Ein Essay über eine Exkursion zum Jüdischen Museum in Frankfurt sowie über die Frankfurter Auschwitzprozesse.
Das Jüdische Museum in Frankfurt am Main und die Frankfurter Auschwitzprozesse
Zu Beginn meines Essays möchte ich auf die Exkursion zum Jüdischen Museum in Frankfurt am Main eingehen und danach über den von meinem Kommilitonen und mir bearbeiteten Auschwitzprozess und dessen Verlauf berichten. Im ersten Teil gehe ich besonders auf die Dauerausstellung über die Frankfurter Juden und die Diskussion über das Werk „Anständig geblieben. Nationalsozialistische Moral“ des Autors Raphael Gross, welcher uns als Gesprächspartner zur Verfügung stand, ein. Die Wanderausstellung zur Else Lasker-Schüler werde ich nicht näher betrachten, da ihre Werke wenig Relevanz für den Intensivlektürekurs haben.
Vor der Exkursion fand eine Verteilung diverser Texte aus Werken statt, welche unseren Horizont über Literatur bezüglich des Nationalsozialismus‘ erweitern sollten und uns ein breites Spektrum über Ereignisse, Aufarbeitungen und dem Umgang mit der NS-Zeit vermittelten.
Die Exkursion zum jüdischen Museum fand am 10.12.2010 statt. Zu diesem Zeitpunkt konnte man sich über eine Ausstellung zu den Frankfurter Juden und ihren Gemeinden sowie über eine Wanderausstellung mit den anspruchsvollen Werken der Künstlerin Else Lasker-Schüler in den großen Räumlichkeiten des Museums über deren Leben und künstlerisches Wirken informieren.
Die Dauerausstellung gibt einen zeitlichen Überblick über die Lebensumstände der Frankfurter Juden im Verlauf der Zeit. Hier wird dem Besucher sehr schnell bewusst, dass die Juden nicht nur zu Zeiten des NS-Regimes unter Anfeindungen und Antisemitismus zu leiden hatten, sondern sich diese Konfrontationen über so gut wie alle Epochen hinweg zogen. Dieser Zustand erstreckte sich von einer „Ghettoisierung“ über Ausgrenzung bis hin zu offenem Antisemitismus und letztendlich der Auflösung des Ghettos im Zuge der französischen Revolution.
Besonders herausragend in dieser Ausstellung ist ein Modell, welches die Judengasse im Jahre 1711 zeigt. Es verdeutlicht die Isolation der Gemeinde von den restlichen Einwohnern Frankfurts, welche über Jahre durch die Regierungen und den Klerus aufgebaut und erhalten wurde.
Die jüdische Gemeinde verfügte über diverse Rechte zur Selbstverwaltung, welche sie sich jedoch hart erkämpfen musste und deren Bestand vom Wohlwollen der Herrscher abhing. Es ist jedoch auch wichtig zu sagen, dass selbst die Besiedelung eines Ghettos zu bestimmten Zeiten ein „Privileg“ darstellte, da viele andere süddeutsche Städte die Juden aus ihrem Stadtbereich verdrängten und diese zur Ansiedelung auf dem Lande zwangen oder sie sogar ganz vertrieben.
Die jüdischen Bewohner Frankfurts wurden von den Christen in ihrem beschränkten Lebensbereich gehalten, da man den Einfluss des Judentums auf die Stadt weitestgehend einschränken wollte. Man blickte jedoch auch mit Neid auf den von der jüdischen Gesellschaft erfolgreich betriebenen Handel und es bleibt anzumerken, dass häufig ein Konflikt zwischen dem Judenrat und den Zünften ausbrach, welcher um 1550 eskalierte, als die Judengasse von wütenden Christen geplündert und die Juden aus Frankfurt vertrieben wurden.
Nach meinem Rückblick auf die in Frankfurt stattfindende Dauerausstellung über das Leben der damaligen Juden möchte ich als nächsten Punkt die Diskussion mit Raphael Gross betrachten, welcher der Herausgeber des Buches „Anständig geblieben. Nationalsozialistische Moral“ ist. Zunächst möchte ich anmerken, dass dieses Buch meinen Horizont über die gesellschaftliche Struktur und das Gemeinschaftsgefühl in der NS-Zeit, die er selbst als „interne Bindekräfte“ beschreibt, stark erweitern konnte. Laut Gross erhebe die Moral der Nationalsozialisten keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, sie sei vielmehr als partikulare Moral zu sehen, also keinesfalls eine universelle.
Für Gross stellte es sich auch als schwierig heraus, die Moral der Nationalsozialisten zu beschreiben und zu erklären, keinesfalls aber zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Daher muss diese Moral, in deren Namen viele Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden, auch von einem höheren moralischen Stand gesehen werden, welcher in diesem Werk als Maßstab fungiert. Moral diente laut Gross auch in großem Maßstab als Verfolgungsinstrument. Menschen, die sich nicht der Moral der Partei anpassten, wurden von ihren Mitbürgern verraten, da sie sich gegen die Ideologie stellten, welche für die Bewohner des Dritten Reiches damals als allgemeingültig galt. Besonders interessant war für mich auch die Idee, eine Forschung nach einer Moralgeschichte anzustreben und dabei die moralischen Rahmenbedingungen für Handeln und bei der Interpretation von Quellen besser verstehen zu lernen. Dabei verwies Herr Groß auf Diskussionen zur Zeit der Französischen Revolution, in der neue Werte den bestehenden Tugenden gegenübergestellt wurden. In dieser Kontroverse zeigte sich die preußische Partikularmoral als Gegensatz zu den Werten Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit, welche heutzutage eher als universelle Moral gesehen werden können. Betrachtet man den Nationalsozialismus jedoch auch aus moralhistorischer Sicht, muss man die Umstände, unter denen die Menschen handelten, in einem völlig neuen Licht betrachten und ist meiner Meinung nach eher in der Lage, deren Handlungsmotive zu verstehen. Dies soll keinesfalls als Entschuldigung für die Verbrechen gesehen werden, aber vielleicht als Erklärung dafür, dass eine so breite Masse der Bevölkerung den faschistischen Idealen folgte. Als Anmerkung möchte ich hinzufügen, dass die Gestapo und die anderen nationalsozialistischen Kontrollorgane viel weniger Informanten brauchten, als z.B. die Stasi in der DDR. Dies lässt ebenfalls auf die tiefe Verwurzelung der Ideologie in der Bevölkerung und den starken Rückhalt für das Regime schließen.
Im Folgenden möchte ich nun auf das von meinem Kommilitonen und mir bearbeitete Werk zum ersten Frankfurter Auschwitzprozess eingehen.
Zunächst einige Informationen zu ebendiesem: Der erste Auschwitzprozess fand im Zeitraum von 20. Dezember 1963 bis zum 21. August 1965 statt. Die Vorbereitung gestaltete sich als sehr schwierig, da es noch keine vergleichbaren Verbrechen gab und es sich daher als dementsprechend kompliziert herausstellte, eine passende Anklage zu formulieren. Für die Ermittlungen musste man auf eine neu gegründete Behörde zurückgreifen, welche einen Zusammenschluss zwischen den Landesjustizverwaltungen darstellte, die Recherchen zu den Kriegsverbrechen koordinierte und Beweise zusammentrug. Zunächst konzentrierte sich die Verfolgung auf Verbrechen, die von NS-Anhängern an Zivilpersonen begangen wurden. Nachdem die Täter ermittelt sowie Materialien zu den Verbrechen gesammelt wurden, gab die Behörde die Informationen weiter an die entsprechende Staatsanwaltschaft der Wohnorte der Täter, die bis zu diesem Zeitpunkt unbehelligt blieben.
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- Citation du texte
- Kevin Kreckel (Auteur), 2011, Das Jüdische Museum in Frankfurt am Main und die Frankfurter Auschwitzprozesse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198641