Die „Weiße Rose“ ist in der Selbstwahrnehmung der Bundesrepublik Deutschland bis heute eine der elementarsten (passiven) Widerstandsgruppen mit identitätsstiftendem Charakter der nationalen Geschichte. Zwischen Juni 1942 und Februar 1943 brachte die studentische Protestgruppe aus München um Hans und Sophie Scholl, Willi Graf, Christoph Probst, Alexander Schmorell und Philosophieprofessor Kurt Huber insgesamt 6 Flugblätter in mehreren deutschen und österreichischen Städten in Umlauf, die als christlich-humanistischer Appell zum Widerstand gegen den Krieg und das NS-Regime aufriefen. Die vorliegende Quelle, ein Original befindet sich in der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ in Berlin, ist als sechstes Flugblatt mit dem Titel „Kommilitoninnen! Kommilitonen!“ anonym publiziert worden.
Die „Weiße Rose“ ist in der Selbstwahrnehmung der Bundesrepublik Deutschland bis heute eine der elementarsten (passiven) Widerstandsgruppen mit identitätsstiftendem Charakter der nationalen Geschichte. Zwischen Juni 1942 und Februar 1943 brachte die studentische Protestgruppe aus München um Hans und Sophie Scholl, Willi Graf, Christoph Probst, Alexander Schmorell und Philosophieprofessor Kurt Huber insgesamt 6 Flugblätter in mehreren deutschen und österreichischen Städten in Umlauf, die als christlich-humanistischer Appell zum Widerstand gegen den Krieg und das NS-Regime aufriefen. Die vorliegende Quelle, ein Original befindet sich in der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ in Berlin, ist als sechstes Flugblatt mit dem Titel „Kommilitoninnen! Kommilitonen!“ anonym publiziert worden, wobei die vier ersten als „Flugblätter der Weissen Rose“ gezeichnet waren und sich an ausgewählte Adressen der intellektuellen Elite richteten. Das fünfte Blatt orientierte sich in Folge einer erhofften publizistischen Wirksamkeit und Lösung aus deren „inneren Emigration“[1] an die breite Volksmasse und benannte seinen Ursprung aus der „Widerstandbewegung in Deutschland“.[2] Da der Kriegsverlauf und die aktuelle Kriegssituation für den Inhalt der Flugblätter von grundlegender Bedeutung waren, radikalisierte sich der Text in Folge der katastrophalen Niederlage der 6. Armee in Stalingrad am 3. Februar 1943. Diese Nachricht nahm Hitler den Nimbus der Unbesiegbarkeit und erschütterte das Volk. Zusammen mit den Protesten und Tumulten von Münchener Studenten anlässlich einer Rede des Gauleiters Paul Giesler zur 470-Jahr-Feier der Universität München am 13. Januar 1943 bildeten diese Ereignisse den Anlass für das 6. Flugblatt. Die sich als durchaus revolutionär und begeisterungsfähig gezeigte Studentenschaft formte hierbei den neuen Adressatenkreis. Daher verfasste Huber die Schrift in der Sprache der jungen klassisch-bürgerlichen Studenten.[3]
Radikalere Aktionen wurden neben Maueranschriften („Nieder mit Hitler!“, „Freiheit“) an öffentlichen Gebäuden in den Nächten vom 8./9. und 15./16. Februar durch das Auslegen des Flugblattes am Morgen des 18. Februar 1943 im Lichthof der Universität München deutlich. Das in Briefform maschinell verfasste Blatt richtete sich bereits mit der Anrede an seine Adressaten und offenbarte den Schreiber gleichsam als einen der ihren. Es folgte eine radikal-sarkastische Einleitung, um die sich als verheerend herausgestellte „geniale Strategie des Weltkriegsgefreiten“, wobei die Niederlage von Stalingrad als Wendepunkt dargestellt wurde. Der „Führer“ und seine „Parteiclique“ waren als „Dilettanten“ an einer der „verabscheuungswürdigsten Tyrannis“ und dem Untergang der „deutschen Jugend“ Schuld. Mit direkten Fragen an die jungen Rezipienten wurden folgend die abschreckenden Alternativen eines Nicht-Handelns aufgezeigt. Der innenpolitische Terror um Meinungsunterdrückung führte demnach in eine Zukunft ohne „Freiheit und Ehre“, in der die intellektuelle Elite den zukünftigen Parteibonzen ausgeliefert wäre. Der direkte Bezug auf den Protest gegen den Gauleiter beschrieb die konkrete Situation der Studenten 1943, die in ihren Hörsälen „SS- Unter- oder Oberführer und Parteikriecher“ wiederfanden. Die verbrecherische Gewaltpolitik wurde als unerträglich und Bürde der deutschen Jugend dargestellt. Mit dem Stimmeneinbruch im Volk nach der Niederlage an der Ostfront („Auch dem dümmsten Deutschen hat das furchtbare Blutbad die Augen geöffnet [...]“) wäre es nun an der Zeit, sich gegen das Regime zu erheben und vor Europa und der Welt den „deutsche[n] Namen“ reinzuwaschen. Der demokratische Aspekt nach dem christlichen Ideal prägte sich durch die Ziele der Selbstbestimmung und Errichtung eines geistigen Europas aus. Im Widerstand gegen die Unterdrückung wurden schließlich Parallelen zum Befreiungskrieg gegen Napoleon 1813 gezogen. Der Appell für moralische und psychische Umkehr und zum Widerstand gegen das Regime an die deutsche Jugend und Studentenschaft endete daher mit dem Aufruf Theodor Körners von 1813: „Frisch auf, mein Volk, die Flammenzeichen rauchen!“ und forderte auf, Deutschland und Europa vor dem drohenden Untergang der abendländisch-christlichen Kultur aus eigener Kraft und ohne äußere Hilfe durch den Sturz des Regimes zu schützen.[4]
[...]
[1] Benz, Wolfgang: Geschichte des Dritten Reiches, Bonn 2010, S.231.
[2] Vgl. Moll, Christiane: Die Weiße Rose, In: Steinbach, Peter/Tuchel, Johannes (Hg.): Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur 1933-1945, Bonn 2004, S.375-377. Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1914-1949, Bonn 2010, S.911.
[3] Vgl. Moll: Rose, S.381-382.
[4] Vgl. Moll: Rose, S.382-386, 388-389.
- Arbeit zitieren
- Eric Kresse (Autor:in), 2011, Quellenanalyse zum 6. Flugblatt der Weißen Rose: „Kommilitoninnen! Kommilitonen!“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198229