Die Grundidee des EuGVÜ und der EuGVVO sowie des für die EFTA-Staaten mit Ausnahme von Lichtenstein im Wesentlichen identischen LugÜ , war es, zwischen den beteiligten Staaten den freien Verkehr von Gerichtsentscheidungen in Zivil- und Handelssachen herzustellen. Grundlage hierfür, war das Vertrauen in die Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes in den beteiligten Staaten. Dass es sich hierbei jedoch zum Teil eher um eine Fiktion handelt, zeigt sich im Hinblick auf die Problematik der Torpedoklage.
Nach dem in Art. 27 EuGVVO normierten Prioritätsgrundsatz, soll ein Verfahren, wegen desselben Streitgegenstandes und zwischen denselben Parteien, nur bei dem Gericht geführt werden, bei dem es zuerst anhängig gemacht wurde. Ein später angerufenes Gericht hat das Verfahren, bis die Zuständigkeit durch das zuerst angerufene Gericht rechtskräftig entschieden ist, auszusetzen und im Falle der Zuständigkeit des ersten Gerichts abzuweisen. Diese Regelung machten sich in den letzten Jahren vermehrt diejenigen zunutze, die damit rechnen mussten, durch Patentinhaber, aufgrund einer möglicherweise gegebenen Verletzung eines Patents, in Anspruch genommen zu werden. Dadurch, das ein Verfahren in einem Mitgliedstaat mit langsamer Gerichtsbarkeit anhängig gemacht wurde, konnten sie erreichen, dass ein auf Unterlassung gerichtetes Zweitverfahren des Patentinhabers verzögert oder durch Ablauf der Schutzdauer des Patents dauerhaft blockiert und damit sozusagen torpediert wurde.
Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie patentrechtlichen Torpedoklagen im Anwendungsbereich des Art. 27 EuGVVO zu begegnen ist und welche Möglichkeiten zur Lösung der Torpedoproblematik bestehen. Darüber hinaus soll ein Ausblick darüber gegeben werden, wie der Unionsgesetzgeber beabsichtigt, die bestehenden Probleme, durch Schaffung eines europaweiten Patentgerichtssystems, auszuräumen.
Inhaltsverzeichnis
A. Die Torpedoklage
I. Überlange Verfahrensdauer in einigen Mitgliedstaaten
II. Unionsweite Zuständigkeitsregelungen als Kern des Problems
B. Problembestimmung
I. Definition der Torpedoklage
II. Räumliche und materielle Abgrenzung
III. Fragestellung
C. Lösungsvorschläge und bestehende Probleme
I. Einschränkung der möglichen Gerichtsstände
1. Einschränkung des Art. 5 Nr. 3 EuGVO
a) Generelle Unanwendbarkeit bei negativen Feststellungsklagen
b) Vorlageverfahren zum EuGH
c) Abwägung der gegenüberstehenden Auffassungen
d) Fazit
2. Erweiterung des Art. 22 Nr. 4 EuGVO
3. Fazit
II. Lösung über die Streitgegenstandsidentität
III. Lösung über die Parteienidentität
IV. Reduktion der gebundenen Entscheidung des Zweitgerichts
1. In Fällen überlanger Verfahrensdauer vor dem Erstgericht
a) Tatsächliche überlange Verfahrensdauer
b) Voraussichtliche überlange Verfahrensdauer
c) Fazit
2. In Fällen von offensichtlicher Unzuständigkeit
V. Einrede des forum non conveniens
VI. Prozessführungsverbote (anti-suit injuctions)
VII. Widerklage vor dem Erstgericht
1. Grundsatz der perpetuatio fori
2. Problem der Rechtshängigkeit bei Streitgegenstandsidentität
3. Fazit
VIII. Erstreiten einer Einstweiligen Verfügung
1. Vorwegnahme der Hauptsache
2. Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund
a) Verfügungsgrund wegen überlanger Verfahrensdauer
b) Bedenken gegen die Auffassung des LG Hamburg
c) Erfordernis einer Interessenabwägung
3. Zuständigkeit des nationalen Gerichts
4. Internationale einstweilige Verfügungen
5. Fazit
IX. Klageerhebung ohne vorherige Abmahnung
X. Schubladenklage
XI. Beteiligung am forum running
D. Ausblick
I. Problembewusstsein des Unionsgesetzgebers
II. Reformierung der mitgliedstaatlichen Justizsysteme
III. Einheitliches Patentgerichtssystem
1. Lösung der Torpedoproblematik durch Zentralisierung
2. Ablehnende Entscheidung des EuGH und Fazit
E. Gesamtfazit
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- Clemens Hermanns (Author), 2012, Die Zukunft der Torpedoklage, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197976
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