Von der 5. bis zur 10. Klasse werden Schüler im Englischunterricht häufig nur mit didaktisierten Lehrbuchtexten konfroniert und selten mit authentischer Literatur. Dabei verfügen sie bereits in der 6. Klasse über die Vorkenntnisse und Strategien, die es es ihnen ermöglicht, das Kunstmärchen "The Selfish Giant" von Oscar Wilde (1888) zu verstehen. Mit bildlicher Assoziation, die das Hören vorentlastet, können die Schüler sehr gut auf die Lektüre vorbereitet werden. Während es Hörens wählen sie dann als Indikator des Globalverstehens passende Bildelemente aus. Beim Detailverstehen füllen zunächst die Verben ein. Autonom können die SuS beim Hören in Kleingruppen selbständig stoppen und nachhören. Anschließend besprechen sie in der Kleingruppe, wie sie das gehörte Textstück inszenieren und präsentieren können. Aus den Einzelergebnissen der Kleingruppen entsteht so ein kleines Schauspiel des gesamten Märchens.
1. Lerngruppe
1.1. Lerngruppenanalyse
Seit Beginn dieses Schuljahres unterrichte ich die Klasse 6 eigenverantwortlich in Englisch (4-stündig) und English Geography (1-stündig). Die Klasse besteht aus 13 Schülerinnen und 14 Schülern.1 Die Lerngruppe ist überwiegend sehr interessiert und motiviert, einzelne SuS neigen aber zu unruhigem oder zurückgezogenem Verhalten. Insgesamt wird der Umgang in der Klasse als angenehm empfunden. Die SuS bringen unterschiedliche Voraussetzungen und Temperamente mit. Etwa ein Drittel ist hochmotiviert und beteiligt sich lebhaft am Unterricht. Einige SuS, insbesondere zwei Schülerinnen sind allerdings sehr ruhig und leisten kaum mündliche Beiträge. Ich beobachte, dass die aktiven SuS durch ihre größere Präsenz im Klassenzimmer häufig meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Deshalb mache ich mir häufig bewusst, nach einer Frage zunächst einen Moment zu warten und dann darauf zu schauen, dass ich auch die weniger auffälligen SuS zu Wort kommen lasse. Mit den beiden erwähnten stillen Schülerinnen habe ich auch schon ein Gespräch geführt und sie ermuntert, sich häufiger zu melden. Mir ist aufgefallen, dass sie dem Unterricht aufmerksam folgen und ihre Aufgaben gewissenhaft erledigen. Es war mir wichtig zu betonen, dass es ihnen auch erlaubt ist, Fehler zu machen. Durch die sehr unterschiedliche Beteiligung und den hohen Sprechdrang einiger SuS ist es in dieser Gruppe besonders wichtig, Gruppenarbeit als Sozialform einzuführen, die es mehr SuS ermöglichen, sich am Unterricht zu beteiligen. Das Herantasten an Gruppenarbeiten zeigte bereits die erfreuliche Wirkung, dass die beiden oben genannten Schülerinnen sich für die Simulation einer Gruppenarbeit zur Verfügung stellten. Die Potenziale dieser Arbeitsform sollten also unbedingt weiter ausgeschöpft werden.
Schwierig in Bezug auf ihre Sozialkompetenz sind die Schüler S, T und gelegentlich D. Sie stören häufig durch lautes Verhalten, zeigen sich in Gesprächen einsichtig, ändern ihr Verhalten aber bisher nicht. Aus diesem Grund habe ich mit der Klassenlehrerin gesprochen, die ähnliche Probleme feststellt. Insbesondere in Bezug auf den Schüler S hat sie mich gebeten, ihr Rückmeldungen zu geben, sodass man gemeinsam die Eltern über die Situation informieren kann. Im Unterricht vermerke ich bei Störungen die Namen an der Tafel und spreche nach der Stunde mit den entsprechenden SuS. Außerdem versuche ich vorbeugend zu wirken, indem ich die SuS nonverbal beruhige oder mich gelegentlich in ihrer Nähe aufhalte.
Die SuS verfügen über Methodenkompetenz zum Beispiel in Bezug auf Partnerarbeit, Redekette, Peer Correction und zeigten sich für neue Methoden sehr zugänglich. Vokabelabfrage als Form von schülergelenkten Unterrichtsabschnitten haben sie schnell gelernt und ritualisiert, verschiedene Spiel-, Mal- und Singübungen liegen ihnen ebenfalls sehr. Die Hörkompentenz ist in der Klasse allgemein ausgeprägt. Ein Selbsteinschätzungsbogen ergab, dass nur einzelne SuS ihre Hörkompetenz nicht immer zufriedenstellend finden. Alle anderen schätzten sich bei Hörtextverständnis, Informationenheraushören und Erledigen von Höraufträgen im guten und sehr guten Bereich ein. Dies deckt sich mit meiner Beobachtung, dass die Hörtexte des Buches2 oft als zu einfach und deswegen eher langweilig empfunden werden. Die Aufmerksamkeit ist in den Hörphasen gelegentlich niedrig. Ich möchte deshalb heute einen authentischen, wenn auch schwierigeren Text einsetzen.
Das Arbeiten in Gruppen ist für die SuS neu. Aus Interviewphasen, in denen sie mit allen Klassenkameraden reden dürfen, ist mir allerdings bekannt, dass die Lautstärke nicht immer gering bleibt. In Partnerarbeit erlebe ich, dass sie häufig Deutsch miteinander sprechen. Aus diesen Gründen erhalten die SuS für die Gruppenarbeit Aufgabenkarten, die beides verhindern sollen (s.u.). Die Gruppenarbeit wurde in der letzten Stunde eingeführt. Es wurde besprochen, was dafür wichtig ist. Anhand des Fish Bowl-Prinzips haben die SuS einer examplarischen Gruppe beim Bearbeiten des Auftrags zugesehen und die Arbeitsprozesse reflektiert und kommentiert. Ähnlich sind wir mit der Erarbeitung von Rollenspiel und eigenverantwortlichen Hörsituationen vorgegangen. Es gab auch hierzu Vorübungen mit Rückmeldung der Klasse. In Bezug auf das Hörverstehen befinden sich die SuS auf der Skala des Europäischen Referenzrahmens für Sprachen auf einer frühen Stufe des Bereichs A2, denn die SuS verstehen einzelne Sätze und vertraute Wörter der Bereiche Personen, Familie und Umgebung. Sie verstehen einfache Mitteilungen und können ihnen Informationen entnehmen.3
Lernstand:
Die SuS mögen das Fach Englisch. Sie sind auf einem sehr guten Lernstand, weshalb der Einstieg in die sechste Klasse reibungslos verlief. Die Voreinheit über „Holidays“ haben die SuS sehr genossen. Sie haben sich unter anderem gegenseitig englische Postkarten geschrieben. Das erste Kapitel „Back to School“ ist für die SuS von durchschnittlichem Interesse. Nach den ersten Texten erscheint es deshalb sinnvoll, eine auflockernde literarische Kurzeinheit einzuschieben um die Motivation wieder zu erhöhen. Das Kapitel im Buch behandelt sowohl die Verben im Past Tense als auch die Beschreibungen von Bildern intensiv. Beides wird auch in der heutigen Stunde aufgegriffen. Den ersten Teil der Geschichte haben die SuS in der letzten Stunde bereits kennengelernt und verstanden. Ihr Interesse an der Geschichte ist geweckt. In der Hausaufgabe haben sie notiert, wie die Geschichte weitergehen könnte.
2. Didaktische Überlegungen
2.1 Begründung des Themas
Das Thema der heutigen Stunde ist der Hörtext „The Selfish Giant“ von Oscar Wilde. Der Lehrplan des Landes Hessen schreibt vor, dass narrative Texte dem Textverstehen zugrunde liegen sollen. Beim Hören sollen zunehmend komplexere Texte in annähernd normalem Sprechtempo unter Einbeziehung visueller Stimuli verwendet werden. Aus diesem Grund wähle ich einen authentischen Hörtext aus. Das Thema der Geschichte ist nah am Umfeld der SuS: Es geht um eine Gruppe von Kindern, die aus einem Garten verjagt werden. Hinzu kommt das fantastische Element des Riesen als Gegenspieler der Kinder. Aus Befragungen der SuS weiß ich, dass sie das Fantasy- Genre für die private Lektüre bevorzugen. Ihre derzeitige Lieblingsliteratur sind Twilight, Eragon und Harry Potter. Das Interesse für dieses Genre greife ich auf, indem ich eine Geschichte wähle, die ebenfalls ein übernatürliches Element enthält; die Stimmung der Hör-CD ist mysteriös. Die Stunde greift das natürliche Leseinteresse der SuS auf, verbindet es aber mit Literatur Großbritanniens des 19. Jahrhunderts. Der Ire Oscar Wilde und seine Literatur könnte auch deshalb für die SuS interessant sein, da die Gruppe seit dem letzten Schuljahr eine Brieffreundschaft zu einer irischen Schulklasse pflegt.
Hörverstehen an sich ist die grundlegende Ferigkeit, die Fremdsprachenerwerb erst ermöglicht. Auf das Hörverstehen begründet sich die eigene Sprachrezeption und die Fähigkeit zum selbständigen Spracherwerb.4 Der ausgewählte Text entspricht zwar wie die Lehrbuchhörtexte dem Bereich scripted speech, ist aber dadurch authentischer, dass er eigentlich Muttersprachler adressiert und dementsprechend nicht reduziert und didaktisiert ist. Durch den professionellen Erzähler wirkt die Geschichte allerdings wie frei erzählt. Die deutliche Betonung sollte das Hörverstehen erleichtern, ebenso wirkt die ausdruckstarke Hintergrundmusik verstehensfördernd. Im weiterführenden Unterricht können die SuS mehr und mehr selbständig ihr Hörverstehen förderen bis sie in ein paar Jahren auch ihre Hörtexte zuhause auf Datenträgern und im Internet völlig frei und nach Interessen wählen können. Hierbei wird ihnen das große Angebot an Podcasts, Audiobooks und internationalen Radiostreams hilfreich sein, wenn sie gelernt haben, eigenständig Hörtexte zu rezipieren.
3. Lernziele
Hauptlernziel (sprachlich-kommunikativ): Die SuS erarbeiten und verstehen den englischen Hörtext „The Selfish Giant“ auf sprachlicher Ebene.
Inhaltlich-kognitive Kompetenz:
Die SuS verstehen die Geschichte inhaltlich.
Sprachlich-kommunikative Kompetenz:
1) Die SuS erweitern ihre rezeptiven Fertigkeiten.
2) Die SuS hören und lesen neue und bekannte Verben im Past Tense.
3) Die SuS sprechen über Bilder und benutzen die Terminologie der Bildbeschreibung.
Methodische Kompetenz:
1) Die SuS sollen die Aufgabenstellungen verstehen und bearbeiten.
2) Die SuS sollen eigenständig ein Hörmedium bedienen.
3) Die SuS sollen dem gehörten Text ein Bild zuordnen.
4) Die SuS sollen eine Spielszene gestalten.
5) Einige SuS sollen einen zuvor gehörten Text vorlesen.
6) Die SuS sollen vor der Klasse ihre Ergebnisse präsentieren.
Personale und soziale Kompetenzen:
1) Die SuS stärken ihre Kommunikationsfähigkeit, indem sie gemeinsam Lösungen suchen, Rollen verteilen und etwas einüben.
2) Die SuS übernehmen eine Aufgabe in der Gruppe und tragen dafür Verantwortung.
3) Die SuS stärken ihre Selbstkompetenz, indem sie anderen SuS ein Feedback geben und auch bereit sind ein Feedback über die eigene Leistung anzuhören.
4) Die SuS gewinnen Selbstbewusstsein in Bezug auf ihre rezeptive Kompetenz.
4. Methodische Überlegungen
In der heutigen Stunde soll ein Hörtext durch handlungsorientierte Aufgaben erschlossen werden. Das Ziel ist das Herausfinden des Fortgangs der Geschichte.
Die Stunde beginnt mit einem stillen Impuls, einem auf Folie vorgelegten Bild das an das Hören des ersten Textteils anknüpft. In dieser Vorphase aktivieren die SuS ihr Vorwissen und gelangen zu der Unterrichtsfrage, wie wohl die Geschichte weitergehen mag. Dies weckt ihre Neugierde und richtet ihre Aufmerksamkeit auf ein Ziel. Da die SuS noch im Anfängerbereich des Fremdsprachenlernen sind, finde ich es wichtig eine solche Prelistening-Phase in die Stunde einzubeziehen, obwohl dies nicht der authentischen Kommunikationssituation entspricht. Sie baut außerdem Ängste ab, die sich für die Verstehensleistung hemmend auswirken könnten.
[...]
1 Im Folgenden werden Schüler und Schülerinnen als SuS, einzelne Schüler als S bezeichnet.
2 English G21 A1, Cornelsen, Berlin 2008
3 Europäischer Referenzrahmen für Sprachen.
4 Timm, Johannes. Englisch lernen und lehren. Didaktik des Englischunterrichts. Cornelsen: Berlin, 1998. S. 221f
- Quote paper
- Mareike Hachemer (Author), 2011, Unterrichtsstunde: Weltliteratur in der 6. Klasse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198692
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