Anfang der 1970er Jahre wurde, begünstigt durch die aufkommende Umweltbewegung, damit begonnen Studien zu erstellen mit dem Ziel die Umweltbelastung von Unternehmen und Produkten zu erfassen und zu beurteilen. Diese Studien stellten auf die Bilanzierung von Stoff- und Energieflüssen ab, waren allerdings wenig standardisiert und ließen damit viel Spielraum für Interpretationen. Diese Zeit gilt als Geburtsstunde der neuen Disziplin Ökobilanzierung, an der Schnittstelle zwischen Wirtschafts- und Naturwissenschaften.
Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts setzte, laut Siegenthaler, eine Phase der Institutionalisierung in der Ökobilanzforschung ein. In dieser Phase kam es zu einer weitgehenden internationalen Harmonisierung und Standardisierung der Methodik. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang war die Erarbeitung einer Norm zur Erstellung einer Ökobilanz durch die International Organization for Standardization (ISO 14040 - 14043).
Einer der wesentlichen Punkte bei der Erstellung einer Ökobilanz ist die Festlegung des Ziels und des Untersuchungsrahmens. Diese beiden Punkte haben starken Einfluss auf die nachfolgende Erstellung der Sachbilanz und somit auf die gesamte Bilanz. Die Ziele der Ökobilanzierung sind äußerst vielfältig. Sie reichen von der Berichtspflicht über Informationsgewinn bis hin zur Entscheidungshilfe in Organisationen. Grundsätzlich sollen in einer Ökobilanz alle Umweltveränderungen betrachtet werden, die intentional und kausal mit dem Untersuchungsobjekt im Verlaufe dessen gesamten Lebenszyklus in Verbindung stehen. In der Theorie geht diese Betrachtung auf der Inputseite zurück bis hin zu den Rohstoffen, wie sie in der Natur ohne Einfluss des Menschen vorliegen und auf der Outputseite bis hin zu allen Stoffflüssen, wie sie in die natürliche Umwelt entlassen werden. In der Praxis ist es jedoch notwendig, aufgrund der Datenmenge und der Komplexität, eine geeignete Grenze zu ziehen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Themenstellung
1.2 Forschungsfrage
1.3 Methodik und Aufbau der Arbeit
1.4 Definitionen und Begriffsbestimmungen
1.4.1 Umwelt
1.4.2 Öffentlicher Personennah- und Personenregionalverkehr
2 Ökobilanzierung
2.1 Historische Entwicklung
2.2 Typen von Ökobilanzen
2.2.1 Die Betriebsökobilanz
2.2.2 Die Prozessökobilanz
2.2.3 Die Produktökobilanz
2.2.4 Der ökologische Fußabdruck
2.3 Aufbau einer Ökobilanz
2.3.1 Festlegung des Ziels und des Untersuchungsrahmens
2.3.2 Sachbilanz
2.3.3 Wirkungsabschätzung und Bewertung
2.3.4 Auswertung
2.4 Ökobilanzierung, eine Aufgabe des Controllings?
3 Öffentlicher Personennahverkehr in Wien
3.1 Struktur und Akteure
3.2 Stadtverkehrsplanung in Wien
3.3 U-Bahn-Bau in Wien
3.3.1 Die Bauphasen
3.3.2 Ausbau der U2 nach Seestadt Aspern
4 Empirische Untersuchung
4.1 Rahmenbedingungen
4.2 Ziele und Fragestellung
4.3 Methoden
4.3.1 Fallstudie
4.3.2 Interview
4.4 Datenerhebung
4.5 Auswertung
4.5.1 Ziel der Studie
4.5.2 Festlegung des Untersuchungsrahmens
4.5.3 Informierte Stellen
4.5.4 Auswirkungen der Studie auf den U2-Ausbau
5 Zusammenfassung und Ausblick
5.1 Schlussbetrachtung
5.2 Ausblick
6 Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Themenstellung
Anfang der 1970er Jahre wurde, begünstigt durch die aufkommende Umweltbewegung, damit begonnen Studien zu erstellen mit dem Ziel die Umweltbelastung von Unternehmen und Produkten zu erfassen und zu beurteilen. Diese Studien stellten auf die Bilanzierung von Stoff- und Energieflüssen ab, waren allerdings wenig standardisiert und ließen damit viel Spielraum für Interpretationen. Diese Zeit gilt als Geburtsstunde der neuen Disziplin Ökobilanzierung, an der Schnittstelle zwischen Wirtschafts- und Naturwissenschaften.1
Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts setzte, laut Siegenthaler, eine Phase der Institutionalisierung in der Ökobilanzforschung ein. In dieser Phase kam es zu einer weitgehenden internationalen Harmonisierung und Standardisierung der Methodik.2 Besonders wichtig in diesem Zusammenhang war die Erarbeitung einer Norm zur Erstellung einer Ökobilanz durch die International Organization for Standardization (ISO 14040 - 14043).3
Einer der wesentlichen Punkte bei der Erstellung einer Ökobilanz ist die Festle- gung des Ziels und des Untersuchungsrahmens. Diese beiden Punkte haben star- ken Einfluss auf die nachfolgende Erstellung der Sachbilanz und somit auf die ge- samte Bilanz. Die Ziele der Ökobilanzierung sind äußerst vielfältig. Sie reichen von der Berichtspflicht über Informationsgewinn bis hin zur Entscheidungshilfe in Or- ganisationen. Grundsätzlich sollen in einer Ökobilanz alle Umweltveränderungen betrachtet werden, die intentional und kausal mit dem Untersuchungsobjekt im Verlaufe dessen gesamten Lebenszyklus in Verbindung stehen. In der Theorie geht diese Betrachtung auf der Inputseite zurück bis hin zu den Rohstoffen, wie sie in der Natur ohne Einfluss des Menschen vorliegen und auf der Outputseite bis hin zu allen Stoffflüssen, wie sie in die natürliche Umwelt entlassen werden. In der Praxis ist es jedoch notwendig, aufgrund der Datenmenge und der Komplexität, eine geeignete Grenze zu ziehen.4
1.2 Forschungsfrage
Die Literatur zum Thema Ökobilanzierung ist sehr stark geprägt von der Theorie der Ökobilanz und Anleitungen zur technischen Erstellung und Auswertung der Sachbilanz und der Interpretation der Ergebnisse. So konnten einige Fallstudien gefunden werden, die von der erfolgreichen Umsetzung einer Ökobilanz berichten. Allerdings findet man nur sehr wenig Literatur über die Bedeutung der Ökobilan- zierung in der Praxis. Hier soll diese Arbeit einhaken und diese Lücke beginnen zu schließen.
Im Auftrag der Wiener Linien wurde von Mitarbeitern der TU Wien eine Ökobilanzstudie über die Folgen des Ausbaus der U2 erstellt. Anhand einer Fallstudie über diese Ökobilanz soll folgende Hauptfrage beantwortet werden:
Welche Bedeutung haben Ökobilanzen für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs?
Da das Wort Bedeutung ein sehr allgemeiner Begriff ist und um die Bedeutung etwas „messbarer“ zu machen, sollen zur besseren Verständlichkeit und näheren Konkretisierung folgende Unterfragen beantwortet werden:
- Mit welchem Ziel wurde die Ökobilanz über den Ausbau der U2 erstellt?
Bei der Beantwortung dieser Frage sollte geklärt werden, mit welcher Zielstellung die Studie in Auftrag gegeben wurde. Diese Ziele reichen von Berichtspflicht, Informationsgewinn innerhalb bzw. außerhalb des Unternehmens bis hin zu einem Kriterium für operative Entscheidungen.
- Wie wurde der Untersuchungsrahmen festgelegt?
Hiermit sollte klargestellt werden, ob nur ein kleiner Teil des Ausbaus der U2 untersucht wurde oder ob versucht wurde die Umweltwirkungen des gesamten Ausbaus zu ermitteln.
- In welchen Stellen wurden die Ergebnisse der Ökobilanz behandelt?
In der Anzahl und der Hierarchie der die Studie behandelnden Stelle kann sich die Bedeutung einer Studie widerspiegeln. Mit der Antwort auf diese Frage soll also geklärt werden, welche Stellen sich innerhalb der Wiener Linien GesmbH mit den Ergebnissen beschäftigt haben
- Inwiefern hatten die Ergebnisse der Ökobilanz Einfluss auf den Ausbau der U2?
Ökobilanzen dienen auch dazu Entscheidungen unter ökologischen Gesichtspunkten zu treffen. Daher lässt sich deren Bedeutung auch anhand ihres Einflusses auf das zugrunde liegende Projekt messen.
Die Antworten der Unterfragen dienen dem Autor zur Beantwortung der Hauptfrage, wobei vorab keine Antwortmöglichkeiten für die Fragen festgelegt wurden. Es wurde auch nicht festgelegt, welcher Antwort der Autor eine höhere Bedeutung zuweist und welcher eine niedrigere.
1.3 Methodik und Aufbau der Arbeit
Die oben gestellten Forschungsfragen sollen anhand einer Fallstudie über die Ökobilanz des Ausbaus der U2 beantwortet werden. Im Zuge dieser Fallstudie wurde ein Experteninterview mit Herrn O. von den Wiener Linien durchgeführt, der die Ökobilanzstudie bei der Technischen Universität Wien in Auftrag gegeben hat. Das Interview wurde aufgrund des zeitlichen Engpasses des Interviewten in schriftlicher Form durchgeführt.
Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut:
Kapitel 2 gibt einen historischen Rückblick über die Ökobilanzierung. Dieser Rückblick hebt die Wurzeln der Ökobilanzierung und ihre grundsätzliche Intention hervor. Weiters werden hier die Ziele, die Arten und der Aufbau von Ökobilanzen erläutert, um den aktuellen Wissensstand dieser Disziplin zu verdeutlichen. Ab- schließend wird noch auf die Zuständigkeit der Ökobilanzerstellung eingegangen. Die Literatur hierfür stammt von wissenschaftlichen Beiträgen und Studien.
Kapitel 3 gibt einen Überblick über die Struktur des öffentlichen Personennahverkehrs in Wien. Des Weiteren wird noch auf die Stadtverkehrsplanung in Wien und auf das Projekt des Ausbaus der U2 eingegangen. Die Literatur stammt von wissenschaftlichen Beiträgen und Broschüren der Stadt Wien.
In Kapitel 4 wird der empirische Teil der Arbeit ausgewertet und präsentiert. Anhand der Analyse der Ökobilanz des Ausbaus der U2 wurden der Untersuchungsrahmen und die Zielsetzung der Ökobilanz herausgearbeitet. Durch das Interview wurde geklärt, in welchen Stellen die Ergebnisse behandelt wurden und inwiefern diese Einfluss auf den Ausbau der U2 hatten. Mithilfe dieser Daten konnte auf die Bedeutung der Ökobilanz selbst geschlossen werden.
Kapitel 5 gibt abschließend eine Zusammenfassung über die Untersuchung und einen Ausblick auf weitere Studien in diesem Themenbereich.
1.4 Definitionen und Begriffsbestimmungen
Bei der Ökobilanzierung geht es um die Erfassung von Auswirkungen von Produkten und Prozessen auf die Umwelt. Daher stellt sich zu Beginn die Frage danach, was Umwelt eigentlich ist.
1.4.1 Umwelt
Die Umwelt wird in der Systemtheorie grundsätzlich als Umgebung eines Systems verstanden, bspw. des Menschen, der Unternehmung oder der Wirtschaft.5 Das System selbst ist die Ganzheit von Elementen, welche sich von der Umwelt durch eine erkennbare Grenze unterscheidet. Im St. Gallener Managementmodell wer- den vier Umweltsphären unterschieden, die Gesellschaft, die Natur, die Technolo- gie und die Wirtschaft.6 Nach Ansicht des Autors ist die Umweltsphäre Natur für die Ökobilanzierung die wohl wichtigste Sphäre, da sie Aspekte wie Ressourcen- reichtum, Agrarpotential und Klima beinhaltet. Es wird sich allerdings in späteren Kapiteln zeigen, dass gerade die Sphären Gesellschaft und Technologie starken Einfluss auf das Ergebnis einer Ökobilanz haben (siehe Kapitel 2.3.3 Wirkungsab- schätzung und Bewertung).
1.4.2 Öffentlicher Personennah- und Personenregionalverkehr
Nach § 2 Abs. 1 ÖPNRV-G (Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs; BGBl. I Nr. 204/1999 idF BGBl. I Nr. 32/2002) werden unter Personennahverkehr Verkehrsdienste verstanden, „ die den Verkehrsbedarf innerhalb eines Stadtgebietes (Stadtverkehre) oder zwischen ei- nem Stadtgebiet und seinem Umland (Vororteverkehre) befriedigen “. Im Gegensatz dazu werden nach § 2 Abs. 2 ÖPNRV-G unter Personenregional- verkehr (Verkehr im ländlichen Raum) Verkehrsdienste verstanden, „ die den Ver- kehrsbedarf einer Region bzw. des l ä ndlichen Raumes befriedigen “.
2 Ökobilanzierung
Die Ökobilanzierung beruht auf dem Prinzip der Stoff- und Energiebilanz und ver- sucht die stofflich-energetischen Umwelteinwirkungen zu erfassen. Die Methodik ist an die betriebswirtschaftliche Bilanzierung angelehnt. In der Betriebswirtschaft werden Aktiva und Passiva gegenübergestellt und monetär bewertet; in der Ökobi- lanz werden Stoffe und Energien, als Input und Output, in einem Bilanzraum ge- genübergestellt und mengenmäßig bewertet. Wohingegen die Bilanz in der Be- triebswirtschaft immer ausgeglichen ist, ist dies in der Ökobilanzierung nicht mög- lich, da nicht alle Energie- und Materialverluste nachvollzogen werden können.7
2.1 Historische Entwicklung
In der Literatur wird der Beginn der Ökobilanzierung hinlänglich mit dem Beginn der 1970er Jahre beziffert.8 Als Grundlage dienten die Methoden der Stofffluss- analyse und der Input-Output Bilanz, welche schon aus der Verfahrenstechnik und der Materialwirtschaft bekannt war. Angewendet wurde die Ökobilanzierung an- fangs in den USA und Deutschland vor allem für Verpackungen. So wurde ver- sucht mittels Ökobilanzen herauszufinden, welches Verpackungsmaterial die ge- ringsten Umwelteinwirkungen zeigt.9 Die erste bewertete Stoff- und Energiebilanz wurde am Midwest Research Institute in Kansas City im Auftrag der Firma Coca- Cola aufgestellt.10
Der Begriff Ökobilanz selbst hat sich erst Mitte der 80er Jahre entwickelt, die davor publizierten Studien wurden mit verschiedenen Begriffen wie Umweltbilanz, Resource and Environmental Profile, Ökoprofil, Ökologischer Nutzwert oder Ökologische Buchhaltung betitelt.11
Ab 1990 wird in der Literatur von einem Boom in der Ökobilanzierung gesprochen, der die Industrie, Umweltbehörden, umweltpolitisch aktive Kreise und die breitere Öffentlichkeit erfasste. Die Untersuchungsobjekte verlagerten sich von Verpa- ckungen zu Chemikalien (besonders Wasch-, und Reinigungsmittel), Baustoffen, Windeln und Geschirr. Die letzten beiden galten in der Gesellschaft als umstrittene
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Abfallverursacher. Im Weiteren wurde eine unbekannte Anzahl Studien zu firmeninternen Fragestellungen erarbeitet, die nicht publiziert wurden.12
Ebenfalls zu Beginn der 90er Jahre wurde erstmals mit einem Vereinheitlichungs- prozess auf internationaler Ebene begonnen. Davor war die Ökobilanzlandschaft geprägt von unterschiedlichen nationalen Denkrichtungen, die in ihrer Arbeitswei- se sehr frei waren, was dazu führte, dass Studien zum gleichen Thema in ver- schiedenen Ländern zu entgegengesetzten Ergebnissen kamen. Somit kam die gesamte Ökobilanzforschung in Verruf, nur Artefakte zu generieren bzw. Resultate zu liefern, die einem bestimmten Interesse dienen. Dies machte sie allerdings äu- ßerst interessant für die Politik.13
Federführendes Organ bei der Strukturierung der Ökobilanz-Methodik war die Society of Environmental Toxicology and Chemistry (SETAC). So trug eine Ar- beitsgruppe der SETAC von 1990 an den internationalen Stand von Forschung und Praxis zusammen und veröffentlichte 1993 ihren „ Code of Practice “, welcher noch heute die Grundlage beim Aufbau einer Ökobilanz darstellt. Dieser „ Code of Practice “ wurde anschließend von der International Organization for Standardiza- tion (ISO) aufgegriffen und in einer eigenen Normungsreihe (ISO 14040ff.) als In- ternational Standard veröffentlicht. Andere Normungsausschüsse wie der deut- sche DIN-NAGUS oder der kanadische CAN/CSA griffen ebenfalls auf den „ Code of Practice “ der SETAC zurück.14
Als Katalysator für die Standardisierung der Ökobilanz-Methode gilt auch das Auf- kommen spezieller Ökobilanz-Software. In den 80er Jahren wurden zur Unterstüt- zung meistens Tabellenkalkulationsprogramme eingesetzt. Diese erwiesen sich allerdings als fehleranfällig und äußerst unflexibel. So stieg die Anzahl verkaufter Lizenzen von kommerzieller Ökobilanz-Software zwischen 1994 und 2004 von 800 auf über 5300. Diese speziell für Ökobilanzen programmierten Tools reduzieren den Arbeitsaufwand des Users auf die Datenerfassung und Modellierung und er- sparen die kostenaufwändige und kontinuierliche Pflege der Tabellen.15
Im Augenblick scheint die Ökobilanzierung ihren Platz als umweltspezifischer Teil einer allumfassenden Lebenszyklusanalyse von Produkten zu finden. Die weiteren Teile dieser Analyse sind der sozio-ökonomische und der soziale Bereich.16
2.2 Typen von Ökobilanzen
In der Literatur wird grundsätzlich nach dem Bilanzierungsobjekt in Produkt-, Be- triebs- und Prozessökobilanz unterschieden. Diese Arten sind allerdings nicht voll- kommen unterschiedlich, sondern sie bauen aufeinander auf. So ist die Prozessbi- lanz eine Verfeinerung der Betriebsbilanz und die Produktbilanz eine Verfeinerung der Prozessbilanz.17
Aufgrund der sehr komplexen Ausgestaltung von Ökobilanzen fordern Firmen und generell Anwender vereinfachte Methoden zur Umweltbewertung, da sie ein ganzes Portfolio an Produkten produzieren und bewerten müssen. Dies führte in den letzten Jahren zur Entwicklung und Erweiterung von Bewertungskennzahlen wie dem ökologischen Rucksack, dem ökologischen Fußabdruck und der ökologischen Knappheit.18 Aufgrund des Umfangs der Arbeit wird nachfolgend nur auf den ökologischen Fußabdruck eingegangen.
2.2.1 Die Betriebsökobilanz
Die Betriebsökobilanz wird auch Umweltbetriebsbilanz genannt und bezieht sich auf einen Produktionsstandort oder auf ein Unternehmen. Diese Ökobilanz erfasst für einen festgelegten Bilanzierungszeitraum, bspw. für ein Geschäftsjahr, alle in das Unternehmen einfließenden Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie alle zuge- kauften Teile, Halbfabrikate und Energien auf der Input-Seite und alle abfließen- den umweltrelevanten Schadstoffe, Energien, Abfälle und Produkte auf der Out- put-Seite. Die Ergebnisse können in Kennzahlen verdichtet und zeitlich oder bran- chenspezifisch verglichen werden. Sie geben somit einen Überblick über das Un- ternehmen, dienen allerdings nicht zur Identifikation und Behebung von Schwach- stellen.19
Betriebsökobilanzen können in Kernbilanz und Komplementärbilanz unterschieden werden. Die Kernbilanz umfasst Einwirkungen auf die Umwelt, die direkt vom Un- ternehmen ausgehen und die Komplementärbilanz erfasst die Umwelteinwirkungen in Drittunternehmen und Haushalten, bspw. Materialzulieferern, Energie- oder Entsorgungsunternehmen.20
2.2.2 Die Prozessökobilanz
Während die Betriebsökobilanz eine Gesamtdarstellung der Umweltbelastungen eines Unternehmens gibt, geht die Prozessökobilanz mehr ins Detail und liefert die Stoff- und Energieströme einzelner Prozesse innerhalb eines Unternehmens. Bilanzierungsobjekte können sowohl teil- und vollautomatisierte als auch weitgehend in Handarbeit durchgeführte Prozesse sein, die nach räumlichen, zeitlichen und funktionalen Kriterien abgegrenzt werden. Die Ergebnisse können dann zur Durchführung von Schwachstellenanalysen dienen. Werden innerhalb der Bilanzgrenzen der Prozessbilanz alle innerbetrieblichen Prozesse erfasst, so ist die erstellte Bilanz die Kernbilanz einer Betriebsökobilanz.21
2.2.3 Die Produktökobilanz
Als Untersuchungsobjekt für eine Produktökobilanz dient meist ein einzelnes Pro- dukt bzw. eine einzelne Dienstleistung. Die Analyse verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, das heißt, dass verschiedene Umweltbelastungen über die gesamte Le- benszeit analysiert, dokumentiert und quantifiziert werden. Dies umfasst die Ge- winnung und Herstellung einzelner Rohmaterialien, die Distribution, und den Ge- brauch bis zur Entsorgung des Produktes. Man spricht daher auch von einer Pro- duktbewertung „von der Wiege bis zur Bahre“ bzw. Lebenszyklusanalyse (Life Cycle Assessment, LCA).22
Produktökobilanzen sind daher geeignet Informationen über die gesamten entste- henden Umweltbelastungen eines Produktes bereitzustellen und die Umweltrele- vanz einzelner Abschnitte und Bereiche sowie eventuelle Verbesserungspotentiale aufzuzeigen. Im weiteren Sinne zeigen sie die ökologischen Vor- und Nachteile verschiedener Produkt- oder Dienstleistungssysteme mit vergleichbarer Leistung, bspw. Einwegverpackungen für Getränke im Vergleich zu wiederauffüllbaren Ver- packungen.23 Daher ist Schmidt der Meinung: „Will ein Unternehmen ein Produkt unter ökologischen Gesichtspunkten verbessern oder neu planen, so wird es eine Produktökobilanz erstellen oder erstellen lassen.“24
Der Lebensweg eines Produktes wird in Teilabschnitte und Teilprozesse zerlegt, wobei für jeden Teilprozess Informationen über den Input und den Output vorhan- den sein müssen. Über die Daten der eigentlichen Produktherstellung verfügt das Unternehmen meistens selbst. Daten über die Transporte, die Bereitstellung von Energie oder die Entsorgung der Abfälle werden oft aus allgemeinen Datenbanken entnommen. Diese Werte stellen Durchschnittswerte dar und stimmen damit nicht vollkommen mit der aktuellen Situation überein. Besonders schwierig wird die Be- reitstellung der Daten von Vorprodukten oder Werkstoffen. Hier kann eine firmen- übergreifende Kooperation helfen oder man greift auf veröffentlichte Daten zu- rück.25
2.2.4 Der ökologische Fußabdruck
Der ökologische Fußabdruck (ÖF) ist eine Methode die von Mathis Wackernagel und William Rees konzipiert wurde. Sie dient dazu abzuschätzen, wie viel Land- und Wasserfläche nötig ist, um für eine Bevölkerung kontinuierlich die Güter her- zustellen, die sie verbraucht, sowie den Abfall abzubauen, der beim Verbrauch anfällt. Der ÖF kann für ein Projekt, die Bevölkerung eines Landes oder für die gesamte Weltbevölkerung berechnet werden. Dazu werden die Fußabdrücke der einzelnen verbrauchten Güter ermittelt und addiert. Um den ÖF eines einzelnen Produktes zu ermitteln wird dessen Ökobilanz benötigt, die angibt wie viel Res- sourcen und Energie während des Lebenszyklus verbraucht werden. Die Res- sourcen und die Energie werden dann in die benötigte Fläche umgerechnet. So wird bspw. der Fossilenergieverbrauch in die Landfläche umgerechnet, die not- wendig ist um das freigesetzte CO2 wieder zu binden. Für Nahrungsmittel wird die Fläche berechnet, die für deren Produktion notwendig ist. Somit erhält man eine Kennzahl für ein Projekt oder ein Land, die sich sehr gut mit einem anderen Pro- jekt bzw. Land vergleichen lässt. Ergänzend kann abgeleitet werden wie schonend die Bevölkerung eines Landes mit seinen Ressourcen umgeht.26
[...]
1 Vgl. Siegenthaler (2006) S. 53 f.
2 Vgl. Siegenthaler (2006) S. 191.
3 Vgl. Siegenthaler (2006) S. 200 f.
4 Vgl. Sundmacher (2002) S. 22 ff.
5 Vgl. Siegenthaler (2006) S. 28.
6 Vgl. Rüegg-Stürm (2003) S. 17 ff.
7 Vgl. Rautenstrauch (1999) S. 22.
8 Vgl. Bieletzke (1999) S. 50; ebenso Siegenthaler (2006) S. 53.
9 Vgl. Siegenthaler (2006) S. 79 ff.
10 Vgl. Klöpffer/Renner (1995) S. 2.
11 Vgl. Siegenthaler (2006) S. 79.
12 Vgl. Klöppfer/Renner (1995) S. 3 ff.
13 Vgl. Siegenthaler (2006) S. 86 ff.
14 Vgl. Sundmacher (2002) S. 21; ebenso UNEP/SETAC (2011) S. 33 f online.
15 Vgl. Siegenthaler (2006) S. 230 ff.
16 Vgl. UNEP/SETAC (2011) S. 32 ff online.
17 Vgl. Rautenstrauch (1999) S. 25.
18 Vgl. Feifel u.a. (2010) S. 46.
19 Vgl. Gómez (2001) S. 6.
20 Vgl. Schmidt (1995) S. 10f.
21 Vgl. Gómez (2001) S. 7.
22 Vgl. Griegrich et al. (1995) S. 121.
23 Vgl. Griegrich et al. (1995) S. 122.
24 Schmidt (1997a) S. 13.
25 Vgl. Schmidt (1997a) S. 14 ff.
26 Vgl. Wackernagel/Rees (1997) S. 83 ff.
- Arbeit zitieren
- Ing. BA Franz Öller (Autor:in), 2011, Die Relevanz von Ökobilanzen bei der Entscheidung des Ausbaus des öffentlichen Personennahverkehrs dargestellt am Beispiel der Erweiterung der U2 nach Seestadt Aspern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197887
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