jahre 81 bis 79 v. Chr.[7], mit deren Hilfe Sulla das Gesicht der res publica nachhaltig verändert, sind Gegenstand der vorliegenden Hausarbeit. Sie verfolgt das Ziel, die einzelnen Reformvorhaben anhand der Quellenlage zu rekonstruieren, ihre Wirkung auf den römischen Staat und seine Verfassung aufzuzeigen und über mögliche Motive Sullas Aufschluß zu geben. Die einzelnen Passagen der Arbeit stehen zudem unter der übergeordneten Fragestellung nach der Art der sullanischen Reformen: Konkret geht es dabei um die Frage, ob diese einen eher restaurativen Charakter trugen, d.h. ob sie auf eine Wiederherstellung des alten Zustandes der nahezu uneingeschränkten Oberherrschaft des Senates und auf eine Negation der Emanzipation der anderen Schichten zielten, oder ob Sulla vielmehr versuchte, den Staat und seine Verfassung durch ‚echte‘ Reformen auf seine Prinzipien zurückzuführen und gleichzeitig an die neuen Gegebenheiten seiner Zeit anzupassen. Daneben gilt es, ein eventuell den Reformen zu Grunde liegendes Gesamtkonzept Sullas zu ergründen.
Zu diesem Zwecke werden im Hauptteil der Arbeit die einzelnen Politikfelder nacheinander schematisch (Rekonstruktion der Fakten, Auswirkungen der Reform, Motive Sullas) bearbeitet und im Schlußkapitel der Arbeit ein Fazit gezogen. Dort wird auch die Frage nach einer Gesamtkonzeption Sullas beantwortet werden.
Auf eine weitergehende historische Einleitung wurde bewußt verzichtet, da diese zum Verständnis der Materie nicht unbedingt erforderlich scheint und den Umfang der Arbeit nur unnötig erweitert hätte. Der Arbeit selbst liegt eine umfangreichere Sammlung von Quellen im Original, in Übersetzungen und in der Form der Quellensammlung von Greenidge/Clay sowie einige historische Arbeiten neueren Datums über Sulla und sein gesetzgeberisches Wirken zugrunde. Auf eine Bearbeitung ‚älterer‘ Standardautoren (z.B. Mommsen u.a.) wurde bewußt verzichtet, da deren Erkenntnisse Eingang in alle Werke modernerer Autoren gefunden haben und dort eingehend und erschöpfend diskutiert worden sind.
3 Sullas Reform der res publica auf der Grundlage der Lex Valeria de Sulla dictature
3.1 Die Reform der Magistratur
3.1.1 Der cursus honorum unter den Bedingungen der lex Cornelia de magistratibus
Appian berichtet von Sulla, daß dieser die römische Ämterlaufbahn, den cursus honorum, „um an der Form der väterlichen Verfassung anzuknüpfen“[8] entsprechend der alten Vorbilder reorganisiert habe: Die ursprüngliche Ämterreihenfolge Quaestor, Praetor und Konsul sei verbindlich wiedereingeführt worden, die neuerliche Bekleidung (Iteration) ein und desselben Amtes sei erst wieder binnen 10-Jahres-Frist möglich gewesen.[9] Sulla knüpfte mit seiner lex Cornelia de magistratibus an die lex Villia annalis des Jahres 180 v. Chr. (ein Gesetz des Volkstribunen Lucius Villius)[10] an, das den römischen cursus honorum in allen Details regelte.[11] Zudem wird in der Forschungsliteratur übereinstimmend festgehalten, daß Sulla ferner eine zweijährige Pause zwischen den jeweiligen Karrierepositionen verfügt und (analog zu den Regelungen der lex Villia annalis)[12] ein jeweiliges Mindestalter für die Bekleidung der Magistraturen festgelegt habe:[13] 30 Jahre für die Quaestur, 37 Jahre für die kurulische Ädilität, 40 Jahre für die Praetur, 43 Jahre für das Konsulat.[14]
3.1.2 Die Reform des Volkstribunates: das lex Cornelia de tribunicia potestate
Beschränkten sich die Reformen der lex Cornelia de magistratibus noch weitgehend auf die Wiederherstellung (der an sich immer noch gültigen) alten Ordnung, griffen vor allem die Reformen des lex Cornelia de tribunicia potestate tief in die Struktur der römischen res publica ein: Sulla habe das Volkstribunat, so Appian, „in seinen Befugnissen bis fast zur Auflösung geschwächt“[15]:
„(...) Nach einem Gesetz durfte ein Volkstribun kein weiteres Amt mehr führen, und so kam es, daß alle, die auf Ansehen und Herkunft Wert legten, künftighin diese Stellung mieden.“[16]
Dieser Feststellung pflichtet Caesar bei: „Sulla habe die Volkstribunen in jeglicher Hinsicht entmachtet“[17]. Da das Volkstribunat mit Blick auf die persönliche Karriere nunmehr eine Sackgasse für jeden römischen Beamten darstellte und das Amt somit an Attraktivität verloren hatte, werden diese Feststellungen Appians und Caesars sicherlich nicht untertrieben sein. Jedoch ließ es Sulla nicht bei dieser empfindlichen Schwächung des Volkstribunates bewenden. Er habe, so berichtet es Appian an anderer Stelle weiter, bewirkt, daß entsprechend der alten se- natus auctoritas „(...) künftighin keine Angelegenheit mehr vor das Volk gebracht werden dürfe, die nicht zuvor vom Senat beraten worden sei (...)“[18]. Da die Tribunen fortan in Bezug auf Ihre Gesetzgebunskompetenz vom Wohlwollen des Senates abhingen, beraubte diese Maßnahme den Tribunen faktisch der Möglichkeit und desRechtes einer eigenständigen Gesetzgebung und damit einhergehend auch die Möglichkeit mit Hilfe der tribunicia potestas die Interessen der Plebejer wirkungsvoll gegenüber dem Senat und den Patriziern zu vertreten. Livius führt sogar in einer (inzwischen umstrittenen Textstelle) aus, daß Sulla den Volkstribunen „jegliches Recht zur Gesetzgebung“ („omne ius legum ferendarum ademit“)[19] genommen habe. Unumstritten ist hingegen der Umstand, daß Sulla den Tribunen zumindest das ius auxilii ferendi, den inneren Kern des Veto[12] Vgl. Hantos, Res Publica, S. 40.; ferner: Wolfram Letzner, Sulla, S. 277 [Fußnote 21]. rechtes der Volkstribunen, das es Ihnen ermöglichte, in Einzelfällen römische Bürger gegen staatliche Übergriffe und Willkür zu beschützen, beließ, ihnen jedoch das allgemeine Intercessionsrecht gegen senatorische Gesetzbeschlüsse und Gerichtsbeschlüsse nahm. [20]
Während uns Appian überliefert, daß Sulla bei der Neuregelung des cursus honorum das Ziel verfolgte „an die Form der väterlichen Verfassung anzuknüpfen“[21], geben andere zeitnahe Quellen leider keinerlei Auskunft über die Motivation und die Hintergründe, die Sulla zu der radikalen Umgestaltung des Volkstribunates bewegten. Allerdings läßt sich die klare Tendenz erkennen, daß Sulla das Tribunat (und damit die Partei der Popularen) bewußt zugunsten des Senates (und der Partei der Optimaten) schwächte, weil er in diesem den Kern allen Übels sah. Hier manifestierte sich in den Augen von Sulla und seinen Parteigängern wohl die Herrschaft des Pöbels über die Vernunft, welche oftmals von „umstürzlerischen“[22] „Volksaufwieglern“[23] gelenkt wurde. Indem er den Senat wieder zur zentralen Institution erhob und die Doppelgleisigkeit des popularen und des optimatischen Weges beendete, rekonstruierte Sulla seine Vorstellungen von der Verfassung der Vorväter. Außerdem haben sicherlich die Ereignisse des Jahres 88 v. Chr., als der Volkstribun P. Sulpicius Rufus unter Einsatz von Gewalt und Straßenterror Sulla per Volksbeschluß das Imperium entzogen hatte und die damit verbundene Demütigung Sullas, die er als Einschränkung seiner dignitas empfunden haben muß, Eingang in Sullas Gedächtnis gefunden.[24]
3.1.3 Die Neuorganisation der staatlichen Verwaltung und die Erweiterung des Magistrates
Parallel zur Reform des cursus honorum befaßte sich Sulla mit der Reform der staatlichen Verwaltung. Im Gegensatz zur Reform der Ämterlaufbahn und des Volkstribunates, die primär restaurativen Charakters war, beschritt Sulla mit dem lex Cornelia de provinciis ornandis (und einer Reihe weiterer Gesetze)[25] neue Wege. Neben der Gründung einer neuen Provinz, der Provinz Gallia Cisalpina bzw. Gallia Transpadana im Jahre 80 oder 81 v. Chr.,[26] bestand der Kern der Reform der Provinzialverwaltung aus der Bestimmung, daß „sowohl die Consulen als auch die Praetoren ihr eigentliches Amtsjahr in Rom selbst verbringen mußten“[27] und nach Ablauf Ihrer regulären Legislaturperiode - also pro magistratu - automatisch mit einem Amt als Provinzstatthalter betraut wur den.[28] Durch diese Maßnahme wurde sichergestellt, daß die jeweiligen Amtsinhaber einerseits dem römischen Staat für die Erfüllung ihrer Aufgaben[29] uneingeschränkt zur Verfügung standen und daß andererseits die gängige Praxis der Vergabe von außerordentlichen Imperien und die Verlängerung der Provinzstatthalterschaften um ein oder zwei Jahre beendet wurde.[30] Um für die Verwaltung der Provinzen ein ausreichendes Personalreservoir zu Verfügung zu stellen - für nunmehr zehn Provinzen standen nur sechs Praetoren und zwei Konsuln zur Verfügung -[31], wurde zudem von Sulla (durch das lex Cornelia de praetoribus octouis) die Zahl der Praetoren von sechs auf acht erhöht[32]. Somit standen für die zehn römischen Provinzen wieder zehn Promagistrate zur Verfügung.[33] Außerdem wurde der Kreis der Quaestoren (durch die lex Cornelia de viginti quaestoribus) auf zwanzig Mitglieder erweitert.[34] Die eigentliche Zuteilung der verschiedenen Provinzen auf die zukünftigen Prokonsulen geschah jedoch nach wie vor analog zu den Maßgaben des lex Sempronia des C. Gracchus, welche die Verteilung der Provinzen dem Senat zuwies, der diese im Regelfall wiederum (in Zusammenhang mit der Wahl der Beamten) der Einfachheit und Gerechtigkeit wegen per Losentscheid zuteilte. Ebenso wurde wohl von nun an auch bei der Zuweisung der verschiedenen Gerichtshöfe (quaestiones) an die einzelnen Praetoren verfahren.[35] Parallel zur Verwaltungsreform novellierte Sulla - wohl um die Macht der provinzialen Beamten zukünftig besser kontrollieren zu können - in der lex Cornelia de maiestate das politische Strafrecht und setzte dem Handlungsspielraum der Statthalter klare juristische Grenzen: Fortan wurde beispielsweise die Provinzstatthalter wegen der Verwendung römischer Truppen außerhalb der Provinzgrenzen, dem Verlassen der Provinz während der Amtszeit,[36] dem nicht rechtzeitigen Verlassen der Provinz innerhalb einer 30-Tages-Frist nach dem Eintreffen des Nachfolgers,[37] dem Betreten eines alliierten Königreiches sowie wegen jeglicher Kriegsführung eines Imperators gegen eine alliierte Macht
[28] Vgl. Letzner, Sulla, S. 281, Diehl, Sulla und seine Zeit, S. 208 und Hantos, Res Publica, S. 97. Weitere (vor allem ältere) Literaturbelege finden sich jeweils ebd. Zum Automatismus der Bestellung der Provinzstatthalter vgl. Caes. b.c. 1,85,9; Cic. prov. cons. 36 (Zit. n. Hantos, Res Publica, S. 103); Cic. Att. 8,15,3 (Zit. n. Hantos, Res Publica, S. 104); Cic. Phil. 4,9 (Zit. n. Hantos, Res Publica, S. 105). Vor allem Hantos legt ausführlich dar, daß nach Sullas Reformen die Magistrate nach Ablauf ihrer regulären Amtsjahre automatisch mit einem Amt in der Provinzialverwaltung betraut wurden. So wird z. B. durch Velleius Paterculus (Vgl. Vell. 2,31,1) von Pompeius berichtet, daß dieser in einem Schwur angekündigt habe, nicht nach Ablauf seines Konsulates in eine Provinz gehen zu wollen. Dieser Schwur ergibt jedoch nur unter der Annahme, daß die Übernahme einer Provinzstatthalterschaft für die Promagistrate die absolute Regel darstellte, einen tieferen Sinn. (Vgl. Hantos, Res Publica, S. 100). Weitere Beispiele finden sich im folgenden bei Hantos, Res Publica, S. 100-113. ohne vorherige Zustimmung des Senates[38] durch einen neu eingesetzten ständigen Gerichtshof, der q uaestio maiestatis, strafrechtlich verfolgt und des Hochverrats angeklagt.[39] Faktisch lief die neue Regelung vor allem auf eine Trennung der Magistrate in zivile, in Rom beheimatete (domi), politische Beamte, denen der Zugriff auf das militärische Imperium verwehrt blieb und in mit dem militärischen Kommando betrauten (militiae), in den Provinzen angesiedelte, Beamten hinaus.[40] Das Prinzip der strikten Annuität der Magistrate wurde durch ein gegliedertes System mit zweijähriger Amtszeit („Biennität“[41], gestaffelt in Magistratur und Promagistratur) ersetzt.[42] Durch den Umstand, daß aber jeweils bereits beim Antritt einer Promagistratur, d.h. bei Übernahme des Kommandos in einer Provinz durch einen bisherigen Magistrat, der Nachfolger (in der Form des aktuell amtierenden Magistrates) schon feststand, wurde eine mehrjährige Statthalterschaft in einer Provinz, die immer die Gefahr einer zu engen Bindung zwischen dem Imperator und seinen Armeen und die Schaffung einer finanziellen und personellen Machtbasis barg, von vorne herein ausgeschlossen.[43]
Gerade dieser Punkt läßt jedoch auf einen zentralen Bestandteil in Sullas Motivation schließen: Sulla hatte schließlich bei seinem Marsch auf Rom am eigenen Leibe die ungeheure Macht, die aus der tiefen Loyalität zwischen Soldaten und ihrem langjährigem Feldherrn erwuchs, kennen und nutzen gelernt und war sich (am Beispiel des Marius, Pompeius und Cinna) aber auch zutiefst bewußt geworden, daß diese - für den Fortbestand und die Einheit der res publica so verderbliche Macht - prinzipiell allen erfolgreichen Imperatoren zur Verfügung stand.[44] Sulla suchte durch die neu geschaffenen Regelungen, den „machtpolitischen Ambitionen einzelner nobiles “[45], die dem Primat der kollektiven Herrschaft des Senates entgegnen standen , institutionelle Beschränkungen entgegenzusetzen.
3.2 Die Reform des Senates
Der Senat war, wie uns wiederum Appian berichtet, „durch die Parteikämpfe und Krieg in seiner Zahl stark verringert“ [46] worden.
[...]
[1] Vgl. zum Ablauf des Krieges stellvertretend Wolfram Letzner: Lucius Cornelius Sulla. Versuch eine Biographie. Münster 2000 (Schriften zur Geschichte des Altertums. Bd. 1), S. 229-245 und als Quelle App. b.c. 1,79-96.
[2] Der Senat bestimmte zur Zeit der römischen Monarchie aus seinen eigenen Reihen einen sog. Interrex, der fünf Tage lang die königliche Gewalt innehatte und die Königswahlen durchführte. In der republikanischen Zeit wurde in Fällen, in denen kein amtierender Konsul zur Abhaltung von Konsulwahlen zur Verfügung stand auf diese Tradition zurück gegriffen. Da beide amtsführenden Konsulen im Bürgerkrieg ums Leben gekommen waren, konnte sich Sulla auf diese Tradition berufen. Vgl. App. b.c. 1,99,457.
[3] App. b.c. 1,98,458.
[4] App. b.c. 1,98,459.
[5] Letzner, Sulla, S. 247 und Theodora Hantos: Res Publica Constituta. Die Verfassung des Diktators Sulla. Stuttgart Wiesbaden 1988 (Hermes Einzelschriften, Heft 50), S. 69 jeweils mit Verweis auf den griechischen Urtext bei App. b.c. 1,99,462. Ein Abdruck des Textes findet sich bei Hantos, Res Publica, S. 69. Eine Diskussion um die Überlieferung der zweigliedrigen Formel, die so nur bei Appian zu finden ist findet sich jeweils bei Letzner, Sulla ebd. und bei Hantos, Res Publica, ebd. Die im obigen Text verwendete deutsche Übersetzung bezieht sich auf die Appian Ausgabe von Otto Veh (Literaturangaben im Anhang).
[6] Vgl. zu diesem Kontext Letzner, Sulla, S. 246-250; Hantos, Res Publica, S.69; weitere Aussagen finden sich bei Vell. 2,28; Plut. Sulla, 33; Cic. ad Att. 9,15,2 und 8,1,2; Cic. de Har. Resp. 25,54; Liv. Ep. 89; Cic. Leg. Agr. 3,2,5; Cic. Leg. 1,15; (Alle in: A. H. J. Greenidge und A. M. Clay, A. M. (Hrsg.): Sources for Roman History. 133-70 B.C. Oxford 2. korr. Nachdruck der 2. durchges. Aufl. 1961, S. 203f.).
[7] Die in der Zeit von Sullas Diktatur (81-79 v. Chr.) auf der Grundlage des Lex Valeria de Sulla dictatore creando entstanden sind.
[8] App. b.c. 1,100,465.
[9] Vgl. ebd., 465f.
[10] Vgl. Hantos, Res Publica, S. 34; ferner: JOHN PAUL ADAMS: Roman Government in the Provinces. Veröffentlicht im Internet: http://www.csun.edu/~hcfll004/RomanProvinces.html [Stand: 01.08.2003].
[11] Vgl. Hantos, Res Publica, S. 39f. Hantos stellt hier in aller Ausführlichkeit die Diskussion um den Inhalt der lex Villia annalis dar, die uns leider nicht direkt überliefert wurde. Die lex Villia annalis wird in den folgenden Quellen erwähnt: Liv. 40,99,1; Cic. Phil. 5,47 [Zit. n. JOHANNES MICHAEL RAINER: Einführung in das römische Staatsrecht. Die Anfänge und die Republik. Darmstadt 1997, S. 48 [Fußnote 146]]. Vgl. ferner: Rainer, Staatsrecht, S. 47f.
[13] Vgl. KARL CHRIST: Sulla. Eine römische Karriere. München 2002, S. 124f.; Hantos, Res Publica, S. 38f.; Adams, Government; RE IV 1 (1901) 1522ff. s.v. Cornelius Nr. 392 (Fröhlich).
[14] Vgl. Cic. Off. 2,59. Da keine direkte Überlieferung der Altersgrenzen des lex Cornelia de magistratibus vorhanden ist, muß auf eine Schilderung Circeros aus seiner Zeit als aktiver Politiker zurück gegriffen werden. Vgl. Rainer, Staatsrecht, S. 48; WERNER SCHUR: Das Zeitalter des Marius und Sulla. Leipzig 1942 (KLIO. Beiheft XLVI / Heft 35 [Neue Folge]), S. 198 [Fußnote 1]; Adams, Government; RE IV 1 (1901) 1522ff. s.v. Cornelius Nr. 392 (Fröhlich). Die ausführlichste Diskussion der Altersgrenzen findet sich bei Hantos, Res Publica, S. 39-42. Abweichende Zahlen finden sich (ohne weitere Angaben von Quellen) bei Christ, Sulla, S. 125.
[15] App. b.c. 1,100,467 und Vell. Part. 2,30,4.
[16] Ebd.
[17] Caes. b.c. 1,73. Vgl. auch Vell 2,30,4; Dionys. Hal. V 77,5 und Cic. Ap. Ascon 81 (In: Greenidge/Clay, S. 213).
[18] App. b.c.1,59, 266. Appian ordnet diese Maßnahme der Zeit vor Sullas Diktatur zu. Da die meisten anderen Autoren jedoch dieses Gesetz in die Zeit von Sullas Diktatur datieren (z.B. Livius: „Sulla dictator factus “, Liv. per. 89; Sallust: „(...) L. Sulla dictator abolitis vel conversis prioribus (...)“, Tac. ann. 3,27,2), kann davon ausgegangen werden, daß diese ebenfalls ein Teil des lex Cornelia de magi stratibus war. Vgl. außerdem: Cic. Leg. 3,99,22; Vell. 2,30,4; Caes. b.c. 1,7,3; Sall. hist. 3 fr. 48,3 M.
[19] Liv. per. 89. Weitere Quellenbelege finden sich bei Cic. legg. 3,9,22; Tac. Ann. 3,27,2; Caes. b.c.1,73; Sall. Hist. 3 fr. 48,3; Vell 2,30,4. Auch wenn sich in der Vergangenheit am zuvor genannten Liviuszitat eine Forschungskontroverse um den Grad der Entmachtung des Volkstribunates entfachte, wird in der Literatur inzwischen übereinstimmend festgehalten, daß Livius den Sachverhalt lediglich rhetorisch überspitzt und stark verallgemeinernd wiedergegeben habe. Vgl. direkt zur Kontroverse: Hantos, Res Publica, S. 75-77 und Letzner, Sulla, S. 274 [Fußnote 14]; ferner: Christ, Sulla, S. 128.
[20] Cic. Leg. 3,9,22. Vgl. ferner: Caes. b.c. 1,5,1, Caes. b.c. 1,7,3; Cic. Verr. 1,60; Cic. Verr. II 1,555. Vgl. Hantos, Res Publica, S.130147 und Letzner, Sulla, S. 274f. Letzner bringt auf S. 275 in Fußnote 15 eine gute Zusammenfassung zu Hantos umfangreicher Erörterung über das Intercessionsrecht. Vgl. Hermann Diehl: Sulla und seine Zeit im Urteil Ciceros. Hildesheim Zürich New York 1988 (Beiträge zur Altertumswissenschaft. Bd. 7), S. 206 [Fußnote 15]; ferner: Christ, Sulla, S. 128f.
[21] App. b.c. 1,100, 465.
[22] Tac. ann. 3,27.
[23] Ebd.
[24] Vgl. App. b.c. 1,55,240f., 1,55,248 und 1,77,350. Vgl. auch Letzner, Sulla, S. 273 und S. 130-132; ferner Christ, Sulla, S. 78-80.
[25] Vgl. Hantos, Res Publica, S. 102.
[26] Vgl. zur Zahl der Provinzen Hantos, Res Publica, S. 89. Es gilt als gesichert, daß Sulla im Jahre 81 od. 80. v. Chr. die Provinz Gallia Cisalpina bzw. Gallia Transpadana als zehnte römische Provinz gründete. Vgl. zur Forschungsdiskussion um die Datierung der Provinzgründung und die Provinzgründung allgemein Letzner, Sulla, S 291f. und Hantos, Res Publica, S. 89f.; zur Diskussion um die Namensgebung Letzner, Sulla, S. 292. Vgl. zu dem Thema weiterführend: Werner DahlheimGewalt und Herrschaft : das provinziale Herrschaftssystem der römischen Republik. Berlin (u.a.) 1977.
[27] Letzner, Sulla, S. 281. Vgl. Caes. b.c. 1,6,7; Cass. Dio. 45,20,4. Vgl. Hantos, Res Publica, S. 97, S. 102. und S. 107f. Für das Amt des praetor urbanus hat vermutlich schon in der Zeit vor Sullas Reformen eine ähnliche Anwesenheitspflicht vorgelegen. Vgl. Cic. Phil. 2,31 (zit. n. Hantos, Res Publica, S. 107) und Hantos, Res Publica, S. 107f. Die eigentliche Anwesenheitspflicht der Konsulen und Praetoren wird analog zu dieser Regelung „in der Form einer zeitlich limitierten Abwesenheitserlaubnis“ (Hantos, ebd.) von 20 Tagen institutionalisiert gewesen sein.
[29] Während die Praetoren vor allem mit der Rechtspflege - sie waren Vorsitzende der neuen ständigen Gerichtshöfe (quaestiones perpetuae) - betraut waren, standen die beiden Konsuln dem Senat als politische Beamte und als Initiatoren neuer Gesetze zur Verfügung. Vgl. Hantos, Res Publica, S. 79f.
[30] Vgl. zum ersten Punkt Letzner, Sulla, S. 281f., zum zweiten Hantos, Res Publica, S. 89-96.
[31] Vgl. zur Zahl der Provinzen Hantos, Res Publica, S. 89; zur Gründung der Provinz Gallia Cisalpina Fußnote 26 auf S. 6 dieser Arbeit.
[32] Vgl. Pomp. Dig. 1,2,2,32 (In: Greenidge/Clay, Sources S. 213); Vell. 2,89,3; Cic. fam. 8,8,8 (zit. nach Hantos, Res publica, S. 97); Cass. Dio. 40,89; Cass. Dio. 42,51,3. Vgl. dazu Hantos, Res Publica, S. 97 [Fußnote 24]. Vgl. zur Forschungsdiskussion um die Erweiterung der Zahl der Praetoren und die wirkliche Anzahl der Praetoren Letzner, Sulla, S. 278 [Fußnote 23] und Hantos, Res Publica, S. 64 [Fußnote 11], S. 97 und S. 105. Vor allem Hantos geht davon aus, daß sich Sulla „(...) die Zahl der Praeturen wohl als dehnbar vorstellte“ (Hantos, Res Publica, S. 105 mit Verweis auf Cic. legg. 3,8).
[33] Vgl. Diehl, Sulla und seine Zeit, S. 208.
[34] Tac. Ann. 11,22; CIL I 202 (Bruns Fontes, 96). Vgl. Letzner, Sulla, S. 278f. und Hantos, Res Publica, S. 97. Bei Letzner findet sich ebd. ein guter Überblick über den Stand der Forschungsdiskussion bezüglich der Anzahl der Quaestoren vor Sullas Reformen.
[35] Vgl. allgemein und zu den Details des lex Sempronia Hantos, Res Publica, S. 105f. Hantos verweist zudem ebd. auf mehrere zeitgenössische Berichte (Sall. Iug. 27; Cic. prov. cons. 2; Cic. dom. 24; Cic. Piso. 50; Cic. Balb. 61, Cic. fam. 1,7,10; alle zit. n. Hantos), die von der Gültigkeit der lex Sempronia zu Circeros Lebzeiten Zeugnis geben.
[36] Vgl. Letzner, Sulla, S. 286; Hantos, Res Publica, 107f.
[37] Vgl. Cic. Fam. 3,6,3; ferner: Letzner, Sulla, S. 286; Hantos, Res Publica, S. 114.
[38] Vgl. Letzner, Sulla, S. 286f; Hantos, Res Publica, S. 108.
[39] Vgl. zu der Einsetzung des q uaestio maiestatis den entsprechenden Abschnitt im Kapitel 3.3 (Die Justizreform) auf S. 10 dieser Arbeit und Letzner, Sulla, S. 286f.
[40] Vgl. Hantos, Res Publica, S. 100-113.
[41] Ebd. S. 111.
[42] Vgl. ebd.
[43] Vgl. Letzner, Sulla, S. 278.
[44] Vgl. Diehl, Sulla und seine Zeit, S. 208f.
[45] Diehl, Sulla und seine Zeit, S. 194.
[46] App. b.c. 1,100,468.
- Arbeit zitieren
- Marcus Giebeler (Autor:in), 2003, Die Krise der römischen Republik : Sullas Reform der res publica als Diktator, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19893
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