„Wer sich mit Gewinn mit lyrischen Texten beschäftigen will, braucht Zeit. Dies gilt zumal für moderne Gedichte, die oft genug das Lesen und Verstehen zum Problem werden lassen,− und es gilt im besonderen Maße für die schwierigen, ,dunklen’ Texte von Stéphane Mallarmé.“ Dass dieses Zitat die Komplexität des hier behandelten Gedichts so treffend beschreiben würde, war dem Autor zu Beginn seiner Arbeit nicht ansatzweise klar. Glücklicherweise entwickeln sich bei der intensiven Auseinandersetzung mit Mallarmé immer neue Ansatzpunkte, denen man versuchen kann klare Bedeutungsstrukturen zu verleihen. Dass diese dann leider teilweise auch ins Leere laufen können, zeigt das Zitat auch: dann nämlich, wenn das Verstehen problematisch wird.
Grundlage dieser Arbeit ist das Sonett „Salut“ von Stéphane Mallarmé, das am 15. Februar 1893 erstmals veröffentlicht wurde. Anhand der Interpretationen des mit dem Jünger-Preis ausgezeichneten Romanisten Ulrich Prill, wird versucht, die Vielschichtigkeit dieses kurzen Gedichtes herauszuarbeiten. Dass Prill hierbei bereits sehr umfassende Deutungen auf verschiedenen Ebenen aufzeigt, macht es schwierig neue Ansätze zu finden. Deshalb werden seine Auffassungen intensiv besprochen und diskutiert. Dafür bietet der Interpret sieben verschiedene Lesarten an, die teilweise etwas weit hergeholt scheinen. Prill ermittelt seine Ansätze anhand von Isotopien. Durch diese Isotopienanalyse gelangt er zur Basis des jeweiligen Interpretationsansatzes. „Um eine Isotopieebene zu erkennen, muß man für eine Gruppe von Lexemen die Merkmaldominanz feststellen, d. h. man muß ihren gemeinsamen Nenner finden.“ Grundsätzlich lässt sich hierbei von einer hermeneutischen Herangehensweise ausgehen, die zum Ziel hat, mit kleinsten Hinweisen im Text sowie Einschätzungen von Mallarmés Lebensauffassung unterschiedliche Bedeutungsebenen fundiert nachweisen zu können.
Zudem wird auf kurze Interpretationen von Gerhard Goebel, Walter Naumann und Petra Leutner, die sich, genauso wie Uwe Japp, auf die Auslegungen von François Rastier bezieht, zurückgegriffen. Diese stehen in einigen Ansätzen denen Prills entgegen, gerade weil Rastier nur drei Isotopien in Mallarmés Sonett isoliert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Deutung des Titels
3. Verschiedene Ansätze der Interpretation
3.1. Gelegenheitsdichtung im Rahmen des Dichterbanketts
3.2 Seefahrt und Literatur
3.3 Leere und Nichts
3.4 Mythos und Erotik
3.4.1 Orpheus-Mythos
3.4.2 Odysseus-Mythos
3.4.3 Christlicher Interpretationsansatz
3.4.4 Erotischer Interpretationsansatz und Aphrodite-Mythos
4. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
„Wer sich mit Gewinn mit lyrischen Texten beschäftigen will, braucht Zeit. Dies gilt zumal für moderne Gedichte, die oft genug das Lesen und Verstehen zum Problem werden lassen,í und es gilt im besonderen Maße für die schwierigen, ,dunklen’ Texte von Stéphane Mallarmé.“1 Dass dieses Zitat die Komplexität des von mir behandelten Gedichts so treffend beschreiben würde, war mir zu Beginn meiner Arbeit nicht ansatzweise klar. Glücklicherweise entwickeln sich bei der intensiven Auseinandersetzung mit Mallarmé immer neue Ansatzpunkte, denen man versuchen kann klare Bedeutungsstrukturen zu verleihen. Dass diese dann leider teilweise auch ins Leere laufen können, zeigt das Zitat auch: dann nämlich, wenn das Verstehen problematisch wird.
Grundlage dieser Hausarbeit ist das Sonett „Salut“ von Stéphane Mallarmé, das am 15. Februar 1893 erstmals veröffentlicht wurde. Anhand der Interpretationen des mit dem Jünger-Preis ausgezeichneten Romanisten Ulrich Prill, will ich ver-suchen, die Vielschichtigkeit dieses kurzen Gedichtes herauszuarbeiten. Dass Prill hierbei bereits sehr umfassende Deutungen auf verschiedenen Ebenen auf-zeigt, macht es schwierig neue Ansätze zu finden. Deshalb sollen seine Auffas-sungen intensiv besprochen und diskutiert werden. Dafür bietet der Interpret sie-ben verschiedene Lesarten an. Ich werde versuchen schlüssig darzustellen, dass diese teilweise etwas weit hergeholt scheinen. Prill ermittelt seine Ansätze an-hand von Isotopien. Durch diese Isotopienanalyse gelangt er zur Basis des jewei-ligen Interpretationsansatzes. „Um eine Isotopieebene zu erkennen, muß man für eine Gruppe von Lexemen die Merkmaldominanz feststellen, d. h. man muß ihren gemeinsamen Nenner finden.“2 Grundsätzlich lässt sich hierbei von einer herme-neutischen Herangehensweise ausgehen, die zum Ziel hat, mit kleinsten Hinwei-sen im Text sowie Einschätzungen von Mallarmés Lebensauffassung unterschied-liche Bedeutungsebenen fundiert nachweisen zu können.
Zudem kann ich auf kurze Interpretationen von Gerhard Goebel, Walter Nau-mann und Petra Leutner, die sich, genauso wie Uwe Japp, auf die Auslegungen von François Rastier bezieht, zurückgreifen. Diese stehen in einigen Ansätzen denen Prills entgegen, gerade weil Rastier nur drei Isotopien in Mallarmés Sonett isoliert.3 4
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass ich in dieser Hausarbeit lediglich Prills deutsche Übersetzung des Sonetts verwenden und zitieren werde. Natürlich exis-tieren noch weitere Übersetzungen, die im Großen und Ganzen inhaltlich in die gleiche Richtung gehen, aber diese sollen hier unberücksichtigt bleiben. Sie sind zwar teilweise verständlicher in der Wahl der übersetzten Worte und der augen-scheinlichen inhaltlichen Klarheit, allerdings bin ich der Meinung, dass sie da-durch auch den Interpretationsspielraum, in dem sich Prill bewegt, unter Umstän-den einengen könnten.
„Salut“ (1893)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten5
2. Deutungen des Titels
Wenn man an Mallarmés Sonett systematisch herangehen möchte, empfiehlt sich zu allererst die Interpretation des Titels. Ausgehend von der jeweiligen Situation, in der das Gedicht vorgetragen beziehungsweise abgedruckt wurde, lassen sich bereits hier unterschiedliche Deutungen ableiten, die auch für eine weitere Inter-pretation von Bedeutung sein können. Dabei ist es wichtig, sich immer wieder Stephanie Jacobs’ Definition von Mallarmés Verwendung von Sprache vor Au-gen zu führen: „Die Absage an die Allgemeinverständlichkeit von Texten führt zu einem Sprachgebrauch, der die subjektive Konnotation verschlüsselter Andeu-tungen einer gesellschaftlich fixierten Denotation vorzieht.“6 Damit wird deut-lich, dass schon der Titel auf unterschiedlichen Ebenen verstanden und landläufig gängige Bedeutungsformen mehrschichtig betrachtet werden müssen. Mallarmé war sich dieser Tatsache sehr bewusst, denn er wusste wie „die Mehrdeutigkeit der Worte generell für dichterische Zwecke genutzt werden kann.“7
Mallarmé betitelte das Gedicht zuerst mit „Toast“. Die damit verbundene Asso-ziation mit einem Trinkspruch ist nahe liegend und auch so gewollt. Schließlich hatte er das Gedicht auf einem Dichterkongress der Schriftstellergruppe La Plu-me, dessen Vorsitz er hatte, stehend mit einem Glas Champagner in der Hand vorgetragen. Außerdem erschien das Sonett unter diesem Titel auch das erste Mal in der Zeitschrift von La Plume. Damit kann das Sonett mit dem ursprünglichen Titel bereits thematisch eng eingegrenzt werden. Auf die daraus resultierende In-terpretation anhand der Isotopie Bankett werde ich im Folgenden noch näher ein-gehen.
Den heutigen Titel „Salut“ setzte Mallarmé erst später über sein Sonett. Das Ge-dicht sollte am Anfang der Gedichtsammlung Poésies als eine Art Motto stehen. Über Ausgestaltung und Layout existieren genaue Vorgaben von Mallarmé. Durch die Umbenennung kann man dem Titel unterschiedliche Lesarten verlei-hen. So kann „Salut“ als Grußadresse eines Briefs, als „préambule des lois“, al-so als Vorwort eines Gesetzestextes, quasi als Anleitung zur weiteren Benutzung und Interpretation der folgenden Werken, oder als „salut d’amour“, und somit als Liebeserklärung an die Dichtung an sich, gesehen werden. Daneben bietet das Wort Salut aber noch weitere Bedeutungen an: In der Seefahrt ist es ein gängiger nautischer Gruß, ein „terme de marine“. Auch inhaltlich können so Titel und Gedicht in einen thematischen Kontext gestellt werden, denn schließlich bringt Mallarmé viele Begriffe und auch Bilder aus der Seefahrt in sein Sonett ein. Den letzten Interpretationsansatz für den Titel bietet ein mythisch-religiöser und damit heilsbringender Topos. Gerade hier findet Prill mehrere Interpretationsgrundlagen, die kontrovers diskutiert werden können.
Wie bereits erwähnt, könnte das Gedicht auch als ein „salut d’amour“ verstan-den werden. Setzt man hier an, und vernachlässigt den Ansatz der Liebe zur Dichtkunst, so kommt man in den Bereich einer erotischen Deutung, die sich zeitweise aus dem Text ableiten lassen soll. Dies wird von Prill so verfolgt und scheint unter Umständen etwas weit hergeholt zu sein. Darüber hinaus bietet der Text durch die explizite Nennung der Sirenen auch noch einen mythischen und eventuell auch religiösen Interpretationsansatz an. Auch hierzu findet Prill ver-schiedene Analyseansätze, die mir nicht immer ganz schlüssig erscheinen.
Fasst man nun die unterschiedlichen Ansätze zusammen, resultieren daraus im Großen und Ganzen vier Lesarten, die verschieden stark am Text belegt werden können. Der einfachste Ansatz ist, das Sonett im Rahmen der Gelegenheitsdich-tung zu sehen. Die häufig damit verbundene Bagatellisierung scheint mir aller-dings zu einfach. Trotzdem muss dieser Ansatz im Zusammenhang mit dem Festbankett und der Eröffnungsrede verfolgt werden. Dass sich daraus dann die Deutung als „poetologische und damit existentielle Grundsatzerklärung“8 er-schließen lässt, kann hierbei durchaus positiv verstanden werden. Daneben wer-den die Interpretationsansätze der Dichtung und Seefahrt, sowie die auf Mytho-logie beruhenden zu prüfen sein.
3. Verschiedene Ansätze der Interpretation
3.1 Gelegenheitsdichtung im Rahmen des Dichterbanketts
Ausgehend vom Ansatz der Gelegenheitsdichtung kann das Gedicht als Gruß an die teilnehmenden Dichterkollegen des Kongresses verstanden werden. Die Iso-topie ,Bankett’ kann mit der Deutung des ersten Quartetts problemlos untermau-ert werden; sie wird auch so von Rastier verfolgt. Mallarmé eröffnet stehend das Bankett. In der Hand hält er sein Glas Champagner zum Trinkspruch. Bezug fin-det sich hier in den Worten Schaum und Kelch. Auch das zweite Quartett unter-stützt diese Lesart, indem er sich als Vorsitzender der Dichtervereinigung als Steuermann am Heck des Schiffes, also von La Plume, sieht, während die jungen Dichter als prunkender Bug neue Wege einschlagen. Gleichsam lässt sich so fort-fahren, denn Einsamkeit, Klippen und Sterne können ohne weiteres in der Prob-lematik des Dichterseins gesehen werden: der Schaffenszeit eines Dichters im Stillen, der sich häufig nicht verstanden und einsam fühlen muss. Die Klippen symbolisieren hier die Schwierigkeiten, die immer wieder auftreten, seien sie fi-nanzieller, persönlicher oder sozialer Art. Die Metapher des Sterns symbolisiert schließlich auch das Ziel, zu dem der Dichter gelangen möchte: die ihm zuteil werdende Anerkennung.
In diesem Interpretationsspielraum muss dann auch das erste Terzett gelesen werden. Zwar könnte man auch hier das Schwanken als ein Gebaren auf dem Schaffensweg eines Dichters sehen, klarer scheint jedoch die Auslegung, dass das Schwanken „weniger durch den hohen Seegang als durch einen schönen Rausch verursacht“9 ist. Damit wird bereits deutlich, dass es eben mehrere Bedeutungsebenen für einzelne Worte in Mallarmés Sonette geben kann.
Diese erste Interpretation erscheint als die anfänglich augenfälligste und auch ein-fachste. Zum einem, weil der Text an sich die Interpretation anbietet, zum ande-ren, weil sie sich inhaltlich leicht an der beschriebenen Situation des Festbanketts festmachen lässt. Unabhängig davon ist dies eine Lesart, die man ohne weiteres akzeptieren kann, und í wie eingangs erwähnt í unter dem Vorzeichen der Gele-genheitsdichtung in Verbindung mit dem Titel „Toast“, auch muss.
3.2 Seefahrt und Literatur
Durch die Änderung des Titels von „Toast“ in „Salut“, und den damit verbunde-nen neuen Deutungsebenen, erschließen sich nun ungleich mehr Interpretations-ansätze.
[...]
1 Stéphane Mallarmé: Sämtliche Dichtungen. S. 312.
2 Uwe Japp: Hermeneutik. S. 78.
3 Petra Leutner: Wege durch die Zeichenzone. S. 94-98.
4 Uwe Japp: a.a.O., S. 79-83.
5 Übersetzung von Ulrich Prill
6 Stephanie Jacobs: Auf der Suche nach einer neuen Kunst. Konzepte der Moderne im 19. Jahrhundert. S. 148.
7 Petra Leutner: a.a.O., S. 88.
8 Ulrich Prill: Interpretationen. Gedichte des 19. und 20. Jahrhunderts. S. 125.
9 Stephane Mallarmé: Gedichte. Französisch und Deutsch. S. 294.
- Citation du texte
- M.A. Florian Schneider (Auteur), 2003, Verschiedene Interpretationen dargestellt anhand des Sonetts 'Salut' von Stéphane Mallarmé, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19829
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